TE Vwgh Beschluss 2023/2/24 Ra 2019/22/0188

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Veröffentlicht am 24.02.2023
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
AVG §58 Abs2
AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, in der Revisionssache des A M, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. April 2019, VGW-151/V/082/4777/2019-2, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem NAG, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 20. Dezember 2018 wurde - durch Bestätigung des betreffenden Bescheids des Landeshauptmanns von Wien vom 23. Juni 2017 - der Zweckänderungsantrag des Revisionswerbers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, vom 9. März 2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit der wesentlichen Begründung, dass ihm nicht bereits im Herkunftsstaat von seinem zusammenführenden Vater (sondern von seinen Großeltern) Unterhalt geleistet worden sei, abgewiesen.

1.2. Die vom Revisionswerber dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 24.2.2023, Ra 2019/22/0107) mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den genannten hg. Beschluss verwiesen (§ 43 Abs. 2 und 9 VwGG).

2. Mit Antrag vom 2. April 2019 begehrte der Revisionswerber beim Verwaltungsgericht die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 20. Dezember 2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG.

Der Revisionswerber brachte dazu vor, er habe am 20. März 2019 eine notariell beglaubigte Erklärung seines Großvaters (vom 18. März 2019) erhalten, worin dieser bestätigt habe, dass der Revisionswerber, als er noch bei den Großeltern im Herkunftsstaat gelebt habe, keine Wohnkosten habe zahlen müssen, jedoch für Lebensmittel und Kleidung habe aufkommen müssen und dafür Geld vom Vater erhalten habe. Der Großvater habe weiters bestätigt, dass seine Pension gerade ausgereicht habe, um den eigenen Unterhalt der Großeltern zu sichern, zumal aufgrund des hohen Alters und des schlechter werdenden Gesundheitszustands der Großeltern ein erhöhter Bedarf an Behandlungen und Medikamenten bestanden habe (der Großvater habe dazu auch Medikamentenrechnungen vorgelegt). Der Revisionswerber habe das neue Beweismittel ohne sein Verschulden nicht bereits im Verfahren geltend machen können, weil er nicht damit habe rechnen können, dass Feststellungen zur finanziellen Unterstützung durch die Großeltern getroffen würden, ohne deren genaue Einkommens- und Ausgabensituation zu ermitteln. Die nunmehrige Erklärung des Großvaters widerlege die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, dass der Revisionswerber bis zur Ausreise von den Großeltern vollständig versorgt worden sei und auf zusätzliche Unterhaltsmittel nicht angewiesen gewesen sei, und sei daher geeignet, eine anderslautende Entscheidung zu bewirken.

3.1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. April 2019 sprach das Verwaltungsgericht aus, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme „nicht stattgegeben“ werde.

Das Verwaltungsgericht führte dazu begründend aus, Wiederaufnahmegrund sei nicht die (auch erst nach Abschluss des Verfahrens entstandene) urkundliche Erklärung des Großvaters, sondern der Inhalt jener Erklärung. Der Großvater habe die betreffenden Angaben offenkundig nicht eigeninitiativ, sondern auf Ersuchen des Revisionswerbers getätigt, um den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nachträglich entgegenzutreten. Der Revisionswerber habe jedoch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er von den Angaben des Großvaters erst mit 20. März 2019 und nicht schon früher Kenntnis erlangt habe. Immerhin habe er in dem Zeitraum, auf den sich die Erklärung bezogen habe, mit den Großeltern im gemeinsamen Haushalt gelebt und sei die Frage der Unterhaltsgewährung im Herkunftsstaat auch im Verfahren ein zentrales Thema gewesen. Die wesentlichen Tatsachen und die dazu verfügbaren Beweismittel (wie die zeugenschaftliche Vernehmung des Großvaters) seien ihm daher bereits früher erkennbar bzw. bekannt gewesen. Schon aus dem Grund „wäre“ der Antrag gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG als verspätet „zurückzuweisen gewesen.“

