TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/7 94/20/0615

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 1994, Zl. 4.344.106/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1994 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei (Staatsangehörigkeit: Türkei), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Februar 1994 abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht - mit der Maßgabe, daß schon die Behörde erster Instanz den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 bezüglich Rumänien herangezogen hat - in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94, und Erhebung der Beschwerde nach dessen Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist.

Schon aus den dort dargelegten ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - erstmals im angefochtenen Bescheid auch darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auch in Bulgarien aufhältig gewesen und dort vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in dem genannten Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu u.a. vor, die Behörde habe es unterlassen zu erheben, ob Bulgarien von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her das Non-Refoulementgebot der Genfer Flüchtlingskonvention beachte. Es hätte sich sodann ergeben, daß dies nicht der Fall ist und die beschwerdeführende Partei in keinem Land "Verfolgungssicherheit" erlangt habe.

Es sei keineswegs auszuschließen, daß im Falle der Nichtanwendung der Drittlandklausel die Flüchtlingseigenschaft nicht doch zuerkannt worden wäre.

Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Bulgarien hätte von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, umd die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Parteien geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier: gemäß §§ 11, 16 AsylG 1991 i.V.m. §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet.

Der Beschwerdeführer hatte diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm im vorherigen Verfahren noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er auch in dem genannten Land "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Es wurden also auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Da eine Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit einer Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200615.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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