TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/30 LVwG-2022/19/0793-18

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Veröffentlicht am 30.01.2023
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Entscheidungsdatum

30.01.2023

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a E. Lechner, LL.M. über die Beschwerde der AA, geb 24.07.1970, StA Kosovo, Adresse 1, **** Z, vertreten durch RAe Dr. BB und Dr. CC, Adresse 2, 6020 Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 08.02.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat:

„Der Antrag der AA, geb 24.07.1970, vom 07.07.2021 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ wird gemäß § 45 Abs 12 iVm § 11 Abs 2 Z 4 und Abs 5 iVm § 11 Abs 3 NAG abgewiesen.“

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Kosovo, hat in Österreich einen von ihrem Ehemann abgeleiteten Status einer subsidiär Schutzberechtigten und stellte am 07.07.2021 – gleichzeitig mit ihrem Ehemann DD und ihrem volljähriger Sohn EE – einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“.

Diesem Antrag hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 08.02.2022, Zl ***, gemäß „§ 11 Abs. 5 iVm § 11 Abs. 2 Ziffer 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) iVm §10 Abs. 3 Ziffer 2 Integrationsgesetz nicht stattgegeben“. Dies begründete die belangte Behörde zum einen damit, dass die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über die Erfüllung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erbracht habe. Auf die Beschwerdeführerin käme auch nicht die Ausnahme des § 10 Abs 3 Z 2 IntG zur Anwendung. Der im Ermittlungsverfahren befasste Amtsarzt habe nur festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin momentan in einem schlechten Gesundheitszustand befände und derzeit eine Teilnahme am Deutschkurs nicht sinnvoll erscheine. Die Ausnahmebestimmung stelle aber auf einen „dauerhaft schlechten Gesundheitszustand“ ab. Aufgrund des Wortlautes in der amtsärztlichen Stellungnahme („Aufgrund der Diagnosen, der heutigen amtsärztlichen Untersuchung und der vorliegenden Facharztberichte ist die Teilnahme an einem Deutschkurs momentan nicht sinnvoll.“) könne nicht von einer Dauerhaftigkeit in Bezug auf den Gesundheitszustand ausgegangen werden, weshalb die Beschwerdeführerin nicht von der in § 45 Abs 12 Z 2 NAG normierten besonderen Erteilungsvoraussetzung, nämlich der Erfüllung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung, entbunden sei. Zum anderen erfülle die Beschwerdeführerin auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG nicht, da sie (und ihr Ehemann) nicht über genügend eigene und regelmäßige Einkünfte verfüge und somit nicht ausreichende Existenzmittel nachgewiesen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit 13.03.2022 datierte und rechtzeitig bei der belangten Behörde mit Email eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die amtsärztliche Stellungnahme vom 26.07.2021, auf die die belangte Behörde ihre Entscheidung stützt, keine geeignete Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf § 10 Abs 3 Z 2 IntG darstelle. Es sei nämlich erforderlich, dass der Amtsarzt ein amtsärztliches Gutachten (bestehend aus Befund und Gutachten) darüber erstattet, ob der Beschwerdeführerin aufgrund ihres physisch und psychisch dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes die Erfüllung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung (umfasst Prüfung über Sprach- und Werteprüfung) zugemutet werden könne oder nicht. Diesen Anforderungen entspräche die herangezogene amtsärztliche Stellungnahme nicht. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde trotz Fehlens der Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs 2 Z 4 NAG in Anwendung des § 11 Abs 3 NAG dem Antrag stattgeben müssen. Die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig. Hätte die belangte Behörde berücksichtigt, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 2012 in Österreich aufhält, die gesamte Familie der Beschwerdeführerin in Österreich lebe, sie gesundheitlich schwer beeinträchtigt sei und nicht arbeitsfähig sei, dass im Kosovo keine nahen Verwandten lebten und sie daher im Kosovo keine notwendige medizinische Behandlung erhalten könne, hätte die belangte Behörde in Anwendung der Bestimmung des § 11 Abs 3 NAG dem Antrag trotz des Fehlens der Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs 2 Z 4 NAG stattgeben müssen.

