TE Vfgh Erkenntnis 2021/3/1 V47/2019

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Veröffentlicht am 01.03.2021
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z6
B-VG Art148i Abs2
Vlbg RaumplanungsG 1996 §2, §3, §11, §16, §28, §29, §35
Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" der Gemeinde Bürserberg
VfGG §7 Abs1
  1. B-VG Art. 139 heute
  2. B-VG Art. 139 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 139 gültig von 30.11.1996 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 659/1996
  6. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.1991 bis 29.11.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  7. B-VG Art. 139 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 139 gültig von 21.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  9. B-VG Art. 139 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  10. B-VG Art. 139 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 148i heute
  2. B-VG Art. 148i gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 148i gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 1/2012
  4. B-VG Art. 148i gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 148i gültig von 01.08.1981 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit eines Teilbebauungsplans einer Vorarlberger Gemeinde; Durchführung einer angemessenen Grundlagenforschung sowie einer hinreichenden Interessenabwägung betreffend die Widmung als Baufläche-Wohngebiet; kein Widerspruch des – nunmehr zur verdichteten Bebauung berechtigenden – Teilbebauungsplans zum räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs2 B-VG und Art60 Abs2 Vorarlberger Landesverfassung gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg die Aufhebung "des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' der Gemeinde Bürserberg in der Fassung der Kundmachung der Gemeinde Bürserberg vom 07.01.2019 auf Grund des Beschlusses der Gemeindevertretung Bürserberg vom 18.07.2018 und der Genehmigung der Vorarlberger Landesregierung vom 19.12.2018, ZI. VIIa-50.030.16-6, betreffend die Grundstücke Nr 2700/10, 2700/9, 2700/8, 2700/7 und 2700/6, alle GB Bürserberg, GZ: 15118/2012, wegen Gesetzwidrigkeit".

II. Rechtslage

1. Die hier maßgeblichen §§2, 3, 11, 16, 28, 29 und 35 des Vorarlberger Gesetzes über die Raumplanung, LGBl 39/1996, in der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda" in Geltung stehenden Fassung LGBl 78/2017 (im Folgenden: Vbg RPG) lauten auszugsweise:

"§2

Raumplanungsziele

(1) Die Raumplanung hat eine dem allgemeinen Besten dienende Gesamtgestaltung des Landesgebiets anzustreben.

(2) Ziele der Raumplanung sind

a) die nachhaltige Sicherung der räumlichen Existenzgrundlagen der Menschen, besonders für Wohnen und Arbeiten,

b) die Erhaltung der Vielfalt von Natur und Landschaft,

c) der bestmögliche Ausgleich der sonstigen Anforderungen an das Gebiet.

(3) Bei der Planung sind insbesondere folgende weitere Ziele zu beachten:

a) Mit Grund und Boden ist haushälterisch umzugehen, insbesondere sind Bauflächen bodensparend zu nutzen.

b) Die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten.

c) Die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile sowie die Trinkwasserreserven sollen erhalten bleiben.

d) Die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Freiräume sollen erhalten bleiben.

e) Flächen mit wichtigen Rohstoffvorkommen sind von Nutzungen, die ihre Gewinnung verhindern oder erheblich erschweren, freizuhalten.

f) Die für die Land- und Forstwirtschaft besonders geeigneten Flächen dürfen für andere Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.

g) Die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs benötigten Flächen sollen nicht für Ferienwohnungen verwendet werden.

h) Die äußeren Siedlungsränder sollen nicht weiter ausgedehnt werden.

i) Gebiete und Flächen für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen sind einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden.

j) Räumlichen Strukturen, die zu unnötigem motorisierten Individualverkehr führen, ist entgegenzuwirken.

k) Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind geeignete Standorte festzulegen.

[…]

§3

Interessenabwägung

Bei der Raumplanung sind alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im §2 angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.

III. Hauptstück

Raumplanung durch die Gemeinden

1. Abschnitt

Räumliches Entwicklungskonzept

§11

(1) Die Gemeindevertretung soll als Grundlage für die Flächenwidmungs- und die Bebauungsplanung unter Abwägung der Interessen nach §3 für das gesamte Gemeindegebiet bzw Teile desselben ein räumliches Entwicklungskonzept für die Gemeinde erstellen. Dieses soll insbesondere grundsätzliche Aussagen enthalten über

a) die wesentlichen örtlichen Vorzüge, deren Erhaltung und mögliche Verbesserung,

b) die Aufgaben in der Region und die übergemeindliche Zusammenarbeit,

c) die angestrebte Wirtschaftsstruktur,

d) die zu sichernden Freiräume für die Landwirtschaft, die Erhaltung und Entwicklung von Natur und Landschaft sowie für Kinder und Jugendliche und die Naherholung,

e) die zu sichernden Freiräume zum Schutz vor Naturgefahren,

f) die angestrebte Siedlungsgestaltung und Entwicklung und Gliederung der Bauflächen sowie die zeitliche Abfolge der Bebauung unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Infrastruktur, des Schutzes vor Naturgefahren und der Energieeffizienz,

g) […]

§16

Ferienwohnungen

(1) In Kern-, Wohn- und Mischgebieten können mit Widmung besondere Flächen festgelegt werden, auf denen bei Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes (§28) auch oder nur Ferienwohnungen errichtet werden dürfen.

