TE Vwgh Beschluss 2023/2/23 Ra 2023/07/0003

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Veröffentlicht am 23.02.2023
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision der A GmbH in O, vertreten durch die Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Otto Holzbauer Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 22. September 2022, Zl. 405-8/604/1/15-2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin betreibt in der Gemeinde U. im Bezirk S einen Beherbergungsbetrieb, der im Jahr 2020 von einschränkenden Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie betroffen war.

2        So verfügte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) mit § 2 Abs. 1 ihrer Verordnung vom 13. März 2020 gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) die Schließung aller Beherbergungsbetriebe im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 im Bezirk. Die Schließung trat gemäß § 3 der Verordnung mit ihrer Kundmachung in der jeweiligen Gemeinde frühestens am 16. März 2020 (so auch gegenständlich in der Gemeinde U.) in Kraft.

3        Ferner wurde mit § 2 Abs. 1 der auf § 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg (LH) vom 27. März 2020, LGBl. Nr. 25/2020, ein Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben (§ 111 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994) für Touristinnen bzw. Touristen für das gesamte Bundesland Salzburg (vorerst bis zum 13. April 2020) erlassen.

4        Mit Verordnung vom 28. März 2020 hob die belangte Behörde ihre Verordnung vom 13. März 2020 wieder auf. Gemäß § 2 der Verordnung trat die Wirkung für eine Gemeinde des Bezirks in Kraft, sobald sie in dieser kundgemacht wird. Die Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde U. erfolgte am 30. März 2020.

5        Mit Antrag vom 23. April 2020 begehrte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde die Zuerkennung einer näher bezifferten Vergütung gemäß § 32 EpiG für die aufgrund der Verordnung der belangten Behörde vom 13. März 2020 erfolgte Betriebsschließung ihres Beherbergungsbetriebes für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 13. April 2020. Nach einer mit Eingabe vom 5. Oktober 2020 unter Vorlage eines EpiG-Berechnungstools vorgenommenen betragsmäßigen Ausdehnung des Antrags erfolgte mit E-Mail vom 9. Juni 2021 eine Korrektur des EpiG-Berechnungstools.

6        Gegen den über diesen Antrag ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 2021, mit dem der Revisionswerberin ein Betrag in der Höhe von insgesamt € 102.953,94 als näher beschriebene Vergütung für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 27. März 2020 zuerkannt und der geltend gemachte Mehrbetrag abgewiesen worden war, erhob die Revisionswerberin Beschwerde.

7        Mit Erledigung vom 9. August 2022 forderte das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Revisionswerberin unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018) auf, binnen zwei Wochen bekanntzugeben, ob und in welchem Ausmaß in der Vergleichsperiode März 2019 Einkommen aus der Beherbergung von Nicht-Touristen erwirtschaftet worden sei, widrigenfalls davon ausgegangen werde, dass keine relevanten Einkünfte erzielt worden seien.

8        Die Revisionswerberin nahm dazu mit Eingabe vom 19. August 2022 unter anderem dahingehend Stellung, dass sie die vom Verwaltungsgericht geforderten Daten und Informationen nicht zur Verfügung stellen könne, weil sie diese Daten nicht erhoben habe und dies aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dürfe.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht - durch mit einer Maßgabe versehene Abweisung der gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobenen Beschwerde - der Revisionswerberin einen Betrag in der Höhe von insgesamt € 102.953,94 als Vergütung des durch die Behinderung des Erwerbs entstandenen Vermögensnachteils für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 30. März 2020 sowie als Ersatz der entstandenen Steuerberatungskosten aus Bundesmitteln zu (Spruchpunkt I.). Der geltend gemachte Mehrbetrag von € 62.718,42 wurde abgewiesen (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

10       Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe aufgrund der zitierten Schließungsverordnung der belangten Behörde vom 13. März 2020 ihren Beherbergungsbetrieb ab 16. März 2020 bis zumindest 30. März 2020 geschlossen gehalten.

11       Der kausal auf Basis der zitierten Verordnung der belangten Behörde verursachte Verdienstentgang habe für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 27. März 2020 unter Berücksichtigung entstandener Steuerberatungskosten und unter Abzug erhaltener Zuschüsse - unstrittig - insgesamt € 102.953,94 betragen. Hingegen sei strittig gewesen, ob und gegebenenfalls welcher Vergütungsanspruch für den Zeitraum vom 28. März 2020 bis 30. März 2020 bestehe. Ab 28. März 2020 bis 30. März 2020 habe die Revisionswerberin zwar Verdiensteinbußen gehabt, es habe jedoch nicht festgestellt werden können, ob diese auch auf die Beherbergung von Nicht-Touristen zurückzuführen seien.