Mit Schreiben vom 22.03.2022 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Am 27.10.2022 führte das Landesverwaltungsgericht Tirol eine mündliche Verhandlung – verbunden mit den Beschwerdeverfahren des Ehemannes und des Sohnes der Beschwerdeführerin – in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihres rechtsfreundlichen Vertreters sowie Vertretern der belangten Behörde durch.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, geb am XX.XX.XXXX, ist Staatsangehörige der Republik Kosovo und führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum). Sie ist mit DD, geb XX.XX.XXXX, verheiratet und Mutter von sechs volljährigen Kindern.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann stellte sie im Jahr 1999 in der Schweiz für sich und ihre damals bereits geborenen Kinder Anträge auf internationalen Schutz, die abgewiesen worden sind. Im Jahr 2007 stellten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann für sich und drei ihrer Kinder in Belgien Anträge auf internationalen Schutz, die ebenfalls abgewiesen worden sind. Sie kehrten wieder in die Schweiz zurück, wo weitere Verwandte der Familie lebten und nach wie vor leben. Am 18.04.2009 wurde die Beschwerdeführerin gemeinsam mit drei ihrer Kinder (EE, geb XX.XX.XXXX; FF, geb XX.XX.XXXX, und GG, geb XX.XX.XXXX) von der Schweiz auf dem Luftweg in den Kosovo abgeschoben. Ihr Ehemann wurde am 16.05.2009 von der Polizei aufgegriffen, in Schubhaft genommen und am 18.05.2009 ebenfalls aus der Schweiz in den Kosovo abgeschoben. Drei Kinder der Beschwerdeführerin (MM, geb XX.XX.XXXX; KK, geb XX.XX.XXXX und LL, geb XX.XX.XXXX) hielten sich damals beim Onkel väterlicherseits in der Schweiz auf und verblieben in der Schweiz.

Am 11.09.2009 stellten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet erstmals in Österreich für sich und drei ihrer Kinder (GG, JJ und EE) Anträge auf internationalen Schutz, die mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 15.06.2010, zugestellt am 17.06.2010, sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten, verbunden mit durchsetzbaren Ausweisungsentscheidungen, rechtskräftig abgewiesen worden sind. Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren wurden vom Asylgerichtshof abgewiesen. Am 31.08.2010 reisten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann mit ihren Kindern GG, JJ und EE unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus. Sie reisten in den Kosovo, wo sie sich für ca drei Monate aufhielten. Nach einem anschließenden Aufenthalt bei Verwandten in Serbien reiste die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern GG, JJ und EE im Jahr 2012 wieder nach Österreich.

Am 09.04.2012 stellte die Beschwerdeführerin für sich, ihren Sohn EE und die damals ebenfalls noch minderjährige Tochter JJ gemeinsam mit der damals bereits volljährigen Tochter GG, aber ohne ihren Ehemann (in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.05.2012 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe sich von diesem getrennt) – wieder nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet – Folgeanträge auf internationalen Schutz. Diese Folgeanträge wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 26.07.2012, Zl B4 413.339-3/2012/4E, B4 413.342-3/2012/4E, B4 413.340-3/2012/3E und B4 413.341-3/2012/3E, rechtskräftig sowohl hinsichtlich Asyl als auch subsidiären Schutz ab. Die abweisenden Entscheidungen waren wiederum mit einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet verbunden.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin reiste im Juni 2012 wiederum illegal in das Bundesgebiet ein und stellte – dieses Mal unabhängig von seiner Familie – ebenfalls einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, dem das Bundesasylamt, Außenstelle Y, insofern Folge gab, als es diesem mit Bescheid vom 02.08.2013, ***, auf Grund gesundheitlicher Probleme den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.08.2014 erteilte.

Unmittelbar nachdem dem Ehemann der Beschwerdeführerin rechtskräftig der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war, stellte die Beschwerdeführerin am 27.09.2013 für sich und ihre damals minderjährigen Kinder JJ und EE abermals einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die bereits volljährige Tochter GG stellte ebenfalls einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 08.11.2013, Zl ***, wies des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl diesen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gem § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und erkannte der Beschwerdeführerin gem „§ 8 Absatz 1 iVm § 34 Absatz 3 AsylG“ den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin gem § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.08.2014 erteilt. Ebenfalls wurde den minderjährigen Kindern der Beschwerdeführerin, JJ und EE, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.08.2014 erteilt.

