TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/28 93/05/0266

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

L37139 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Wien;
L82409 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
33 Bewertungsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
BewG 1955 §49;
MüllabfuhrG Wr 1965 §2 Abs1;
MüllabfuhrG Wr 1965 §4 Abs1;
MüllabfuhrG Wr 1965 §4 Abs2 Z1;
MüllabfuhrG Wr 1965 §4 Abs2 Z2;
MüllabfuhrG Wr 1965 §8 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 22. Juni 1993, Zl. MD-VfR - L 7/93, betreffend eine Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Gartengrundstückes Wien 23., S-Straße 66, EZ n, KG Inzersdorf. Über Aufforderung des Magistrates der Stadt Wien, MA 48, gab die Beschwerdeführerin aus Anlaß der Einbeziehung ihrer Liegenschaft in die öffentliche Müllabfuhr bekannt, daß sich auf dem Grundstück ein 4 x 3 m großes "Werkzeughaus" aus Holz befinde. Die Liegenschaft weise keinen Lichtanschluß auf. Auf der 500 m2 großen gepflegten Gartenfläche seien Bäume und Sträucher vorhanden. Die Liegenschaft befinde sich in einem Siedlungsgebiet. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1992 teilte die genannte Behörde der Beschwerdeführerin u.a. mit, daß ihr im Zusammenhang mit der Einbeziehung ihrer Liegenschaft in die öffentliche Müllabfuhr am 3. November 1992 ein Stück 120 l-Müllgefäß mit 52-maliger Entleerung pro Kalenderjahr zur Verfügung gestellt werde.

Mit Eingabe vom 3. November 1992 erklärte die Beschwerdeführerin, daß die Liegenschaft unbewohnt sei, sodaß kein Mist anfalle. Auf die Aufstellung eines "Müllgefäßes" werde verzichtet und diese abgelehnt. Mit Eingabe vom 30. Dezember 1992 führte die Beschwerdeführerin aus, sie besitze seit Jahrzehnten das gegenständliche Gartengrundstück. Die ebenerdige Gartenhütte aus Holz mit einem Ausmaß von ca. 4m x 6 m sei vor Jahrzehnten mit Baubewilligung errichtet worden. Es bestehe kein Strom-, Gas- und Kanalanschluß, auch Heizung und Wasser fehlten in der Hütte. Die Beschwerdeführerin schlafe nicht in der Hütte. Die in den Garten führende Wasserleitung müsse im Winter abgesperrt werden. Der Verzicht auf die Aufstellung eines Müllgefäßes sei erfolgt, weil die Beschwerdeführerin Mindestrentnerin mit Ausgleichszulage sei und der Stadt Wien die Entleerung eines "leeren" Mistkübels wöchentlich erspart werde.

Mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 gab der Magistrat der Stadt Wien, MA 4, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr keine Folge. Es entspreche der allgemeinen Verkehrsauffassung, daß auf einer mit einer Gartenhütte bebauten Liegenschaft Müll entstehe, zumal es hiebei nicht auf die konkrete Benützung ankomme. Die Liegenschaft sei in dem für sie geltenden Einheitswertbescheid als "sonstiges bebautes Grundstück" bewertet. Es liege weder ein Fall der Ausschließung noch der Ausnahme vor, daher sei auch die gegenständliche Liegenschaft kraft Gesetzes in die Müllabfuhr einbezogen. Allerdings bestünde gemäß § 8 Abs. 4 Müllabfuhrgesetz die Möglichkeit, über Antrag die Zahl der Einsammlungen mit 30 mal je Kalenderjahr festzusetzen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte vor, daß es gerade nach der allgemeinen Verkehrsanschauung üblich sei, daß auf einer Liegenschaft wie derjenigen der Beschwerdeführerin auch durch die tatsächliche Benützung kein Müll entstehe. In den Monaten Mai bis September halte sich die Beschwerdeführerin in Velden am Wörthersee auf, zu dieser Zeit werde die Liegenschaft nicht betreten. Durch Verwandte werde lediglich ein- bis zweimal der Rasen gemäht, die Rückstände würden kompostiert. Auch in der üblichen Zeit falle auf der Liegenschaft nicht der geringste abfuhrfähige Mist an. Die Beschwerdeführerin beanragte zum Beweis ihres Vorbringens die Durchführung eines Ortsaugenscheines und die Vernehmung von E.H. als Zeugin.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1993 gab der Berufungssenat der Stadt Wien dieser Berufung keine Folge. Außer Streit stehe, daß es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft nicht um eine solche handle, die in dem für sie geltenden Einheitswertbescheid als landwirtschaftlich, gärtnerisch oder weinbaumäßig genutzt festgestellt sei, sodaß eine Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr gemäß § 4 Abs. 1 Müllabfuhrgesetz nicht in Frage komme. Es entspreche der allgemeinen Verkehrsanschauung, daß auf einer Liegenschaft, die mit einem ca. 24 m2 großen Gartenhaus bebaut sei und einen Garten mit einer Rasenfläche, Bäumen und Sträuchern aufweise, Müll, wie Gartenabfälle, Jausenrückstände und ähnliches, anfalle. Die erste Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 2 Z. 2 Müllabfuhrgesetz sei daher nicht erfüllt. Die Besonderheiten des Einzelfalles alleine rechtfertigten ex lege nicht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der öffentlichen Müllabfuhr für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1409/93-3, die Behandlung dieser Beschwerde ab; zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der angewendeten Norm führte er aus, daß angesichts der dem Wiener Müllabfuhrgesetz 1965 insgesamt zugrundeliegenden Absicht des Gesetzgebers, nach Möglichkeit sämtliche Grundstücke in die öffentliche Müllabfuhr einzubeziehen, die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkannt werde, daß das Beschwerdevorbringen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verfassungsgerichtshof trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich vor dem Verwaltungsgerichtshof in ihrem Recht auf "Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr" sowie in ihrem "Recht auf Abgabenfreiheit" verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Wiener Müllabfuhrgesetz 1965 (LGBl. Nr. 19 in der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden Fassung LGBl. Nr. 51/1985, im folgenden: MüllAG) obliegt der Stadt Wien die Abfuhr des Mülls von den innerhalb ihres Gebietes gelegenen Liegenschaften, sofern nicht die Bestimmungen des § 3 Abs. 2 und 3 sowie des § 4 Abs. 1 und 2 Anwendung finden. Gemäß § 2 Abs. 1 MüllAG sind als Müll i.S.d. Gesetzes anzusehen:

üblicherweise anfallende nicht flüssige hauswirtschaftliche Abfälle, wie Haus- und Hofkehrricht, kalte Asche und Schlacke, Ruß, Küchenabfälle, Lumpen, Scherben, Knochen, Metalle, Blechdosen, Papier, Garten- und Blumenabfälle, weiters ähnliche Abfälle aus gewerblichen Betrieben.

§ 4 MüllAG lautet:

" Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr

(1) Der Magistrat hat auf schriftlichen Antrag in sich abgeschlossene Liegenschaften, die Betrieben oder Anstalten dienen, und Liegenschaften, die in dem für sie geltenden Einheitswertbescheid als landwirtschaftlich, gärtnerisch oder weinbaumäßig genutzt festgestellt sind, von der öffentlichen Müllabfuhr auszunehmen, wenn der Antragsteller eine sachlich einwandfreie Beseitigung des nicht für die Kompostierung verwendeten Mülls nachweist. Die Ausnahmegenehmigung hat die für die einwandfreie Beseitigung des Mülls erforderlichen Auflagen zu enthalten.

(2) Ferner hat der Magistrat auf schriftlichen Antrag von der öffentlichen Müllabfuhr ausznehmen:

1.

Unbebaute Liegenschaften, auf denen kein regelmäßiger Anfall von Müll zu erwarten ist, und

2.

Liegenschaften, auf denen durch eine Benützung, die für solche Liegenschaftsarten nach der allgemeinen Verkehrsanschauung üblich ist, kein Müll entsteht und auch durch die tatsächliche Benützung durch den hiezu Berechtigten kein Müll anfällt."