Aber auch inhaltlich komme - so das Verwaltungsgericht weiter - dem Antrag keine Berechtigung zu. Die Unterhaltsgewährung im Herkunftsstaat sei als besondere Erteilungsvoraussetzung Gegenstand des Verfahrens gewesen, wobei eine Unterhaltsleistung durch den Vater und die Stiefmutter nicht habe nachgewiesen werden können und die Versorgung durch den Großvater in einem allenfalls geringeren Umfang auch nicht (zwingend) auf Zuwendungen durch andere Verwandte schließen lasse. Nach dem Antragsvorbringen lägen weder neue Tatsachen noch neue Beweismittel vor, die nicht schon Gegenstand des Verfahrens gewesen bzw. erst nachträglich hervorgekommen seien und ohne Verschulden nicht hätten geltend gemacht werden können. Der Revisionswerber bekämpfe in Wahrheit die Beweiswürdigung in einem in der Verhandlung erörterten und bis dahin unstrittigen Punkt. In dem Zusammenhang sei festzuhalten, dass der Großvater sogar Ersparnisse habe anlegen und den Revisionswerber für sein Studium mit einem erheblichen Betrag habe ausstatten können, wobei gestiegene Ausgaben für gesundheitliche Bedürfnisse nie erwähnt und auch ein schlechter Gesundheitszustand verneint worden sei. Folglich „ist“ dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens „nicht stattzugeben“.

3.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4. Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1906/2019-5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche Revision.

5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art.133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6. Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Verwaltungsgericht sei in mehreren (im Folgenden näher erörterten) Punkten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen bzw. fehle eine solche Rechtsprechung.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit jedoch nicht aufgezeigt.

7.1. Der Revisionswerber releviert vorweg, das Verwaltungsgericht habe im Spruch der angefochtenen Entscheidung dem Antrag auf Wiederaufnahme „nicht stattgegeben“. Diese Diktion lasse nicht erkennen, ob der Antrag entweder wegen Verspätung zurückgewiesen oder wegen fehlender inhaltlicher Berechtigung abgewiesen worden sei. Eine eindeutige Zuordnung sei aber mit Blick auf eine (allfällige) weitere Anspruchsverfolgung geboten.

7.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu einer im Grunde vergleichbaren Konstellation (dort wurde einem Antrag auf Verfahrenshilfe „nicht stattgegeben“) zum Ausdruck gebracht, dass es für die Deutung eines derartigen Ausspruchs (als Zurückweisung oder Abweisung) auf die Begründung der Entscheidung ankomme, nämlich ob diese etwa auf der Versäumung einer prozessualen Frist oder auf einem Abspruch in der Sache über das Nichtvorliegen der materiellen Voraussetzungen beruhe (vgl. VwGH 1.6.2016, Ra 2016/11/0047 und 0048, Rn. 5).

Vorliegend führte das Verwaltungsgericht in der Begründung zwar zunächst aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme nicht rechtzeitig eingebracht worden sei und deshalb zurückzuweisen gewesen „wäre“. In der Folge setzte es sich aber auch mit dem Anspruch in der Sache auseinander und kam dabei zum Ergebnis, auch inhaltlich „kommt dem Antrag keine Berechtigung zu“.

Bereits auf Grund der vom Verwaltungsgericht verwendeten Diktion (Konjunktiv in Bezug auf die allfällige Antragszurückweisung, Indikativ in Bezug auf die fehlende Berechtigung des Antrags) im Zusammenhang mit der Abfolge bzw. Gestaltung der betreffenden Ausführungen (aus denen ohne Weiteres zu erschließen ist, dass auf eine mögliche Antragszurückweisung bloß ergänzend bzw. subsidiär hingewiesen wurde) kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Antrag vom Verwaltungsgericht vorrangig in der Sache geprüft und meritorisch - im Sinn einer Abweisung wegen Fehlen der materiellen Voraussetzungen - erledigt wurde.

8. Der Revisionswerber macht weiters als Begründungsmangel geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht nachvollziehbar dargelegt, wie es zu seiner Entscheidung gekommen sei. Was die - nach dem oben Gesagten vorliegende - Abweisung des Antrags anbelange, so habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und nicht näher dargelegt, warum das neue Beweismittel abstrakt nicht geeignet sei, zu einer inhaltlich anderen Entscheidung zu gelangen.

Letzteres trifft indes nicht zu, hat doch das Verwaltungsgericht die für seine Entscheidung maßgeblichen Erwägungen hinreichend dargestellt (siehe oben in Pkt. 3.1.).

