TE Vfgh Erkenntnis 2021/6/17 G47/2021 ua (G47-75/2021-8, G184/2021-4, G194/2021-4)

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Veröffentlicht am 17.06.2021
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Index

44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art9a, Art79, Art140 Abs1 Z1 lita, Art140 Abs1 Z1 litb
ZivildienstG §1 Abs5, §34b Abs2
VfGG §7 Abs1, §62 Abs1 Z1
  1. B-VG Art. 9a heute
  2. B-VG Art. 9a gültig ab 01.01.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 106/2005
  3. B-VG Art. 9a gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 9a gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 30/1998
  5. B-VG Art. 9a gültig von 09.07.1975 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 368/1975
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Zuständigkeit des Heerespersonalamtes – einer dem Bundesminister für militärische Angelegenheiten organisatorisch untergeordneten Behörde – zur Erlassung von Bescheiden betreffend die Pauschalentschädigung und den Verdienstentgang außerordentlicher Zivildienstleistender; keine Besorgung der im Zusammenhang mit dem Zivildienst stehenden Verwaltungsaufgaben durch – dem Bundesminister für Landesverteidigung unterstehenden – Behörden auf Grund der verfassungsgesetzlichen Trennung der Systeme von ziviler und militärischer Gewalt

Spruch

I. Die Zeichenfolge "51 Abs1," in §34b Abs2 ZDG, BGBl Nr 679/1986 (WV), in der Fassung BGBl I Nr 16/2020 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 2021 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren und Anträge

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen E3310/2020 ua mehrere auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Beschwerdeführer leisteten vom 1. Juli 2019 bis 31. März 2020 ihren ordentlichen Zivildienst. Mit Bescheiden der Zivildienstserviceagentur wurden sie infolge der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und deren Auswirkungen gemäß §8a Abs6 ZDG zum außerordentlichen Zivildienst zugewiesen, wodurch die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes bis 30. Juni 2020 verlängert wurde. Neben der Verlängerung der Dienstzeit sämtlicher zum damaligen Zeitpunkt eingesetzter Zivildiener im Anschluss an ihren ordentlichen Zivildienst erfolgte ein Aufruf an alle ehemaligen Zivildiener, sich freiwillig zum außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 ZDG zu verpflichten. Für die Zeit des außerordentlichen Zivildienstes gebührte allen Verpflichteten eine Grundvergütung samt einem Zuschlag. Darüber hinaus wurde jenen Zivildienstleistenden, die außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 leg cit leisteten, eine Pauschalentschädigung bezahlt bzw ein allfälliger Verdienstentgang erstattet (vgl §34b Abs1 leg cit). Demgegenüber erhielten "verlängerte" außerordentliche Zivildienstleistende (§8a Abs6 leg cit) keine solche Entschädigung. Die Beschwerdeführer beantragten daher beim Heerespersonalamt für die Monate, in denen sie außerordentlichen Zivildienst leisteten, ebenfalls die Auszahlung einer Pauschalentschädigung bzw die Zahlung des Verdienstentganges.

Das Heerespersonalamt wies die Anträge der Beschwerdeführer ab. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Wenngleich aus §8a Abs6 ZDG hervorgehe, dass der "verlängerte" Zivildienst als außerordentlicher Zivildienst gemäß §21 Abs1 leg cit gelte, so müsse man ihn – mit Blick auf den in §6a Abs3 Z2 leg cit enthaltenen expliziten Verweis – davon abgrenzen. §34b Abs1 leg cit (Anspruch auf Entschädigung bzw Fortzahlung der Dienstbezüge) nehme ausschließlich auf den außerordentlichen Zivildienst iSd §21 Abs1 leg cit Bezug, sodass die Verwaltungsbehörde zu Recht davon ausgehe, dass eine Pauschalentschädigung den Beschwerdeführern nicht gebühre. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes sei in der geschilderten Regelung nicht zu erkennen, weil ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung angenommen werden könne, dass ein zum außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 leg cit Verpflichteter direkt aus dem Berufsleben gerissen werde und somit einen Einkommensverlust erleide, während ein "verlängerter" außerordentlicher Zivildienstpflichtiger nach §8a Abs6 leg cit bisher lediglich eine Pauschalvergütung bezogen habe und somit keinen unmittelbaren Einkommensverlust erleide. Überdies stehe Letzterem – im Gegensatz zu Zivildienstpflichtigen gemäß §21 Abs1 leg cit – ein Anspruch auf Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe zu (vgl §34 Abs1 leg cit).

Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidungen gerichteten Beschwerden sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Zeichenfolge "51 Abs1," in §34b Abs2 ZDG, BGBl 679/1986 (WV), idF BGBl I 16/2020 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 4. März 2021 beschlossen, diese Zeichenfolge von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

2. Mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten, zu G184/2021 protokollierten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht "die Zeichenfolge '§51 Abs1', in §34b Abs2 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 - ZDG), BGBl Nr 679/1986, in der Fassung BGBl I Nr 163/2020 als verfassungswidrig aufzuheben." Diesem Antrag liegt ein ähnlicher Sachverhalt wie jenen Fällen zugrunde, die den Verfassungsgerichtshof dazu veranlasst haben, von Amts wegen ein Normenprüfungsverfahren einzuleiten.

Mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten, zu G194/2021 protokollierten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Zeichenfolge "51 Abs1," in §34b Abs2 ZDG, BGBl 679/1986 (WV), idF BGBl I 16/2020. Der beim Verwaltungsgerichtshof mittels ordentlicher Revision angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, die ihn dazu veranlasst hat, den vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, liegt ein ähnlicher Sachverhalt wie jenen Fällen zugrunde, die auch den Verfassungsgerichtshof dazu bewogen haben, von Amts wegen ein Normenprüfungsverfahren einzuleiten.

Der Verfassungsgerichtshof führte zu diesen Anträgen im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG kein weiteres Verfahren durch.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogene Zeichenfolge ist hervorgehoben):

1. §§1 Abs1 und 5, 3 Abs1, 6a, 8a Abs6, 21 Abs1, 34b, 76a Abs1 und 77 Abs1 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG), BGBl 679 (WV), idF BGBl I 16/2020 lauten (auszugsweise):

"Abschnitt I

Allgemeine Grundsätze

§1. (Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 2001 WG 2001, BGBl I Nr 146, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),

1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und

2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen.

[…]

(5) Der Zivildienst ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

[…]"

"§3 (1) Der Zivildienstpflichtige ist zu Dienstleistungen heranzuziehen, die der Zivilen Landesverteidigung oder sonst dem allgemeinen Besten dienen und den Zivildienstpflichtigen ähnlich wie der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten; sie dürfen nicht in der Anwendung von Gewalt gegen Menschen bestehen.

[…]"

"Abschnitt IIa

Zivildienst

§6a. (1) Der Zivildienst gliedert sich in den ordentlichen und den außerordentlichen Zivildienst.

(2) Der ordentliche Zivildienst ist

1. als Einsatz gemäß §8 Abs1 und

2. in den in Abs3 angeführten Fällen als Einsatz gemäß §8a Abs1

zu leisten.

(3) Der außerordentliche Zivildienst ist als Einsatz bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen, und zwar

1. als Einsatz gemäß §21 Abs1 und

2. als Einsatz gemäß §8a Abs6 zu leisten."

"§8a. […]

(6) Sofern ein Einsatz nach Abs1 über die bescheidmäßig verfügte Dauer des ordentlichen Zivildienstes (§8 Abs1) hinaus erforderlich wird, ist der weitere Einsatz von der Zivildienstserviceagentur bescheidmäßig zu verfügen und gilt als außerordentlicher Zivildienst gemäß §21 Abs1.

[…]"

"Abschnitt IV

Außerordentlicher Zivildienst

§21. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat Zivildienstpflichtige bei Elementar-ereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen (insbesondere in Zeiten, in denen Wehrpflichtige zur Leistung des Einsatzpräsenzdienstes einberufen werden) im personell und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten. Die Zivildienstpflichtigen sind anerkannten Einrichtungen (§4 Abs1) zuzuweisen, die in besonderem Maße geeignet sind, die Erfüllung des Zweckes dieses außerordentlichen Zivildienstes zu gewährleisten. Hinsichtlich der Zuweisung von Zivildienstleistenden an Rechtsträger sowie die Anweisung Zivildienstleistender durch Rechtsträger gilt §8a sinngemäß.

[…]"

"§34b. (1) Der Zivildienstpflichtige, der einen außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 leistet, hat für die Dauer eines solchen Dienstes Anspruch auf Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, der gemäß §2 Abs1 lita WG 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leistet.

(2) Auf die Entschädigung und die Fortzahlung der Dienstbezüge sind die Bestimmung[en] des 6. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§50, 51 Abs1, 54 Abs1 bis 5 und 55 anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle der in §44 Abs2 Z1 HGG 2001 genannten militärischen Dienststelle die Zivildienstserviceagentur."

"§76a. (1) §4 Abs1 letzter Satz, §8a Abs3, §21 Abs1 letzter Satz und die Abs5 bis 8, §28 Abs6 bis 11 und §34b Abs2 in der Fassung BGBl I Nr 16/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit 31. August 2021 außer Kraft.

[…]"

"§77. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich

1. des §10 Abs3, §37a Abs3, §44, §45, §47, §52 Abs2 sowie §54 Abs1 die Bundesregierung;

2. des §5 Abs1 bis 3, 4 letzter Halbsatz, §6 Abs5, §32 Abs6, §34 Abs3 sowie §76a Abs2 der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport;

3. des §5a Abs3 Z1 der Bundesminister für Landesverteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres,

4. des §38 Abs4 der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales,

5. des §12a Abs1 der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler,

6. der §§5a Abs2, 24, 42, 58 bis 60 und 71 der Bundesminister für Justiz.

7. der §§33 und 35 der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres,

8. des §55 Abs2 der Bundesminister für Arbeit und Soziales oder für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, je nach Art der Einrichtung,

9. der §§51 Abs1 letzter Satz und Abs2 zweiter Satz und 57 Abs1 der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen,

10. des §72 entweder die Bundesregierung oder der Bundesminister für Finanzen oder der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, je nachdem, auf welche Gebühr oder Abgabe sich diese Bestimmung bezieht, und

11. der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Inneres

betraut."

2. §51 Abs1 des Bundesgesetzes über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001), BGBl I 31, idF BGBl I 181/2013 lautet:

"Zuständigkeiten und verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen

§51. (1) Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz obliegt, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dem Heerespersonalamt.

