TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 94/01/0674

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §5 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1994, Zl. 4.343.068/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 19. Mai 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 11. Juni 1993 einen Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Juni 1993, mit welchem sein Asylantrag abgewiesen worden war, abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Der Beschwerdeführer wurde - entgegen seiner Ansicht - nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, daß die belangte Behörde diesen Ausschließungsgrund erstmals herangezogen hat. Sein erstmals in der Beschwerde erstattetes Tatsachenvorbringen zu diesem Ausschließungsgrund unterliegt nicht - wie der Beschwerdeführer unrichtigerweise vermeint - dem gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, weil ihm im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten wurde, zu dieser Frage Stellung zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Die belangte Behörde ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 17. Juni 1993 aus, daß er sich vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030, in dem eingehend auf die bisherige Judikatur Bezug genommen und diese mit weiteren Ausführungen aufrecht erhalten wurde), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Entsprechend dieser Judikatur ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die "Verfolgungssicherheit" im Zeitpunkt des tatsächlichen Aufenthaltes des Flüchtenden im Drittstaat zu beurteilen ist. Die Ansicht des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof beurteile diese Frage "für den Zeitpunkt der Entscheidung" ist daher unrichtig. Abgesehen davon, daß ein Erlaß keine den Verwaltungsgerichtshof bindende Rechtsquelle darstellt, ist der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erlaß vom 7. Mai 1985 zur Zeit der Geltung des Asylgesetzes (1968) ergangen. Dieses Gesetz enthielt aber keine dem Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 entsprechende Bestimmung. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, ausgeführt, daß die zur Frage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bzw. der Aufenthaltsberechtigung nach den §§ 5 Abs. 3 und 7 Abs. 2 Asylgesetz (1968) entwickelte Judikatur im Hinblick auf die anderslautende Wortfolge ("anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat") auf die Frage der "Verfolgungssicherheit" nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht übertragbar sei und dieser Ausschließungsgrund nicht erfordere, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt gewesen und von ihnen geduldet oder gebilligt worden wäre. Es geht daher auch das Beschwerdevorbringen, wonach in einem "beispielgebenden Traktat" die "österreichische Behördenpraxis zum alten Asylgesetz" bedauert werde, ins Leere.

Der Gerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "bundesdeutschen Judikatur" und dem Beschluß Nr. 15 (XXX) des Exekutiv-Komitees für das Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen auseinandergesetzt. Demnach läßt sich daraus für den Standpunkt des Beschwerdeführers, es sei ihm ohne Rücksicht auf die bereits in einem Drittland erlangte "Verfolgungssicherheit" Asyl zu gewähren, nichts gewinnen. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, es seien seine "subjektiven Fluchtgründe" - die darin gelegen seien, daß er in Österreich die Schule besucht habe, der Großteil seiner Familie hier lebe, er zwar deutsch, nicht aber ungarisch spreche und er somit eine Präferenz für Österreich habe - von Amts wegen zu erheben und zu berücksichtigen gewesen. Entgegen dieser Ansicht kommt es jedoch nicht auf die genannten Umstände sondern nur darauf an, daß der Flüchtende aus objektiver Sicht unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können.

Wenn der Beschwerdeführer meint, es sei ihm aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht zumutbar gewesen, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er mangels weiterer Behauptungen keinen Anhaltspunkt dafür geliefert hat, daß er - ungeachtet seiner mangelnden Sprachkenntnisse - objektiv daran gehindert gewesen wäre, in Ungarn einen Asylantrag in seiner Muttersprache zu stellen. Ebensowenig hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen, ein Asylantrag in Ungarn wäre mit "gewissen politischen Risken" verbunden gewesen, durch konkrete Behauptungen untermauert. Es ist daher nicht davon auszugehen, daß es ihm unzumutbar gewesen wäre, bereits in Ungarn einen Asylantrag zu stellen.

Der Beschwerdeführer stellt im übrigen die Auffassung der belangten Behörde, die ungarische Rechts- und Verfassungsordnung sei im großen und ganzen effektiv, es stünden auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Nonrefoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung, nicht in Frage.

Schließlich sind auch die weiteren Beschwerdeausführungen, die sich auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers beziehen, nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, weil auch dann, wenn der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 wäre, der von der belangten Behörde gebrauchte Ausschließungsgrund zum Tragen käme.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010674.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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