9.1. Der Revisionswerber führt aus, das Verwaltungsgericht habe zu prüfen, ob das neue Beweismittel als Wiederaufnahmegrund geeignet sei, was dann zutreffe, wenn es nach seinem objektiven Inhalt abstrakt geeignet sei, Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung oder die dazu führende Beweiswürdigung gestützt habe. Vorliegend hätte das Verwaltungsgericht bei Vornahme einer solchen Prüfung dem Antrag stattgeben müssen, zumal aus der Stellungnahme des Großvaters die vom Verwaltungsgericht im Verfahren verneinte Unterhaltsleistung durch den Vater im Herkunftsstaat hervorgehe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Stellungnahme um die spätere Erklärung eines potenziellen Zeugen und damit um ein neu entstandenes Beweismittel handle, seien doch damit bislang unbekannt gebliebene Tatsachen hervorgekommen.

9.2. Ein Wiederaufnahmegrund im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG setzt (unter anderem) voraus, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Dies gilt in gleicher Weise für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf „alte“ - also nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0089; 3.12.2021, Ra 2020/07/0069, Rn. 15). Folglich kann auch ein neu entstandenes Beweismittel - wie etwa die spätere Erklärung eines Zeugen - grundsätzlich geeignet sein, zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen. Dabei ist jedoch das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds in jenen Fällen zu verneinen, in denen bereits im vorangehenden Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme des Zeugen zu beantragen (vgl. VwGH 14.11.2012, 2010/08/0165, Pkt. 4.; 18.1.2017, Ra 2016/18/0197, Rn. 14 f).

9.3. Gegenständlich handelt es sich bei der dem Antrag auf Wiederaufnahme zugrunde liegenden Erklärung des Großvaters (vom 18. März 2019) um ein neu entstandenes Beweismittel. Dieses kann zwar - im Sinn des Vorgesagten - einen Wiederaufnahmegrund bilden, wenn es sich - was hier der Fall ist - auf nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene Tatsachen bezieht. Die Wiederaufnahme kann aber nicht begehrt werden, wenn im Verfahren ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme des Zeugen zu beantragen.

Vorliegend stand im Verfahren von Beginn an die Frage im Fokus, ob dem Revisionswerber im Herkunftsstaat Unterhalt von seinem zusammenführenden Vater geleistet wurde, oder ob er Unterhalt von anderer Seite - etwa von den Großeltern, in deren Haushalt er bis zur Ausreise lebte - bezog. Zu diesem Thema wurden im Lauf des Verfahrens auch diverse Beweise mit divergierenden Ergebnissen aufgenommen. Im Hinblick darauf war dem Revisionswerber hinlänglich bekannt, dass die betreffende Frage für den Ausgang des Verfahrens von entscheidender Bedeutung ist. In dem Zusammenhang musste ihm aber auch klar sein, dass insbesondere die Einvernahme des Großvaters als Zeuge zum strittigen Thema der Unterhaltsleistung im Herkunftsstaat in Betracht komme. Es wäre ihm im Verfahren auch ohne Weiteres möglich gewesen bzw. hätte für ihn ausreichend Gelegenheit bestanden, die zeugenschaftliche Vernehmung des Großvaters zu beantragen oder - wäre das auf Grund dessen fortgeschrittenen Alters nicht zweckmäßig gewesen - schon damals die Ausstellung der nunmehr vorgelegten Erklärung zu erwirken. Der Revisionswerber hat dies jedoch unterlassen, was ihm als Verschulden anzulasten ist (vgl. auch VwGH 5.2.2021, Ra 2020/19/0432, Rn. 11). Folglich ist das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds zu verneinen, liegen doch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor, die ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.

9.4. Ausgehend davon ist die Abweisung des Antrags des Revisionswerbers auf Wiederaufnahme des Verfahrens jedenfalls nicht unvertretbar erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass eine - wie hier - nach den Umständen des Einzelfalls vorgenommene und vertretbare Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG im oben erörterten Sinn vorliegen, nicht revisibel ist (vgl. neuerlich VwGH Ra 2020/19/0432, Rn. 11; Ra 2020/07/0069, Rn. 17).

10. Insgesamt werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2019220188.L00

Im RIS seit

28.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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