[…]"

3. §7 Abs5 Wehrgesetz 2001 (WG 2001), BGBl I 146 (WV), idF BGBl I 111/2010 lautet:

"Bestimmung grundsätzlicher militärischer Angelegenheiten

§7. […]

(5) Das Heerespersonalamt ist eine dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport unmittelbar nachgeordnete Dienststelle. Es ist nicht Teil der Heeresorganisation."

III. Prüfungsbeschluss, Bedenken und Vorverfahren

1. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. Vor der Erlassung des Zivildienstgesetzes, BGBl 187/1974, waren gemäß §25 Wehrgesetz, BGBl 181/1955, wehrpflichtige Personen auf Antrag vom Wehrdienst mit der Waffe freizustellen, wenn sie unter Berufung auf ihr ernsthaftes religiöses Bekenntnis oder aus Gewissensgründen unter allen Umständen die Anwendung von Waffengewalt ablehnten, sich gegen jede persönliche Anwendung von Waffengewalt erklärten und sie dies glaubhaft zu machen vermochten. Gemäß §27 Abs2 Wehrgesetz, BGBl 181/1955, idF BGBl 272/1971 hatten diese Personen im Falle der Stattgebung ihres Antrages der Dienstpflicht ohne Waffe in der Dauer des ordentlichen Präsenzdienstes nachzukommen. Dabei hatte dieser Personenkreis den waffentragenden Teil des Bundesheeres durch Hilfsdienste zu unterstützen (s Erläut zur RV des ZDG 1974, 603 BlgNR 13. GP, 13). Die Leistung eines Dienstes ohne Waffen war nur innerhalb des Bundesheeres möglich; eine Ersatzdienstleistung außerhalb des Heeres war nicht vorgesehen.

3.2. Die Reform zur Einführung des Zivildienstes im Jahr 1974 hatte zum Ziel, eine Entflechtung von Personen, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, vom sonstigen Apparat des Bundesheeres herbeizuführen (vgl RV 603 BlgNR 13. GP, 13). Dazu führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage aus, dass das 'zwar formal respektierte Recht auf Gewissensfreiheit […] durch die funktionelle und organisatorische Eingliederung des Waffendienstverweigerers in den Apparat des Bundesheeres faktisch wieder eingeschränkt [wird].' Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass 'die Waffendienstverweigerer innerhalb des Bundesheeres eine Minderheit darstellen, die von der überwiegenden Mehrheit der Waffentragenden als Außenseiter betrachtet werden.' (vgl RV 603 BlgNR 13. GP, 13).

3.3. Die angestrebte Entflechtung war in §2 Abs2 letzter Satz Zivildienstgesetz, BGBl 187/1974, (zunächst einfachgesetzlich) ausdrücklich angeordnet: Danach war der Zivildienst 'außerhalb des Bundesheeres zu leisten.' Begleitend dazu war die Vollziehung des ZDG dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Landesverteidigung nahezu gänzlich entzogen und dem Bundesminister für Inneres übertragen (§77 Abs1 Z9 leg cit). Der Bundesminister für Landesverteidigung war nach der Vollzugsklausel des §77 Abs1 Z2 leg cit lediglich mit der Vollziehung folgender Bestimmungen betraut, was sich aus dem Umstand ergibt, dass es sich beim Zivildienst um einen Wehrersatzdienst handelt: Stellungsverfahren/Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht (§5 leg cit), Aufschub der Leistung des Grundwehrdienstes bei Befreiungsantrag nach der Einberufung (§6 Abs5 letzter Satz leg cit), Übergangsbestimmung (§73 Abs2 leg cit). Die Zuerkennung der den Zivildienstleistenden gebührenden Beträge erfolgte durch den Bundesminister für Inneres; auf Verlangen des Bundesministers war der Rechtsträger der Einrichtung verpflichtet, die Auszahlung durchzuführen (§32 Abs1 leg cit). Die Auszahlung von Mietzinsbeihilfe und Familienunterhalt war gemäß §34 Abs3 leg cit hingegen der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zugewiesen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde zur Vollzugsklausel des §77 leg cit (in der RV: §75) festgehalten, dass es '[…] von den Staatszielen her gesehen zweckmäßig [erscheint], den Bundesminister für Landesverteidigung mit der Vollziehung des Wehrgesetzes, den Bundesminister für Inneres hingegen mit der Vollziehung des Zivildienstgesetzes zu betrauen' (RV 603 BlgNR 13. GP, 37).

3.4. Mit der Zivildienstgesetz-Novelle 1994, BGBl 187, wurde §2 ZDG, der die Befreiung von der Wehrpflicht regelte, neu gefasst und als Verfassungsbestimmung erlassen. Die bisherige (einfachgesetzliche) Anordnung in §2 ZDG, BGBl 679/1986, idF BGBl 675/1991 wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten sei, wurde als Abs3 in die Verfassungsbestimmung des §2 ZDG, BGBl 679/1986, idF BGBl 187/1994 integriert. Die Erläuterungen führen dazu aus: 'Eine Änderung der einfachgesetzlichen Bestimmungen des geltenden Abs3, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, geriete in Widerspruch zur Verfassungsbestimmung des §2 Abs1, aus der sich das Verbot ergibt, den Zivildienst im Rahmen des Bundesheeres zu leisten.' (RV 1467 BlgNR 18. GP, 15). Diese Verfassungsbestimmung ist gemäß §76c Abs1 ZDG, BGBl 679/1986, idF BGBl 187/1994 rückwirkend mit 1. Jänner 1994 in Kraft getreten.