(2) Als Ferienwohnung gelten Wohnungen oder Wohnräume, die nicht der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs dienen, sondern während des Urlaubs, der Ferien oder sonst zu Erholungszwecken nur zeitweilig benützt werden. Nicht als Ferienwohnung gelten Wohnungen und Wohnräume, die Zwecken der gewerblichen Beherbergung von Gästen oder der Privatzimmervermietung dienen, wenn tagsüber die ständige Anwesenheit einer Ansprechperson gewährleistet ist. Verfügungsrechte über Wohnungen und Wohnräume, die über den üblichen gastgewerblichen Beherbergungsvertrag hinausgehen, schließen die Annahme einer gewerblichen Beherbergung jedenfalls aus. Ebenfalls nicht als Ferienwohnungen gelten Mobilheime und Bungalows auf Campingplätzen nach dem Campingplatzgesetz.

(3) Die Errichtung bzw die Nutzung von Wohnungen oder Wohnräumen als Ferienwohnung ist – abgesehen von der Ausnahme nach Abs4 – nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Abs1 erfüllt sind. In Gebäuden auf Flächen, auf denen nur Ferienwohnungen errichtet werden dürfen, darf ein ständiger Wohnsitz nicht begründet und aufrechterhalten werden.

(4) […]

3. Abschnitt

Bebauungsplan

§28

Allgemeines

(1) Die Gemeindevertretung hat unter Abwägung der Interessen nach §3 durch Verordnung einen Bebauungsplan zu erlassen, wenn es aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung erforderlich ist, insbesondere wenn

a) ein neues Gebiet bebaut oder ein schon bebautes Gebiet neu gestaltet werden soll,

b) es aus Gründen des Landschafts- und Ortsbildes notwendig ist,

c) […]

(2) Der Bebauungsplan darf einem Landesraumplan und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen und hat insbesondere zu berücksichtigen

a) die im §2 genannten Ziele,

b) die örtlichen Verhältnisse,

c) das Landschafts- und Ortsbild,

d) den Schutz vor Naturgefahren,

e) die zweckmäßige räumliche Verteilung von Gebäuden und Anlagen,

f) die Vermeidung von Belästigungen durch Lärm, Geruch und andere störende Einflüsse,

g) die Sicherung eines ausreichenden Maßes an Licht, Luft und Bewegungsmöglichkeit für die Menschen,

h) die Steigerung der Energieeffizienz und die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien,

i) die Interessen der Sicherheit und des Verkehrs, insbesondere den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer.

(3) […]

§29

Verfahren, Allgemeines

(1) Der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf eines Bebauungsplanes ist einen Monat im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist ortsüblich kundzumachen. Während der Auflagefrist ist im Gemeindeamt ein allgemein verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Bebauungsplanes in der erforderlichen Anzahl aufzulegen. […]

(2) Während der Auflagefrist kann jeder Gemeindebürger oder Eigentümer von Grundstücken, auf die sich der Bebauungsplan bezieht, zum Entwurf schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstatten. Darauf ist in der Kundmachung nach Abs1 hinzuweisen. Eingelangte Änderungsvorschläge sind der Gemeindevertretung vor der Beschlussfassung über den Bebauungsplan zur Kenntnis zu bringen.

(3) Ein von der Gemeindevertretung beschlossener Bebauungsplan ist vor dessen Kundmachung der Landesregierung samt dem Erläuterungsbericht, den Änderungsvorschlägen und den Stellungnahmen in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Der Bebauungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung.

(4) Die Landesregierung hat die Genehmigung zu versagen, wenn der Bebauungsplan

a) den im §2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,

b) überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt.

(5) Der Bebauungsplan ist durch Bescheid zu genehmigen, wenn kein Versagungsgrund nach Abs4 vorliegt. […]

§35

Wirkung, Ausnahmebewilligung

(1) […]

(2) Der Gemeindevorstand kann auf Antrag des Grundeigentümers mit Bescheid Ausnahmen von auf der Grundlage der §§28 und 31 bis 34 ergangenen Verordnungen bewilligen, wenn sie den Zielen der von den Ausnahmen betroffenen Verordnungen, den im §2 genannten Raumplanungszielen, einem Landesraumplan und dem räumlichen Entwicklungskonzept nicht entgegenstehen. […]

(3) Für die Bewilligung von Ausnahmen ist abweichend von Abs2 die Gemeindevertretung zuständig, wenn eine Ausnahme folgendes Ausmaß überschreitet:

a) […]"

2. Die hier maßgeblichen §§11, 28 und 61 des Vorarlberger Gesetzes über die Raumplanung, LGBl 39/1996, in der ab 1. März 2019 geltenden Fassung LGBl 4/2019 lauten auszugsweise:

"2. Abschnitt

Räumlicher Entwicklungsplan

§11

(1) Die Gemeindevertretung hat als Grundlage insbesondere für die Flächenwidmungs- und die Bebauungsplanung unter Abwägung der Interessen nach §3 für das gesamte Gemeindegebiet durch Verordnung einen räumlichen Entwicklungsplan zu erlassen. Die Verordnung richtet sich ausschließlich an die Gemeinde als Grundlage für Planungen und Maßnahmen nach diesem Hauptstück. Der räumliche Entwicklungsplan hat grundsätzliche Aussagen zu enthalten über

a) […]

f) die angestrebte Siedlungsentwicklung; dabei sind insbesondere Siedlungsschwerpunkte, Verdichtungszonen, Freiräume für die Naherholung sowie die Gliederung der Bauflächen einschließlich der zeitlichen Abfolge der Bebauung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Infrastruktur, des Schutzes vor Naturgefahren, des Klimawandels und der Energieeffizienz zu berücksichtigen,

g) […]

4. Abschnitt

Bebauungsplan

§28

Allgemeines

(1) Die Gemeindevertretung hat unter Abwägung der Interessen nach §3 durch Verordnung einen Bebauungsplan zu erlassen, wenn es aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung erforderlich ist, insbesondere wenn

a) ein neues Gebiet bebaut oder ein schon bebautes Gebiet neu gestaltet werden soll,

b) es aus Gründen des Landschafts- und Ortsbildes oder des Schutzes vor Naturgefahren notwendig ist,

c) […]