In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin jeweils fristgerecht die Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung. Diesen Anträgen gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils Folge und sprach zuletzt mit Bescheid vom 17.02.2021 (zugestellt am 03.03.2021), Zl ***, aus: „Ihre befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wird in Stattgebung Ihres Antrages vom 19.05.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für 2 Jahre verlängert.“

Bei einer Grenzkontrolle am Grenzübergang Röszke/Ungarn am 16.11.2016 auf einer Reise von Serbien nach Österreich hat sich die Beschwerdeführerin mit einem serbischen Reisepass mit der Nummer ***, ausgestellt am 02.04.2012 in Belgrad/SRB, gültig bis 02.04.2022, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin lebt aktuell mit ihrem Ehemann und drei ihrer insgesamt sechs volljährigen Kinder (JJ, MM und EE) in einem gemeinsamen Haushalt, wobei ihr Ehemann und ihre Söhne über ein befristetes Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigte und die Tochter JJ über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügen. Eine weitere Tochter der Beschwerdeführerin (GG) lebt mit ihrer Familie in Y, eine weitere Tochter (KK) lebt nach wie vor in der Schweiz und eine weitere Tochter (LL) lebt – nachdem ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 22.10.2014 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2017, ***, rechtskräftig abgewiesen sowie eine Rückkehrentscheidung erlassen und sie am 22.03.2017 in den Kosovo auf dem Luftweg abgeschoben worden war – in Serbien. Dort leben auch weitere Verwandte der Beschwerdeführerin, uA eine ihrer Schwestern. Auch ihr Sohn MM hielt sich nach seiner Abschiebung in den Kosovo und vor seiner Wiedereinreise – nach Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2020, G311 2138168-2 – in das Bundesgebiet bei Verwandten in Serbien auf.

Sowohl die Beschwerdeführerin und als auch ihr Ehemann verfügen über zahleiche, im Ausland lebende Geschwister und nahe Angehörige (ua in Serbien, wo auch eine gemeinsame Tochter lebt, in der Schweiz und in Deutschland), zu denen sie Kontakt pflegen und von denen sie in der Vergangenheit wiederkehrend Unterstützung erhielten.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren mit Schmerzen im Bereich des Nackens und im unteren Rücken, einem psychisch bedingten Ohrengeräusch, Asthma bronchiale und einer Schilddrüsenunterfunktion. Sie ist, ebenso wie ihr Sohn Drejtim, bei Dr. NN, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, in Behandlung und erhält eine wirksame medikamentöse Therapie mit den Medikamenten Lyrica, Euthyrox, Fluoxentin, Zoldem (bei Schlaflosigkeit) und Wellbutrin. Zusätzlich nimmt die Beschwerdeführerin eine psychosoziale Betreuung über pro mete und den Psychosozialen Pflegedienst in Form einer regelmäßigen Einzelbetreuung durch den aufsuchenden Dienst in Anspruch. Im November/Dezember 2022 absolvierte die Beschwerdeführerin ein sechswöchiges Rehabilitationsverfahren im Zentrum für psychosoziale Gesundheit, Sonnenpark Lans, einer Gesundheitseinrichtung der pro mente Reha GmbH.

Die Absolvierung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist der Beschwerdeführerin auf Grund ihres dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes nicht zumutbar. Sie kann sich allerdings auf Deutsch in einfacher Weise verständigen und war in der mündlichen Verhandlung nicht auf einen Dolmetscher angewiesen. Darüber hinaus spricht die Beschwerdeführerin Albanisch und Roma sowie Serbokroatisch.

Während die Beschwerdeführerin in den Jahren 2014, 2015 und 2018 jeweils für wenige Monate bzw Wochen bei verschiedenen Arbeitgebern, hauptsächlich im Bereich der Gebäude- bzw Zimmerreinigung, tätig war, ging ihr Ehemann während seines gesamten Aufenthaltes im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach. Seit Ende 2018 (zuvor bezog die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Grundversorgung) bezog die Beschwerdeführerin abwechselnd Krankengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe; zuletzt Notstandshilfe in der Höhe von täglich 25,24 Euro. Darüber hinaus beziehen die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft regelmäßig Leistungen aus der Mindestsicherung.

Dem Ehemann der Beschwerdeführerin wurden bisher insgesamt sieben Stents implantiert. Er trägt ein hohes kardiovaskuläres Risikoprofil mit koronarer Herzkrankheit und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Darüber hinaus wurde bei ihm eine schlafbezogene Atmungsstörung, rezidivierende depressive Störungen, Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Diabetes mellitus Typ 2 sowie eine Wirbelsäulendegeneration und damit einhergehende Rückenschmerzen diagnostiziert. Auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme und der damaligen medizinischen Lage im Kosovo wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2009 wegen Verstoßes und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wegen gewerbsmäßigen Betrug, mehrfacher Veruntreuung, Erpressungsversuch, mehrfacher Urkundenfälschung, unrechtmäßiger Aneignung und Straßenverkehrsdelikten aus der Schweiz in den Kosovo abgeschoben. Zusätzlich wurde gegen ihn von den Schweizer Behörden ein Einreiseverbot ausgesprochen. Dennoch versuchte der Ehemann der Beschwerdeführerin in den Jahren 2014 und 2016 von Österreich illegal in die Schweiz einzureisen, wobei er im Jahr 2014 einen gefälschten serbischen Führerschein mit sich führte. Am 23.05.2015 wurde er schließlich durch die Staatsanwaltschaft des Kanton Basel-Stadt wegen der Fälschung von Ausweisen und rechtswidriger Einreise verurteilt.