3.5. Die seitdem im Verfassungsrang bestehende Regelung dürfte sich nach vorläufiger Annahme des Verfassungsgerichtshofes nicht nur auf das Verbot beschränken, Zivildienstleistende zu einer Dienstleistung innerhalb des Bundes-heeres heranzuziehen; angesichts des vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundenen und zugrunde gelegten Systems dürfte dieser Verfassungsnorm darüber hinausgehend die Bedeutung beizumessen sein, dass grundsätzlich auch die Vollziehung der damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufgaben dem für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesminister entzogen sein muss.

Die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche dürfte sich – nach dem Verständnis des historischen (Verfassungs-)Gesetzgebers – auch auf das sich aus Art79 B-VG ergebende Staatsziel bzw das Staatsziel der umfassenden Landesverteidigung (Art9a B-VG) gründen (vgl RV 603 BlgNR 13. GP, 37 und RV 1467 BlgNR 18. GP, 15).

Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der Verfassungsbestimmung des (nunmehr) §1 Abs5 ZDG, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, auch ein Inhalt zukommen dürfte, wonach die Vollziehung der Bestimmungen des ZDG angesichts der vom (Verfassungs-)Gesetzgeber angestrebten Entflechtung des Zivildienstes vom Wehrdienst – bis auf punktuelle Ausnahmen – staatlichen Behörden außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesministers zugewiesen sein muss.

3.6. Vor diesem Hintergrund dürfte die in §34b Abs2 ZDG erfolgte Zuweisung einer Vollzugsaufgabe im Rahmen des Zivildienstes an das Heerespersonalamt – die Festsetzung der Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge – in Wider-spruch zur Verfassungsbestimmung des §1 Abs5 ZDG stehen: Das Heerespersonalamt ist gemäß §7 Abs5 erster Satz WG 2001 eine der Bundesministerin für Landesverteidigung unmittelbar nachgeordnete Dienststelle, die die Heeresverwaltung (vgl §1 Abs6 WG 2001) zu besorgen hat. Infolge der ausdrücklichen Anordnung in §7 Abs5 letzter Satz leg cit, dass das Heerespersonalamt 'nicht Teil der Heeresorganisation ist' (vgl RV zum BBG 2011-2014, 981 BlgNR 24. GP, 110), dürfte das Heerespersonalamt in formeller Hinsicht nicht (mehr) Teil des Bundesheeres sein. Zusätzlich dürfte das Heerespersonalamt bei der Besorgung der genannten Verwaltungsaufgabe funktionell nicht in Unterordnung unter die Bundesministerin für Landesverteidigung tätig geworden sein, sondern, wie sich aus der Vollzugsklausel des §77 Abs1 Z11 ZDG ergeben dürfte, in funktioneller Hinsicht für den Bundesminister für Inneres (nunmehr auf Grund von §2 Abs1 Z1 lita BMG iVm Teil 2 Abschnitt L Z18 der Anlage zu §2 BMG für die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus). Dessen ungeachtet dürfte es sich beim Heerespersonalamt in organisatorischer Hinsicht um eine der Bundesministerin für Landesverteidigung unterstellte Behörde handeln, deren Hauptaufgabe darin liegen dürfte, Zwecken des Bundesheeres zu dienen. Wie oben ausgeführt, dürfte die ausdrückliche verfassungsrechtliche Anordnung, wonach Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, nicht nur auf die konkrete Ableistung des Zivildienstes außerhalb der Einrichtungen des Bundesheeres beschränkt sein, sondern dürfte stets auch ein grundsätzliches Verbot der Vollziehung der damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsbestimmungen durch den für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesminister erfasst haben. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das in §1 Abs5 ZDG festgelegte Verbot auch die Vollziehung der Bestimmungen des ZDG durch Behörden ausschließen dürfte, die in organisatorischer Hinsicht dem für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesminister unterstellt sind."

2. Dem Bundesverwaltungsgericht seien mit Zugang des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 2021, E3310/2020 ua, ebenfalls Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung erwachsen. Zur Darlegung dieser Bedenken beschränkt sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine (gekürzte) Wiederholung der Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss.

3. Auch beim Verwaltungsgerichtshof seien jene – im Antrag wörtlich zitierten – Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §34b Abs2 ZDG entstanden, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 4. März 2021, E3310/2020 ua, dargelegt habe. Diese Bedenken betreffend die sich aus der in Prüfung gezogenen Bestimmung ergebende Zuständigkeit des Heerespersonalamtes würden vom Verwaltungsgerichtshof geteilt und gäben Anlass für den gestellten Gesetzesprüfungsantrag.

4. Die Bundesregierung hat in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G47/2021 ua protokollierten Verfahren eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Zur Entwicklung der einfachgesetzlichen Rechtslage

7. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss (Rz. 15 ff) darlegt, wurde die Entflechtung von Personen, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, vom sonstigen Apparat des Bundesheeres seit der Einführung des Zivildienstes im Jahr 1974 auf einfachgesetzlicher Ebene umfassend vollzogen: So erfolgte fortan nicht nur die Ableistung des Zivildienstes außerhalb des Bundesheeres. Die Vollziehung des Zivildienstgesetzes wurde nahezu gänzlich der Zuständigkeit des Bundesministers für Landesverteidigung entzogen und – wie die Erläuterungen festhalten, aus Zweckmäßigkeitsgründen (RV 603 BlgNR 13. GP 37) – von der Heeresverwaltung getrennt. Die behördlichen Zuständigkeiten wurden im Hinblick auf Ansprüche, Rechte und Pflichtverletzungen der Zivildiener weitgehend dem Bundesminister für Inneres bzw – seit der Bundesministeriengesetz-Novelle 2020, BGBl I Nr 8/2020, – nunmehr der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus übertragen (§77 ZDG; Teil 2 Abschnitt L Z18 der Anlage zu §2 BMG).