(2) Der Bebauungsplan darf einem Landesraumplan, dem räumlichen Entwicklungsplan und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen und hat insbesondere zu berücksichtigen

a) die im §2 genannten Ziele,

b) die örtlichen Verhältnisse,

c) das Landschafts- und Ortsbild,

d) den Schutz vor Naturgefahren,

e) die zweckmäßige räumliche Verteilung von Gebäuden und Anlagen,

f) die zweckmäßige Dichte der Bebauung von Bauflächen,

g) die Vermeidung von Belästigungen durch Lärm, Geruch und andere störende Einflüsse,

h) die Sicherung eines ausreichenden Maßes an Licht, Luft und Bewegungsmöglichkeit für die Menschen,

i) die Steigerung der Energieeffizienz und die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien,

j) die Interessen der Sicherheit und des Verkehrs, insbesondere den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer.

(3) […]

§61

Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zur Novelle LGBl Nr 4/2019

(1) […]

(6) Vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl Nr 4/2019 bestehende und als Verordnung kundgemachte räumliche Entwicklungskonzepte gelten als räumliche Entwicklungspläne im Sinne des §11 Abs1 in der Fassung LGBl Nr 4/2019; sie sind bis spätestens 31. Dezember 2022 einer Überprüfung und erforderlichenfalls einer Anpassung nach §11b Abs2 in der Fassung LGBl Nr 4/2019 zu unterziehen.

(7) […]"

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 2003 erließ die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg für das Gebiet Tschengla den Teilbebauungsplan "Ferienwohngebiet Tschengla". Dieser orientierte sich unter anderem am "Charakter der bestehenden Wohnsiedlungen in Form einer offenen Siedlungsstruktur" und sah "keine dichte Bebauung in diesem parkartig geprägten Ferienwohngebiet" vor.

1.2. Am 11. Juni 2008 fasste die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg einen Beschluss hinsichtlich eines räumlichen Entwicklungskonzeptes, das unter anderem einen Hinweis auf "zukünftige Problemfelder" im Zusammenhang mit (de facto als Zweitwohnsitz genutzten) Ferienwohnungen und Maßnahmen zur Beschränkung bzw Rücknahme bestehender Widmungen für Ferienwohnungen enthält. Am 7. Jänner 2019 wurde das räumliche Entwicklungskonzept von der Gemeinde durch Anschlag an der Amtstafel als Verordnung kundgemacht.

1.3. 2011 wurden auch die vom nunmehr angefochtenen Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" erfassten Flächen im Gebiet Tschengla in "Baufläche-Wohngebiet", auf der auch Ferienwohnungen errichtet werden dürfen, umgewidmet. Hintergrund dieser Umwidmung war unter anderem ein – auf Basis der Vorgaben des räumlichen Entwicklungskonzeptes durchgeführter – Grundtausch. Bestimmte landschaftlich wertvolle Grundstücksflächen, die in "Freifläche-Landwirtschaft" rückgewidmet werden sollten ("Nagelier"), wurden – zu Lasten der betroffenen Grundstückseigentümer – mit den vom nunmehrigen Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" erfassten Flächen getauscht.

1.4. Mit Bescheid vom 28. März 2017 erteilte die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg zwei Personen nach entsprechender Antragstellung zur Errichtung von Ferienwohnanlagen mit Appartements (auf den Grundstücksflächen der "Tschengla Halda") Ausnahmen von mehreren Bestimmungen des Teilbebauungsplanes "Ferienwohngebiet Tschengla" gemäß §35 Abs3 Vbg RPG. Die geplanten Ferienhausanlagen wichen hinsichtlich Grundriss, Größe, Traufenhöhe, Geschossanzahl und Dachform erheblich von den Vorgaben des bestehenden Teilbebauungsplanes "Ferienwohngebiet Tschengla" ab. In der Bescheidbegründung wurde unter anderem ausgeführt, dass bei der Einbeziehung des Gebietes "Tschengla Halda" in den Teilbebauungsplan "Ferienwohngebiet Tschengla" (vermutlich versehentlich) unterlassen worden sei, auf die Besonderheiten dieses Gebietes in einer diesbezüglichen Anpassung einzelner Teile des Teilbebauungsplanes einzugehen. Nach Erteilung der Ausnahmebewilligungen wurde durch die Gemeinde Bürserberg die Stellungnahme eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Bauwesen und Immobilien eingeholt. Dieser stellte im Wesentlichen fest, dass die erteilten Ausnahmebewilligungen ausführlich und schlüssig seien und auf der detaillierten Stellungnahme des Raumplanungsausschusses basierten.

1.5. In weiterer Folge teilte die Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Vorarlberger Landesregierung der zuständigen Gemeindeaufsichtsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Bludenz) nach entsprechender Anfrage am 16. November 2017 mit, dass die Erteilung von Ausnahmen vom Teilbebauungsplan "Ferienwohngebiet Tschengla" für das von der Ausnahmebewilligung erfasste Bauvorhaben nicht zulässig und eine Aufhebung oder grundlegende Änderung des Bebauungsplanes erforderlich sei.