In Österreich ist der Ehemann der Beschwerdeführerin auch nicht strafrechtlich unbescholten:

Mit Urteil des Landesgerichtes Y vom 14.05.2020 (rechtskräftig am 19.05.2020), 23 HV 68/2017g, wurde der Ehemann der Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, 1. des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 StGB, da er am 14.11.2014 in Y am Landeskriminalamt als Zeuge bei seiner Vernehmung zur Sache durch die Aussage, er habe vor ca zwei Wochen einen Drohanruf einer Frau erhalten, dabei habe es sich um eine Frau aus der Schweiz gehandelt, welche zu ihm gesagt habe, dass sowohl seine Familie in Tirol als auch seine Tochter, die sich in der Schweiz aufhalte, nicht mehr sicher seien und ihnen das Gleiche passieren würde, wie der Tochter, die sich nun in Wien befinde (meint LL) falsch ausgesagt hat, 2. des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB, da er am 14.11.2014 in Y vor Beamten des Landeskriminalamtes, somit vor zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten, durch getätigte Angaben, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, wissentlich vorgetäuscht hat, und 3. des Vergehens des Betruges nach § 146 StBG, in dem er am 15.03.2018 in Z mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich zahlungswillig und zahlungsfähig zu sein, A.O. zu einer Handlung, nämlich der Herausgabe eines Geldbetrages in der Höhe von 500 Euro verleitet, die Zurückzahlung des geliehenen Geldes jedoch nicht eingehalten hat. Deshalb wurde gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden ist, sowie eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 4 Euro, gesamt sohin 1.440 Euro, verhängt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Z vom 11.03.2022 (rechtskräftig am 15.03.2022), 6 U 1/2022p, wurden die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann für schuldig erkannt, in Z im bewussten und gewollten Zusammenwirken einem Verfügungsberechtigten des Lebensmittelmarktes „Interspar“ fremde, bewegliche Sachen, nämlich diverse Lebens- und Genussmittel mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar am 24.11.2021 Waren im Wert von 219,75 Euro, und dadurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB begangen zu haben. Gegen beide wurde deshalb jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen zu je 4 Euro, sohin 240 Euro gesamt, verhängt. Der Beschwerdeführerin wurde ein Teil der Geldstrafe, nämlich 30 Tagessätze zu je 4 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gegenüber ihrem Ehemann wurde vom Widerruf der zu 23 Hv 68/17 g des Landesgerichtes Y bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe abgesehen.

Darüber hinaus hat die Polizeiinspektion Z gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes des Betruges und gegen ihren Ehemann wegen des Verdachtes des Betruges und der Nötigung ein Ermittlungsverfahren geführt. Laut Abschlussbericht vom 26.07.2022, PAD/22/01359194/001/KRIM, sind beide verdächtig, im Feber 2022 von M.K. Bargeld in der Höhe von 4.550 Euro in betrügerischer Absicht widerrechtlich erlangt zu haben. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe darüber hinaus am 07.07.2022 zu M.K. gesagt, dass er das verliehene Bargeld in der Höhe von 4.550 Euro nur zurückzahle, wenn dieser umgehend die Anzeige bei der Polizei zurückziehe. In der Zwischenzeit hat die Staatsanwaltschaft Y laut telefonisch Auskunft vom 20.12.2022 einen Strafantrag, der sich sowohl gegen die Beschwerdeführerin als auch ihren Ehemann richtet, an das Landesgericht Y gestellt, wo das Verfahren zu 34 Hv 121/22i anhängig ist.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 30.07.2020, SO-78-2020, wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin vorgeworfen, als Mindestsicherungsbezieher der Bezirkshauptmannschaft Z den Einzug seiner Tochter, FF, mit 18.12.2019 in seine Wohnung in **** Z, Adresse 3, nicht binnen zwei Wochen gemeldet zu haben, wodurch ein Überbezug in der Höhe von 161,54 Euro entstanden ist. Dadurch hat der Vater des Beschwerdeführers § 32 iVm § 47 Abs 1 lit a des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro verhängt.

