TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/23 95/06/0205

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Veröffentlicht am 23.11.1995
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
L37166 Kanalabgabe Steiermark;
L82306 Abwasser Kanalisation Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §61 Abs3;
AVG §63 Abs5;
KanalabgabenG Stmk 1955 §1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §6;
KanalG Stmk 1988 §4;
LAO Stmk 1963 §189;
LAO Stmk 1963 §191 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des J in H, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. August 1995, Zl. 03-12.10 H 28-95/2, betreffend Kanalanschlußverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. April 1995 wurde der Beschwerdeführer unter Spruchpunkt I verpflichtet, die Schmutzwässer seiner Liegenschaft auf eigene Kosten in das öffentliche Kanalnetz der Marktgemeinde H abzuleiten und es wurden dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt II als Anschlußbeiträge der Kanalisationsbeitrag und ein Pauschale für den Bau der Kanalleitung vom Hausübernahmeschacht zum Hauptkanal sowie in Spruch III die Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß gegen die Vorschreibung des Anschlußbeitrages sowie gegen die grundsätzliche Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr und der Zählermiete gemäß § 189 der LAO 1963, LGBl. Nr. 158/1963, idgF die Berufung innerhalb eines Monats zulässig sei, sowie daß gegen die Anschlußverpflichtung gemäß § 63 Abs. 5 des AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Bescheides schriftlich oder telegraphisch die Berufung bei der Marktgemeinde H eingebracht werden könne. Der verbalen Beschreibung der einzelnen Aussprüche wurden jeweils Klammerausdrücke beigefügt, die auf den jeweiligen Spruchpunkt hinweisen sollten. Dabei wurde irrtümlich nach den Worten "gegen die Vorschreibung des Anschlußbeitrages" der Hinweis "(Spruch I)" und nach den Worten "der Kanalbenützungsgebühr und der Zählermiete" der Hinweis "(Spruch II)" eingefügt; lediglich im dritten Absatz der Rechtsmittelbelehrung, der sich auf die Anschlußverpflichtung bezieht, wurde zutreffenderweise auf Spruch I verwiesen, der somit in dieser Rechtsmittelbelehrung zweimal in den Klammerausdrücken aufscheint.

Der Beschwerdeführer brachte nach Ablauf von zwei Wochen nach der Zustellung des Bescheides eine Berufung ein, in der er sich gegen Spruch I und Spruch II des erstinstanzlichen Bescheides wendete. Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung gegen den Spruch I als unzulässig zurück, weil sie nicht zeitgerecht eingebracht worden sei. Mit Spruch II des Berufungsbescheides des Gemeinderats der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde die Berufung gegen Spruch II des erstinstanzlichen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung; mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides aus, daß im Beschwerdefall kein Fall des § 61 Abs. 3 AVG vorliege. Nach dieser Vorschrift gelte für den Fall, daß in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben sei, das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig. Obgleich die Klammerausdrucke im ersten Absatz der Rechtsmittelbelehrung auf Grund eines Schreibfehlers unrichtig seien, sei aus der Formulierung dieses Absatzes doch eindeutig erkennbar, welche Sprüche der längeren Rechtsmittelfrist unterliegen. Der für das Anschlußverpflichtungsverfahren maßgebliche Absatz 3 der Rechtsmittelbelehrung sei eindeutig und in keiner Weise irreführend formuliert. Da es sich im ersten Absatz der Rechtsmittelbelehrung um eine offenkundige textliche Ungereimtheit handle, deren Unrichtigkeit auch für den Vorstellungswerber leicht erkennbar gewesen sein müsse, und darüber hinaus der maßgebliche dritte Absatz der Rechtsmittelbelehrung fehlerfrei und eindeutig formuliert sei, ergebe sich keine Anwendungsmöglichkeit des § 61 Abs. 3 AVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des Rechts auf eine Sachentscheidung über die Berufung gegen den Spruch I des erstinstanzlichen Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 61 Abs. 3 AVG lautet:

"(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig."

Die Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides lautete wie folgt:

"Gegen die Vorschreibung des Anschlußbeitrages (Spruch I), sowie gegen die grundsätzliche Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr und der Zählermiete (Spruch II) ist gemäß § 189 der LAO 1963, LGBl. Nr. 158/1963 idgF, die Berufung zulässig, die innerhalb eines Monats nach Erhalt dieses Bescheides schriftlich, fernschriftlich oder telegraphisch beim Marktgemeindeamt H einzubringen ist.

Die Berufung muß die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; die Erklärung in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und eine Begründung enthalten. Durch Einbringen einer Berufung wird die Verpflichtung zur Zahlung des Kanalanschlußbeitrages nicht gehemmt.