1.6. Die Anträge auf Erteilung der Ausnahmebewilligungen gemäß §35 Abs3 Vbg RPG wurden daraufhin zurückgezogen, das Verfahren durch die Gemeinde Bürserberg eingestellt und ein Ziviltechnikerunternehmen mit der Ausarbeitung von Entwürfen für zwei neue Teilbebauungspläne (den Teilbebauungsplan "Ferienwohngebiet Tschengla" und den nunmehr angefochtenen Teilbebauungsplan "Tschengla Halda") beauftragt. Der Entwurf für den Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" sah neben anderen Abweichungen vom bisher geltenden Bebauungsplan auch eine Verdichtung der Bebauung auf den davon erfassten Grundstücken (in steiler Hanglage) vor. Er wurde infolge einer Besprechung zwischen Vertretern der verordnungserlassenden Behörde, Mitarbeitern des Ziviltechnikerunternehmens und Amtssachverständigen der Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Vorarlberger Landesregierung am 20. April 2018 entsprechend abgeändert und weiterentwickelt. Im Zuge der öffentlichen Auflage des Entwurfes vom 15. Juni bis 16. Juli 2018 wurden sieben Stellungnahmen eingereicht. Am 18. Juli 2018 erfolgte durch die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg – nach ausführlicher Beratung über die eingelangten Stellungnahmen – der Beschluss hinsichtlich des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda".

1.7. Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 wurde der Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" der Vorarlberger Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorgelegt. Nach Aufforderung durch die Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Vorarlberger Landesregierung reichte die Gemeinde Bürserberg am 23. November 2018 eine Stellungnahme des für den Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" verantwortlichen Ziviltechnikerunternehmens nach, in der insbesondere die im Auflageverfahren eingebrachten Einwendungen beurteilt wurden. Der Amtssachverständige der Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Vorarlberger Landesregierung bestätigte die Nachvollziehbarkeit dieser Beurteilung mit Aktenvermerk vom 10. Dezember 2018. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 wurde der Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" aufsichtsbehördlich genehmigt. Vom 7. bis 29. Jänner 2019 erfolgte die Kundmachung des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda" an der Amtstafel der Gemeinde Bürserberg.

2. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar:

"4.1.

Gemäß §28 RPG hat die Gemeindevertretung unter Abwägung der Interessen nach §3 RPG durch Verordnung einen Bebauungsplan zu erlassen, wenn es aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung erforderlich ist, insbesondere wenn ein neues Gebiet bebaut werden soll. Der Bebauungsplan darf einem Landesraumplan und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen und muss ua die in §2 RPG genannten Raumplanungsziele berücksichtigen.

Nach §11 RPG dient das räumliche Entwicklungskonzept (REK) als Grundlage für die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung und hat grundsätzliche Aussagen zu enthalten, die für die räumliche Entwicklung von Bedeutung sind. Im Umkehrschluss hat dies die Wirkung, dass der Bebauungsplan auch dem REK nicht widersprechen darf.

Das Gebiet des neu erlassenen Teilbebauungsplans 'Tschengla -Halda' besteht aus einer Fläche von lediglich 3.500 m2 und ist Teil des zuvor auf diesem Gebiet gültigen Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla'. Bereits im Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' wurden Bestimmungen für die Errichtung neuer Bauten durch Vorgaben von Baukörperform, Grundriss und Größe, Traufenhöhe, Geschosszahl und Dachform festgelegt.

Die Umrechnung des Grundrisses, Traufenhöhe und Bebauungsdichte des Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla' ergibt eine geschätzte Summe von 242 m2 erlaubter bebauter Fläche. Der neu erlassene Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' gibt im Vergleich dazu eine Baunutzungszahl von 65 vor, was umgerechnet einer zulässigen Gesamtgeschossfläche von 390 m2 entspricht (bei der Annahme, dass das zu bebauende Grundstück 600 m2 groß ist). Die Verdichtung der Bebauung erhöht sich sohin um mehr als die Hälfte (rund 61,5 %).

Diese punktuelle Verdichtung entspricht nicht dem derzeitigen Ortsbild der Gemeinde Bürserberg, welches durch eine lockere Siedlungsstruktur geprägt ist. Die dort bebauten Flächen sind insbesondere in den Streusiedlungen und hier wiederum vor allem im Ortsteil Tschengla von Freiflächen durchsetzt. Im von der Gemeinde Bürserberg am 06.06.2008 beschlossenen REK, welches seit dessen erneuter Kundmachung mit 07.01.2019 als REP und somit als Verordnung gilt, wird auf die negativen Auswirkungen des großen Ausmaßes der Bauflächenreserven in Kombination mit einem großen Anteil jener Bauflächen, auf welchen die Errichtung von Ferienwohnungen zulässig ist, hingewiesen. Als eine Maßnahme der zukünftigen Siedlungsentwicklung wird empfohlen, die bestehenden Widmungen für Ferienwohnungen zu beschränken bzw zurückzunehmen. Mit dem Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' wird im Widerspruch dazu eine Erhöhung der Geschoßfläche um mehr als die Hälfte gegenüber dem bisher rechtskräftigen Bebauungsplan ermöglicht und dadurch eine Verdichtung der Bebauung forciert.

4.2.

Während der Auflagefrist zur öffentlichen Einsichtnahme des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' gemeinsam mit dem Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' vom 15.06.2018 bis 16.07.2018[…], langten zu beiden Bebauungsplänen insgesamt sieben Änderungsvorschläge ein.

Darin wurde mitunter beanstandet, dass es sich beim Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' um eine bestellte Planung zur rechtlichen Absicherung einer beschlossenen Genehmigung zugute zweier Gesellschaften handle und das öffentliche Interesse zu bezweifeln sei. Die punktuelle, verdichtete Bebauung werde rein aus wirtschaftlichen Interessen ermöglicht. Da die Baunutzzahl von 65 lediglich für 5 Grundparzellen gelte und vom Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' wesentlich abweiche, handle es sich um eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber umliegender Grundstücke und seien keine Gründe zu erkennen, warum für eben diese 5 Grundstücke ein anderer Bebauungsplan gelten solle.