Des Weiteren besteht gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin ein aufrechtes Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Schweiz, da er dort auch mehrmals straffällig geworden ist. Seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“, den die belangte Behörde gleichzeitig mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid sowie den ebenfalls angefochtenen Bescheid betreffend den gemeinsamen Sohn EE abgewiesen hat, hat der Ehemann der Beschwerdeführerin nach der mündlichen Verhandlung zurückgezogen. Daher wurde der abweisende Bescheid der belangten Behörde betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin mit Erkenntnis vom 03.11.2022, LVwG-2022/19/0791-11, vom Landesverwaltungsgericht Tirol ersatzlos behoben.

Die Beschwerdeführerin unterstützt gemeinsam mit ihrem Ehemann ihren inzwischen volljährigen Sohn EE, bei dem eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung (F83), eine mittelgradige Intelligenzminderung DD vermindertes Sprachverständnis (F71) sowie eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) diagnostiziert wurde. Sie begleiten ihn zu Arztterminen und Terminen bei Behörden. Er verfügt ebenfalls über einen (von seinem Vater) abgeleiteten Status als subsidiär Schutzberechtigter. Sein Antrag auf „Daueraufenthalt – EU“ wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 30.01.2023, LVwG-2022/19/0792-21, ebenfalls abgewiesen.

Es liegen keine Hinweise vor, dass die Beschwerdeführerin ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppe hat.

III.    Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin sowie ihres Ehemannes und ihrer Kinder folgen aus der Einsichtnahme in folgende, vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angeforderte asyl- und fremdenrechtliche Akten zu den Verfahren über die Erst- und Folgeanträge auf internationalen Schutz sowie Verlängerungsanträge, insbesondere aus den dort einliegenden Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes:

- AA, geb 24.07.1970, StA Kosovo, IFA: ***

- Ehemann DD, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

- Sohn EE, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

- Tochter GG, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

- Sohn MM, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

- Tochter LL, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

- Tochter FF, geb XX.XX.XXXX, StA Kosovo, IFA: ***

Die Feststellungen zum Gesundheitszustande der Beschwerdeführerin folgen aus den vorgelegten Befundberichten des behandelnden Facharztes für Psychiatrie vom 06.07.2022 und 21.04.2022 und den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführerin die Absolvierung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung auf Grund ihres dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes nicht zumutbar ist, folgt aus dem vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingeholten amtsärztlichen Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Z, Dr. med. univ. OO, vom 06.09.2022. Diesem amtsärztlichen Gutachten ist die belangte Behörde auch nicht entgegengetreten.

Die Feststellungen betreffend den Bezug von Notstandshilfe folgt aus einer im Akt einliegenden Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruch vom 11.05.2022.

Die strafgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin folgt aus der im Gerichtsakt einliegenden, gekürzten Urteilsausfertigung des Bezirksgerichtes Z vom 11.03.2022, ***

Der Abschlussbericht der Polizeiinspektion Z vom 26.07.2022, PAD***, betreffend das Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes des Betruges und gegen ihren Ehemann wegen des Verdachtes des Betruges und der Nötigung liegt ebenfalls im Gerichtsakt ein. Dass diesbezüglich Strafantrag, der sich sowohl gegen die Beschwerdeführerin als auch ihren Ehemann richtet, an das Landesgericht Y gestellt wurde, wo das Verfahren zu *** anhängig ist, folgt aus einer bei der Staatsanwaltschaft Y am 20.12.2022 telefonisch eingeholten Auskunft.

Die Feststellungen betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin folgen aus dem Gerichtsakt LVwG-2022/19/0791, dem diesbezüglichen Akt der belangten Behörde sowie die ihn betreffenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu IFA: ***.

Die Feststellungen betreffen den Sohn der Beschwerdeführerin, EE, folgen aus dem Gerichtsakt LVwG-2022/19/0792, dem diesbezüglichen Akt der belangten Behörde sowie die ihn betreffend Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu IFA: ***.

Weder seitens der belangten Behörde noch seitens der LPD Tirol wurde ein Vorbringen erstattet, wonach die Beschwerdeführerin ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppe habe (vgl Stellungnahme der Landespolizeidirektion Tirol, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vom 22.11.2022). Es sind auch keine diesbezüglichen Hinweise im Verfahren hervorgekommen.

IV.      Rechtslage:

Das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 221/2022, lautet auszuzugsweis wie folgt:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.       in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

         2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4.       der Grad der Integration;

         5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

         6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

         1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.

Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“

§ 45. (1) Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden, wenn sie

         1.       die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         2.       das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erfüllt haben.

(2) Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) oder eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ (§ 57 AsylG 2005) zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß Abs. 1 anzurechnen. Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet aufgrund einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ (§ 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) oder einer „Aufenthaltsberechtigung“ (§ 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005) zur Gänze auf die Fünfjahresfrist anzurechnen.

