TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/13 Ro 2019/16/0006

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Veröffentlicht am 13.12.2022
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Auswertung in Arbeit!

Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der N Gesellschaft mbH in I, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. April 2019, Zl. RV/3100681/2017, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht die Vorschreibung von Grunderwerbsteuer gegenüber der Revisionswerberin für die Einräumung eines Baurechts an einem bebauten Grundstück ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 1,253.347,97 € mit 43.867,18 € (3,5%).

2        In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, mit Baurechtsvertrag vom 19. Oktober 2016 habe die Marktgemeinde K als Baurechtsbestellerin der Revisionswerberin ein Baurecht an einem bebauten Grundstück mit einer Gesamtfläche von 1.094 m² auf die Dauer von 50 Jahren eingeräumt. Als Gegenleistungen seien ein jährlicher (wertgesicherter) Baurechtszins iHv 7.581 € sowie ein Abgeltungsbetrag für das bestehende Gebäude iHv 355.500 € (netto) vereinbart worden.

3        Mit Bescheid vom 24. Februar 2017 habe das Finanzamt der Revisionswerberin zunächst ausgehend von der in der Abgabenerklärung bekannt gegebenen Gegenleistung iHv 491.958 € (18fach kapitalisierter Baurechtszins iHv 136.458 € zuzüglich Gebäudeabgeltung iHv 355.500 € netto) Grunderwerbsteuer iHv 17.218,53 € (3,5%) vorgeschrieben.

4        Mit Bescheiden vom 3. Mai 2017 habe das Finanzamt den Grunderwerbsteuerbescheid vom 24. Februar 2017 gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben und die Grunderwerbsteuer ausgehend von einem Grundstückswert von 1,253.347,97 € mit 43.867,18 (3,5%) neu festgesetzt. Das Finanzamt habe den Grundstückswert iSd § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 auf Grundlage des Pauschalwertmodells des § 2 der Grundstückswertverordnung (GrWV) ermittelt, wobei es den „Grundwert“ ausgehend von einem aktuellen Bodenwert des mit dem Baurecht belasteten Grundstücks von 14,5346 € pro m² mit 143.107,67 € und den „Gebäudewert“ ausgehend von den Prämissen u.a. Baujahr 1981, Nutzfläche Gebäude 961,16 m², Nutzfläche Keller, Garage pauschal 418,95 m² etc. mit 1,110.240,29 € berechnet habe.

5        In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde habe die Revisionswerberin vorgebracht, die Grunderwerbsteuer sei von der Gegenleistung iHv 563.058 € (18fach kapitalisierter Baurechtszins und Bruttobetrag der Gebäudeabgeltung) zu bemessen. Der mit dem vorgelegten Sachverständigengutachten nachgewiesene gemeine Wert der Liegenschaft betrage 697.675 €, wobei auf das Gebäude 488.372 € (70%) und auf das Grundstück 209.303 € (30%) entfielen. Der Grundanteil sei jedoch nicht Erwerbsgegenstand, da der Grund und Boden weiterhin dem Grundstückseigentümer zuzurechnen sei. Gleiches gelte für die Tangente des „Bodenwerts“ bei Ermittlung des „Grundstückswerts“ nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987. Da der nachgewiesene gemeine Wert des Gebäudes unter dem Wert der Gegenleistung liege, sei diese als Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage heranzuziehen.

6        Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 19. Juni 2017 habe das Finanzamt die Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid als unbegründet abgewiesen; der Beschwerde gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 3. Mai 2017 habe das Finanzamt teilweise stattgegeben und die Grunderwerbsteuer ausgehend von dem mittels Sachverständigengutachtens nachgewiesenen gemeinen Wert des bebauten Grundstücks iHv 697.675 € mit 24.418,62 € (3,5%) festgesetzt.

7        Im Vorlageantrag zu beiden Bescheiden habe die Revisionswerberin nochmals beantragt, die Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung iHv 563.058 € vorzuschreiben.

8        In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Steuerschuld sei mit Abschluss des Baurechtsvertrags am 19. Oktober 2016 entstanden, sodass im revisionsgegenständlichen Fall das Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl. I Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015, anzuwenden sei.

9        Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 sei die Grunderwerbsteuer für die Einräumung eines Baurechts grundsätzlich von der Gegenleistung, mindestens jedoch vom Grundstückswert zu bemessen. Letzterer könne entweder nach dem Pauschalwertmodell (§ 2 GrWV) ermittelt, oder von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel (§ 3 GrWV) abgeleitet werden. Weise der Steuerschuldner einen geringeren gemeinen Wert des Baurechts nach, so gelte dieser Wert als Grundstückswert.