Gegen die Anschlußverpflichtung (Spruch I) kann gemäß § 63 Abs. 5 des AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Bescheides schriftlich oder telegraphisch die Berufung bei der Marktgemeinde H eingebracht werden. Einer Berufung gegen die Anschlußverpflichtung kommt aufschiebende Wirkung zu. Die Berufung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er die Berufung gegen Spruch I des erstinstanzlichen Gemeindebescheides nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist nach dem AVG eingebracht hat. Er bringt - wie schon in seiner Vorstellung - jedoch vor, daß nach dem Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung "die objektive Möglichkeit einer Irreführung gegeben" gewesen sei. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis VwSlg. Nr. 2446 A/1952 zu einer unklar formulierten Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Einbringungsstelle und das hg. Erkenntnis VwSlg. Nr. 7345 A/1968 zur Frage, ob unterschiedliche Anforderungen an die Klarheit einer Rechtmittelbelehrung zu stellen sind, je nachdem, ob die Partei rechtsfreundlich vertreten ist oder nicht, vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß wegen der objektiven Möglichkeit der Irreführung die Rechtsmittelbelehrung gesetzwidrig gewesen sei, sodaß die belangte Behörde dadurch, daß sie diese Gesetzwidrigkeit nicht erkannt habe, ihren Bescheid mit einer zur Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet habe. Maßgebliche Rechtsfrage ist somit im Beschwerdefall, ob die Rechtsmittelbelehrung ausreichend deutlich war oder ob eine solche Unklarheit wie in den zitierten Vorerkenntnissen vorliegt, sodaß von einer Unwirksamkeit der Rechtsmittelbelehrung ausgegangen werden kann, bzw. angenommen werden kann, daß eine falsche Rechtsmittelbelehrung (nämlich eine solche, die eine längere als die gesetzlich vorgesehene Frist angegeben hätte) vorgelegen ist. Der Maßstab, der für die Beantwortung der Frage der Gesetzmäßigkeit der Rechtsmittelbelehrung vom Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen verwendet wurde, ist - wie in der Beschwerde an sich richtig dargestellt - die "objektive Möglichkeit der Irreführung".

Aus dem Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung wird jedoch deutlich, hinsichtlich welcher Aussprüche im angefochtenen Bescheid die einmonatige Berufungsfrist besteht und hinsichtlich welchen Ausspruches die zweiwöchige Berufungsfrist besteht. Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf die oben genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes ist für ihn daher im Beschwerdefall nichts zu gewinnnen, da keine der in diesen Beschwerdefällen gegebenen Unklarheit vergleichbare Undeutlichkeit vorliegt. DIE RECHTSMITTELBELEHRUNG BRINGT ZUM AUSDRUCK, DAß GEGEN DEN AUSSPRUCH ÜBER DEN KANALISATIONSBEITRAG

UND DIE KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR INNERHALB DER RECHTSMITTELFRIST

DER LANDESABGABENORDNUNG BERUFUNG ERHOBEN WERDEN KANN, UND DAß GEGEN DEN AUSSPRUCH BETREFFEND DIE ANSCHLUßVERPFLICHTUNG INNERHALB DER BERUFUNGSFRIST NACH § 63 ABS. 5 AVG DIE BERUFUNG EINGEBRACHT WERDEN KANN. Durch die irrtümliche Beifügung der Klammerausdrücke "(Spruch I)" und "(Spruch II)" nach der Erwähnung der Vorschreibung des Anschlußbeitrages bzw. der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr wird der Erklärungswert der jeweiligen Aussagen ("Vorschreibung des Anschlußbeitrages" bzw. "Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr") nicht entscheidend geschmälert, zumal im dritten Absatz für die Entscheidung betreffend die Anschlußverpflichtung ausdrücklich die zweiwöchige Berufungsfrist angegeben wird und in diesem Fall auch zutreffend auf "Spruch I" hingewiesen wird. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß nach dem ersten Absatz der Rechtsmittelbelehrung zweifelhaft ist, ob damit eine Berufungsfrist für den (tatsächlichen) Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides angegeben werden sollte (und nur darauf kommt es im Beschwerdefall an), wären diese Zweifel durch den dritten Absatz, der sich allein mit der Anschlußverpflichtung befaßt, jedenfalls ausgeräumt. Es bestand daher keine objektive Möglichkeit der Irreführung. Das hg. Erkenntnis VwSlg. 2446 A/1952 betraf demgegenüber einen Fall, in dem die Einbringungsstelle für die Berufung nur unter Verwendung von bloß im Amtsverkehr üblichen Abkürzungen bezeichnet worden war und überdies die Tatsache, daß das Rechtsmittel bei einer anderen Behörde einzubringen wäre, lediglich mit der (amtsdeutschen) Wendung "im Wege des MBA" ausgedrückt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof ging in diesem Erkenntnis davon aus, daß die Kenntnis der Abkürzung und der gebrauchten Wendung nicht jedermann zuzumuten sei. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es jedoch um die Auswirkung einer irrtümlichen Beifügung der näheren Erläuterung, auf welchen Spruchpunkt sich eine KONKRETE ANGABE DER RECHTSMITTELFRIST bezieht. Da bei der verbalen Beschreibung des jeweiligen Spruchpunktes keinerlei Fehler unterlaufen ist, ist die irrtümliche Beifügung auch für einen Außenstehenden als Irrtum erkennbar und beeinträchtigt daher den Erklärungswert der Rechtsmittelbelehrung nicht entscheidend. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die objektive Möglichkeit einer Irreführung gegeben gewesen sei. Auch in dem zweiten vom Beschwerdeführer genannten Erkenntnis, VwSlg. 7345 A/1968, ging es um eine hinsichtlich der Bezeichnung der Einbringungsstelle unklare Rechtsmittelbelehrung. Die im damaligen Beschwerdefall verwendete Formulierung ging dahin, daß "das ordentliche Rechtsmittel der Vorstellung an die Landesregierung, daß bei DIESEM AMTE binnen zwei Wochen ... einzubringen ist" zulässig sei. Da durch die Wortstellung im Satz die Formulierung "diesem Amte" auch auf die Landesregierung bezogen werden konnte, ging der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis von einer Unklarheit der Rechtsmittelbelehrung aus und sah die Einbringung bei der Landesregierung im Sinne des § 61 Abs. 4 AVG als zulässig an. Auch mit diesem Sachverhalt läßt sich jedoch der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichen, da im damaligen Beschwerdefall objektiv eine zweideutige Rechtsmittelbelehrung vorlag.

Da aus den dargelegten Gründen bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060205.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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