Zudem wurde vorgebracht, dass durch die Vorgaben des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' kein normales Wohnhaus, wie es auf der Tschengla üblich sei (mit Satteldach und 2,5 Geschosse über dem projektierten Gelände), mehr gebaut werden könne. Der Teilbebauungsplan sei nur auf finanzstarke Bauträger abgestimmt und verunmögliche, dass ein normaler Bürger ein einfaches Ein- bzw Zweifamilienhaus bauen könne. Auch sei der Gemeinde Bürserberg bekannt, dass die Tauschgrundstücke Halda mit Freizeitwohnsitz Widmung (BWF) Grundflächen zwischen 635,90 m2 und 663,24 m2 ausweisen würden und daher unter den Vorgaben des Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla' von mindestens 800,00 m2 für Bauland Grundstücke liegen.

Mit Schreiben vom 16.07.2018 reichte auch der Landesvolksanwalt eine Stellungnahme zum Entwurf des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' ein. Darin wurden insbesondere die Widersprüche zum geltenden REK, welches folglich als Verordnung (REP) kundgemacht wurde, aufgezeigt. Vorgebracht wurde, dass die durch den neuen Teilbebauungsplan entstehende Verdichtung der Bebauung um mehr als die Hälfte (etwa 61,5 %) nicht dem derzeitigen 'Ortsbild' der Gemeinde Bürserberg entspreche, welches durch eine lockere Siedlungsstruktur geprägt ist. Auch habe keine Interessenabwägung, welche gemäß §3 RPG dem Gesamtwohl der Bevölkerung zu entsprechen habe, stattgefunden. Demnach stelle nach Ansicht des Landesvolksanwaltes der zugehörige Erläuterungsbericht mangels ausreichend durchgeführter Interessenabwägung keine geeignete Grundlage zur Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Erlassung dieses Teilbebauungsplanes dar.

Auf diese Einwendungen folgte seitens der Gemeinde Bürserberg erst nach Urgenz der Raumplanungsabteilung des Landes eine Stellungnahme in Form einer 'raumplanungsfachlichen Beurteilung der während der Auflagefrist eingelangten Änderungsvorschläge' durch das Büro […] GmbH.

Darin wurde mehrfach ausgeführt, dass im Bereich der gegenständlichen Hangreihe Tschengla Halda aufgrund der guten Erschließungssituation, der Topographie und des Sichtschutzes durch den darunter liegenden hochstämmigen Wald eine bauliche Verdichtung im festgelegten Ausmaß vertretbar sei. Diese Argumentation wurde umgehend releviert, indem von den betroffenen Grundstückseigentümern vorgebracht wurde, dass der angesprochene Sichtschutz aufgrund der ihnen seitens der Gemeinde zugesagten Rodung des Waldes nicht auf Dauer vorhanden sein wird. Dem wurde in der Beurteilung wiederum entgegnet, dass die bauliche Verdichtung im festgelegten Ausmaß auch ohne den Sichtschutz durch den Wald vertretbar sei. Inwiefern nun ein Sichtschutz durch den (noch bestehenden) Wald maßgeblich und für die Beurteilung der Zulässigkeit des Teilbebauungsplanes wesentlich ist, bleibt offen. Jedenfalls erweckt dieser Widerspruch Zweifel an der Aussagekraft dieses Gutachtens und geht der Landesvolksanwalt daher davon aus, dass die Gemeinde Bürserberg den gegenständlichen Teilbebauungsplan geändert hat, ohne mit der entsprechenden Sorgfalt und Erforschung der Grundlagen ein angemessenes Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Ähnlich den Verfahren zur Erteilung der Ausnahmegenehmigungen nach §35 RPG, wurde im Verfahren zur Änderung des Teilbebauungsplanes erst nach Aufforderung der Gemeinde ein entsprechendes Gutachten nachgereicht. Dass hier in allen Verfahren zunächst davon abgesehen wird, ein notwendiges Gutachten zur Genehmigungsfähigkeit derartig umfassender Abweichungen vom ursprünglichen Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' einzuholen, erweckt den Anschein, dass selbst der Gemeinde die mangelnde Konformität der geplanten Vorhaben auf dem gegenständlichen Gebiet bewusst ist. Dies zeigt sich auch insbesondere daran, dass selbst das nachgereichte Gutachten im Verfahren zur Änderung des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' keine stichhaltigen Argumente zur Vereinbarkeit der geplanten Verdichtung der Bebauung liefert, sondern beinahe ausschließlich auf den Sichtschutz durch den vorliegenden Wald und die mangelnde Sichtbarkeit der geplanten Bebauung abgestellt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Raumplanungsrecht (vgl VfSlg 8280/1978, 10.711/1985, 12.926/1991, 19.890/2014) kommt den Vorschriften des Raumplanungsrechtes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen für rechtsverbindliche Planungen besondere Bedeutung zu. Der Verfassungsgerichtshof hat in solchen Fällen im Verordnungsprüfungsverfahren nach Art139 B-VG zu prüfen, ob der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise eingehalten hat. Insbesondere zur Durchsetzung der im §2 RPG angeführten Raumplanungsziele ist die Durchführung einer Grundlagenforschung unabdingbar (vgl auch VfSlg 19.126/2010, 19.760/2013). Diese Grundlagenforschung hat in allgemeinen Überlegungen zu bestehen, welche die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind (vgl VfGH, 23.02.2017, V76/2016).

Demgemäß stellt der VfGH an Verfahren zur Erlassung rechtsverbindlicher Verordnungen hohe Ansprüche, nicht allein deshalb, da keine Rechtsmittelmöglichkeiten dagegen bestehen.

