TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/12 93/09/0266

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Veröffentlicht am 12.12.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §118 Abs1 Z2;
BDG 1979 §91;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 26. März 1993, GZ. 119/9-DOK/92, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist der Gendarmerieposten W.

Mit Disziplinarerkenntnis vom 12. November 1992 erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres den Beschwerdeführer für schuldig, sich im Verlauf seines am 26. Juli 1992 vorgeschriebenen Dienstes (8.00 Uhr bis 20.00 Uhr Außendienst, anschließend Nachtjournaldienst auf 12 Stunden) durch den Genuß alkoholischer Getränke "in einen völlig dienstunfähigen Zustand versetzt zu haben, in dem er gegen 22.00 Uhr des 26. Juli 1992 auf dem Gendarmerieposten W angetroffen wurde, weshalb er um 03.15 Uhr des 27. Juli 1992 vom Abteilungskommandanten vorläufig vom Dienst suspendiert werden mußte".

Die Disziplinarbehörde erster Instanz sah darin eine schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten nach den §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 "hinsichtlich der Verpflichtung zur gewissenhaften Beachtung der geltenden Rechtsordnung und zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sowie zur Befolgung von Weisungen i.V.m. § 13 Abs. 1 und 2 Gendarmeriedienstinstruktion (GDI), § 12 Abs. 2 Kraftfahrzeugvorschrift für die Bundesgendarmerie und Z. 1, 29 und 31 der Dienstanweisung für den Journaldienst der Gendarmerieposten (JDA/GP)". Es wurde deshalb über den Beschwerdeführer eine Disziplinarstrafe in der Höhe von S 3.000,-- verhängt.

Zur Begründung wird im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 26. Juli 1992 von 8.00 bis 20.00 Uhr Außendienst und anschließend einen 12-stündigen Nachtjournaldienst auf dem Gendarmerieposten W zu verrichten gehabt. Um 21.45 Uhr dieses Tages habe eine intervenierende Partei und auch ein von dieser informierter Bediensteter eines anderen Gendarmeriepostens vergeblich versucht, den Gendarmerieposten W telefonisch zu erreichen. Die in der Folge Nachschau haltenden Gendarmeriebeamten GrInsp D. und RevInsp P. hätten die Dienststelle verschlossen vorgefunden. RevInsp Z. habe sodann den Schlüssel zum Gendarmerieposten W geholt und um ca. 22.25 Uhr habe aufgesperrt werden können. Im Sozialraum der Dienststelle sei der Beschwerdeführer auf der Bettbank liegend "tief schlafend" angetroffen worden. Im Raum habe es deutlich nach Alkohol gerochen und die Atemluft des Beschwerdeführers, der weder durch Zurufe "noch durch Rütteln" wach geworden sei, habe ebenfalls einen deutlichen Alkoholgeruch gehabt. Auch dem verständigten Stellvertreter des Abteilungskommandanten Hptm E. sei es nicht gelungen, den Beschwerdeführer wachzubekommen. Aufgrund dieser offensichtlichen Dienstunfähigkeit durch vermutliche Alkoholisierung habe der Beschwerdeführer durch E. außer Dienst gestellt werden müssen. Der Beschwerdeführer habe bei seiner schriftlichen Einvernahme am 3. August 1992 angegeben, er habe am 26. Juli 1992 in der Zeit von 20.00 Uhr bis ca. 20.30 Uhr aufgrund einer Sommergrippe dreimal von dem bewährten Hausmittel "Schwedenbitter" ca. 1/16 l verdünnt mit Wasser getrunken. Diesen Konsum habe er bei der Vernehmung während der mündlichen Verhandlung auf einen "Schwedenbitter" verdünnt mit 1/16 l Wasser eingeschränkt. "Schwedenbitter" enthalte neben natürlichen Inhaltsstoffen auch hochprozentigen Weingeist. Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes könne auch ein weiterer Konsum anderer alkoholischer Getränke angenommen werden. Der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung "nach Ansicht des Senates" schuldhaft i. S.d. § 91 BDG 1979 begangen. Bei der Strafbemessung werte der Senat als erschwerend, daß der Beschwerdeführer "den laut Dienstplan zu verrichtenden Journaldienst durch seine Alkoholisierung nicht leisten konnte, die Eingangstüre zur Dienststelle versperrte und sich im Journaldienstraum zur Ruhe begab und schließlich durch die einschreitenden Beamten erst nach stundenlangen Versuchen geweckt werden konnte". Der Beschwerdeführer sei bereits einmal schriftlich wegen Alkoholkonsums im Dienst gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 ermahnt worden. Als mildernd sei der Umstand zu werten, daß der Beschwerdeführer trotz seiner Erkrankung den geplanten Dienst angetreten habe. Unter Berücksichtigung der angeführten Umstände sei die Verhängung einer "Geldbuße" in der Höhe von S 3.000,-- angemessen und erforderlich.

