TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/28 95/20/0072

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vositzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn sowie die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1994, Zl. 4.345.408/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 12. Oktober 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. Oktober 1994 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. November 1994 wurde sein Asylantrag im wesentlichen deshalb abgewiesen, weil den Darstellungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Er habe die zur Begründung seines Asylantrages gemachten Angaben im Zuge des Verfahrens unterschiedlich und widersprüchlich, insbesondere zu denen des von ihm als Zeugen namhaft gemachten T, dargestellt. So habe der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme durch Beamte des Gendarmeriepostens Rottenmann, wo ein Cousin des Beschwerdeführers als Dolmetscher fungiert habe, entgegen seiner späteren Aussage bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt nichts davon erwähnt, daß er jemals in Haft gewesen sei. Er habe dort vielmehr angegeben, den Polizisten Geldbeträge bezahlt zu haben, um nicht inhaftiert zu werden. Während der Beschwerdeführer bei seiner Aussage vor dem Gendarmerieposten Rottenmann am 5. Oktober 1994 die Türkei verlassen haben wollte, habe er bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt angegeben, bereits am 20. September 1994 aus der Türkei ausgereist zu sein, wobei er als Grund für seine Flucht mehrmalige Inhaftierungen mit dabei erfolgten Mißhandlungen behauptet habe. Auch bei seinen Befragungen durch das Bundesasylamt habe er sich mehrfach in Widersprüche verwickelt. So habe er zunächst davon gesprochen, auf der Hochzeitsfeier des namhaft gemachten Zeugen T am 23. Juli 1994 festgenommen und drei Tage in Haft gehalten worden zu sein; in der Folge sei man mit ihm umhergefahren und habe ihn schließlich am 28. Juli 1994 freigelassen. Warum man mit ihm zwei Tage lang herumgefahren sei, habe er nicht logisch nachvollziehbar erklärt. Der Beschwerdeführer habe zunächst in Widerspruch zu den Aussagen des von ihm namhaft gemachten Zeugen erklärt, er allein sei damals anläßlich der Hochzeitsfeier verhaftet worden. Schließlich habe er nach mehrmaligem Vorhalt der Aussage des Zeugen T erklärt, mit einem weiteren Mann namens H verhaftet worden zu sein. Während aber der Zeuge T davon gesprochen habe, daß die beiden Männer in getrennten Polizeiwagen gegen ca. 20.00 Uhr weggebracht worden seien, habe der Beschwerdeführer ausgesagt, daß die Verhaftung am Vormittag stattgefunden habe und er gemeinsam mit H abtransportiert worden sei. Nach Vorhalt dieser Widersprüche habe wiederum der Zeuge T jegliche weitere Aussage verweigert und angegeben, er wolle mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben. Damit könne - insgesamt betrachtet - den Schilderungen des Beschwerdeführers über die erlittenen Verfolgungshandlungen und deren behauptete Intensität nicht als glaubwürdig angesehen werden. Im übrigen stünde der Asylgewährung der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 entgegen, weil der Beschwerdeführer vor der Einreise in das Bundesgebiet Sicherheit in Bulgarien und Rumänien gefunden habe.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1994 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Im angefochtenen Bescheid verwies die belangte Behörde zunächst auf die ihrer Ansicht nach zutreffend im Bescheid des Bundesasylamtes aufgezeigten Widersprüchlichkeiten, übernahm die diesbezügliche rechtliche Schlußfolgerung und führte noch ergänzend aus, daß die in der Berufung erhobene Verfahrensrüge, der Beschwerdeführer sei bei seiner Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Rottenmann nicht "genau" befragt worden und es sei der Einvernahme weder ein Amtsdolmetscher noch ein gerichtlich beeideter Dolmetscher zugezogen worden, deshalb nicht gegeben sei, weil der Asylwerber gemäß § 18 Abs. 2 Asylgesetz 1991 berechtigt sei, einen Dolmetscher seiner eigenen Wahl auf seine Kosten beizuziehen. Da dies erfolgt sei, gehe seine Verfahrensrüge, sein damals als Dolmetscher fungierender Cousin habe die deutsche Sprache nicht gut beherrscht, ins Leere. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch die Behörden erster Instanz liege nicht vor. Die gerügte Verletzung des Parteiengehörs im Zusammenhang mit der zuletzt erfolgten Aussageverweigerung durch den Zeugen T sei schon deshalb nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer in der Berufung Gelegenheit gehabt habe, zu dieser Aussageverweigerung Stellung zu nehmen. Die im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des UNHCR vom 25. März 1994 zur Verfolgungssicherheit sowie zum Abschiebungsschutz von Asylwerbern in Rumänien und Bulgarien sei zu unsubstantiiert und nicht geeignet, die vom Bundesasylamt angenommene Verfolgungssicherheit in diesen Ländern in Frage zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insofern sich der Beschwerdeführer auf die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens in Bezug auf seine Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Rottenmann beruft, wo weder ein Amtsdolmetscher noch ein gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen worden sei, ist ihm zu entgegnen, daß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1994 lediglich bestimmt, daß der mündlichen Verhandlung ein geeigneter Dolmetscher beizuziehen ist, der den gesamten Verlauf der Vernehmung oder Verhandlung in die Muttersprache des Asylwerbers oder eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hat. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang auf Abs. 2 leg. cit. verwiesen, wonach der Asylwerber berechtigt ist, einen Dolmetscher seiner Wahl der Vernehmung beizuziehen, wobei im gegebenen Fall diese Aufgabe der den Beschwerdeführer zur Einvernahme begleitende Cousin wahrgenommen habe. Daß dieser "gezwungen" worden wäre, bei der Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Rottenmann als Dolmetscher zur Verfügung zu stehen, kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, und es ergibt sich auch aus der Beschwerde dafür keine nachvollziehbare Begründung, insbesondere nicht, in welcher Weise und mit welchen Mitteln eine solche Nötigung vor sich gegangen sein soll. Letztlich handelt es sich bei dieser Behauptung um eine gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung, weil weder im Verfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren ein derartiger Vorwurf erhoben worden war. Die weiters aufgestellte Behauptung, der als Dolmetscher beigezogene Cousin des Beschwerdeführers habe nur unzureichend Deutsch gesprochen, ist angesichts der sehr detailliert protokollierten und dem äußeren Anschein nach mängelfrei vorgenommenen Protokollierung zu allgemein gehalten. Der Verfahrensrüge kann nicht entnommen werden, welche damals festgehaltenen Aussagen des Beschwerdeführers nicht seinen Angaben entsprochen haben sollen, welche Korrekturen bzw. Vervollständigungen vorzunehmen wären, ob und aufgrund welcher Umstände die Beamten des Gendarmeriepostens die mangelnde Eignung seines Begleiters hätten erkennen müssen. Der Vorwurf der damals stattgefundenen Heranziehung eines "nicht geeigneten" Dolmetschers ist somit einer nachprüfenden Kontrolle nicht zugänglich, und kann die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht beurteilt werden.

