TE Vwgh Erkenntnis 2023/2/15 Ra 2020/13/0045

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Veröffentlicht am 15.02.2023
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §279
  1. BAO § 279 heute
  2. BAO § 279 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2013
  3. BAO § 279 gültig von 12.08.2006 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 143/2006
  4. BAO § 279 gültig von 01.01.2003 bis 11.08.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 97/2002
  5. BAO § 279 gültig von 01.01.1962 bis 31.12.2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der H Gesellschaft m.b.H. in R, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, LL.M., Rechtsanwalt in 8010 Graz, Muchargasse 30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. März 2020, RV/2200008/2018, betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß § 212a BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit (in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenem) „Sammelbescheid“ vom 5. November 2015 setzte das (damalige) Zollamt Graz (nunmehr Zollamt Österreich; in Folge: belangte Behörde) gegenüber der Revisionswerberin Altlastenbeiträge und Nebenabgaben u.a. für das Lagern von Abfällen für die Jahre 2010 bis 2013 fest.

2        Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2015 Beschwerde gegen diesen Bescheid und beantragte zugleich die Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Altlastenbeiträge und Nebenabgaben.

3        Mit Bescheid vom 30. März 2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Altlastenbeiträge und Nebenabgaben ab und führte begründend aus, zwischenzeitig sei die Beschwerde der Revisionswerberin in der Hauptsache - hinsichtlich der Festsetzung der Altlastenbeiträge und Nebenabgaben - mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. März 2017 abgewiesen worden, weshalb entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung dieser Abgaben nicht mehr in Betracht komme.

4        Mit einem weiteren Bescheid vom 11. April 2017 setzte die belangte Behörde für den Zeitraum vom 18. Dezember 2015 bis 5. April 2017 Aussetzungszinsen fest. Begründend führte sie aus, der Antrag der Revisionswerberin auf Aussetzung sei mit Bescheid vom 30. März 2017 abgewiesen worden, weshalb Aussetzungszinsen gemäß § 212a Abs. 9 vierter Satz BAO vorzuschreiben gewesen seien.

5        Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2017 erhob die Revisionswerberin Beschwerde gegen diesen Bescheid.

6        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. Juni 2017 wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unbegründet ab, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.

7        Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde vom 17. Mai 2017 teilweise Folge und setzte für den Zeitraum vom 18. Dezember 2015 bis 5. April 2017 Aussetzungszinsen - in näher angeführter Höhe - fest. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

8        Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen aus, über die Beschwerde der Revisionswerberin in der Hauptsache - hinsichtlich der Festsetzung der Altlastenbeiträge und Nebenabgaben - sei mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 2. Juli 2019, RV/2200030/2019, entschieden und der bekämpfte Sammelbescheid in einem Spruchpunkt (Festsetzung von Altlastenbeiträgen und Nebenabgaben für eine vorübergehende Lagerung von Abfällen) aufgehoben worden; über die anderen Spruchpunkte sei hingegen noch nicht abgesprochen worden. Die auf den aufgehobenen Spruchpunkt entfallenden Aussetzungszinsen seien daher nicht festzusetzen. Die verbleibenden - auf die anderen Spruchpunkte entfallenden - Aussetzungszinsen seien neu festzusetzen.

9        Der Aussetzungsantrag sei durch die Abweisung mit Bescheid vom 30. März 2017 erledigt worden, womit die Hemmungswirkung weggefallen sei, sodass Einbringungsmaßnahmen wieder eingeleitet und fortgesetzt werden durften. Die Festsetzung der Aussetzungszinsen sei gesetzliche Folge der durch Bescheid abgewiesenen Aussetzung der Einhebung von Abgaben. Nach Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung dürfe die Festsetzung von Aussetzungszinsen daher erfolgen.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, zu deren Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Bescheid, mit dem Aussetzungszinsen festgesetzt wurden, aufzuheben sei, wenn zu einem späteren Zeitpunkt dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung mit Beschwerdevorentscheidung stattgegeben werde. Im konkreten Fall habe das Bundesfinanzgericht nämlich nicht berücksichtigt, dass die belangte Behörde in einer Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Abgaben abgewiesen worden sei, stattgegeben und damit die Aussetzung der Einhebung schlussendlich doch bewilligt habe.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens - in dem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12       Die Revision ist zulässig und begründet.

13       Gemäß § 212a Abs. 9 letzter Satz BAO (in der im entscheidungsrelevanten Zeitraum geltenden Fassung vor dem BGBl. I Nr. 108/2022) sind im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

14       Das Bundesfinanzgericht hat bei der Erlassung seiner Entscheidung (im Allgemeinen) die Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl. - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung - Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 31).

15       Die Revisionswerberin macht dazu in der Revision geltend, das Bundesfinanzgericht habe die (als „Berufungsvorentscheidung“ bezeichnete) Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 19. Februar 2018, mit welcher der Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 2017 dahin abgeändert worden sei, dass die Aussetzung der Einhebung der Abgaben - wie beantragt und ohne Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum - bewilligt werde, nicht berücksichtigt. Diese Beschwerdevorentscheidung findet sich nicht in den vorgelegten Verfahrensakten; die Revisionswerberin hat aber eine Ausfertigung dieser Beschwerdevorentscheidung mit der Revision vorgelegt. In der Revisionsbeantwortung bestreitet die belangte Behörde nicht, dass die Aussetzung der Einhebung in dieser Weise bewilligt wurde. Dass ein (an sich mit Ergehen der Beschwerdevorentscheidung in der Hauptsache am 29. März 2017 zwingend vorzunehmender) Ablauf der Aussetzung (§ 212a Abs. 5 BAO) verfügt worden sei, wird von keiner der Parteien behauptet.

16       Bei Zugrundelegung dieser Beschwerdevorentscheidung vom 19. Februar 2018 wäre aber davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Ergehens des hier angefochtenen Erkenntnisses die Aussetzung der Einhebung aufrecht bewilligt war. Eine Festsetzung von Aussetzungszinsen durfte dann gemäß § 212a Abs. 9 letzter Satz BAO nicht erfolgen. (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2018/16/0159).

17       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

18       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

19       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 15. Februar 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130045.L00

Im RIS seit

16.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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