TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 93/07/0128

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

L61301 Kulturpflanzenschutz Pflanzenschutz Mindestpflanzabstände
Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1452;
ABGB §354;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
Mindestabstände zu fremden Grundstücken Bgld 1989 §5 Abs1;
Mindestabstände zu fremden Grundstücken Bgld 1989 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des W in Z, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 24. Juni 1993, V/1-8653/1-1993, betreffend Kulturflächenschutz (mitbeteiligte Partei: H in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf (BH) vom 14. Mai 1993 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 1789, KG Z., gemäß § 8 Abs. 1 des burgenländischen Landesgesetzes über die Mindestabstände zu fremden Grundstücken, LGBl. Nr. 16/1989, aufgetragen, den an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Nr. 1789 und 1784, beide KG Z., im Frühjahr 1993 aufgestellten Zaun so zu versetzen, daß er mindestens 50 cm vom Nachbargrundstück Nr. 1784, entfernt ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, daß der Zaun anstelle eines alten, bereits seit 100 Jahren bestehenden Zaunes neu errichtet worden sei. Zum Schutze seiner Obstkulturen und zum Auffangen des Fallobstes wäre er genötigt gewesen, diesen Zaun zu errichten. Dieser Zaun befinde sich 10 bis 15 cm hinter der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Das Nachbargrundstück werde parallel zum Zaun bebaut, sodaß bei der Bearbeitung dieses Ackers keinerlei Behinderung entstünde. Im Hinblick auf die hohen Kosten einer eventuellen Versetzung des Zaunes sei ihm dies finanziell nicht möglich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es stehe außer Zweifel, daß der Beschwerdeführer im Frühjahr 1993 an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Nr. 1789 und 1784 einen Zaun mit Maschendraht entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 1 des Mindestabstandgesetzes errichtet habe, da er anläßlich der Errichtung die Entfernung von mindestens 50 cm vom Nachbargrundstück nicht eingehalten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht als verletzt, entgegen der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Mindestabstandgesetz nicht dazu verhalten zu werden, seinen Zaun so zu versetzen, daß er mindestens 50 cm vom Nachbargrundstück entfernt ist.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Mindestabstände zu fremden Grundstücken, LGBl. für das Burgendland Nr. 16/1989 (im folgenden kurz: Mindestabstandgesetz), ist auf Antrag des Eigentümers des zu bepflanzenden Grundstückes ein geringerer als der in §§ 1 und 2 Abs. 1 festgelegte Mindestpflanzabstand zu bewilligen, wenn aufgrund der örtlichen Lage eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes nicht zu erwarten ist und die schriftliche Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstückes vorliegt.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Mindestabstandgesetzes dürfen Umzäunungen von Grundstücken in Grünflächen (§ 16 Abs. 1 Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 18/1969) unbeschadet anderweitig erforderlicher Bewilligungen nur in einer Entfernung von mindestens 50 cm vom Nachbargrundstück errichtet werden, wenn das Nachbargrundstück der landwirtschaftlichen Nutzung gewidmet ist. § 3 ist sinngemäß anzuwenden.

Nach § 8 Abs. 1 des Mindestabstandgesetzes hat die Bezirksverwaltungsbehörde unabhängig von einer Bestrafung nach § 7 dem Eigentümer der Grundfläche, auf der eine Auspflanzung, die Umwandlung einer bestehenden Weingartenkultur, eine Nachpflanzung oder eine Umzäunung entgegen §§ 1, 2 und 5 vorgenommen wurde oder dem Nutzungsberechtigten einer solchen Grundfläche, soweit er zu einer solchen Maßnahme privatrechtlich befugt war, unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen, den geschaffenen Zustand soweit zu ändern, daß er den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht.

Der Beschwerdeführer führt aus, die belangte Behörde habe keine Feststellungen hinsichtlich der Widmung im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der zuständigen Gemeinde E., betreffend das Grundstück der mitbeteiligten Partei, Nr. 1784 der KG Z., getroffen. Die Anzeige beruhe lediglich auf Wahrnehmungen eines Naturschutzorganes und der MP.