12       Die Revisionswerberin habe im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 19. August 2022 selbst vorgebracht, über keinerlei Daten zu verfügen, die es ihr ermöglichten, einen nicht-touristischen Anteil ermitteln zu können. Sie habe zudem kein wie immer geartetes Vorbringen zur Ausgestaltung des gegenständlichen Beherbergungsbetriebes (etwa von Seminarräumen oder Angeboten für Geschäftsreisende) oder ein geeignetes Zeugenanbot erstattet. Folglich liege kein geeignetes Tatsachensubstrat vor, welches eine positive Feststellung eines Verdienstentgangs im Zeitraum ab 28. März 2020 bis 30. März 2020 bezogen auf Nicht-Touristen zu rechtfertigen vermöge, sodass dem Verwaltungsgericht trotz Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Beantwortung der Frage nicht möglich gewesen sei.

13       Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018) bestehe für den aus der Verordnung des LH resultierenden Verdienstentgang kein Vergütungsanspruch. Vergütungsfähig sei für den Zeitraum der Geltung der Verordnung des LH nur jener Verlust, der aus der Nichtbeherbergung von Gästen resultieren habe können, die durch die Verordnung des LH nicht erfasst worden seien. Im vorliegenden Fall habe nicht festgestellt werden können, ob die Revisionswerberin einen Verlust aus der Nichtbeherbergung von Gästen erlitten habe, die durch die Verordnung des LH nicht erfasst gewesen seien (sohin „Nicht-Touristen“), sodass der Höhe nach kein Zuspruch für den Zeitraum vom 28. März 2020 bis 30. März 2020 erfolgen habe können.

14       Mit ihrer Ansicht, es obliege der belangten Behörde, einen „Gegenbeweis zur Einschränkung des Verdienstentgangs“ anzutreten, verkenne die Revisionswerberin die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Verordnung des LH vom 27. März 2020 führe nicht zu einer Einschränkung des Verdienstentgangs; vielmehr sei der durch diese Verordnung verursachte Verdienstentgang nicht (ausschließlich) kausal auf die Verordnung der belangten Behörde vom 13. März 2020 zurückzuführen.

15       Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht unter Verweis auf § 24 Abs. 4 VwGVG damit, dass die Akten erkennen hätten lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstünden.

16       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

17       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

19       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20       In der demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es hinsichtlich des Verdienstentgangs betreffend Nicht-Touristen die Beweislast rechtswidrig auf die Revisionswerberin überbunden habe, obwohl die Behörde die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung der materiellen Wahrheit treffe. Es sei allein der Revisionswerberin überlassen worden, eine Differenzierung zwischen Tourist und Nicht-Tourist vorzunehmen, obwohl es zu dieser Rechtsfrage keinerlei Anhaltspunkte in der Literatur und Judikatur gebe. Das Verwaltungsgericht habe keinerlei Beweise zur Feststellung des wahren Sachverhalts aufgenommen und gewürdigt und dadurch den Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt. Die Revisionswerberin habe die Höhe des Entschädigungsanspruchs gemäß den einschlägigen Regelungen (insbesondere dem vorgegebenen Berechnungstool) richtig berechnet und sei damit ihrer Beweispflicht nachgekommen.

21       Mit diesem Vorbringen bekämpft die Revision nicht etwa die - zutreffende (vgl. etwa VwGH 29.11.2021, Ro 2021/03/0030; VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018) - rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der Revisionswerberin hinsichtlich des Zeitraumes, in dem die Verordnung der BH von jener des LH überlagert war, nur jener Verdienstentgang zu ersetzen ist, der aus der unterbliebenen Beherbergung von Nicht-Touristen resultiert. Sie wendet sich vielmehr lediglich gegen die (Negativ-)Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass nicht konstatiert werden könne, ob die in diesem Zeitraum erlittenen Verdiensteinbußen (auch) auf die unterlassene Beherbergung von Nicht-Touristen zurückzuführen seien, und macht in diesem Zusammenhang zusammengefasst geltend, dass das Verwaltungsgericht seine amtswegige Ermittlungspflicht missachtet habe.

