TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/30 95/18/0629

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Veröffentlicht am 30.11.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995, Zl. 300.233/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 17. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. November 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 7. April 1994 wegen § 114 Abs. 1 ASVG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, und am 27. April 1994 wegen § 133 Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, (jeweils vom Landesgericht für Strafsachen Wien) verurteilt worden sei. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer bereit sei, gesetzliche Bestimmungen zu mißachten, wenn sich für ihn daraus ein Vorteil zu ergeben scheine. Damit liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG) vor, weshalb dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. "Die öffentlichen Interessen überwiegen gemäß obzitierten Ausführungen Ihre privaten Interessen".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2. Den in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Urteilsausfertigungen ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer zum einen wegen des Vergehens nach § 114 Abs. 1 ASVG verurteilt wurde, weil er von April 1991 bis November 1991 als Verantwortlicher eines (namentlich genannten) Dienstgebers vorsätzlich Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung für den angeführten Zeitraum in der Höhe von

S 28.157,28 einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten hat, und zum anderen wegen der Vergehen nach § 133 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall StGB und nach §§ 12, 298 Abs. 1 StGB verurteilt wurde, weil er im Jahr 1993 einen ihm gemeinsam mit einem Dritten anvertrauten PKW im Wert von ca. S 300.000,-- dadurch, daß er ihn vor Ausbezahlung des vollen Kaufpreises nach Jugoslawien mit dem Vorsatz verbracht hat, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, zugeeignet hat, und weil er einen anderen zur Verschleierung der vorgenannten Tathandlungen durch Aufforderung zur Anzeigeerstattung dazu bestimmt hat, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Verbrechen des Einbruchsdiebstahls, wissentlich vorzutäuschen.

Mit der belangten Behörde und entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist der Gerichtshof der Auffassung, daß der Beschwerdeführer mit den beschriebenen, seinen Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten ein Fehlverhalten gesetzt hat, das in seiner Gesamtheit zufolge der darin zum Ausdruck kommenden Neigung zur Mißachtung fremden Eigentums durchaus die Annahme gerechtfertigt erscheinen läßt, sein Aufenthalt würde die öffentliche Ordnung gefährden.

3. Ungeachtet der somit zu bejahenden Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar in der Weise, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (siehe dazu etwa das Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826, mwN). Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Obwohl ihr nach Ausweis der Akten (vgl. den Antrag vom 25. November 1993, Eingabe des Beschwerdeführers vom 13. April 1994, Schreiben der Bundespolizeidirektion vom 28. Oktober 1994, Berufung vom 14. November 1994) die in der Beschwerde geltend gemachten diesbezüglichen Umstände - gemeinsamer rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers mit seiner Gattin und zwei Kindern in Österreich seit ca. zehn Jahren; langjährige legale Beschäftigung des Beschwerdeführers sowie Schulbesuch der Kinder in Österreich - bekannt waren, ist sie auf diese (intensiven) privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Sie hat sich vielmehr mit dem (in keiner Weise nachvollziehbaren) Hinweis: "Die öffentlichen Interessen überwiegen gemäß obzitierten Ausführungen Ihre privaten Interessen." begnügt und damit in Wahrheit keine Interessenabwägung vorgenommen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0826).

4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß für die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 30,-- zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180629.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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