TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/17 LVwG-2021/15/2020-13

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Veröffentlicht am 17.01.2023
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Entscheidungsdatum

17.01.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs8
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von AA, Adresse 1, **** Z, mitbeteiligte Partei BB GmbH, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 17.06.2021, Zl ***, betreffend Errichtung und Betrieb einer Biogasaufbereitungsanlage sowie die Einspeisung des gereinigten Gases in das Erdgasleitungsnetz,

zu Recht:

1.       Aufgrund der Antragsänderung, eingelangt am 28.07.2022, wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und die Angelegenheit gemäß § 6 Abs 1 AVG an die Bezirkshauptmannschaft X verwiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auf Grundlage der GewO 1994 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasaufbereitungsanlage erteilt. Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel. Im Rechtsmittel wird unter anderem ausgeführt, dass die Anlage bereits errichtet worden sei und die Ausführung nicht dem angefochtenen Bescheid entspreche. Außerdem werden Einwendungen auf Grund zu hoher Lärmemissionen erhoben.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat daraufhin eine Überprüfung an Ort und Stelle durch einen gewerbetechnischen Sachverständigen in Auftrag gegeben. Aus dem daraufhin erstatteten Gutachten ergibt sich, dass die Anlage tatsächlich nicht so errichtet wurde, wie sie von der belangten Behörde genehmigt wurde.

Die vorgenommenen Änderungen stellen nach den Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen sowohl in emissionstechnischer als auch in sicherheitstechnischer Hinsicht wesentliche Änderungen gegenüber der ursprünglich genehmigten Anlage dar. So wurde insbesondere vom gewerbetechnischen Sachverständigen festgestellt, dass aufgrund der Anlagenänderung der Planungstechnische Grundsatz gegenwärtig weder im Tag- noch im Abendzeitraum eingehalten wird.

Mit Schriftsatz der BB GmbH vom 28.07.2022 wurde daraufhin eine Antragsänderung vorgenommen. Nach dieser Antragsänderung soll der Konsens nunmehr dem tatsächlich errichteten Bestand angepasst werden.

II.      Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde eine Biogasaufbereitungsanlage gewerberechtlich genehmigt. Die belangte Behörde hat nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens dazu festgestellt, dass der Planungstechnische Grundsatz als lärmtechnisches Irrelevanzkriterium nach den ursprünglich eingereichten Antragsunterlagen nicht überschritten wird, sohin nicht mit unzumutbar belästigenden schalltechnischen Auswirkungen beim Beschwerdeführer zu rechnen ist.

Festgehalten wird, dass die belangte Behörde zum Bewilligungsantrag der BB GmbH am 21.01.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat. Der Beschwerdeführer hat bei dieser Verhandlung vorgebracht, dass die Antragsunterlagen zur Beurteilung der Lärmemissionen unzureichend seien, was vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen bei der Verhandlung bestätigt wurde. Daraufhin wurden von der Antragstellerin am 17.03.2021 ergänzende Antragsunterlagen vorgelegt. Eine neuerliche mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt.

Die Anlage wurde nicht entsprechend dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid errichtet. Nach der tatsächlich ausgeführten Anlage wird derzeit der Planungstechnische Grundsatz als lärmtechnisches Irrelevanzkriterium nicht eingehalten. Die von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Antragsänderung dient der Anpassung des Konsenses an die tatsächlich abweichend errichtete Anlage.

Festgehalten wird daher, dass im vorliegenden Fall eine wesentliche Änderung vorliegt, zumal nach dem ursprünglich genehmigten Projekt nicht von einer unzumutbaren Belästigung des Nachbarn durch Schallimmissionen auszugehen war, nach dem nunmehr eingereichten Projekt anlagenbedingt allerdings sehr wohl mit solchen Auswirkungen zu rechnen ist, sofern nicht entsprechende Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden. Aus dem Blickwinkel des Nachbarn handelt es sich somit im vorliegenden Fall um eine wesentliche Änderung.

III.     Beweiswürdigung:

Die maßgeblichen Feststellungen ergeben sich aus den Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen CC vom 08.11.2021 sowie vom 25.08.2022.

IV.      Rechtslage:

Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994)

„§74

Betriebsanlagen

[…]

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.     das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.     die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.     die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.     die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.     eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

[…]

§ 75

[…]

(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

[…]“

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG 1991)

㤠13

Anbringen

[…]

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

[…]“

V.       Erwägungen:

Festgestellt wird zunächst, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Nachbarn zur beantragen Betriebsanlage handelt. So befindet sich unmittelbar neben der beantragten Betriebsanlage ein Gebäude des Beschwerdeführers, in welchem baurechtlich auch ein Aufenthaltsraum genehmigt wurde. An der Nachbareigenschaft des Beschwerdeführers bestehen somit beim Landesverwaltungsgericht Tirol keinerlei Bedenken. Auch ist im vorliegenden Fall keine Präklusion eingetreten, zumal nach der Antragsänderung im behördlichen Verfahren keine neuerliche mündliche Verhandlung durchgeführt wurde.

In der Sache selbst wird festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs 8 AVG Änderungen des verfahrenseinleitenden Antrages in jeder Lage des Verfahrens zulässig sind.

Beschränkt wird diese Möglichkeit der Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages allerdings dahingehend, dass durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden darf. Zur Frage der Wesensänderung ist festzuhalten, dass die Antragsänderung nach Anfechtung des Bescheides im Mehrparteienverfahren subjektive Rechte mitbeteiligte Parteien nicht stärker oder anders berühren darf. Eine entsprechende Ausweitung des Projektes ist daher als neuer Antrag zu werten. Diesfalls hat die Rechtsmittelinstanz den unterinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und die Sache gemäß § 6 Abs 1 AVG an die dafür zuständige Behörde erster Instanz zu verweisen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Randzahl 47).

Zumal nach dem ursprünglich genehmigten Projekt davon auszugehen war, dass der Planungstechnische Grundsatz als lärmtechnisches Irrelevanzkriterium eingehalten wird, sohin von vornherein nicht mit Lärmbelästigungen beim Nachbarn zu rechnen war und nach der nunmehr neu beantragen Anlage dieser Planungstechnische Grundsatz nicht mehr eingehalten wird, sofern nicht entsprechende Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden, liegt im vorliegenden Fall eine wesentliche Antragsänderung vor. Zufolge der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 29.10.1996, 95/07/0227) war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben und die Sache gemäß § 6 Abs 1 AVG an die dafür zuständige Behörde erster Instanz (vgl VwGH 01.07.1997, 95/04/0129) zu verweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So ist die Frage, inwiefern eine wesentliche Antragsänderung vorliegt, eine sachverhaltsbezogene Einzelfallbeurteilung und damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Die Konsequenz einer wesentlichen Antragsänderung im Rechtsmittelverfahren ergibt sich aus der in der Begründung zitierten Judikatur.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Antragsgegenstand
wesentliche Antragsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2021.15.2020.13

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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