TE Vwgh Beschluss 2023/2/6 Ra 2022/03/0294

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Veröffentlicht am 06.02.2023
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der W KG in H, vertreten durch Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Otto Holzbauer Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 12. Juli 2022, Zl. 405-8/204/1/16-2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin betreibt einen näher bezeichneten Beherbergungsbetrieb in H, der im Laufe des Jahres 2020 von einschränkenden Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie betroffen war.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Revisionswerberin mit einer Maßgabebestätigung zu einem entsprechenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See für den Zeitraum vom 16. März bis 3. April 2020 gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) eine Vergütung für den Verdienstentgang in Höhe von € 135.851,83 zu. Den geltend gemachten Mehrbetrag von € 59.004,13 wies es jedoch ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2021, Ro 2021/03/0018, aus, im Beschwerdeverfahren sei als strittig vorrangig zu klären, ob und gegebenenfalls welcher Vergütungsanspruch für den Zeitraum 28. März bis 3. April 2020 bestehe; dabei handle es sich um jenen Zeitraum, in dem die Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG seitens der Bezirkshauptmannschaft Zell am See durch die auf das COVID-19-MG gestützte Verordnung des Landeshauptmanns von Salzburg, LGBl. Nr. 25/2020, überlagert war, mit der eine Beherbergung von Touristen und Touristinnen verboten worden sei. Vergütungsfähig sei nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nur jener Verlust, der in diesem Zeitraum aus der Nichtbeherbergung von Gästen resultieren konnte, die durch die Verordnung des Landeshauptmanns nicht erfasst waren.

4        Fallbezogen habe nicht festgestellt werden können, dass die Revisionswerberin einen Verlust aus der Nichtbeherbergung von Gästen erlitten habe, die durch die Verordnung des Landeshauptmanns nicht erfasst waren (sohin „Nicht-Touristen“), weshalb kein Zuspruch für Verdienstentgang im Zeitraum vom 28. März bis 3. April 2020 habe erfolgen können. Die Revisionswerberin habe den gesamten, auch touristischen Verdienstentgang gefordert. Sie habe trotz ausdrücklicher Aufforderung jedwede weitergehende Substantiierung ihres Vorbringens unterlassen und sich auf den Standpunkt zurückgezogen, aus datenschutzrechtlichen Gründen keinerlei Erhebungen und/oder Angaben machen zu können, welcher Anteil des Verlustes auf die Beherberung von Nicht-Touristen entfallen sei. Sie habe eine „Schätzung“ in Höhe von 10 - 20% vorgenommen, welche sie dem Gericht „informativ mitgeteilt“ habe. Diese Angabe sei für das Verwaltungsgericht wenig nachvollziehbar gewesen, zumal widersprüchlich dazu behauptet worden sei, mangels Erhebung überhaupt keine Angaben machen zu können. Vorbringen zur Ausgestaltung des gegenständlichen Beherbergungsbetriebs (beispielsweise von Seminarräumen oder Angeboten für Geschäftsreisende), substantiierte Angaben abseits von Schätzungen zu ungefähren Anteilen der Geschäftsreisen aufgrund von Firmenrechnungen oder Eindrücken bzw. ein Zeugenanbot beispielsweise von Rezeptionisten oder des Steuerberaters zur Glaubhaftmachung seien nicht erfolgt. Im Gegenstand liege folglich keinerlei geeignetes Tatsachensubstrat vor, welches eine positive Feststellung eines Verdienstentgangs im Zeitraum ab 28. März bis 3. April 2020 bezogen auf Nicht-Touristen gerechtfertigt hätte, sodass dem Verwaltungsgericht trotz Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Beantwortung dieser Frage nicht möglich sei.