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Abgabe vorgeschrieben wurde, weshalb ein Recht auf Abgabenfreiheit durch diesen Bescheid nicht unmittelbar verletzt wird.

Der Ausnahmetatbestand nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 MüllAG liegt nicht vor, weil der für die Liegenschaft geltende Einheitswertbescheid keine der im § 4 Abs. 1 leg. cit. angeführten Nutzungen ausweist und die Liegenschaft bebaut ist. Nach § 4 Abs. 2 Z. 2 MüllAG besteht ein Rechtsanspruch auf Ausnahmegenehmigung, wenn zwei (kumulativ) zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind. Es muß sich demnach

1. um eine Liegenschaft handeln, auf der nach der Benützung, die für eine solche Liegenschaftsart nach der allgemeinen Verkehrsanschauung üblich ist, kein Müll entsteht und

2. darf auch durch die tatsächliche Benützung durch den hierzu Berechtigten kein Müll anfallen. Fehlt auch nur eine der beiden Voraussetzungen, ist demnach die Ausnahmegenehmigung zu versagen (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, Zl. 90/12/0288, 0290).

Nach dieser Entscheidung stellt die erste Tatbestandsvoraussetzung nach § 4 Abs. 2 Z. 2 MüllAG auf eine von der Lage des Einzelfalles abgehobene Durchschnittsbetrachtung ab: Ausgehend von der Beschaffenheit der jeweiligen Liegenschaft ist zu beurteilen, ob bei der hierfür typischen (d.h. nach der allgemeinen Verkehrsanschauung üblichen) Benützung dieser Art von Liegenschaft Müll anfällt oder nicht. Führt die nach der allgemeinen Verkehrsanschauung übliche Benützung der entsprechenden Liegenschaftsart zur Entstehung von Müll, ist die erste Tatbestandsvoraussetzung nach § 4 Abs. 2 Z. 2 MüllAG nicht erfüllt.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, daß nach der allgemeinen Verkehrsanschauung auf einer Liegenschaft wie der gegenständlichen, die mit einem 24 m2 großen Gartenhaus bebaut ist und einen Garten mit einer Rasenfläche, Bäumen und Sträuchern aufweist, Müll i.S.d. § 2 Abs. 1 MüllAG anfällt. Daran ändert der Umstand nichts, daß nur ein eingeschränkter Anschluß an öffentliche Versorgungsleistungen besteht. Die im § 2 Abs. 1 MüllAG genannten Garten- und Blumenabfälle entstehen auch, wenn weder ein Strom- noch ein Gas- noch ein Kanalanschluß vorliegt. Der Gesetzgeber hat auf die Möglichkeit der Eigenentsorgung durch Kompostierung u. a. bei den Erwerbsgärtnereien Bedacht genommen (§ 4 Abs. 1 MüllAG unter Hinweis auf die in § 49 Bewertungsgesetz genannten gärtnerischen Betriebe), während für Kleingärten nur die Möglichkeit des § 8 Abs. 4 MüllAG eröffnet wurde, die Zahl der Einsammlungen auf 30 mal pro Jahr festzulegen. Daß üblicherweise - ohne auf die besonderen Verhältnisse bei der Beschwerdeführerin einzugehen - in einer Kleingartenparzelle dieser Größe zumindest Garten- und Blumenabfälle anfallen, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht.

Bei Beurteilung der ersten Tatbestandsvoraussetzung nach § 4 Abs. 2 Z. 2 MüllAG ist es ohne Bedeutung, ob die tatsächlich erfolgte Benützung - abweichend von der Durchschnittsbetrachtung - zum Ergebnis führt, daß kein Müll anfällt. Es war daher auch zur Frage, ob und wie intensiv konkret diese Liegenschaft benützt wird, ein Beweisverfahren nicht erforderlich. Die belangte Behörde hat zu Recht die begehrte Ausnahmegenehmigung versagt. Daher erwies sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993050266.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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