TE Vwgh Beschluss 1995/11/7 95/05/0159

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache des Schön in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Gemeinderat der Gemeinde Edt bei Lambach, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Prof. Dr. A in L, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit baupolizeilicher Auftrag, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Gemeinde Edt bei Lambach hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hat innerhalb der gesetzten Frist den Bescheid vom 19. Oktober 1995, Zl. 131-9/1992-473, erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Zur Frage der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde ist folgendes festzuhalten:

Gegen einen Baueinstellungs- und Beseitigungsauftrag des Bürgermeisters der Gemeinde Edt bei Lambach, der an den Beschwerdeführer und zwei weitere Verfahrensparteien gerichtet war, haben die genannten Bescheidadressaten Berufung eingebracht, die der Gemeinderat der Gemeinde mit Bescheid vom 30. September 1993 abgewiesen hat. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung der Bescheidadressaten hat die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 13. Jänner 1994 diesen Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurückverwiesen. Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens hat der Gemeinderat die Berufung der Bescheidadressaten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Dezember 1992 neuerlich abgewiesen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 24. November 1994 den Bescheid des Gemeinderates neuerlich aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Dies wurde damit begründet, daß der Bescheidspruch nach wie vor keine Konkretisierung erfahren habe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdevertreter und der Gemeinde Edt bei Lambach am 29. November 1994 zugestellt. Die Gemeinde Edt bei Lambach hat gegen diesen Bescheid, jedoch nur in dem Umfang, als er sich auf die im Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Dezember 1992 ausgesprochene Baueinstellung bezieht, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, welche mit hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0003, als unbegründet abgewiesen worden ist.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde wird geltend gemacht, daß der Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 24. November 1994 der Gemeinde am 29. November 1994 zugestellt und bis zum Einbringen der Säumnisbeschwerde (31. Mai 1995) nicht über die offene Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichterlassung baupolizeilicher Aufträge sowie auf Sachentscheidung über seine Berufung innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist des § 73 AVG verletzt.

Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof brachte die belangte Behörde, vertreten durch Prof. Dr. A eine Äußerung zur Säumnisbeschwerde ein und beantragte, die vorliegende Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist der Sachverhalt in der vorliegenden Beschwerde ausreichend dargestellt. Der Beschwerde war auch der Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde vom 24. November 1994 beigelegt. Somit war auch für den Verwaltungsgerichtshof der Sachverhalt so klar, daß kein Zweifel daran bestehen kann, wodurch die Säumnis der Gemeinde begründet war. Durch die Darstellung in der Beschwerde wurde dem Erfordernis des § 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG entsprochen, der Verwaltungsgerichtshof ist auch in die Lage versetzt, gegebenenfalls nach § 38 Abs. 2 VwGG vorzugehen, zumal er schon aufgrund der Beschwerde der nunmehr belangten Behörde gegen den Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 24. November 1994 mit demselben Fall befaßt war.

Den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit einer weiteren Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung erhoben, beide seien als Rechtsgemeinschaft aufgetreten, einer allein sei in der Folge nicht beschwerdeberechtigt, ist entgegenzuhalten, daß sich der von der Gemeinde zitierte Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1975, Slg. Nr. 8764/A, auf eine Kommanditgesellschaft, welcher gemäß § 161 Abs. 2 iVm § 124 HGB Rechtsfähigkeit zuerkannt worden ist, bezogen hat. Im Beschwerdefall hingegen wurde sowohl der Baueinstellungsbescheid als auch der Beseitigungsauftrag dem Beschwerdeführer und zwei weiteren physischen Personen erteilt; weshalb diese drei Personen als Rechtsgemeinschaft zu betrachten seien, läßt die Gegenschrift der belangten Behörde offen.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen worden ist, nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Wird - wie in der vorliegenden Beschwerdesache - der im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ergangene Bescheid eines Gemeinderates von der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgehoben, so beginnt die Frist für die Erlassung des Ersatzbescheides durch den Gemeinderat mit dem Tag der Zustellung des aufhebenden gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides an die Gemeinde zu laufen. Daß die sechsmonatige Entscheidungsfrist nach Zustellung des Vorstellungsbescheides vom 24. November 1994 (am 29. November 1994) bei Einbringung der Beschwerde am 31. Mai 1995 abgelaufen war, hat auch die belangte Behörde nicht bestritten. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde liegen vor, insbesondere kommt es, wie auch die belangte Behörde erkannte - anders als gemäß § 73 Abs. 2 AVG - nach § 27 VwGG nicht auf ein Verschulden der säumigen Behörde an der Verzögerung an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/05/0060). Daher ist es auch nicht ausschlaggebend, welche Gründe - hier die Erhebung einer Beschwerde durch die Gemeinde Edt bei Lambach an den Verwaltungsgerichtshof betreffend einen Teil des Bescheides - die Behörde bewogen haben, über die offene Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Dezember 1992 nicht zu entscheiden. Die Säumnisbeschwerde war daher zum Zeitpunkt ihrer Einbringung zulässig.

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 letzter Satz VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenBinnen 6 MonatenVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGErsatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050159.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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