(12) Asylberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen über den Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) verfügten und subsidiär Schutzberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005) rechtmäßig aufhältig waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden, wenn sie

         1.       die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         2.       das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erfüllt haben.

Der Zeitraum zwischen Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz (§ 17 Abs. 2 AsylG 2005) und Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten ist zur Hälfte, sofern dieser Zeitraum 18 Monate übersteigt zur Gänze, auf die Fünfjahresfrist anzurechnen.“

V.       Erwägungen:

Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und dies damit begründet, dass die Beschwerdeführerin zum einen nicht das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt habe und zum anderen nicht über genügend feste und regelmäßige eigene Einkünfte verfüge, sodass auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG nicht erfüllt sei.

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Kosovo. Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2013, Zl 13 13.921 – BAI, gem „§ 8 Absatz 1 iVm § 34 Absatz 3 AsylG“ der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gem § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.08.2014 erteilt. In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin jeweils fristgerecht die Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung. Diesen Anträgen gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils folge und sprach zuletzt mit Bescheid vom 17.02.2021 (zugestellt am 03.03.2021), Zl 831392409/1723965, gegenüber der Beschwerdeführerin aus: „Ihre befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wird in Stattgebung Ihres Antrages vom 19.05.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für 2 Jahre verlängert.“ Daraus folgt, dass sich die Beschwerdeführerin jedenfalls in den letzten fünf Jahren ununterbrochen aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und somit gem § 45 Abs 12 NAG zum Kreis der Antragsberechtigten für einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ zählt. Ein solcher ist gem § 45 Abs 12 NAG zu erteilen, wenn der Antragsteller zum einen die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllt und zum anderen das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erfüllt hat.

Gegenständlich hat die Beschwerdeführerin unbestritten das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt, allerdings ist die Amtsärztin Dr. OO in ihrem Gutachten vom 06.09.2022 zum Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der vorliegenden Befunde und der im ärztlichen Gespräch feststellbaren verminderten Belastbarkeit sowie einer deutlich wahrnehmbaren depressiven Stimmung und Erschöpfung bei bestehenden Schmerzen in einem dauerhaft schlechtem Gesundheitszustand ist, dass ihr die Absolvierung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung auch zukünftig nicht möglich ist. Folge dessen ist die Beschwerdeführerin von der Erfüllung dieser Voraussetzung gem § 10 Abs 3 Z 2 IntG ausgenommen und kann ihr wegen der Nichterfüllung dieser Voraussetzung der beantragten Aufenthaltstitel nicht versagt werden.

Ihre abweisende Entscheidung stützte die belangte Behörde darüber hinaus auf § 11 Abs 2 Z 4 iVm 5 NAG und führte diesbezüglich aus, dass die Beschwerdeführerin keine Nachweise über genügend und ausreichende Existenzmittel vorlegte und nicht über genügend eigene und regelmäßige Einkünfte verfüge, weshalb die allgemeine Voraussetzung betreffend ausreichender Existenzmittel als nicht erfüllt angesehen werde. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt im Verfahren Nachweise über ausreichende Existenzmittel vorlegte und auch kein Vorbringen erstattete, wonach sie diese Erteilungsvoraussetzung erfülle. Somit ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Beschwerdeführerin die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 iVm 5 NAG nicht erfüllt. Dies blieb im Beschwerdeverfahren auch unbestritten. Allerdings wird in diesem Zusammenhang in der Beschwerde zur Recht auf die – seitens der belangten Behörde nicht berücksichtigte – Bestimmung des § 11 Abs 3 NAG hingewiesen. Demnach ist ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs 1 Z 3, 5 oder 6 NAG sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs 2 Z 1 bis 7 NAG zu erteilen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

Der beantragte Aufenthaltstitel ist somit auch dann zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Z 1 bis 7 NAG nicht erfüllt sind, die Erteilung aber aus Gründen des Art 8 EMRK geboten ist bzw die Versagung des Aufenthaltstitels einen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung des Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen unter Berücksichtigung der in § 11 Abs 3 Z 1 bis 9 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl VwGH 29.03.2019, Ra 2018/22/0080).