Im vorliegenden Fall geht nicht ausreichend hervor, inwiefern die Gemeinde Bürserberg vor Erlassung des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' eine angemessene Grundlagenforschung durchgeführt hat. Vielmehr wurden sachverständige Personen erst nach Aufforderung der Gemeinde hierzu herangezogen und macht das Vorgehen der Gemeinde insgesamt den Anschein, diesen Teilbebauungsplan aus Anlass der geplanten Bauvorhaben erlassen zu haben um diese Vorhaben zu ermöglichen und die vorab ergangenen, mangelhaften Ausnahmegenehmigungen zu umgehen.

4.3.

Gemäß §3 RPG ist bei der Erlassung eines Bebauungsplanes eine Interessensabwägung durchzuführen, die dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich eine Interessensabwägung an folgenden Grundsätzen zu orientieren:

1. Alle für oder gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen sind zu berücksichtigen.

2. Die für und gegen das Vorhaben sprechenden Argumente sind in gleicher Weise möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen, um die Wertentscheidung der Interessensabwägung transparent und nachvollziehbar zu machen.

3. Mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung korrespondiert die Verpflichtung zu deren Begründung.

Folgt man diesen Grundsätzen, so wird der Erläuterungsbericht der Gemeinde Bürserberg zum Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' einer konformen Interessenabwägung nicht gerecht: Eine Gegenüberstellung von Argumenten hinsichtlich transparenter und nachvollziehbarer Wertentscheidung fehlt ebenso wie deren Begründung.

Im Erläuterungsbericht wird lediglich ausgeführt, dass im Bereich Tschengla Halda aufgrund der guten Erschließungssituation, der Topographie (Hanglage) und des Sichtschutzes durch den hochstämmigen Wald eine maßvolle bauliche Verdichtung vertretbar ist. Auf nähere Ausführungen und Erläuterungen wird verzichtet.

Aus dieser Argumentation lässt sich kein öffentliches Interesse zu einer maßvollen baulichen Verdichtung ableiten, zumal das REK 2008 explizit an mehreren Stellen darauf hinweist, dass bereits ein Überhang an Ferienwohnungen besteht und diese Entwicklung vornehmlich einzuschränken als auszuweiten ist.

An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass bei dem eingangs erwähnten Grundtausch aufgrund der Rückwidmung im Gebiet 'Nagelier' den neuen Grundstücksbesitzern von der Gemeinde Bürserberg versprochen wurde, genau diesen hochstämmigen Wald zu roden um auch den zukünftigen, tiefer liegenden Grundstücksbesitzern eine gute Aussicht zu gewährleisten. Bei den Verhandlungen bzgl. der Tauschgrundstücke sei den neuen Grundstücksbesitzern die zukünftige Bebauung mit einzelnen kleinen Ferienwohnhäusern entsprechend dem zu dieser Zeit geltenden Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' als Grundlage zugesichert worden. Die eingereichten Ferienwohnhausprojekte standen in Widerspruch zu diesen Aussagen. Warum die Gemeinde im folgenden Verfahren zur Erlassung des neuen Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' ihr eigenes Versprechen, eine Rodung des unterhalb liegenden Waldes vorzunehmen nicht weiter berücksichtigte, ist fraglich. Von einem Versehen ist nicht auszugehen, zumal das Hauptargument des Sachverständigen zur Genehmigungsfähigkeit einer derart dichten Bebauung vorwiegend auf dem vorliegenden Sichtschutz durch eben diesen Wald basierte.

Nach Ansicht des Landesvolksanwalts liegt aufgrund der nur unzureichend durchgeführten Interessensabwägung keine geeignete Grundlage für die Entscheidung vor, ob die Erlassung eines neuen Teilbebauungsplanes für das Gebiet Tschengla Halda zweckmäßig ist. Auch widerspricht der zu erlassende Teilbebauungsplan dem derzeit gültigen REK 2008, welches nunmehr als Verordnung kundgemacht wurde und künftig als REP gilt.

4.4.

Darüber hinaus kann der Umstand nicht unerwähnt bleiben, dass im Vorfeld bereits Ausnahmegenehmigungen vom zuvor für das gegenständliche Gebiet gültigen Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla', für die bereits projektierten Bauvorhaben der […] GmbH und der […] GmbH erteilt wurden, mit eben dem Ziel, das Maß der baulichen Nutzung zu vergrößern.

Bereits diese Ausnahmegenehmigungen waren mit verfahrenstechnischen Mängeln behaftet. Den Bestimmungen des Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla' zufolge, ist vor Erteilung von Ausnahmebewilligungen ein Sachverständiger zu hören. Da der von der Gemeinde im Nachhinein beigezogene Sachverständige nicht die notwendige Qualifikation eines sachkundigen Raumplaners hatte, waren die erteilten Ausnahmegenehmigungsbescheide gemäß §35 Abs4 RPG mit Nichtigkeit bedroht.

Gemäß §35 Abs2 iVm Abs3 RPG kann die Gemeindevertretung auf Antrag eines Grundeigentümers mit Bescheid Ausnahmen von auf der Grundlage der §§28 und 31 bis 34 RPG ergangenen Verordnungen bewilligen, wenn sie den Zielen der von den Ausnahmen betroffenen Verordnungen, den Raumplanungszielen nach §2 RPG, einem Landesraumplan und dem räumlichen Entwicklungskonzept nicht entgegenstehen. Die Bewilligung liegt im behördlichen Ermessen. Entgegen den Bestimmungen der §35 Abs1 bis 3 erlassene Bescheide sind nach Abs4 leg cit mit Nichtigkeit bedroht.

Im gegenständlichen Verfahren war zur Entscheidung der beantragten Ausnahmebewilligung die Gemeindevertretung zuständig, da die Abweichungen des eingereichten Projektes zum Teilbebauungsplan die in §35 Abs3 RPG festgelegten Grenzen überschreiten. Die Beurteilung der Frage, ob die Kriterien des §35 Abs2 RPG einer Ausnahmebewilligung als Ermessensentscheidung entgegenstehen, setzt dabei besondere Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Raumplanung voraus.