Die Beschwerdeausführungen, wonach der Beschwerdeführer deshalb zu der im Bescheid des Bundesasylamtes angeführten Aussageverweigerung durch den Zeugen T keine Stellungnahme habe abgeben können, weil diese vom Bundesasylamt Graz niederschriftlich nicht festgehalten worden sei, steht mit dem Akteninhalt nicht im Einklang. Die diesbezügliche Niederschrift findet sich in einer Ergänzung zum Protokoll vom 10. November 1994, AS 46, was darauf zurückzuführen ist, daß der Beschwerdeführer und der Zeuge T unter jeweiligem Vorhalt der widersprüchlichen Aussagen voneinander getrennt einvernommen worden sind. Wenn dieses Verhalten des Zeugen T von der belangten Behörde als Minderung der Glaubwürdigkeit seiner Aussage, mit der die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe untermauert werden sollten, gewertet worden ist, so ist dies nicht als unschlüssig zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer dagegen nichts vorbringt. Die in der Beschwerde vorgebrachte Auffassung, dieses Verhalten des Zeugen T dürfe deshalb nicht weiter gewertet werden, weil dem Beschwerdeführer die diesbezügliche Niederschrift nicht vorgehalten und deshalb sein Parteiengehör verletzt worden sei, kann nicht geteilt werden. Dieser Verfahrensmangel wäre nur dann gesetzmäßig zur Darstellung gelangt, wenn der Beschwerdeführer ausgeführt hätte, was er im Falle der Einräumung des von ihm vermißten Parteiengehörs vorgebracht hätte. Ebenso wäre es an dem Beschwerdeführer gelegen gewesen, die Schlußfolgerung der belangten Behörde, seine Aussage, er sei nach seiner behaupteten 3-tägigen Inhaftierung wegen Spielens kurdischer Lieder anläßlich der Hochzeitsfeier des Zeugen T noch zwei Tage mit den Sicherheitsorganen herumgefahren, sei logisch nicht nachvollziehbar, durch entsprechendes Vorbringen in der Berufungsschrift verständlich zu machen.

Im Asylverfahren ist das Vorbringen des Flüchtlings zentrales Entscheidungskriterium, sodaß es grundsätzlich dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der Begünstigung seiner Rechtsstellung vorzubringen. Angesichts der dargestellten, nicht zu übersehenden Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers und der aufgezeigten Divergenzen zu den Angaben des von ihm namhaft gemachten Zeugen T, kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde, von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Bei diesem Verfahrensergebnis bedarf es keiner Erörterung des von der belangten Behörde überdies noch herangezogenen Asylausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. wegen erlangter Verfolgungssicherheit in Bulgarien und Rumänien.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200072.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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