TE Vwgh Erkenntnis 2023/2/21 Ra 2021/04/0223

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Veröffentlicht am 21.02.2023
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
97 Öffentliches Auftragswesen

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH in 1020 Wien, diese vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2021, Zl. W120 2243130-2/44E, sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2021, Zlen. W120 2243130-3/2E und W120 2243474-3/2E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: D in W, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis im Umfang seines Spruchpunktes A)II. sowie der angefochtene Beschluss werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag des Revisionswerbers auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1        1. Der Revisionswerber (Bund) schrieb als Auftraggeber im Jänner 2021 in einem offenen Verfahren einen Dienstleistungsauftrag betreffend näher umschriebene Assistenzleistungen für Schüler aus. Die Auftragserteilung sollte - unterteilt in neun Lose - nach dem Bestbieterprinzip erfolgen. Der Mitbeteiligte legte ein Angebot für acht Lose; er war in keinem dieser Lose Bestbieter, sondern an dritter oder vierter Stelle gereiht.

2        Am 28. Mai 2021 übermittelte der Auftraggeber dem Mitbeteiligten die Zuschlagsentscheidung betreffend die gegenständlichen Lose, in der jeweils die Punkte für den Gesamtpreis und die Qualität (des Mitbeteiligten und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin) sowie die detaillierte Punktevergabe (samt verbaler Begründung) im Zuschlagskriterium Konzeptausarbeitung (betreffend den Mitbeteiligten) angeführt waren.

3        Der Mitbeteiligte beantragte daraufhin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung.

4        2. Mit dem (teilweise) angefochtenen Erkenntnis vom 28. Oktober 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag hinsichtlich der Lose 1, 7 und 9 als unbegründet ab [Spruchpunkt A)I.]. Hinsichtlich der Lose 2, 3, 4, 5 und 8 wurde dem Antrag Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung betreffend diese Lose für nichtig erklärt [Spruchpunkt A)II.]. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt [Spruchpunkt B)].

5        2.1. Nach Darstellung des Vorbringens der Parteien (Mitbeteiligter, Auftraggeber, präsumtive Zuschlagsempfängerin) stellte das BVwG die wesentlichen Inhalte der Ausschreibung (insbesondere zu den Bereichen Schlüsselpersonal und Zuschlagskriterien) sowie die Angebotssummen der einzelnen Bieter in den hier gegenständlichen Losen dar. Den Bestimmungen zum Zuschlagskriterium Preis sei zu entnehmen, dass das Angebot mit dem niedrigsten Preis als Referenzwert heranzuziehen sei und sich die Preispunkte der weiteren Angebote nach dem Abstand zu diesem (billigsten) Angebot bestimmen würden.

6        Weiters traf das BVwG folgende Feststellungen: Der Auftraggeber habe in den hier gegenständlichen Losen keine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Der (so bezeichnete) Mitarbeiter 1 habe im Februar 2021 beim Mitbeteiligten gekündigt; er sei über Vermittlung einer dritten Person mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in Kontakt gekommen, habe aber keinen Beitrag zur Erstellung des Konzepts der präsumtiven Zuschlagsempfängerin geleistet und sei von dieser auch nicht dazu angehalten worden. Es gebe zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin versucht hätte, über den Mitarbeiter 1 Informationen betreffend den Mitbeteiligten zu erhalten. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe auch keine Kenntnis davon gehabt, dass (andere) Mitarbeiterinnen des Mitbeteiligten an der Erstellung des Konzepts der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mitgewirkt hätten.

7        2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG zunächst fest, es handle sich bei den ausgeschriebenen Leistungen um solche des Anhangs XVI zum BVergG 2018 (besondere Dienstleistungen), für die entsprechend den in § 151 BVergG 2018 aufgelisteten Normen die allgemeinen Grundsätze des § 20 Abs. 1 BVergG 2018 (Transparenz, Gleichbehandlungsgebot, Diskriminierungsverbot) zu beachten seien. Weiters bejahte das BVwG die Antragslegitimation des Mitbeteiligten und hielt fest, dass die Ausschreibung bestandfest geworden sei.

8        Das BVwG legte dar, aus welchen Gründen der Mitbeteiligte mit seinem Antragsvorbringen zu näher dargestellten Themenbereichen (insbesondere Sub- bzw. Beurteilungskriterien, Bewertungskommission, Begründungstiefe der Zuschlagsentscheidung, Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, Weitergabe von Leistungen) keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zuschlagsentscheidung aufzeige. Der geltend gemachten falschen Berechnung der Preispunkte komme keine Wesentlichkeit zu, weil der Mitbeteiligte auch unter Zugrundelegung seiner Berechnung in keinem Los vor der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gereiht gewesen wäre.

