TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/24 LVwG-2022/49/3261-1

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Veröffentlicht am 24.01.2023
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Entscheidungsdatum

24.01.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Außerlechner über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 24.11.2022, ***, betreffend eine Übertretung der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmen-verordnung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:

„1.  Datum/Zeit:                 20.11.2021, 08:30 Uhr

     Ort:                         **** X, Adresse 2, Omnibus-Parkplatz

     Betroffenes Fahrzeug:    Omnibus, Kennzeichen: ***

Sie, Frau AA, haben zu verantworten, dass Sie am 20.11.2021 um 08:30 Uhr in **** X, Adresse 2, beim Omnibus-Parkplatz einen Reisebus (Kennzeichennummer ***) des Unternehmens BB Busreisen und Taxidienste, in **** X, Adresse 2, betreten bzw. benutzt haben, ohne über einen gültigen 2G-Nachweis zu verfügen bzw. ohne einen solchen vorzuweisen/vorweisen zu können, obwohl in der Zeit vom 15.11.2021 bis 21.11.2021 gemäß § 4 Abs. 3 Z. 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (5. COVID-SchuMaV), BGBl. II Nr. 465/2021 in der Fassung BGBl. II Nr. 467/2021 für die Benutzung von Reisebussen und Ausflugsschiffen im Gelegenheitsverkehr vom Betreiber Personen nur einzulassen waren, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen konnten.

So haben Sie zumindest am 20.11.2021 um 8:30 Uhr in **** X, Adresse 2, beim Omnibusparkplatz einen Reisebus mit dem Kennzeichen ***des Unternehmens BB Busreisen und Taxidienste, in **** X, Adresse 2, betreten bzw. benutzt, um an einer Corona-Demonstration in Wien teilnehmen zu können, ohne über einen gültigen 2G-Nachweis zu verfügen bzw. ohne einen solchen vorweisen zu können.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 4 Abs. 3 Z. 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (5. COVID-19-SchuMaV), BGBl. II Nr. 465/2021 in der Fassung BGBl. II Nr. 467/2021 in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1 Z. 3, 8 Abs. 2 Z. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl. I Nr. 12/2020 in der Fassung BGBl. I Nr. 183/2021

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

Fall diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von

Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 100,00

1 Tage(n), 9 Stunde(n),

0 Minute(n)

§ 8 Abs. 2 Z. 1 COVID-19- Maßnahmengesetz (COVID-19- MG), BGBl. I Nr. 12/2020 in der Fassung BGBl. I Nr. 183/2021

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

110,00“

Dagegen erhob AA fristgerecht Beschwerde und kommt dieser bereits aus formalen Gründen Berechtigung zu.

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Daraus ergibt sich, die Beschwerdeführerin betrat bzw benutzte am 20.11.2021 um 08:30 Uhr in **** X beim Omnibus-Parkplatz einen Reisebus , ohne über einen gültigen 2G-Nachweis zu verfügen bzw ohne einen solchen vorzuweisen/vorweisen zu können, obwohl in der Zeit vom 15.11.2021 bis 21.11.2021 gemäß § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung für die Benutzung von Reisebussen und Ausflugsschiffen im Gelegenheitsverkehr vom Betreiber Personen nur einzulassen waren, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen konnten. Weiters wurde in einem zweiten Satz im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch festgestellt, von der Beschwerdeführerin konnte kein 2G-Nachweis vorgewiesen werden. Diese Feststellung entspricht grundsätzlich dem festgestellten Sachverhalt, bildet aber keine konkrete Tatanlastung.

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde in weiterer Folge bei der Rechtsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 465/2021 idF BGBl II Nr 467/2021, und die heranzuziehende Strafsanktionsnorm § 8 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 183/2021, zitiert. Bei der Verhängung der Geldstrafe in Höhe von € 100,00 wurde als Strafsanktionsnorm nochmals § 8 Abs 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 183/2021 zitiert.

In der Begründung wurde die herangezogene Übertretungsnorm, nämlich § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung und die herangezogene Strafsanktionsnorm nach § 8 Abs 2 COVID-19-MG in der zum Zeitpunkt lautenden Fassung textlich eingefügt. Eine sowohl textlich als auch rechtlich andere Tatanlastung als die im Verfahren vor der belangten Behörde und im angefochtenen Straferkenntnis zitierte Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung erfolgte durch die belangte Behörde nicht.

Im gegenständlichen Verfahren ist der angelastete Sachverhalt unstrittig. Ebenso unstrittig ist aber auch, dass die Beschwerdeführerin zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort nicht die Betreiberin eines Busunternehmens war und, dass sich die der Beschwerdeführerin angelastete Verwaltungsvorschrift nach § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmen-verordnung unzweifelhaft an Betreiber von Reisebussen und Ausflugsschiffen im Gelegenheitsverkehr richtet. Die der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde angelastete Verwaltungsvorschrift richtete sich somit jedenfalls nicht an die Beschwerdeführerin, als im Bus mitfahrender Fahrgast, sondern an den Betreiber des bei der beanstandeten Fahrt benützten Reisebusses.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen einer bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Die Beschwerdeführerin hat ein subjektives Recht darauf, dass ihr die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden (vgl VwGH 24.4.2015, 2013/17/0400, mit weiteren Nachweisen).

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen war daher der Beschwerde statt zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wegen einer angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs 3 Z 1 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung einzustellen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Landesverwaltungsgericht weist noch darauf hin, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine Revision wegen Verletzung in Rechten und folglich eine Revision der Beschwerdeführerin nicht zulässig ist, da beim gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren weder die Verhängung einer Geldstrafe von mehr als € 750,00 möglich ist, noch eine Geldstrafe von mehr als € 400,00 ausgesprochen wurde. Für die Beschwerdeführerin kommt gegen die vorliegende Entscheidung folglich nur eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof in Betracht.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von € 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Außerlechner

(Richter)

Schlagworte

Konkretisierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.49.3261.1

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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