8. Die Zuerkennung der den Zivildienstleistenden gebührenden Geldbeträge, erfolgte zunächst überwiegend durch den Bundesminister für Inneres (§32 Abs4 des Zivildienstgesetzes, BGBl Nr 187/1974) und später durch die Zivildienstserviceagentur (§32 Abs4 ZDG, BGBl Nr 679/1986 [WV] idF der ZDG-Novelle 2005, BGBl I Nr 106/2005). Nur über die Auszahlung von Mietzinsbeihilfe und Familienunterhalt ebenso wie über die hier in Frage stehende, erstmals mit BGBl Nr 496/1980 eingeführte Entschädigung bei Leistung eines außerordentlichen Zivildienstes hatten ursprünglich die Bezirksverwaltungsbehörden zu entscheiden (§34 Abs3 ZDG, BGBl Nr 187/1974, und §34b Abs10 ZDG idF des Bundesgesetzes BGBl Nr 496/1980). Diese Kompetenzzuteilung blieb von der ZDG-Novelle 2005 unberührt.

Entsprechende Zuständigkeiten kamen den Bezirksverwaltungsbehörden damals auch in Bezug auf Wehrpflichtige zu (§33 Abs1 Heeresgebührengesetz 1985 [WV], BGBl Nr 87/1985, und auch noch §35 Heeresgebührengesetz 1992, BGBl Nr 422/1992, zu Wohnkostenbeihilfe und Familienunterhalt; §41 Abs2 Heeresgebührengesetz 1985 zu Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge), gingen aber mit dem Heeresgebührengesetz 1992, BGBl Nr 422/1992, (siehe §46 Abs6 in der Stammfassung und §35f idF BGBl Nr 259/1995), auf das Heeresgebührenamt über. In den Materialien wurde dies im Wesentlichen mit verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten begründet:

'Da die Bezirksverwaltungsbehörden das Entschädigungsverfahren nach dem VI. Abschnitt HGG nur im Falle von außerordentlichen Übungen und einem außerordentlichen Präsenzdienst nach §2 Abs1 lita WG durchzuführen haben und diesbezüglich über keine entsprechende Verwaltungspraxis verfügen, wurde seitens der Länder wiederholt, insbesondere im Gefolge sogenannter 'Koordinierter Übungen', angeregt, auch in diesen Fällen eine Zuständigkeit des Heeresgebührenamtes zur Durchführung der Verfahren nach diesem Hauptstück festzulegen. Im Interesse einer wesentlichen Vereinfachung und Beschleunigung des Entschädigungsverfahrens soll daher in Hinkunft die in Rede stehende Zuständigkeit auch im Falle außerordentlicher Übungen und bei einem außerordentlichen Präsenzdienst nach §2 Abs1 lita WG dem Heeresgebührenamt übertragen werden. Durch diese beabsichtigte Änderung ist speziell auf Grund der bereits bei dieser Behörde vorliegenden Unterlagen sowie der laufenden Praxis in diesen Verfahren eine erheblich schnellere Zuerkennung der Entschädigungen im Einsatzfall zu erwarten.' (RV 472 BlgNR 18. GP 42f)

'Der Bundesgesetzgeber hat von der erwähnten Ermächtigung, 'militärische Angelegenheiten' in unmittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen, weitgehend Gebrauch gemacht. Derzeit werden nämlich im gesamten Bereich des Wehrrechtes lediglich das V. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 1992 betreffend die Zuerkennung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe im Grundwehrdienst sowie das Militärleistungsgesetz von den Bezirksverwaltungsbehörden bzw dem Landeshauptmann in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nunmehr auch die Vollziehung dieser wehrrechtlichen Materien in die unmittelbare Zuständigkeit eigener Bundesbehörden (im Wirkungsbereich des Bundesministers für Landesverteidigung) übergeführt werden. Eine derartige Aufgabenverschiebung auf bereits bestehende und an der Vollziehung der in Rede stehenden Angelegenheiten bereits derzeit in Teilbereichen mitwirkende Militärbehörden soll insbesondere dem Gedanken einer zweckmäßigen und wirkungsvollen Abrundung der Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern Rechnung tragen. Diese Zuständigkeitsänderung entspricht im Übrigen auch den mehrfach geäußerten Wünschen der Länder nach einer Übernahme der Vollziehung dieser Materien durch den Bund. […]

Für Verfahren nach dem V. Hauptstück auf Zuerkennung von Familienunterhalt oder Wohnkostenbeihilfe für Soldaten im Grundwehrdienst sind derzeit in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden bzw in zweiter Instanz der Landeshauptmann zuständig. In Zukunft ist die Normierung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Heeresgebührenamtes in diesen Angelegenheiten vorgesehen. Dieser Behörde obliegt derzeit die Vollziehung des VI. Hauptstückes HGG 1992 betreffend die Entschädigung eines Verdienstentganges während Waffenübungen und Einsätzen. Im Hinblick auf die materielle Vergleichbarkeit der Ermittlung dieser Entschädigung mit den Leistungen nach dem V. Hauptstück erscheint die beabsichtigte Erweiterung der Zuständigkeit des Heeresgebührenamtes insbesondere auch aus verwaltungsökonomischen Erwägungen zweckmäßig.' (RV 22 BlgNR 19. GP 5f.)