9        Die vom Mitbeteiligten hinsichtlich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ins Treffen geführten Ausschlussgründe des § 78 Abs. 1 Z 4, 5 und 11 BVergG 2018 (wettbewerbsverzerrende Abreden, schwere Verfehlung, unzulässige Beeinflussung oder Vorteilserlangung) erachtete das BVwG gestützt auf die dazu in der mündlichen Verhandlung eingehend erfolgte Erörterung mit näherer Begründung als nicht gegeben. Dem Vorbringen des Mitbeteiligten, wonach aus der geringen Differenz der Angebotspreise zweier Bieter und dem Umstand, dass zwei damalige Mitarbeiter des Mitbeteiligten möglicherweise für diese Bieter tätig geworden seien, das Vorliegen von Preisabsprachen abzuleiten sei, hielt das BVwG entgegen, es seien - außer der geringen Preisdifferenz - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass derartige Abreden getroffen worden wären. Weiters sei auch nicht erkennbar, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin Abreden mit anderen Unternehmern getroffen hätte.

10       Zu der vom Mitbeteiligten monierten Unterlassung einer vertieften Angebotsprüfung hielt das BVwG Folgendes fest: Zwar sei die Regelung des § 137 BVergG 2018 (zur vertieften Angebotsprüfung) in der Aufzählung des § 151 BVergG 2018 nicht enthalten, allerdings ergebe sich aus der Grundsatzbestimmung des § 20 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2018, dass die Vergabe zu angemessenen Preisen zu erfolgen habe. Es habe daher auch eine dahingehende Prüfung stattzufinden und es sei eine schriftliche Dokumentation der vertieften Angebotsprüfung geboten. Es sei Aufgabe des Auftraggebers (und nicht des Verwaltungsgerichtes), eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Aus diesem Grund könne die vom Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2021 vorgelegte vertiefte Preisprüfung hinsichtlich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der zweitgereihten Bieterin nicht berücksichtigt werden. Unter Verweis auf näher dargestellte Rechtsprechung und Lehrmeinungen hielt das BVwG fest, dass ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliege, „wenn die Differenz zwischen der Kostenermittlung des Auftraggebers bzw. der Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote über 15 % (,grobe Abweichung‘) beträgt“.

11       Hinsichtlich der Lose 1 und 9 gehe es - so das BVwG - nicht darum, ob das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, sondern ob das Angebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen gewesen wäre. Dafür spreche zwar, dass das Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis als Referenzwert für die Punktevergabe im Zuschlagskriterium Preis heranzuziehen sei. Es sei jedoch nach Ansicht des BVwG diesbezüglich zu Recht keine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden, zumal der Mitbeteiligte selbst bei Ausscheiden der Bieterin mit dem niedrigsten Angebotspreis (in diesen beiden Losen) und bei einer anschließenden Neuberechnung der Punktevergabe nicht vor der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liegen würde. Im Los 7 sei der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin niedrigster Angebotspreis, allerdings bestünden angesichts der näher dargestellten Abstände zu den anderen Angebotspreisen keine Zweifel an diesem Preis. Der Nachprüfungsantrag sei daher hinsichtlich der Lose 1, 7 und 9 abzuweisen gewesen.

12       Hinsichtlich der Lose 2, 3, 4, 5 und 8 sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin dasjenige mit dem niedrigsten Gesamtpreis. Die Differenz zu den jeweiligen Angebotspreisen des Mitbeteiligten würde jeweils über 15 % (in vier Losen sogar über 20 %) betragen. Der geschätzte Auftragswert werde jeweils gering überschritten, die Abweichung zum jeweils zweitbilligsten Angebot sei unwesentlich. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass das (in preislicher Hinsicht) zweitgereihte Angebot in allen Losen vom Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um den gleichen Prozentsatz abweiche. Dieses Angebot könne daher - auch wenn, wie zuvor ausgeführt, keine Indizien für Preisabsprachen hervorgekommen seien - nur eingeschränkt herangezogen werden, um eine nicht durchgeführte vertiefte Angebotsprüfung zu rechtfertigen. Somit erweise sich das Vorbringen des Mitbeteiligten, der Auftraggeber hätte wegen der dargestellten Abweichungen eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen müssen, hinsichtlich dieser Lose im Ergebnis als berechtigt. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei daher insoweit stattzugeben gewesen.