22       Das Verwaltungsgericht hatte - entsprechend den rechtlichen Erfordernissen, die sich insbesondere aus dem hg. Erkenntnis vom 16. November 2021, Ro 2021/03/0018, ergeben (vgl. dazu auch VwGH 6.2.2023, Ra 2022/03/0294) - die Revisionswerberin im Rahmen einer verfahrensleitenden Anordnung aufgefordert, bekanntzugeben, ob und in welchem Ausmaß in der Vergleichsperiode März 2019 Einkommen aus der Beherbergung von Nicht-Touristen erwirtschaftet worden sei, und auf die Folgen der mangelnden Mitwirkung der Revisionswerberin hingewiesen. Im angefochtenen Erkenntnis hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, aufgrund des Vorbringens der Revisionswerberin, über keinerlei Daten zu verfügen, die es ihr ermöglichen würden, einen nicht-touristischen Anteil ermitteln zu können, habe kein Zuspruch für den Zeitraum vom 28. März 2020 bis 30. März 2020 erfolgen können.

23       Damit gleicht der vorliegende Revisionsfall insoweit hinsichtlich des Sachverhalts und den aufgeworfenen Rechtsfragen jenen Fällen, die den hg. Beschlüssen vom 25. Jänner 2023, Ra 2022/03/0245, und vom 6. Februar 2023, Ra 2022/03/0294, zugrunde lagen, auf deren Begründungen gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird.

24       Wie in den zitierten hg. Beschlüssen unter Verweis auf Vorjudikatur (vgl. etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mwN) näher dargelegt wurde, entbindet das Offizialprinzip die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf, also insbesondere dann, wenn es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre der Partei selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw. personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt.

Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes („Mitwirkungspflicht“) enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch weder von ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör noch ihrer Begründungspflicht.

25       Gemäß § 17 VwGVG ist das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. zum Ganzen erneut VwGH 25.1.2023, Ra 2022/03/0245, mwN).

26       Die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision vermag weder darzulegen, dass mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien zum Verhältnis zwischen Amtswegigkeit und Mitwirkungspflicht überschritten worden wären, noch darzutun, aufgrund welcher konkreten (amtswegigen) Ermittlungen das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen.

27       Soweit die Revisionswerberin in den Zulässigkeitsausführungen ohne nähere Konkretisierung bemängelt, es gebe keine Anhaltspunkte für die Unterscheidung zwischen „Tourist“ und „Nicht-Tourist“, ist auch in diesem Zusammenhang auf das (auch im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zitierte) hg. Erkenntnis vom 16. November 2021, Ro 2021/03/0018, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der dort wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach es sich bei Nicht-Touristen um „Personen, die vor Ort zu beruflichen Zwecken tätig gewesen seien, und Ortsansässige“ handle, keine Bedenken geäußert hat.

28       Im Übrigen hatte die Revisionswerberin selbst noch in ihrer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid dargelegt, dass unter „Beherbergung für Gäste zu nicht-touristischen Zwecken“ etwa „Übernachtungen zu beruflichen oder geschäftlichen Zwecken“ zu verstehen seien, aber auch andere Fallkonstellationen wie etwa „Übernachtung zu rein familiären Zwecken ohne touristischen Hintergrund“, denkbar seien.

29       Auch angesichts des Umstands, dass die Revisionswerberin nach eigenen Angaben überhaupt keine der geforderten Daten erhoben hat, zeigt das in Rede stehende Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.

30       Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision das Unterbleiben der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gerügt. Dazu hält die Revisionswerberin fest, dass aufgrund der rechtlichen Unmöglichkeit (abverlangte Daten hätten nicht erhoben werden dürfen) der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht feststehe und ein mündliche Erörterung der Frage hinsichtlich der notwendigen Differenzierung zwischen Tourist und Nicht-Tourist und der Frage des im Vergleichszeitraum März 2019 durch Nicht-Touristen erzielten Einkommens sicher einen wesentlichen Beitrag zur Findung der materiellen Wahrheit hätte leisten können.

31       Der in Rede stehende Verdienstentgang nach § 32 EpiG fällt unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/09/0214, mwN).

32       Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nur dann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Die Akten lassen dann im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, wenn also die Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes gegeben sind und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, für die eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Hingegen liegen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung vor, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts kann außer Betracht bleiben.

Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen des Revisionswerbers angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung kann auch in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 4.10.2022, Ra 2022/07/0160, mwN).

33       Nach dem zum eingangs genannten Zulässigkeitsvorbringen Gesagten war im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der relevante Sachverhalt nicht strittig, zumal das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis (ohnehin) das Tatsachenvorbringen der Revisionswerberin, es könnten die geforderten Daten nicht vorgelegt werden, zu Grunde legte. Darüber hinaus waren - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - keine Rechtsfragen zu klären, zu deren Beantwortung nicht auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden konnte. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revisionswerberin nicht auf, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre.

34       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

35       Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.

Wien, am 23. Februar 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023070003.L00

Im RIS seit

22.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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