9. Das Heeresgebührenamt wurde mit dem Reorganisationsbegleitgesetz 2002, BGBl I Nr 103/2002, in Heerespersonalamt umbenannt. Gleichzeitig wurden dieser Behörde einige zuvor dem Bundesminister zukommende erstinstanzliche Zuständigkeiten übertragen (insbesondere im Zusammenhang mit dem Auslandseinsatzpräsenzdienst).

10. Mit Art91 des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I Nr 111/2010, erfolgte in §7 Abs5 des Wehrgesetzes eine Klarstellung hinsichtlich der Einordnung des Heerespersonalamtes als 'eine dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport unmittelbar nachgeordnete Dienststelle. Es ist nicht Teil der Heeresorganisation.' In den Materialien wird dazu Folgendes ausgeführt:

'In der Vergangenheit sind hinsichtlich der Zugehörigkeit des Heerespersonalamtes als unmittelbar dem Bundesminister für Landesverteidigung nachgeordnete – zivile – Dienststelle zur Heeresorganisation wiederholt Unklarheiten und Zweifelsfragen aufgetreten. Der vorliegende Entwurf dient als 'lex specialis' zu §7 Abs1 Z1 des Wehrgesetzes 2001 der diesbezüglichen ausdrücklichen Klarstellung. Mit dieser Modifizierung soll insbesondere auch die Umsetzung künftiger Projekte der Verwaltungsreform und -innovation erleichtert werden, da außerhalb des Bundesheeres die strikte Bindung an dessen verfassungsrechtlich taxativ verankerten Aufgaben (Art79 B-VG bzw KSE-BVG) nicht besteht.

Bei einem zwingenden (künftigen) Bedarf nach einer ständigen Dienstverwendung von Berufssoldaten im Heerespersonalamt wird aus Gründen der Rechtssicherheit in dem als Anlage dem jährlichen Bundesfinanzgesetz beigefügten Personalplan eine entsprechende Ermächtigung vorzusehen sein; diese Regelung wird der diesbezüglichen Norm betreffend die (ebenfalls nicht dem Bundesheer zuzurechnende) Zentralstelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport nachzubilden sein.' (RV 981 BlgNR 24. GP 162)

Gleichzeitig wurde, ebenfalls durch das Budgetbegleitgesetz 2011, die zuvor den Bezirksverwaltungsbehörden zukommende Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen gemäß §34 Abs3 ZDG begründet. Dazu heißt es in den Materialen:

'Eine diesbezügliche Kompetenzverlagerung von den Bezirksverwaltungsbehörden zum Heerespersonalamt (HPA) erscheint wesentlich praktikabler, als die Entscheidungskompetenz zur Zivildienstserviceagentur (ZISA) zu verlagern, zumal das HPA seit Jahren mit diesen Tätigkeiten vertraut ist und über entsprechendes Fachwissen bzw Infrastruktur verfügt. Darüber hinaus wird damit einer Forderung der Landeshauptleutekonferenz entsprochen.' (RV 981 BlgNR 24. GP 162)

11. Schließlich erfolgte 2020, mit Art14 des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl I Nr 16/2020, die nun vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogene Übertragung der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Entschädigung und die Fortzahlung der Dienstbezüge an Zivildienstpflichtige, die einen außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 ZDG leisten, auf das Heerespersonalamt durch den Verweis auf §51 Abs1 HGG 2001 in §34b Abs2 ZDG. Dieser – auf die Dauer der außergewöhnlichen Ereignisse der COVID-19-Pandemie befristete – Schritt sollte nach den Materialien 'die vorhandene fachliche Expertise des Heerespersonalamtes im Bereich der Vollziehung des Heeresgebührengesetzes bestmöglich heranziehen (andernfalls wären die Bezirksverwaltungsbehörden dafür zuständig)' (IA 397/A 27. GP 32).

Zur Abgrenzung der Aufgabenbereiche des österreichischen Bundesheeres und des Zivildienstes

12. Die in den Art9a und 79 bis 81 B-VG verankerten Grundsätze der österreichischen Wehrverfassung sehen eine strikte Trennung zwischen militärischer und ziviler Gewalt vor. Ausnahmen von dieser Trennung betreffen nur die Unterordnung der militärischen unter die zivile Gewalt im Fall des Assistenzeinsatzes gemäß Art79 Abs2 B-VG und – in ganz engen Voraussetzungen als 'letztes subsidiäres Mittel' (Truppe, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 9. Lfg. 2012, Art79 B-VG, Rz. 4) – das selbständige militärische Einschreiten gemäß Art79 Abs5 B-VG. Die Anforderung des Bundesheeres zu einem Assistenzeinsatz kommt nur als ultima ratio in Betracht und ist daher nur zulässig, wenn die grundsätzlich zuständige zivile Stelle eine konkrete Aufgabe aus eigener Kraft und unter Rückgriff auf sonstige Sach- und Personalmittel nicht (hinreichend) bewältigen kann. Wirtschaftlichkeits- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen kommen bei der Frage der Zulässigkeit nicht in Betracht (Truppe, aaO, Rz. 26). Das Bundesheer wird in diesem Fall funktionell für die die jeweilige Assistenzleistung anfordernde zivile Behörde tätig.