13       3. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. Oktober 2021 gab das BVwG dem Antrag des Mitbeteiligten auf Pauschalgebührenersatz Folge und verpflichtete den Auftraggeber, dem Mitbeteiligten die von ihm entrichteten Pauschalgebühren in näher dargestellter Höhe zu ersetzen. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

14       Begründend verwies das BVwG darauf, dass dem Antrag des Mitbeteiligten auf Nichtigerklärung teilweise stattgegeben worden sei.

15       4. Gegen Spruchpunkt A)II. des dargestellten Erkenntnisses sowie gegen den dargestellten Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

16       Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17       1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der vertieften Preisprüfung bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen. Das BVwG habe, obwohl § 137 BVergG 2018 in der taxativen Aufzählung des § 151 Abs. 1 BVergG 2018 nicht enthalten sei, die Parameter der vertieften Preisprüfung nach § 137 BVergG 2018 auf den allgemeinen Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen nach § 20 Abs. 1 BVergG 2018 umgelegt.

18       Weiters habe das BVwG bei seiner Beurteilung der Angemessenheit der Angebotspreise das Angebot der zweitgereihten Bieterin zu Unrecht und ohne Begründung außer Acht gelassen. Der vom BVwG monierte gleiche Preisabstand zwischen dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der zweitgereihten Bieterin resultiere daraus, dass in preislicher Hinsicht ein Stundensatz anzubieten gewesen sei und es keinen Grund gebe, für die einzelnen Lose (Bundesländer) unterschiedliche Preise anzubieten. Auch der Mitbeteiligte habe in vier der fünf hier gegenständlichen Lose denselben Stundensatz angeboten und weiche daher in diesen Losen um den gleichen Prozentsatz vom Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ab. Weiters habe das BVwG nicht berücksichtigt, dass es das Vorliegen von Preisabsprachen verneint habe. Hätte das BVwG das Angebot der zweitgereihten Bieterin herangezogen, wäre keine vertiefte Angebotsprüfung indiziert gewesen.

19       Schließlich habe das BVwG - so der Revisionswerber weiter - außer Acht gelassen, dass der Auftraggeber nach Einlangen des Nachprüfungsantrages aus prozesstechnischer Vorsicht eine vertiefte Preisprüfung vorgenommen und den Prüfbericht dem BVwG vorgelegt habe. Es wäre daher kein anderes Ergebnis des Vergabeverfahrens möglich gewesen.

20       Die Revision erweist sich im Hinblick auf die dargestellten Rechtsfragen als zulässig und aus nachstehenden Erwägungen auch als berechtigt.

21       2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65, lauten auszugsweise:

Grundsätze des Vergabeverfahrens

§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

[...]

Ausschlussgründe

§ 78. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat - unbeschadet der Abs. 3 bis 5 - einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn

[...]

4.   der öffentliche Auftraggeber über hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür verfügt, dass der Unternehmer mit anderen Unternehmern für den öffentlichen Auftraggeber nachteilige Abreden getroffen hat, die gegen die guten Sitten verstoßen, oder mit anderen Unternehmern Abreden getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbes abzielen, oder

5.   der Unternehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- oder Umweltrechtes, begangen hat, die vom öffentlichen Auftraggeber auf geeignete Weise nachgewiesen wurde, oder

[...]

11.  der Unternehmer

a)   versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen oder

b)   versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die er unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder

c)   fahrlässig irreführende Informationen an den öffentlichen Auftraggeber übermittelt, die die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Ausschluss oder die Auswahl von Unternehmern oder die Zuschlagserteilung erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.

[...]

Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung

§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn

1.   Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder

2.   Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder

3.   nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1.   im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,

2.   der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und

3.   die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

[...]

Verfahren

§ 151. (1) Für die Vergabe von besonderen Dienstleistungsaufträgen gemäß Anhang XVI gelten ausschließlich die Bestimmungen dieses Abschnittes, der 1. Teil, die §§ 4 Abs. 1, 7 bis 11, 12 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3, 13, 16 bis 18, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 bis 4 und 9, 21 bis 23, 30, 48 bis 68, 78, 79, 80 Abs. 1 bis 5, 81 bis 90, 91 Abs. 1 bis 8, 93, 98, 100, 106, 111, 142, 146 Abs. 1, 150 Abs. 9, der 4. Teil, der 5. Teil mit Ausnahme des § 367 sowie der 6. Teil dieses Bundesgesetzes.

