TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/9 95/19/0082

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Veröffentlicht am 09.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1994, Zl. 4.305.680/10-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ghanas. Er reiste am 23. November 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 26. November 1990 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 5. Dezember 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland gab er entscheidungswesentlich an, er sei in seinem Heimatland Mitglied der Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" gewesen. Nachdem im Jahre 1989 diese Glaubensgemeinschaft offiziell verboten worden sei, habe er sich aus Unzufriedenheit mit dem Regime - wegen seiner Mitgliedschaft bei den "Zeugen Jehovas" sei er nicht verfolgt worden - einer oppositionellen Organisation, nämlich der "Ghanesischen Demokratischen Bewegung" ("G.D.M.") angeschlossen. Ziel dieser verbotenen Organisation sei die Demokratisierung des unter militärischer Herrschaft stehenden Landes. Der Sitz der Organisation wie auch der Anführer befänden sich in England. Die Aufgabe des Beschwerdeführers innerhalb dieser oppositionellen Organisation sei es gewesen, Plakate auf Straßen und anderen öffentlichen Flächen anzubringen. Dabei sei er am 5. November 1990 verhaftet worden. Er habe sich eine Woche in Haft befunden, wobei er in einer Einzelzelle untergebracht worden sei; nach seinen Angaben sei der Beschwerdeführer weder verhört noch befragt und auch nicht geschlagen worden. Der Grund seiner Verhaftung sei ihm offiziell nicht mitgeteilt worden. Ein Angehöriger der "G.D.M."

habe ihn schließlich unter dem Vorwand befreit, den Beschwerdeführer für eine Vernehmung nach Accra bringen zu müssen. Mit Hilfe dieses Mannes sei es ihm dann gelungen, Ghana zu verlassen.

Wäre er in seinem Heimatland geblieben, so hätte er mit der Todesstrafe zu rechnen gehabt.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. Dezember 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer weiters aus, daß ein Mitglied der "G.D.M." vor seiner Inhaftierung bereits "eingesperrt" worden sei; weil dieser sich geweigert habe, die Mitglieder der Organisation zu verraten, habe ihn "die Regierung" töten lassen. Deshalb sei dem Beschwerdeführer bewußt gewesen, daß er ein ähnliches Schicksal zu erwarten habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 15. November 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde hat die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers mit der Begründung verneint, daß die bloße Mitgliedschaft zu einer politischen Gruppierung allein noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling sei, einem Asylwerber wohlbegründete Furcht allein deswegen noch nicht zuzubilligen sei, weil er in seiner Heimat für eine dort verbotene politische Partei Flugblätter verteilte und auch die Anhaltung und Festnahme anläßlich des Anbringens von Plakaten noch keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bilde. Die belangte Behörde billigte dem Beschwerdeführer grundsätzlich Glaubwürdigkeit zu, erachtete aber sein Vorbringen, von einem ihm bekannten Mitglied der "G.D.M." auf die näher geschilderte Weise aus dem Gefängnis befreit worden zu sein, als unglaubwürdig. Weiters spreche es gegen das subjektive Schutzbedürfnis, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland unter Verwendung seines eigenen Reisepasses verlassen habe können.

Was das zuletzt gebrauchte Argument der belangten Behörde betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, daß aus einer problemlosen (legalen) Ausreise eines Asylwerbers alleine noch nicht der Schluß gezogen werden könne, dem Beschwerdeführer drohe in seinem Heimatland keine Verfolgung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Juli 1994, Zl. 94/19/0298, und vom 24. März 1994, Zl. 94/19/0059, je mwN).

Vor allem aber hat sich die belangte Behörde in keiner Weise mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, als Mitglied der oppositionellen Bewegung "G.D.M." habe er in seinem Heimatland mit dem Tod zu rechnen. Unterstellt man die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens - die belangte Behörde hat auch insoweit keine Aussage getroffen - , dann liegt - im Gegensatz zur Rechtsansicht der belangten Behörde - in der Verhaftung und Inhaftierung des Beschwerdeführers eine staatliche Verfolgungsmaßnahme einer Intensität, die geeignet ist, begründete Furcht vor Verfolgung annehmen zu lassen.

Dadurch, daß die belangte Behörde in keiner Weise zu diesem Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung genommen hat, weist der bekämpfte Bescheid eine Begründungslücke auf, die die Nachprüfung auf die Gesetzmäßigkeit des Inhaltes nicht zuläßt, weshalb der bekämpfte Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war, da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 578, zitierte Rechtsprechung).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995190082.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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