An dieser Stelle ist zu unterstreichen, dass das Heerespersonalamt, wie oben zu Z10 ausgeführt, gerade nicht Teil der Heeresorganisation iSd §7 Abs1 Z1 des Wehrgesetzes 2001 ist (maW des österreichischen Bundesheeres), sondern vielmehr bereits seit dem Wehrgesetz 1955, BGBl Nr 181/1955, eine der Bundesministerin bzw dem Bundesminister für Landesverteidigung unmittelbar nachgeordnete 'zivile' Dienststelle der Heeresverwaltung, für die die Sonderregelungen betreffend Oberbefehl und Befehlsgewalt des Art80 B-VG nicht zum Tragen kommen (vgl Truppe, aaO, Rz. 12). Dass Verfahren auf Zuerkennung von Familienunterhalt, Wohnkostenbeihilfe im Grundwehrdienst und später auch zur Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge ursprünglich von der Bezirksverwaltungsbehörde besorgt wurden und erst mit dem Heeresgebührengesetz 1992 dem Heerespersonalamt (urspr. Heeresgebührenamt) übertragen wurden, stützt die Annahme, dass diese Angelegenheiten an sich 'ziviler' Natur sind.

Zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Zivildienst

13. Der Zivildienst ist als Ersatzdienst eingerichtet, der gemäß Art9a Abs4 B-VG von demjenigen verpflichtend zu leisten ist, der die Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen verweigert und hiervon befreit wird. Die Zivildienstpflicht ist insofern an die Wehrpflicht geknüpft.

Aus der expliziten Anordnung des §1 Abs5 ZDG, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, sowie aus dem gemäß §1 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht folgt die Zuordnung des Zivildienstes zur zivilen Gewalt. Die österreichische Bundesverfassung trennt den Bereich der zivilen Gewalt, mit nur wenigen expliziten Ausnahmen, strikt von der militärischen Gewalt.

Eine Verknüpfung der beiden grundsätzlich getrennten Systeme, die sich nicht schon aus der Wehrpflicht ergibt (insbesondere Stellungsverfahren und Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht), kommt daher nur in engen Grenzen in Betracht (siehe dazu bereits oben Rz. 12 mit Hinweisen auf das Schrifttum).

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ausführt, lag schon dem Zivildienstgesetz, BGBl Nr 187/1974, der Grundgedanke zugrunde, dass Personen, die aus Gewissensgründen den militärischen Dienst ablehnen, die Möglichkeit geboten werden soll, an dessen Stelle einen zivilen Ersatzdienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten (RV 603 BlgNR 13. GP 13, 20). Dementsprechend bestimmte bereits §2 Abs2 letzter Satz leg cit, dass der Zivildienst 'außerhalb des Bundesheeres zu leisten' sei. Diese Bestimmung wurde durch die ZDG-Novelle 1994, BGBl Nr 187/1994, als §2 Abs3, erster Satz (nunmehr §1 Abs5, erster Satz) in Verfassungsrang gehoben.

Aus den Materialien zur ZDG-Novelle 1994 geht hervor, dass der Verfassungsgesetzgeber, sowie schon zuvor der einfache Gesetzgeber, das Gebot zur Leistung des Zivildienstes außerhalb des Bundesheeres als Konsequenz des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Befreiung von der Wehrpflicht wertete (RV 1467 BlgNR 18. GP 15: 'Eine Änderung der einfachgesetzlichen Bestimmungen des geltenden Abs3, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, geriete in Widerspruch zur Verfassungsbestimmung des §2 Abs1, aus der sich das Verbot ergibt, den Zivildienst im Rahmen des Bundesheeres zu leisten').