In der Berufung wird gerügt, es sei nicht festgestellt worden, obwohl Gegenstand seiner Aussage und des Akteninhaltes (Arztbestätigung), daß sich der Beschwerdeführer wegen Sommergrippe in ärztlicher Behandlung befunden und Medikamente vorgeschrieben erhalten habe. Er habe anläßlich seiner Einvernahme angegeben, um ca. 8.30 Uhr, 11.00 Uhr, 13.30 Uhr und gegen 20.00 Uhr am 26. Juli 1992 je zwei Stück Influbene, ein Stück Rhinopront sowie ein Gewacalm eingenommen zu haben. Seinem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, welche Wirkungen die Einnahme dieser Medikamente im Zusammenhang mit Schwedenbitter habe, sei nicht stattgegeben worden. Hiezu sei die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides "geradezu unverständich", die dahin laute, er habe zur Aufklärung nichts beigetragen und "auch keine Anstalten dazu gezeigt". Bei Durchführung des Beweisantrages hätte sich ergeben, daß nicht Alkoholkonsum, schon gar nicht übermäßiger Alkoholkonsum, sondern die Kombination der Medikamente mit Schwedenbitter seinen Zustand hervorgerufen habe. Auch sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei, daß Schwedenbitter einen hohen Prozentsatz an Alkohol enthalte. Auch werde im Bescheid in keiner Weise auf die Aussagen der Zeugen eingegangen, wonach kein Alkoholtest durchgeführt worden und auch eine amtsärztliche Untersuchung nicht erfolgt sei. Das einzige Indiz sei der Geruch nach Alkohol gewesen, der jedoch durch die Einnahme des Schwedenbitters erklärlich sei. Ein verläßliches Beweisergebnis, daß er alkoholische Getränke konsumiert habe, liege überhaupt nicht vor. Wenn außer dem einzigen Indiz, nämlich dem Alkoholgeruch, keinerlei Verfahrensergebnisse vorlägen, die einen Konsum alkoholischer Getränke feststellen ließen, so sei zumindest im Zweifel davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer keine alkoholischen Getränke zu sich genommen habe. Dies umsomehr, als auch wesentliche Umstände gegen den Alkoholkonsum sprächen. So seien nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen keinerlei Flaschen gefunden worden, obwohl danach "Ausschau gehalten" worden sei. Es könne "wohl nicht ernstlich angenommen werden, daß ich mich durch Alkoholkonsum in einen Zustand der Ohnmacht versetzte, aus dem ich nicht einmal durch Rütteln und Zurufe gebracht werden konnte und noch kurz vor dem Hinübergleiten in diesen Zustand alle Spuren eines Alkoholkonsums beseitigt haben sollte". Auch hätte eine derartige Alkoholisierung auch Anzeichen nach dem Aufwecken um ca. 3.15 Uhr des nächsten Tages zeigen müssen. Derartige Anzeichen seien aber von den Zeugen nicht angegeben worden, es seien weder eine lallende Aussprache noch gerötete Bindehäute oder ein schwankender Gang festgestellt worden. Im Disziplinarverfahren werde ihm nicht vorgeworfen, sich durch die Kombination der Einnahme des Schwedenbitters mit den erwähnten Medikamenten in einen dienstunfähigen Zustand versetzt zu haben. Dennoch führe er dazu "vorsichtshalber" aus, daß auch derartiges nicht als Dienstpflichtverletzung gewertet werden könnte. Wie sich der Senat selbst habe überzeugen können, sei der Produktbeschreibung des Schwedenbitters für einen Laien nicht zu entnehmen, daß sich darin Weingeist, also Alkohol, befinde bzw. welches Ausmaß dieser Anteil habe. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls den Schwedenbitter mit bestem Gewissen, auch in Kombination mit den Medikamenten, eingenommen. Daß dies "einen derartigen Zustand" nach sich ziehen würde, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt und auch nicht vorhersehbar gewesen. Weiters seien die herangezogenen Erschwerungsgründe vollkommen verfehlt. Daß er den Journaldienst nicht habe leisten können, sei Gegenstand des Schuldspruches (Versetzung in einen dienstunfähigen Zustand). Die Erfüllung des Tatbestandes könne nicht als Erschwerungsgrund herangezogen werden. Dasselbe gelte für das Versperren der Eingangstür, und auch dafür, daß er sich im Journaldienst zur Ruhe begeben habe und schließlich erst durch die einschreitenden Beamten nach stundenlangen Versuchen habe geweckt werden können. Das Versperren der Eingangstür sei eine übliche Routinemaßnahme, die bei mit einem Beamten besetzten Dienststellen in der Nacht schon aufgrund des Gebotes der Sicherheit unumgänglich sei und während eines Journaldienstes sei es schon zur Erhaltung der körperlichen Kräfte unerläßlich zu ruhen. Auch daß er erst nach mehreren Stunden habe geweckt werden können, würde allenfalls das Tatbild erfüllen und sei ebenfalls nicht als Erschwerungsgrund heranzuziehen. Auch die Ermahnung hätte nicht als erschwerend berücksichtigt werden dürfen, weil es sich dabei nicht um eine Disziplinarverfügung, somit nicht um eine Vorstrafe handle. Demgegenüber stehe die disziplinäre Unbescholtenheit und die langjährige tadellose Dienstverrichtung, die auch in einer Auszeichnung in Form einer Geldbelohnung ihren Niederschlag gefunden habe. Schließlich beantragte der Beschwerdeführer in der Berufung neuerlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß die Einnahme von Schwedenbitter in Kombination mit den Medikamenten seinen Zustand am 26. Juli 1992 hervorgerufen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Erkenntnisses und der Berufung wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde sei Beweis erhoben worden durch die Einvernahme der Zeugen D., E., P. und Z. Sodann wird ausgeführt, der im erstinstanzlichen Verfahren festgestellte Sachverhalt der Dienstpflichtverletzung sei durch das Ergebnis des Beweisverfahrens vor der belangten Behörde "noch vertieft und verfestigt" worden, sodaß die Dienstpflichtverletzung als erwiesen anzunehmen sei. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, die Einnahme von Medikamenten in Kombination mit Schwedenbitter habe seinen Zustand bewirkt, sehe die belangte Behörde als Schutzbehauptung. Von den Nachschau haltenden Beamten hätten keinerlei Behältnisse, so auch nicht die bei der mündlichen Verhandlung vorgezeigte Flasche Schwedenbitter aufgefunden werden können. Auf den Vorhalt der Alkoholisierung durch D. und E. unmittelbar nach seinem Aufwachen und den Ausspruch der vorläufigen Suspendierung habe der Beschwerdeführer ohne Widerspruch und ruhig reagiert. Die belangte Behörde sei der Meinung, daß einem gut ausgebildeten und erfahrenen Gendarmeriebeamten zugemutet werden könne, daß er sich dafür interessiere, was er trinke. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei über den Alkoholgehalt des Schwedenbitters nicht informiert gewesen, erscheine "wenig glaubwürdig". Die belangte Behörde gelange daher aufgrund "der gegebenen Beweislage" zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer den ihm angelasteten Zustand am 26./27. Juli 1992 schuldhaft herbeigeführt habe. Was die Frage der Strafzumessung anlange, so sei die belangte Behörde der Auffassung, daß bereits die Erstinstanz alle für den Beschwerdeführer sprechenden Gründe voll berücksichtigt habe. Da weitere Gründe in der Berfungsverhandlung nicht hervorgekommen seien, sei die Höhe der verhängten Strafe schuldangemessen.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, daß gemäß § 91 BDG 1979 i.V.m. § 92 Abs. 1 leg. cit. über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 3.000,-- verhängt werde, "durch unrichtige Anwendung dieser Normen, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, die Bescheidbegründung und das Parteiengehör (§§ 105 BDG 1979, 37, 39, 60 AVG)".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt des BDG 1979) zur Verantwortung zu ziehen.

