TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/10 95/17/0380

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Veröffentlicht am 10.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
14/02 Gerichtsorganisation;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
GEG §7 Abs1 idF 1987/646;
GOG §89 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. O in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes

Krems a. d. Donau vom 1. März 1995, Zl. Jv 653-33/95, betreffend Zurückweisung eines Berichtigungsantrages nach § 7 Abs. 1 GEG 1962, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Zahlungsauftrag vom 5. November 1993 schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Waidhofen a. d. Thaya der Beschwerdeführerin den Ersatz von Sachverständigengebühren im Betrag von S 2.897,-- und eine Entscheidungsgebühr im Betrag von S 360,-- zuzüglich der Einhebungsgebühr von S 50,--, zusammen somit den Betrag von S 3.307,-- zur Zahlung vor.

Die Beschwerdeführerin erhob einen Berichtigungsantrag.

1.2. Mit Bescheid vom 1. März 1995 wies der Präsident des Landesgerichtes Krems a. d. Donau die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 21. November 1993 zurück. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Zahlungsauftrag des Kostenbeamten der Beschwerdeführerin am 9. November 1993 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die am 25. November 1993 beim Bezirksgericht Waidhofen a. d. Thaya eingelangte Eingabe sei daher "gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950" als verspätet zurückzuweisen, da die im § 7 Abs. 1 GEG 1962 zur Einbringung eines Berichtigungsantrages normierte Frist bereits abgelaufen gewesen sei.

Die amtswegige Überprüfung des Zahlungsauftrages habe keinen Grund zur Aufhebung ergeben; die angefallenen Sachverständigengebühren seien nämlich mit Beschluß des genannten Bezirksgerichtes vom 19. August 1992 mit S 2.897,-- rechtskräftig bestimmt worden; mit weiterem Beschluß des Bezirksgerichtes sei die Beschwerdeführerin zur Leistung eines Unterhaltes für zwei minderjährige Kinder von je S 1.000,-- monatlich verpflichtet worden; auch dieser Beschluß sei in Rechtskraft erwachsen.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, die "Gebührenvorschreibung dem Grunde, aber auch der Höhe nach zu bekämpfen, verletzt." Die geltend gemachten Beschwerdegründe betreffen sodann die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Einholung des der Gerichtskostenvorschreibung zugrundegelegten Gutachtens, jedenfalls aber "dürfte eine so aufwendige Untersuchung nicht zu meinen Lasten gehen".

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 7 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG 1962), Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 288, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1987, lautet:

"Der Zahlungspflichtige kann, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen. Der Berichtigungsantrag ist bei dem Gericht einzubringen, dessen Kostenbeamter den Zahlungsauftrag erlassen hat. In Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht."

2.2. Gegenstand des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheides des Präsidenten des Landesgerichtes Krems a. d. Donau ist ausschließlich die Frage der Verspätung des Berichtigungsantrages der Beschwerdeführerin.

Mit DIESER Frage beschäftigt sich die Beschwerde in keiner Weise. Vielmehr wird der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Zahlungsauftrag dem Grunde nach bekämpft. Was die von der belangten Behörde angenommene Verfristung anlangt, werden weder die behördlichen Feststellungen, der Zahlungsauftrag des Kostenbeamten sei der Beschwerdeführerin am 9. November 1993 durch Hinterlegung zugestellt worden und der Berichtigungsantrag sei am 25. November 1993 (einem Donnerstag) beim Bezirksgericht Waidhofen a. d. Thaya eingelangt, in Zweifel gezogen noch wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Ergebnis der belangten Behörde, daß der Berichtigungsantrag verspätet gestellt worden sei. Es wird somit sachverhaltsbezogen nicht die Behauptung aufgestellt, die Beschwerdeführerin hätte sich zwecks Einbringung ihrer Eingabe vom 21. November 1993 (dieses Datum der Eingabe fällt auf einen Sonntag) noch innerhalb der Frist, also spätestens bis 23. November 1993, der Post zur Beförderung an die gesetzliche Einbringungsstelle bedient (was im übrigen nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenstücken, die eine Postaufgabe am 24. November 1993 ausweisen, auch tatsächlich nicht der Fall ist). Die Beschwerdeführerin hat damit einen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zurückweisungsbescheides (den die belangte Behörde, wie gesagt, ausschließlich mit Verspätung des Rechtsmittels begründet hatte) relevanten Verfahrensmangel nicht geltend gemacht.

2.3. Es kann daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob es für die Wahrung der Frist nach § 7 Abs. 1 GEG 1962 auf den Zeitpunkt des Einlangens bei der Einbringungsstelle oder auf jenen der Postaufgabe ankommt.

2.3.1. Für die Maßgeblichkeit des Einlangens bei der gesetzlichen Einbringungsstelle könnte die Erwägung sprechen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für das in den §§ 6 und 7 GEG 1962 nur bruchstückweise geregelte Verfahren weder das AVG noch die BAO anzuwenden, sondern mangels gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens heranzuziehen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Jänner 1988, Zl. 86/16/0159, vom 13. Oktober 1988, Zl. 88/17/0058, vom 25. Februar 1995, Zl. 93/17/0001, und vom 15. April 1994, Zl. 93/17/0329).