[...]“

22       3. Das BVwG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen im Sinn des Anhangs XVI BVergG 2018 zwar nicht § 137 BVergG 2018, aber der Grundsatz der Auftragsvergabe zu angemessenen Preisen gemäß § 20 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2018 zu beachten ist. Da die Bestimmungen des § 137 BVergG 2018 den Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen nach § 20 Abs. 1 BVergG 2018 konkretisieren, ist es dem Grunde nach nicht zu beanstanden, dass das BVwG die Regelungen betreffend die Zweifelhaftigkeit der Preisangemessenheit bzw. die Notwendigkeit der Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung in § 137 BVergG 2018 als Anhaltspunkte für die Prüfung herangezogen hat, ob eine Vergabe zu angemessenen Preisen erfolgt ist. Umgekehrt ist aber zu beachten, dass das BVergG 2018 für besondere Dienstleistungen nur rudimentäre Regeln vorsieht und dem Auftraggeber eine größere Freiheit in der Verfahrensgestaltung eingeräumt wird (vgl. RV 69 BlgNR 26. GP 163). Diese Zielsetzung wäre konterkariert, würde man die Vorgaben des § 137 BVergG 2018 im Wege des § 20 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2018 vollständig auf den Bereich der Vergabe besonderer Dienstleistungen übertragen.

23       Ob das BVwG mit dem strikten Abstellen auf eine Abweichung von mehr als 15 % den - dem Auftraggeber bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen zustehenden - Spielraum über Gebühr eingeschränkt hat, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil selbst bei Zutreffen der Annahme des BVwG die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zur Notwendigkeit der Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar erscheint.

24       Zunächst wäre bei der vorzunehmenden Beurteilung zu beachten gewesen, dass der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nach den Feststellungen des BVwG nur geringfügig über dem geschätzten Auftragswert lag (vgl. dazu, dass für die Beurteilung des Vorliegens eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises auch die Kostenermittlung des Auftraggebers heranzuziehen ist, etwa VwGH 22.5.2012, 2009/04/0187, Pkt. 4.5., mwN).

25       Vor allem aber vermag die Begründung des BVwG, weshalb das Angebot der zweitgereihten Bieterin bei der Prüfung des Vorliegens einer groben Abweichung (im Ausmaß von mehr als 15 %) nicht zu berücksichtigen gewesen sei, nicht zu überzeugen. Es ist zwar dem Grunde nach zutreffend, dass es für die Prüfung des Vorliegens einer groben Abweichung geboten sein kann, einzelne (auszuscheidende oder ausgeschiedene) Angebote außer Betracht zu lassen. Das BVwG hat aber im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens von Ausschlussgründen Preisabsprachen bzw. wettbewerbsverzerrende Abreden zwischen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der zweitgereihten Bieterin verneint. Die unterbliebene Berücksichtigung des Angebotes der zweitgereihten Bieterin wurde lediglich damit begründet, dass das Angebot der zweitgereihten Bieterin in allen fünf insoweit betroffenen Losen um den gleichen Prozentsatz vom Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin abgewichen sei. Das allein erscheint nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aber für ein Außerachtlassen dieses Angebotes nicht hinreichend, zumal sich der Gesamtpreis (worauf auch der Auftraggeber hinweist) nach den Ausschreibungsbedingungen (Pkt. 6.2.4.) nach einem Stundensatz richtet und es nicht von vornherein ungewöhnlich erscheint, für jedes Los (und somit jedes Bundesland) den gleichen Stundensatz anzubieten.

26       Im Hinblick auf die nicht nachvollziehbar begründete unterlassene Berücksichtigung des Angebotes der zweitgereihten Bieterin für die Beurteilung der Frage, ob das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweist, erweist sich aber die darauf aufbauende Ansicht des BVwG, der Auftraggeber hätte in den insoweit betroffenen Losen eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen müssen, als einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.

27       4. Spruchpunkt A)II. des angefochtenen Erkenntnisses und (als Folge davon) der angefochtene Beschluss betreffend den Pauschalgebührenersatz waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

28       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

29       Der Antrag der Revisionswerberin auf Zuspruch von Aufwandersatz gegenüber dem Bund (als in einem Fall wie dem vorliegenden zum Aufwandersatz verpflichteten Rechtsträger) war abzuweisen, weil ein Kostenersatz im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2014/04/0045, Pkt. II.6., mwN).

Wien, am 21. Februar 2023

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021040223.L00

Im RIS seit

28.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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