Dem ist entgegenzuhalten, daß bereits in der Anzeige des Naturschutzorgans die Widmung zur landwirtschaftlichen Nutzung hinsichtlich des Nachbargrundstückes Nr. 1784 festgestellt und von der belangten Behörde vor der Einvernahme des Beschwerdeführers auch ein Auszug aus dem Flächenwidmungsplan beigeschafft wurde, in welchem die Ried, in der dieses Grundstück liegt, als "Gstettenacker" bezeichnet wird und die in diesem Plan enthaltenen Symbole gleichfalls auf eine Widmung zur landwirtschaftlichen Nutzung hinweisen. Schließlich wurde dem Beschwerdeführer die Anzeige des Naturschutzorgans anläßlich seiner Einvernahme unwidersprochen zur Kenntnis gebracht. Auch blieb die Feststellung der landwirtschaftlichen Nutzung dieses Grundstückes im erstinstanzlichen Bescheid unbekämpft und wurde durch die Berufungsausführungen ("Das Nachbargrundstück wird parallel zum Zaun bebaut, sodaß bei der Bearbeitung dieses Ackers keinerlei Behinderung besteht.") sogar noch vom Beschwerdeführer selbst bestätigt. Es muß die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, der im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist und erst vor dem Verwaltungsgerichtshof das Verfahren als mangelhaft bekämpft, an dem er trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat, erfolglos bleiben (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 304 unter E. 24 zu § 45 AVG dargestellte hg. Judikatur).

Der Beschwerdeführer führt aus, daß sich auf der gegenständlichen Grundstückgrenze seit ca. 100 Jahren ein Zaun befunden habe. Er habe daher das Recht, den Zaun an die Grundstücksgrenze zu setzen, ersessen. In Unkenntnis des Mindestabstandgesetzes habe er den neuen Zaun 10 bis 15 cm hinter die Grundstücksgrenze gesetzt. Es sei somit eine Wiedererrichtung des alten Zaunes und nicht - wie von der belangten Behörde angenommen - eine Neuerrichtung eines Zaunes gegeben. Es liege somit eine unrichtige Gesetzesanwendung vor.

Es steht nach den insoweit unangefochten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde außer Zweifel, daß der Beschwerdeführer im Frühjahr 1993 (also nach Inkrafttreten des Mindestabstandgesetzes am 9. März 1989) einen Zaun mit Maschendraht unter Außerachtlassung der in § 5 Abs. 1 Mindestabstandgesetz vorgeschriebenen Entfernung von mindestens 50 cm vom Nachbargrundstück errichtet hat. Dabei ist die vom Beschwerdeführer getroffene Unterscheidung zwischen der Wiedererrichtung eines alten Zaunes und der Neuerrichtung irrelevant. Im Gesetz wird nur der Begriff "Errichten" verwendet. Unter diesem Terminus lassen sich sowohl eine Neuals auch eine Wiedererrichtung subsumieren.

Wenn der Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang von der Ersitzung von Rechten spricht, verkennt er das Wesen dieses Rechtsinstituts. Ersitzung im Sinne des § 1452 ABGB ist die Erwerbung von Rechten durch Fortsetzung des mit den gesetzlichen Erfordernissen ausgestatteten Besitzes während der vom Gesetze bestimmten Zeit (vgl. Klang in Klang VI, 570). Selbst wenn sich nun der alte Zaun schon seit ca. 100 Jahren an der Grundstücksgrenze befunden hat, so wurde dadurch kein Recht erworben. Vielmehr wurde dieser alte Zaun in Ausübung des bestehenden Eigentumsrechtes an die Grundstücksgrenze gesetzt. In diese privatrechtlich garantierte Ausübung des Eigentumsrechtes wurde nun durch das öffentliche Recht im (öffentlichen) Interesse der Bewirtschaftbarkeit von landwirtschaftlichen Nachbargrundstücken (siehe S. 1 der Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Mindestabstandgesetz, Beilage Nr. 175 zu den Stenographischen Protokollen des Burgenländischen Landtages, XV. GP) eingegriffen.

Der Beschwerdeführer verweist darauf, daß es sich um einen Härtefall handle, weil ein 50 cm breiter, "toter" Streifen entstünde, der von ihm gepflegt werden müsse. Es wären daher von der belangten Behörde die Interessen der beiden Grundstückseigentümer abzuwägen gewesen.

Der Beschwerdeführer verkennt, daß § 5 Abs. 1 Mindestabstandgesetz keine Interessenabwägung vorsieht ("Umzäunungen ... dürfen ... nur ... errichtet werden"). Bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Grundstücke und bei Nichteinhaltung des geforderten Mindestabstandes hat die Behörde nach § 8 leg. cit. vorzugehen.

Den Beschwerdeausführungen im Zusammmenhang mit § 3 Abs. 2 Mindestabstandgesetz ist entgegenzuhalten, daß der zur Anwendung dieser Vorschrift erforderliche Antrag im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer nie gestellt wurde. Es waren daher von der belangten Behörde keine diesbezüglichen Erhebungstätigkeiten durchzuführen. Insbesondere war auch nicht durch die Behörde um die schriftliche Zustimmung der Eigentümerin des Nachbargrundstückes (der mitbeteiligten Partei) einzukommen.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ErrichtenDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ErsitzungGutachten ParteiengehörVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993070128.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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