Dies bedeutete für den vorliegenden Fall Folgendes:

Die Beschwerdeführerin hält sich seit 2012 und damit seit über zehn Jahren im Bundesgebiet auf. Ihr wurde im Jahr 2013 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten, abgeleitet von ihrem Ehemann, zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte erteilt, die jeweils antragsgemäß für zwei Jahre verlängert wurde. Diese Aufenthaltsdauer wird allerdings dadurch relativiert, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und drei ihrer Kinder bereits im Jahr 2009 illegal in das Bundesgebiet einreiste und Anträge auf internationalen Schutz stellte, welche in allen Instanzen rechtskräftig negativ entschieden wurden. Nach erfolgter freiwilliger Ausreise unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe im August 2010, reiste im Jahr 2012 zunächst die Beschwerdeführerin mit drei ihrer Kinder – wiederum illegal – in das Bundesgebiet ein, um weitere unbegründete Anträge auf internationalen Schutz zu stellen. Nachdem diese Folgeanträge mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 26.07.2012 rechtskräftig abgewiesen worden sind, verblieb die Beschwerdeführerin mit den drei Kindern unrechtmäßig im Bundesgebiet. Der Ehemann der Beschwerdeführerin reiste in der Zwischenzeit ebenfalls – und wiederum illegal – in das Bundesgebiet ein und stellte ebenfalls – dieses Mal allerdings unabhängig von seiner Familie – einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, dem das Bundesasylamt, Außenstelle Y, insofern Folge gab, als es diesem mit Bescheid vom 02.08.2013 auf Grund gesundheitlicher Probleme und der medizinischen Lage im Kosovo den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte. Sodann stellte die Beschwerdeführerin am 27.09.2013 für sich und ihre damals noch minderjährigen Kinder EE und JJ weitere Folgeanträge auf internationalen Schutz, denen nach § 34 AsylG in Bezug auf subsidiären Schutz stattgegeben wurde. Dies war letztlich jedoch nur auf Grund der illegalen Einreise, der mehrfachen Asylantragstellung sowie des illegalen Verbleibens im Bundesgebiet nach den rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 26.07.2012 möglich. Ansonsten wären für eine Familienzusammenführung die Voraussetzungen nach § 35 AsylG zu erfüllen gewesen. Dies hätte ua bedeutet, dass die in § 35 Abs 2 AsylG vorgesehene Wartefrist – nach der damals geltenden Rechtslage wäre die Einreise zum Zweck der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gem § 34 Abs 1 AsylG frühestens nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung möglich gewesen – einzuhalten gewesen wäre.

Durch ihre zeitenweise ausgeübten Erwerbstätigkeiten und der Aneignung von Deutschkenntnissen, die es ihr ermöglichen, in einfacher Weise zu kommunizieren, weist die Beschwerdeführerin gewisse integrationsbegründende Merkmale auf, die allerdings – auch vor dem Hintergrund der Dauer ihres bisherigen Inlandsaufenthaltes – weder als nachhaltig noch als intensiv betrachtet werden können. Zwar hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sich ihr psychischer Gesundheitszustand in den letzten zwei Jahren gebessert habe und sie zuversichtlich sei, dass es ihr nach dem sechswöchigen Reha-Aufenthalt vielleicht noch bessergehe, sodass sie zumindest wieder in Teilzeit arbeiten gehen könne, allerdings hat die Beschwerdeführerin keine konkreten Schritte aufgezeigt, die einen absehbaren Wiedereinstieg in das Arbeitsleben realistisch erscheinen lassen. Zum Beschwerdevorbringen die Beschwerdeführerin sei auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig, ist darauf hinzuweisen, dass Notstandshilfe – welche von der Beschwerdeführerin bezogen wird – unter anderem Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit voraussetzt. Auch zielen die von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen Rehabilitationsprogramme auf die Wiedererlangung der krankheitsbedingten vorübergehend verminderten Arbeitsfähigkeit ab.

