TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/27 95/10/0139

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §1 Abs2;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des T in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 19. Juni 1995, Zl. 1-1024/94/E 5, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 12. Oktober 1992 um 15.30 Uhr im Kühlraum eines näher bezeichneten Betriebes das Lebensmittel "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" gelagert. Er habe dadurch diese Lebensmittel falsch bezeichnet in den Verkehr gebracht und damit zur Irreführung geeignete Angabe über die Beschaffenheit, Art und Aufmachung dieser Lebensmittel, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich seien, gemacht, da diese Lebensmittel Schweinefleisch enthielten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 Abs. 1 lit. c und 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000 (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

In der Begründung wird ausgeführt, dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Würste seien für Dritte nicht zugänglich gewesen, sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach dann, wenn in Betriebsräumen eines Lebensmittelbetriebes Lebensmittel vorgefunden würden, davon auszugehen sei, daß diese - sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden objektiven Merkmale vorhanden seien, die diese Annahme verläßlich ausschließen ließen - auch tatsächlich als Lebensmittel in Verkehr gebracht würden. Es sei auch nicht entscheidend, daß eine Beschriftung der Würste gefehlt habe. Unbestrittenermaßen habe der Beschwerdeführer anläßlich der lebensmittelpolizeilichen Überprüfung die Lebensmittel gegenüber dem Lebensmittelaufsichtsorgan als "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" bezeichnet. Damit liege aber eine Falschbezeichnung vor, da unter dem Begriff "Bezeichnung" nicht nur die optische, sondern auch die verbale Information zu verstehen sei. Daß eine Irreführungseignung vorliege, ergebe sich aus dem Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt vom 18. Jänner 1993. Danach stellten die in Rede stehenden Lebensmittel Geflügelmischprodukte dar und es gehe aus der Bezeichnung "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" die Art des angebotenen Erzeugnisses nicht hervor. Es liege somit eine zur Irreführung geeignete Angabe über die Zusammensetzung für das verwendete Geflügel vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, durch die Deklaration einer Ware, d.h. durch die Angabe der Sachbezeichnung, werde die Voraussetzung geschaffen, daß der Käufer einen bestimmten Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen erwarte. Die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsbestimmungen seien daher Schutzbestimmungen zugunsten des Konsumenten. Die Angabe des Beschwerdeführers, er lagere "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" sei jedoch ausschließlich gegenüber den Erhebungsorganen und zwar kurz nach Einlagerung der Ware erfolgt. Diese verbalen Angaben seien daher nicht gegenüber den vom Gesetz geschützten Konsumenten gemacht worden. Sie seien aber auch nicht zur Irreführung geeignet, weil bei durchschnittlicher Betrachtung davon auszugehen sei, daß das Lebensmittelaufsichtsorgan durch die bloße Angabe einer bestimmten Warenqualität nicht getäuscht werden könne. Eine Gefährdung von Konsumenten sei durch das Einschreiten der Lebensmittelaufsicht unterbunden worden. Im Verhältnis zu den Konsumenten sei daher davon auszugehen, daß überhaupt keine Bezeichnung von Lebensmitteln vorgelegen sei. Eine fehlende Bezeichnung sei jedoch keine Falschbezeichnung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 74 Abs. 1 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Lebensmittel falsch bezeichnet oder Lebensmittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr bringt.

Lebensmittel sind nach § 8 lit. f LMG falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Unter Inverkehrbringen ist nach § 1 Abs. 2 LMG das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware (Abs. 1) ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige dem Gesetz nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Eine Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, daß die Ware (Abs. 1) in ihrer dem Gesetz nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangte.

§ 74 Abs. 1 LMG erfaßt sämtliche Formen des Inverkehrbringens falsch bezeichneter Lebensmittel, also auch das Inverkehrbringen durch Lagern. Zum Tatbestand der Falschbezeichnung gehört nicht eine konkrete Irreführung bestimmter Personen, sondern nur die abstrakte Eignung der Angaben zur Irreführung. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, daß Lebensmittel, die mit für den Konsumenten bestimmten Angaben gelagert sind, mit diesen Angaben auch zum Konsumenten gelangen und es dadurch zu einer Irreführung der Konsumenten kommt.

Im Beschwerdefall erblickt die belangte Behörde - wie sich lediglich aus der Bescheidbegründung ergibt - die zur Irreführung geeigneten Angaben in der vom Beschwerdeführer gegenüber dem Lebensmittelaufsichtsorgan gemachten Äußerung, es handle sich bei den Lebensmitteln um "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst". Diese Angaben waren nicht für den Konsumenten gedacht und es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Lebensmittel mit solchen Angaben an den Konsumenten gelangen werden. Es liegt daher nicht der Tatbestand des Inverkehrbringens (in Form des Lagerns) von falsch bezeichneten Lebensmitteln vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich im übrigen auch deswegen als inhaltlich rechtswidrig, weil sein Spruch dem § 44a VStG nicht entspricht. Im Spruch ist eine Aussage darüber zu treffen, worin die zur Irreführung geeignete Angabe gelegen sein soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1984, Zl. 1124/80, u.a.). Der Spruch des angefochtenen Bescheides umschreibt die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dahin, der Beschwerdeführer habe im Kühlraum eines näher bezeichneten Betriebes das Lebensmittel "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" gelagert; er habe dadurch diese Lebensmittel falsch bezeichnet in Verkehr gebracht und damit zur Irreführung geeignete Angaben über die Beschaffenheit, Art und Aufmachung dieser Lebensmittel, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich seien, gemacht, da diese Lebensmittel Schweinefleisch enthielten. Dieser Spruch läßt nicht erkennen, worin die zur Irreführung geeigneten Angaben gelegen sein sollen. Erst aus der Begründung wird deutlich, daß die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem Lebensmittelaufsichtsorgan, daß es sich bei den gelagerten Lebensmitteln um "Geflügel-Wienerle" und "Geflügel-Wurst" handelt, die Falschbezeichnung darstellen soll.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die vom Beschwerdeführer gesondert verrechnete Umsatzsteuer. Eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand gibt es im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht (vgl. die bei Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 697 angeführte Rechtsprechung).

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995100139.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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