Zu diesen allgemeinen Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zählt nach der Rechtsprechung etwa der Grundsatz des Parteiengehörs, des Ausschlusses wegen Befangenheit, der Begründungspflicht von Bescheiden und der Zulässigkeit außerordentlicher Rechtsmittel (vgl. dazu die Rechtsprechungszitate bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rdz 59, und bei Puck, Zur Anwendbarkeit des AVG (im besonderen auf die Fristenberechnung) und zum Instanzenzug im Verfahren vor den Notariatskammern, NZ 1978, 187, 197). Nicht zu diesen allgemeinen Verfahrensgrundsätzen werden nach der Rechtsprechung u.a. die Bestimmungen des AVG über den Devolutionsantrag nach § 73 (VwSlg. 2420 A/1952, 8942 A/1975; VfSlg. 2967/1956, 3420/1958, 4447/1963), ferner über die Parteienrechte (VfSlg. 6339/1970) und das im § 62 AVG niedergelegte Erfordernis, daß der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden sind (hg. Erkenntnis vom 15. April 1994, Zl. 93/17/0329 = Anw 1994, 736), gezählt.

Auch die eine Ausnahmebestimmung darstellende Regelung des § 33 Abs. 3 AVG über die Nichteinrechnung des Postenlaufes in Fristen (vgl. zum Ausnahmecharakter dieser Bestimmung das hg. Erkenntnis vom 13. April 1961, Zl. 1781/59) ist nicht Ausfluß eines allgemeinen Grundsatzes eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Gilt das Fristenprivileg des Postenlaufes (Verlängerung der Frist um den Postenlauf) für bestimmte Verfahren mangels einer diesbezüglichen Regelung nicht (im Beschwerdefall etwa wurde die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 3 AVG weder im EGVG noch im GEG 1962 angeordnet), dann muß dies weder eine unklare Rechtslage noch ein Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit derselben bedeuten, die allenfalls durch Analogie zu schließen wäre. Es bliebe vielmehr - wie bei allen materiellen Fristen auch (vgl. die grundlegenden Regelungen des ABGB über Fristen) - bei dem sich aus dem Wortlaut der Fristbestimmung selbst ergebenden Erfordernis, daß der Antrag am letzten Tag der gesetzlichen Frist bei der Einbringungsstelle eingelangt ("eingebracht") sein muß. Es handelt sich bei Fristenregelungen dieser Art, im besonderen der Nichteinrechnung des Postenlaufes in die Frist, um detailliert geregelte, verfahrenstechnische Institute, die die Annahme nicht rechtfertigen, es handle sich um allgemeine VerfahrensGRUNDSÄTZE. Solche Grundsätze sind vielmehr nur dann berührt, wenn andernfalls von einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht mehr gesprochen werden könnte (vgl. Puck, NZ 1978, 203, mit zahlreichen Hinweisen auf verschiedene explizite gesetzliche Regelungen betreffend die Einrechnung einerseits und die Nichteinrechnung andererseits des Postenlaufes).

Nach dieser Auslegungsvariante käme es im Beschwerdefall auf den Zeitpunkt der Postaufgabe des Berichtigungsantrages nicht an.

2.3.2. Es könnte allerdings auch die Rechtsauffassung vertreten werden, daß im § 7 Abs. 1 GEG 1948, BGBl. Nr. 109 bzw. § 7 Abs. 1 GEG 1962, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 288/1962, eine unbeabsichtigte Regelungslücke vorliegt. Für diese Überlegung könnte maßgebend sein, daß nach der seit der Sechsten Gerichtsentlastungsnovelle BGBl. Nr. 222/1929 (Art. XI - Gerichtliches Einhebungsgesetz) geltenden Rechtslage über einen Rekurs (Vorstellung) gegen den Zahlungsauftrag der Gerichtskanzlei ein Richter zu entscheiden hatte und daher wohl § 89 Abs. 1 GOG zur Anwendung gekommen wäre. Diese letztere Bestimmung sieht vor, daß bei gesetzlichen oder richterlichen Fristen, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Abgabe von Erklärungen, Anbringung von Anträgen, Überreichung von Schriftsätzen oder zur Vornahme anderer, ein gerichtliches Verfahren betreffenden Handlungen offenstehen, die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden. Im GEG 1948, BGBl. Nr. 109, wurde die Rechtsmittelentscheidung über einen Berichtigungsantrag gegen die Entscheidung des Kostenbeamten sodann zu einer Angelegenheit der Justizverwaltung, ohne daß die Frage des Postenlaufes einer ausdrücklichen Regelung zugeführt worden wäre. Dabei könnte übersehen worden sein, daß die bisherige Regelung betreffend die Fristverlängerung durch den Postenlauf nicht mehr zur Anwendung kommt; zumindest scheint nicht erkennbar die Absicht bestanden zu haben, eine von der bisherigen verfahrensrechtlichen Regelung und überdies von der für das zugrundeliegende gerichtliche Verfahren abweichende Fristenberechnung vorzusehen. Diese Überlegungen könnten zur Annahme führen, daß es für die Rechtzeitigkeit eines Berichtigungsantrages auf den Zeitpunkt der Postaufgabe ankommt.

Diese Frage brauchte im Beschwerdefall allerdings aus dem unter Punkt 2.2. dargelegten Grund nicht entschieden zu werden.

2.4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995170380.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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