In sozialer Hinsicht pflegt die Beschwerdeführerin ausschließlich Kontakt zu ihrer Familie im In- und Ausland. Im Bundesgebiet leben mittlerweile vier ihrer erwachsenen Kinder, von denen drei (JJ, EE und MM) mit ihr und ihrem Ehemann (wieder) im gemeinsamen Haushalt leben. Bei ihrem Sohn EE wurde eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung (F83), eine mittelgradige Intelligenzminderung DD vermindertes Sprachverständnis (F71) sowie eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) diagnostiziert. Auf Grund einer Schlafstörung im Sinne einer Tag-Nacht-Umkehr hat der behandelnde Arzt die Einnahme von „SEROQUEL FTBL 25MG“ einmal am Abend um 22:00 Uhr vorgeschlagen. Abgesehen von Seroquel, einem gängigen Medikament zur Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen und Schlafstörungen, benötigt der Sohn der Beschwerdeführerin keine Medikamente oder Therapien. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann unterstützen ihn im täglichen Leben; sie begleiten ihn bei Behördengängen und Arztbesuchen. Der Sohn EE reiste gemeinsam mit der Beschwerdeführerin im Jahr 2012 ins Bundesgebiet ein und lebt während der gesamten Dauer seines Inlandsaufenthaltes mit der Beschwerdeführerin (und ihrem Ehemann) im gemeinsamen Haushalt. Er ist ebenfalls zum befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels hat jedoch auf die im vorliegenden Fall nicht nur im Hinblick auf das Privatleben sondern auch auf das Familienleben iSd Art 8 EMRK zu berücksichtigende Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem volljährigen Sohn EE sowie der Beziehung zu ihrem Ehemann keine maßgeblichen Auswirkungen, da alle drei über eine (nach § 8 Abs 4 AsylG verlängerte) befristete Aufenthaltsberechtigung verfügen und ihnen somit der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach wie vor aufrecht zuerkannt ist. Die Erlassung einer gegen die Beschwerdeführerin gerichteten aufenthaltsbeendenden Maßnahme wäre somit nur in Verbindung mit einer (wiederum bekämpfbaren) Aberkennung dieses Status möglich (vgl VwGH 17.10.2022, Ra 2021/22/0158). Somit ist mit der Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels aber auch keine Einschränkung der Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann und ihrem Sohn EE (und zu ihren anderen im Bundesgebiet aufhältigen volljährigen Kindern) bzw eine Trennung von diesen verbunden.

Im Übrigen wäre auch möglich, dass die Beschwerdeführerin, die zuletzt zwischen 2010 und 2012 mit ihrer Familie im Kosovo und in Serbien lebte, und Albanisch, Roma und Serbokroatisch spricht, allenfalls mit finanzieller Unterstützung ihrer im Ausland lebenden Verwandten, der Inanspruchnahme von staatlicher Sozialhilfe und der Unterstützung durch Verwandte vor Ort, wieder in den Kosovo oder nach Serbien zurückkehrt. So leben etwa nahe Verwandte, wie eine Schwester und eine volljährige Tochter der Beschwerdeführerin in Serbien. Bestehende regelmäßige, kostengünstige Bus-Verbindungen für die Strecken von Y nach W bzw V ermöglichten diesfalls wechselseitige familiäre Besuche.

Letztlich verstärkt auch die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels: Mit Urteil des Bezirksgerichtes Z vom 11.03.2022 (rechtskräftig am 15.03.2022), 6 U 1/2022p, wurden die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann für schuldig erkannt, in Z im bewussten und gewollten Zusammenwirken einem Verfügungsberechtigten des Lebensmittelmarktes „Interspar“ fremde, bewegliche Sachen, nämlich diverse Lebens- und Genussmittel mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar am 24.11.2021 Waren im Wert von 219,75 Euro, und dadurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB begangen zu haben. Gegen beide wurde deshalb jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen zu je 4 Euro, sohin 240 Euro gesamt, verhängt. Der Beschwerdeführerin wurde ein Teil der Geldstrafe, nämlich 30 Tagessätze zu je 4 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Zwar handelt es sich bei dem verübten Delikt nur um einen versuchten Ladendiebstahl, und richtete sich damit gegen fremdes Eigentum und nicht etwa gegen Leib und Leben. Allerdings zog das Verhalten der Beschwerdeführerin eine strafgerichtliche Verurteilung nach sich und ist die dreijährige Probezeit für die teilbedingte Nachsicht der Geldstrafe noch nicht vorbei. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin die Verantwortung für ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol nicht übernommen und auch keine Reue zum Ausdruck gebracht, sondern angegeben, dass sie aus Versehen vergessen habe, Dinge zu bezahlen. Ein Vergessen scheint jedoch schon vor dem Hintergrund, dass es sich um diverse Lebens- und Genussmittel im Wert von 219,75 Euro handelte, gänzlich unglaubwürdig. Zudem ist gegenwärtig ein weiteres Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann wegen des Verdachtes des Betruges vor dem Landesgericht Y zur Zl 34 Hv 121/22i anhängig.

Unter Bedachtnahme auf all diese Umstände kommt das Landesverwaltungsgericht Tirol zum Ergebnis, dass in diesem Einzelfall den öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels letztlich in einer Gesamtbetrachtung größeres Gewicht zukommt als den gegenläufigen privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin.

Im Ergebnis war somit der verfahrensgegenständige Antrag der Beschwerdeführerin gem § 45 Abs 12 iVm § 11 Abs 2 Z 4 und Abs 5 iVm § 11 Abs 3 NAG abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a E. Lechner, LL.M.

(Richterin)

Schlagworte

Interessensabwägung
Aufenthaltstitel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.19.0793.18

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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