10       Mit dem von der Revisionswerberin beigebrachten Sachverständigengutachten sei der gemeine Wert der bebauten Liegenschaft, nicht jedoch der gemeine Wert des Baurechts festgestellt worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. September 2018, Ra 2017/16/0005, ausgeführt habe, entspreche der gemeine Wert des belasteten Grundstücks nicht dem gemeinen Wert des Baurechts. Letzterer sei ausschließlich und eigenständig nach § 10 BewG 1955 zu ermitteln. Daher sei die Ansicht der Revisionswerberin verfehlt, dass mit dem vorgelegten Sachverständigengutachten der niedrigere gemeine Wert iSd § 4 Abs. 1 dritter UAbs. GrEStG 1987, konkret der „Gebäudewert des Baurechtes“, nachgewiesen worden sei. Auch die vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vorgenommene Steuerbemessung ausgehend vom nachgewiesenen gemeinen Wert der Liegenschaft widerspreche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes.

11       Als der der Gegenleistung gegenüberzustellende Wertmaßstab verbleibe im revisionsgegenständlichen Fall - mangels nachgewiesenem geringeren gemeinen Wert des Baurechts - nur der Grundstückswert iSd § 4 Abs. 1 GrEStG 1987. Für die Ermittlung des Grundstückswerts eines Baurechts komme nur jenes bebaute oder unbebaute Grundstück in Betracht, an dem das Baurecht eingeräumt worden sei. Anderweitige pauschalierte oder statistische Bewertungsgrundlagen stünden für die Bewertung von Baurechten nicht zur Verfügung. Nach § 2 Abs. 1 GrWV sei der Grundstückswert - je nachdem, ob es sich um ein unbebautes oder ein bebautes Grundstück handle - entweder nur vom Grundwert, vom Gebäudewert oder vom Grund- und Gebäudewert zu berechnen. Der Grundwert ergebe sich aus dem dreifachen (anteiligen) zuletzt festgestellten Bodenwert pro m², multipliziert mit der Grundfläche und dem in der Anlage der GrWV für die betreffende Gemeinde festgelegten Hochrechnungsfaktor (§ 2 Abs. 2 GrWV). Ausgehend von der von der Revisionswerberin vorgelegten Bodenwertabfrage (14,5346 €/m²), einer Fläche von 1.094 m² und dem Hochrechnungsfaktor 3 für die Gemeinde K ergebe sich im revisionsgegenständlichen Fall ein Grundwert von 143.107,67 €.

12       Der Gebäudewert sei nach § 2 Abs. 3 GrWV im Wesentlichen ausgehend von der Gebäudenutzfläche multipliziert mit dem Baukostenfaktor je Bundesland zu ermitteln, wobei je nach Baujahr, Art des Gebäudes und eventuellen Sanierungen dieser Wert bzw. auch der Baukostenfaktor entweder mit 100% oder in einem geringeren Umfang anzusetzen sei. Im revisionsgegenständlichen Fall betrage der Gebäudewert - dessen Berechnung unbestritten geblieben sei - 1,110.240,49 €, sodass insgesamt von einem Grundstückswert von 1,253.347,97 € auszugehen sei.

13       Da die Berechnung des Grundstückswerts nach einem „geeigneten Immobilienpreisspiegel“ gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 im revisionsgegenständlichen Fall nicht möglich sei und die Revisionswerberin einen geringeren gemeinen Wert des Baurechts nicht nachgewiesen habe, komme als Steuerbemessungsgrundlage ausschließlich der (die Gegenleistung weit übersteigende) Grundstückswert des Baurechts in Betracht.

14       Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, wie der „Grundstückswert“ gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015 bei einem Baurecht zu bemessen sei.

15       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen hat:

16       In der Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Grundstückswert des mit einem Baurecht belasteten Grund und Bodens als Ersatz- oder Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen sei, obwohl der Grund und Boden nicht Erwerbsgegenstand sei, sondern (zivilrechtlich und wirtschaftlich) Eigentum des Grundeigentümers bleibe.

17       § 4 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl I Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015 (StRefG 2015/2016) und BGBl. I Nr. 163/2015, lautet auszugsweise wie folgt:

Art der Berechnung

§ 4. (1) Die Steuer ist zu berechnen vom Wert der Gegenleistung (§ 5), mindestens vom Grundstückswert. [...] Der Grundstückswert ist entweder

-    als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG. 1955, BGBl. Nr. 148/1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes oder

-    in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes

zu berechnen.

Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler unter Berücksichtigung der Grundsätze einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung sowohl die näheren Umstände und Modalitäten für die Hochrechnung des Bodenwertes und die Ermittlung des Gebäudewertes als auch den anzuwendenden Immobilienpreisspiegel samt Höhe eines Abschlages festzulegen.

Weist ein Steuerschuldner nach, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als der nach der Verordnung ermittelte Grundstückswert, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Erfolgt dieser Nachweis durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die Vermutung der Richtigkeit für sich.

[...]“

18       Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/16/0005, mit näherer Begründung - auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - ausgesprochen hat, gilt die in § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 163/2015 normierte Mindestbemessungsgrundlage (Grundstückswert oder niedrigerer gemeiner Wert) für alle Kategorien von vom GrEStG 1987 erfassten Grundstücken, somit auch für Baurechte gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987.

19       Der in § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 mit dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, eingeführte Grundstückswert ist ein „Hilfswert“, der einer vereinfachten pauschalen Wertermittlung dient. Diese knüpft (gemäß § 4 Abs. 1 erster Teilstrich GrEStG 1987) als Ausgangspunkt an den Bodenwert der Grundstücksparzelle an, auf welche sich das Baurecht bezieht. Hinzu kommt ein allfälliger Gebäudewert, wenn - wie im revisionsgegenständlichen Fall - im Rahmen der Baurechtseinräumung auch ein auf dem Grundstück befindliches Gebäude auf den Bauberechtigten übergeht. Da der auf diesem Weg ermittelte Grundstückswert des Baurechts nicht mit dem gemeinen Wert des Baurechts (dessen Zugehör das erworbene Gebäude bildet) übereinstimmen muss, steht es dem Steuerschuldner nach § 4 Abs. 1 dritter UAbs. GrEStG 1987 frei, einen niedrigeren gemeinen Wert des Baurechts nachzuweisen.

20       Im revisionsgegenständlichen Fall hat das Bundesfinanzgericht den Nachweis des gemeinen Werts des Baurechts durch das von der Revisionswerberin vorgelegte Sachverständigengutachten zum gemeinen Wert der (bebauten) - mit dem Baurecht belasteten - Liegenschaft als nicht erbracht angesehen. Dagegen wird in der Revision u.a. vorgebracht, der im Sachverständigengutachten festgestellte gemeine Wert des erworbenen Gebäudes sei niedriger als der Gebäudewert nach § 4 Abs. 1 erster Teilstrich GrEStG 1987, sodass dieser der Gegenleistung gegenüber zu stellen sei.

21       Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11. September 2018, Ra 2017/16/0005, ausgesprochen hat, ist der gemeinen Wert des Grundstücks nicht mit dem gemeinen Wert des Baurechts gleichzusetzen. Das gilt nicht nur für den mit dem Baurecht belasteten Grund und Boden, sondern auch für ein als Zugehör des Baurechts geltendes, miterworbenes Gebäude (§ 6 Abs. 1 BauRG), das nach Erlöschen des Baurechts an den Grundeigentümer zurückfällt (§ 9 BauRG). Der gemeine Wert des Baurechts ist eigenständig nach § 10 BewG 1955 zu ermitteln. Damit kommt es auf den Preis an, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (am freien Markt) - unter zueinander fremden Personen - für die Einräumung eines solchen Baurechts einschließlich eines mitübertragenen Gebäudes (z.B. bei Einmalerlag) gezahlt würde, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse auszublenden sind.

22       Dem Bundesfinanzgericht ist daher nicht entgegen zu treten, wenn es das von der Revisionswerberin vorgelegte Gutachten zum gemeinen Wert der (bebauten) Liegenschaft nicht als Nachweis des gemeinen Werts des Baurechts anerkannt und die Grunderwerbsteuer vom Grundstückswert des Baurechts bemessen hat.

23       Jedoch hat das Bundesfinanzgericht die Grunderwerbsteuer mit 3,5% des Grundstückswerts berechnet, ohne auf das Verhältnis der Gegenleistung zum Grundstückswert einzugehen und die Anwendbarkeit des Stufentarifs nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987 zu prüfen (vgl. dazu nochmals VwGH vom heutigen Tag, Ro 2019/16/0005).

24       Damit hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

25       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019160006.J00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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