In Bezug auf die Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigungen war fraglich, ob und gegebenenfalls inwieweit, die eingereichten Objekte den Zielen des Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla' widersprechen.

Diese Ziele sind in Punkt 2. des Teilbebauungsplanes wie folgt beschrieben:

• Die vorhandene Landschaft mit der spezifischen Topographie erfüllt die typischen Voraussetzungen für eine Erholungslandschaft. Langfristige Erhaltung der Qualität der Naherholungslandschaft Tschengla mit den abwechslungsreichen naturräumlichen Strukturen.

• Der Charakter der bestehenden Wohnsiedlungen in Form einer offenen Siedlungsstruktur soll im Wesentlichen erhalten bleiben. Keine dichte Bebauung in diesem parkartig geprägten Ferienwohngebiet.

• Landschaftsbildlich angepasste Wohn- und Ferienwohnbebauung unter Berücksichtigung der Topographie, Parzellenstruktur, Erschließung und bestehenden Bebauung.

• Die parkartige offene abwechslungsreiche Siedlungslandschaft sollte durch landwirtschaftliche Maßnahmen erhalten bzw gestärkt werden. Wohnen in Mitten eines Gebietes mit waldartigen Strukturen entspricht nicht dem Charakter einer Wohn- und Ferienwohnsiedlung.

Gleichermaßen enthält der Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' unter Punkt 6. die Bestimmung, dass vor einer Erteilung von Ausnahmebewilligungen ein Sachverständiger zu hören ist. Das Sachverständigengutachten hat zu klären, ob die Bewilligung einer Ausnahme mit den Zielen des Teilbebauungsplanes, den in §2 RPG genannten Raumplanungszielen, dem Landesraumplan oder dem räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde Bürserberg vereinbar ist.

Seitens der Gemeinde Bürserberg wurde vor Erteilung der gegenständlichen Ausnahmebewilligungen kein entsprechendes Sachverständigengutachten eingeholt.

Nach Ansicht des Landesvolksanwaltes wäre die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg verpflichtet gewesen, in den Ermittlungsverfahren über die beantragten Ausnahmegenehmigungen vom Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' eine sachverständige Person aus dem Fachbereich der Raumplanung beizuziehen. Denn weder die Mitglieder des Raumplanungsausschusses noch die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter als Organwalter der zuständigen Behörde verfügen über das notwendige Sachwissen, um die Kriterien des §35 Abs2 RPG selbst beurteilen zu können.

Da die Beiziehung einer sachverständigen Person unterlassen wurde, lagen dem Verfahren gemäß §35 Abs2 iVm §3 RPG nur unzureichende Ermittlungsverfahren seitens der Gemeindevertretung zu Grunde, welche keine geeigneten Grundlagen für Ermessensentscheidungen darstellten. Es war der Gemeindevertretung sohin nicht möglich, in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise darzulegen, warum nach ihrer Auffassung diese — und keine anderen — Ermessensübungen rechtlich geboten und dem Sinn des Gesetzes entsprechend waren.

4.5.

Nachdem die Gemeinde auf das Erfordernis der Beiziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Kriterien des §35 Abs2 RPG hingewiesen wurde, beauftragte diese Bmst. Dipl.-HTL-Ing. […] mit der Verfassung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens.

In der Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, welche vom Bundesministerium für Justiz geführt wird, ist Bmst. Dipl.-HTL-Ing. […] für die Fachgebiete 72.01 Hochbau, Architektur, 74.15 Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Liegenschaften (Baugründe, Wohnungseigentumsobjekte), 94.17 Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser (Baugründe), 94.20 Wohnungseigentum sowie 94.70 Nutzwertfeststellungen, Parifizierungen eingetragen. Auf der Homepage des Sachverständigen werden die Fachgebiete dahingehend näher beschrieben als Bauabnahmen, Schadensgutachten und Gebäudebewertungen sowie Parifizierungsgutachten, Parifzierungspläne und Gutachten nach §6 WEG sowie Immobilienbewertungen durchgeführt werden.

Im Verfahren nach §35 RPG hätte es eines Sachverständigen zur Beurteilung raumplanerischer Fragen bedurft. Zur Person des beigezogenen Sachverständigen Bmst. Dipl.-HTL-Ing. […] ergaben sich demnach dahingehende Bedenken, als dessen fachliche Eignung zur Beurteilung der Frage in Zweifel stand, ob die Kriterien des §35 Abs2 RPG einer Ausnahmebewilligung als Ermessensentscheidung entgegenstehen.

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof sind 'Sachverständige' Personen, die aufgrund ihres besonderen Fachwissen aus aktenkundigen oder von ihnen zu erhebenden Tatsachen Schlüsse auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen weiterer entscheidungsrelevanter Tatsachen ziehen (vgl VwGH 27.4.1993, 92/08/0208). Diese gezogenen Schlüsse werden in Gutachten festgeschrieben. Zwar unterliegt die Stellungnahme bzw das Gutachten der freien Beweiswürdigung der Behörde, aber die Behörde hat darauf zu achten, dass der Sachverständige über die erforderlichen, dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechende Fachkenntnisse verfügt (vgl VwGH 26.4.1995, 92/07/0159). Der objektive Sinn und Zweck der Regelung 'einen Sachverständigen zu hören' ist unter dem Aspekt zu betrachten, dass wenn zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes besondere Fachkenntnisse erforderlich sind und die Organwalter der Behörde nicht über das notwendige Sachwissen verfügen, die Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens gegeben ist (vgl VwGH 27.11.1995, 93/10/0209).