14. Der überwiegende Teil der Lehre sah den materiellen Gehalt des Grundrechts auf Befreiung von der Wehrpflicht im Schutz gegen die Verpflichtung zur Gewaltanwendung, worunter – aufgrund der funktionellen und organisatorischen Nähe zum Waffengebrauch des Bundesheeres – auch militärische Hilfsdienste ohne Waffe zu verstehen seien. So führte Merli (Zivildienst und Rechtsstaat, 1985, 30 ff) aus, dass die funktionelle Nahebeziehung sich bei ausschließlich der militärischen Landesverteidigung dienenden Tätigkeiten zeige, zB bei Sanitätsdiensten in einem reinen Militärspital. Die organisatorische Nähe ergebe sich daraus, dass die Kernaufgabe des Bundesheeres im Waffengebrauch zu Verteidigungszwecken liege, wobei eine Trennung von anderen Aufgabenbereichen, wie der Bekämpfung von Naturkatastrophen, weder in der Ausbildung noch im Einsatz möglich sei. Jede Weisung im Rahmen des Bundesheeres könne daher auch eine Weisung zu militärischen Hilfsdiensten in funktioneller Hinsicht sein. Daher verbiete sich die Einbeziehung von Wehrdienstverweigerern in die Hierarchie des Bundesheeres in welcher Form auch immer. Ähnlich folgerte Brünner aus der Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt aus Gewissensgründen als Schutzgut des Rechtes auf Wehrdienstverweigerung und der militärischen Landesverteidigung als Kernaufgabe des Bundesheeres, dass selbst die Ableistung des Zivildienstes in Einheiten des Bundesheeres, die sich zB der Bekämpfung von Naturkatastrophen oder dem Sanitätsdienst widmen, dem Verfassungsrecht widersprechend wäre (Brünner, Gewissensfreiheit und Militärdienst aus verfassungsrechtlicher Sicht, in Kohlhofer [Hrsg.], Gewissensfreiheit und Militärdienst, 2000, 58). Fessler/Szymanski/Wieseneder betonten, dass der materielle Gehalt des Grundrechts auf Befreiung von der Wehrpflicht im Schutz gegen die Verpflichtung zur Gewaltanwendung bestehe. Die Leistung des Zivildienstes dürfe nicht den Gewissensgründen, die zur Befreiung von der Wehrpflicht geführt hätten, widersprechen. Völlig ausgeschlossen seien daher Dienste, die die Möglichkeit in sich bergen, dass Gewalt (schlechthin) gegen Menschen angewendet werden müsse. Darunter fielen auch militärische Hilfsdienste, die zumindest überwiegend militärischen Zwecken dienten, sowie eine Einbeziehung in die Hierarchie des Bundesheeres (Fessler/Szymanski/Wieseneder, Zivildienstrecht. ZDG-Kommentar, 1994, Seite I/11, 12; anderer – wenngleich noch zur einfachgesetzlichen Rechtslage vor 1994 – Ansicht Raschauer, Verfassungsfragen des Zivildienstes, 1980, 12 und 15, wonach die Ausgestaltung des Zivildienstes als Dienst außerhalb des Verbandes des Bundesheeres verfassungsrechtlich nicht geboten sei bzw es umgekehrt sogar verfassungswidrig wäre, wenn Zivildienstpflichtige nicht in dem Maße zu Hilfsdiensten im Rahmen des Bundesheeres herangezogen würden, als taugliche Wehrpflichtige solche Hilfsdienste leisten müssten).

15. Der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Zivildienst können folgende Leitlinien entnommen werden:

?    Aus der Wehrpflicht ergibt sich ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Zivildienst und Militärdienst (VfSlg 17.341/2004 zur Verfassungswidrigkeit der Ausgliederung bestimmter Aufgaben betreffend die Leistung des Zivildienstes an eine nicht staatliche Einrichtung).

?    Aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließt das dem Zivildienst seit seiner Einrichtung zugrundeliegende Prinzip, dass dieser Dienst unter anderem hinsichtlich 'der Belastung und Besoldung des Zivildienstpflichtigen dem Wehrdienst so weit wie möglich zu entsprechen (hat)' (vgl die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Zivildienstgesetz aus 1975, 603 BlgNR 13. GP 14). Aus Art9a B-VG kann jedoch keine Verpflichtung der Gesetzgebung zur Gleichstellung in jeder Hinsicht von Zivildienstleistenden und Wehrdienstleistenden abgeleitet werden, so lange der verfassungsgesetzlich gebotenen Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung der Versorgung der Zivildienstleistenden entsprochen wird (vgl mutatis mutandis VfSlg 15.758/2000, 16.389/2001, 17.685/2005, 17.761/2006).

?    Die verfassungsrechtlich verankerte Möglichkeit, bei Vorliegen näher umschriebener Gewissensgründe einen Wehrersatzdienst zu leisten, darf weder faktisch vereitelt noch (erheblich) erschwert werden (VfSlg 16.389/2001). Durch die unterschiedliche Bezahlung wird die durch Art9a B-VG eröffnete Möglichkeit faktisch weder vereitelt noch erschwert, die unterschiedliche Höhe der Vergütung der beiden Dienste muss zwar nicht abgemessen, aber bei einer gesamthaften Betrachtung der Belastungen abgewogen werden (VfSlg 15.758/2000).

Militärdienst und Zivildienst sind also jedenfalls als Ganzes miteinander zu vergleichen, wobei die Belastungen und Ansprüche einander soweit wie möglich zu entsprechen haben (vgl Eisenberger/Faber, Die Neuordnung des Zivildienstes durch die ZDG-Novellen 2000 und 2001, JRP 2001, 135 [138]).

Zur Übertragung von Vollzugsaufgaben betreffend die Leistung von Zivildienst an das Heerespersonalamt

16. Der materielle Gehalt des in §1 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Zivildienst und diesem korrespondierend des verfassungsgesetzlichen Gebots des §1 Abs5 erster Satz ZDG, dass der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, besteht – zusammengefasst – darin, dass jene Personen, die die Wehrpflicht aus Gewissensgründen verweigern und hiervon befreit werden, gegen die Verpflichtung zur Gewaltanwendung geschützt sind. Dadurch verbieten sich auch organisatorische Maßnahmen im Rahmen des Zivildienstes, durch die Zivildiener, sei es direkt oder indirekt, zu militärischen Hilfsdiensten herangezogen werden könnten.

§1 ZDG enthält über den Schutz gegen die Verpflichtung zur Gewaltanwendung und über die Gewährleistung, den Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten, hinaus keinerlei Regelung über die Vollziehung der mit dem Zivildienst ieS verbundenen Aufgaben. Die Regelung der Vollziehung der Zivildienstagenden liegt daher im Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung, die insbesondere darauf Bedacht zu nehmen hat, dass Zivildiener nicht zu Aufgaben herangezogen werden, die direkt oder indirekt Waffengewalt zum Inhalt

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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