5        Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 20. September 2022, E 2232/2022-5, ablehnte, und sie mit Beschluss vom 17. Oktober 2022, E 2232/2022-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe die Beweislast für den Verdienstentgang betreffend Nicht-Touristen in rechtswidriger Weise auf die Revisionswerberin überbunden, obwohl die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung der materiellen Wahrheit die Behörde treffe. Es habe der Revisionswerberin mitgeteilt, davon auszugehen, dass keine relevanten Einkünfte aus der Beherbergung von Nicht-Touristen vorgelegen seien, wenn innerhalb einer gesetzten Frist keine entsprechende Glaubhaftmachung erfolge. Daraus ergebe sich, dass das Verwaltungsgericht bei einer unterlassenen Mitwirkung - ohne selbst weitere Ermittlungen anzustellen - vom Nichtvorliegen von Einkünften durch Nicht-Touristen ausgegangen sei. Diese Vorgehensweise decke sich nicht mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die unterlassene Mitwirkung einer Partei nicht als negativer Beweis angesehen werden dürfe (Hinweis auf VwGH 27.3.1996, 94/12/0298).

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 39 Abs. 2 AVG steht der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine Mitwirkungspflicht der Partei gegenüber, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre des Antragstellers selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025; 19.6.2018, Ra 2018/03/0021). Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr, allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist, gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes („Mitwirkungspflicht“) enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch weder von ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör noch ihrer Begründungspflicht (vgl. etwa VwGH 27.1.2011, 2008/09/0189, mwN).

10       Gemäß § 17 VwGVG ist das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, u.a.).

11       Im gegenständlichen Fall hat das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin entsprechend den rechtlichen Erfordernissen, die sich insbesondere aus dem hg. Erkenntnis vom 16. November 2021, Ro 2021/03/0018 ergeben (auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), aufgefordert, ihr Vorbringen dahingehend zu präzisieren, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß in der Vergleichsperiode März bzw. April 2019 Einkommen aus der Beherbergung von Nicht-Touristen erwirtschaftet worden sei. Gegebenenfalls wäre das Ausmaß der betreffenden Einkünfte (im Verhältnis zu den Einkünften aus der Beherbergung von Touristen) glaubhaft zu machen, etwa durch Übermittlung einer Aufstellung der nicht-touristischen Umsätze/Nächtigungen unter Anführung des Zwecks der Beherbergung im Verhältnis zu den gesamten Umsätzen/Nächtigungen).

12       In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses argumentiert das Verwaltungsgericht, die Revisionswerberin habe diesem Auftrag nicht entsprochen. Sie habe lediglich eine nicht nachvollziehbare Schätzung vorgenommen, aber kein Vorbringen erstattet, das eine Einschätzung der ungefähren Anteile von Geschäftsreisenden am Gesamteinkommen ermöglicht hätte. Auch entsprechende Belege seien nicht vorgelegt oder Zeugen namhaft gemacht worden. Das Verwaltungsgericht könne deshalb nicht feststellen, ob die Verluste der Revisionswerberin im Zeitraum vom 28. März bis 3. April 2020 auch auf die Beherbergung von Nicht-Touristen zurückzuführen seien.

13       All dem hält die Revision in ihrer Zulassungsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen. Sie beschränkt sich auf den grundsätzlich zutreffenden Hinweis darauf, dass die unterlassene Mitwirkung einer Partei nicht ohne Weiteres die Annahme des Nichtvorliegens des zu Erweisenden rechtfertige (vgl. etwa VwGH 27.3.1996, 94/12/0298). Dies hat das Verwaltungsgericht letztlich aber auch nicht getan. Es hat nicht festgestellt, dass die Revisionswerberin im strittigen Zeitraum keine Nicht-Touristen beherbergt und daher auch keinen diesbezüglichen Verlust erlitten hat, sondern es hat sich auf der Grundlage des erstatteten Vorbringens und der vorhandenen Beweise lediglich nicht in der Lage gesehen, einen derartigen Verdienstentgang festzustellen. Die Revision vermag nicht darzutun, aufgrund welcher konkreten (amtswegigen) Ermittlungen das Verwaltungsgericht zu welchem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Februar 2023

Schlagworte

Allgemein Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030294.L00

Im RIS seit

13.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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