Es ist offenkundig, dass ein Sachverständiger aus dem Bereich Raumplanung zur Änderung des Teilbebauungsplans hätte Stellung nehmen müssen. Der beigezogene Sachverständige war jedoch nur Sachverständiger für den Bereich Einfamilienhäuser, Zweifamilienwohnhäuser, Wohnungseigentum, Nutzwertfeststellung und Parifizierung, nicht jedoch für den Bereich der Raumplanung. Er wies sohin nicht das erforderliche fachliche Wissen auf um zur Erstellung dieses Gutachtens befugt zu sein.

Der Landesvolksanwalt erachtete die erheblichen Abweichungen dieser zwei Ferienwohnhaus-Projekte von den Vorgaben des Teilbebauungsplanes 'Ferienwohngebiet Tschengla' und insbesondere das Vorgehen der Gemeinde Bürserberg bei Erteilung der Ausnahmegenehmigungen als durchaus fragwürdig, weshalb mit Schreiben des Landesvolksanwaltes an das Gemeindeamt Bürserberg vom 11.12.2017 von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung vermuteter Missstände in der Verwaltung der Gemeinde Bürserberg eingeleitet wurde. Nach Ansicht des Landesvolksanwaltes wäre die Gemeindevertretung der Gemeinde Bürserberg verpflichtet gewesen, in den Ermittlungsverfahren über die beantragten Ausnahmegenehmigungen vom Teilbebauungsplan 'Ferienwohngebiet Tschengla' bereits vor ihrer Entscheidung eine sachverständige[n] Person aus dem Fachbereich Raumplanung beizuziehen und wurde die Gemeinde beauftragt zur fachlichen Eignung des gewählten Sachverständigen Stellung zu nehmen.

4.6.

Nicht minder fragwürdig erschien die daran anknüpfende Vorgehensweise der Gemeinde Bürserberg, nach Zurückziehung der dem Land und der Gemeinde Bürserberg bekannten Bauvorhaben der […] GmbH und […] GmbH und Einstellung dieser Genehmigungsverfahren, kurzerhand einen neuen Teilbebauungsplan zu erlassen, dessen Entwurf genau auf diese Projektanträge abgestimmt wurde. Dies erweckt den Verdacht der Absicht, die unsachgemäß ergangenen Ausnahmebewilligungen zu umgehen und den Bauwerbern die Bauvorhaben dennoch zu ermöglichen. Nicht gänzlich zufällig wird auch die Tatsache sein, dass der Geschäftsführer der […] GmbH, […], Altbürgermeister der Gemeinde Bürserberg ist.

Schlussbemerkung

Vor diesem Hintergrund scheint die erfolgte Änderung des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' von der Gemeinde Bürserberg ohne raumplanungsrechtlich geforderter Interessenabwägung aller berührten Interessen und Ziele sowie ohne Durchführung eines angemessenen Ermittlungsverfahrens erfolgt zu sein. Viel mehr erweckt das Vorgehen der Gemeinde den Eindruck, das Interesse der Gemeinde an der Umsetzung der Projekte zur Errichtung zweier Ferienwohnanlagen sei hier im Vordergrund gestanden. Zur Erreichung dieses Zweckes wurden sowohl Vorgaben des für dieses Gebiet gültigen REK wie auch weitere raumordnungsrechtliche Bestimmungen außer Acht gelassen. Die Änderung des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' verstößt nach Ansicht des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg somit gegen die Vorschriften des RPG und wird beantragt, den Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' wegen Gesetzwidrigkeit zur Gänze zu beheben.

Die Aufhebung nur eines Teiles des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' ist nicht zweckmäßig. Das vorrangige Ziel und Hintergrund der Erlassung dieses Teilbebauungsplanes war von Beginn an, eine punktuell wesentlich dichtere Bebauung im parkartig geprägten Ferienwohngebiet Tschengla Halda zu ermöglichen. Der Teilbebauungsplan stellt in seiner Gesamtheit sohin darauf ab, durch Erhöhung der Baunutzzahl, der Anzahl der Geschoße und Bauhöhe im Ergebnis eine verdichtete Bebauung zuzulassen. Werden daher lediglich Teilbereiche des Teilbebauungsplanes behoben, so bliebe stets ein Torso dieses gesamtheitlichen Zieles in einer verbleibenden Bestimmung des Teilbebauungsplanes enthalten.

Die Kritik des Landesvolksanwaltes, dass eine notwendige Grundlagenforschung und Interessenabwägung im Verfahren unterlassen wurde bezieht sich insbesondere auf die Maßnahme der Gemeinde, durch Änderung des Teilbebauungsplanes das Ziel der baulichen Verdichtung im Gebiet zu ermöglichen. Diese Änderung des Teilbebauungsplanes darf schlichtweg nicht ohne Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden und stellt in Folge einen groben Verfahrensmangel dar.

Da sich dieser Verfahrensmangel folglich auf den gesamten Teilbebauungsplan erstreckt, wird die Behebung des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit beantragt."

3. Die Vorarlberger Landesregierung hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne Hervorhebungen im Original):

"1. Zum Vorbringen, der Teilbebauungsplan 'Tschengla Halda' widerspreche dem räumlichen Entwicklungskonzept 2008

1.1. Das von der Gemeindevertretung Bürserberg beschlossene räumliche Entwicklungskonzept 2008 wurde von der Gemeinde vor dem 01.03.2019 als Verordnung kundgemacht (durch Anschlag an der Amtstafel am 07.01.2019). Aufgrund der Übergangsbestimmung des §61 Abs6 RPG gilt das räumliche Entwicklungskonzept 2008 somit als räumlicher Entwicklungsplan im Sinne des §11 Abs1 RPG idF LG

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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