Voraussetzung jeder Disziplinarstrafe ist das Vorliegen einer schuldhaften Verletzung einer dem Beamten zur Tatzeit obliegenden Dienstpflicht (wobei hiezu grundsätzlich zu fordern ist, daß über eine bloße Aufzählung bestimmter gesetzlicher und erlaßmäßiger Regelungen hinaus auch konkret eine Subsumierung des jeweiligen Verhaltens vorgenommen wird). Nach dem weiteren im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz "in dubio pro reo" (vgl. § 118 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979) ist der Beamte nicht zu bestrafen, wenn die schuldhafte Begehung einer Dienstpflichtverletzung nicht nachgewiesen werden kann (vgl. dazu Kucsko-Stadlmayr, Das Disziplinarrecht der Beamten, S. 482).

Nach § 105 BDG 1979 sind, wenn in diesem Abschnitt nicht anderes vorgesehen ist, auf das Disziplinarverfahren bestimmte Regelungen des AVG sowie das Zustellgesetz anzuwenden. Hinsichtlich allgemeiner verfahrensrechtlicher Bestimmungen verweist § 105 BDG 1979 somit auf das AVG.

Die Begründungserfordernisse für einen Bescheid gemäß § 58 Abs. 2 AVG schließen auch die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfestellungen bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen wurde. Die Disziplinarbehörden müssen sohin überprüfbar, schlüssig und zureichend begründen, welche Umstände zur Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer tatsächlichen Behauptung geführt haben (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1989, 89/09/0076). Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die Behörde darf dabei einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern (vgl. dazu etwa Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 311).

Schon diesen grundsätzlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Ausführungen wie: durch das Ergebnis des Beweisverfahrens vor der belangten Behörde habe sich der Sachverhalt der Dienstpflichtverletzung "vertieft und verfestigt", entsprechen nicht den Anforderungen an eine nachvollziehbare Beweiswürdigung, die der Verwaltungsgerichtshof daraufhin zu prüfen hat, ob der Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechenden Ergebnis geführt hat, bzw. daraufhin, ob der Sachverhalt der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurde (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 548 ff angeführte Judikatur).

Warum in bezug auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Dienstpflichtverletzung, er habe sich durch den Genuß alkoholischer Getränke in einen völlig dienstunfähigen Zustand versetzt, als ausschlaggebende Indizien das Vorfinden von "keinerlei Behältnissen, so auch nicht der bei der mündlichen Verhandlung vorgezeigten Flasche Schwedenbitter", oder ein "ruhiges Reagieren auf den Ausspruch der vorläufigen Suspendierung" angesehen werden könnten, ist - worauf auch die Beschwerde zutreffend verweist - in den Überlegungen nicht nachvollziehbar.

Geradezu in Widerspruch mit dem angefochtenen Bescheid setzt sich die belangte Behörde im übrigen mit ihren Ausführungen in der Gegenschrift, sie habe - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - deshalb keine Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Einnahme von Schwedenbitter in Kombination mit den Medikamenten könne rein theoretisch den beim Beschwerdeführer eingetretenen Zustand verursacht haben, "ohnehin außer Streit gestellt hat". Im angefochtenen Bescheid wird demgegenüber nämlich die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, die Einnahme von Medikamenten in Kombination mit Schwedenbitter habe seinen Zustand vom 26./27. Juli 1992 bewirkt, ausdrücklich "als Schutzbehauptung" bezeichnet.

Zutreffend rügt die Beschwerde, die belangte Behörde habe zu Unrecht einem Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß die Einnahme von Schwedenbitter in Kombination mit den Medikamenten den aufgetretenen Zustand hervorgerufen habe, nicht entsprochen. Eine Unerheblichkeit dieses Beweisantrages ist keineswegs offenkundig und auch den Ausführungen in der Gegenschrift ist nicht zu folgen, der diesbezügliche Beweisantrag sei in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 1993 nicht weiter aufrecht erhalten worden. Laut Protokoll zu dieser Verhandlung wurden seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers keine "weiteren" Beweisanträge gestellt. Daß damit der bereits in der Disziplinarverhandlung vor der Behörde erster Instanz und später in der Berufung ausdrücklich wiederholte Beweisantrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht mehr aufrecht erhalten werden sollte, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen.

Zu diesen Verfahrensmängeln kommt schließlich noch, daß der angefochtene Bescheid auch jegliche Auseinandersetzung mit den im Berufungsvorbringen ausführlich bekämpften Strafbemessungsgründen vermissen läßt. Warum das "Versperren der Eingangstüre zur Dienststelle" oder "das zur Ruhe begeben während des Journaldienstes" einen Erschwerungsrund für die Strafbemessung darstellen könnte (§ 93 Abs. 1 BDG 1979 verweist diesbezüglich auf die nach dem Strafgesetzbuch maßgebenden Gründe), ist beispielsweise keineswegs evident.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren von S 120,--, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Verfahrensmängel freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993090266.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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