TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/13 Ra 2021/16/0082

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Veröffentlicht am 13.12.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der F GmbH in I, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. September 2021, RV/3100233/2021, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die 1997 gegründete F GmbH & Co KG (im Folgenden „F KG“) ist seit 1998 grundbücherliche Eigentümerin eines inländischen Grundstücks, auf der sich ein Hotel befindet.

2        Die Revisionswerberin wurde mit Errichtungserklärung vom 21. Dezember 2005 von G F als Alleingesellschafterin unter der Firma „G F GmbH“ gegründet.

3        Die Revisionswerberin ist seit 16. Februar 2006 als Kommanditistin an der F KG beteiligt. Bis zum 23. Oktober 2020 waren die Revisionswerberin mit einem 80%igen Kommanditanteil und C F mit einem 20%igen Komplementäranteil an der F KG beteiligt.

4        Aufgrund des Zusammenschlussvertrages vom 23. Oktober 2020 trat die J GmbH als Komplementärgesellschafterin (Arbeitsgesellschafterin ohne Beteiligung am Vermögen der F KG) in die F KG ein.

5        Mit Einbringungsvertrag vom 23. Oktober 2020 brachte C F ihren 20%igen Komplementäranteil an der F KG in die Revisionswerberin ein und schied aus der F KG als Komplementärin aus. Punkt Zweitens (Einbringung und Rechtsübergang) des Einbringungsvertrages vom 23. Oktober 2020 lautet auszugsweise:

Zweitens: Einbringung und Rechtsübergang

Die unbeschränkt haftende Gesellschafterin, Frau [C F], bringt nunmehr ihre Beteiligung an der [F KG] mit dem Sitz in [S], wonach Frau [C F] als Gesellschafterin mit 20 % [...] am Gesamtvermögen und einem allfälligen Liquidationserlös der [F KG] beteiligt ist, samt den anteiligen Ständen der fixen und variablen Kapitalkonten, als Sacheinlage mit allen Rechten und Pflichten auf der Grundlage der Einbringungsbilanz zum 30.09.2020 [...] unter Bedachtnahme auf den Umgründungsplan gemäß § 39 UmgrStG [...] vom 23.10.2020 [...] mit Wirkung auf den Ablauf dieses Stichtages in die Kommanditistin [G F GmbH], mit dem Sitz in [S] unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte gemäß § 16 (1) UmgrStG [...] ein und tritt hiermit die vorgenannte Gesellschaftsbeteiligung anteilsmäßig an die [G F GmbH] als Sachübernehmerin ab.

Frau [C F] scheidet zivil- und unternehmensrechtlich im Zuge der Eintragung dieses Einbringungsvorganges im Firmenbuch aus der Gesellschaft aus. Die [G F GmbH] behält ihre Stellung als Kommanditistin der [F KG] bei.

Die [G F GmbH] übernimmt diese Gesellschaftsbeteiligung der [C F] in ihr Eigentum.

Einbringungsstichtag ist der 30.09.2020 [...], Tagesablauf.“

6        Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. Jänner 2021 setzte das Finanzamt Österreich (im Folgenden „Finanzamt“) - auf Grundlage einer Außenprüfung des Einbringungsvorganges - iZm dem Einbringungsvertrag vom 23. Oktober 2020 die Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG 1987 mit 21.883,26 € gegenüber der Revisionswerberin fest. Begründend führte das Finanzamt aus, da C F ihre 20%ige Beteiligung an der F KG in die G F GmbH eingebracht habe, halte diese nunmehr 100 % der Anteile an der F KG. Da durch diese Übertragung mehr als 95 % aller Anteile in der Hand des Erwerbers vereinigt worden seien, liege gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ein grunderwerbsteuerpflichtiges Rechtsgeschäft vor.

7        In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, eine Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 auf Personengesellschaften sei ausdrücklich ausgeschlossen. § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 würden unterschiedliche Umgehungssperren für Personengesellschaften in Abs. 2a leg. cit. und für Kapitalgesellschaften in Abs. 3 leg. cit. festlegen. Beide Bestimmungen würden nur Anteilsvereinigungen an Gesellschaften mit Grundbesitz erfassen, jedoch nicht bloß mittelbare Anteilsvereinigungen über den Erwerb von Anteilen an anderen Gesellschaften mit inländischen Grundstücken. Der Sonderfall einer Unternehmensgruppe nach § 1 Abs. 3 Z 1 GrEStG 1987 iVm § 9 KStG 1988 liege nicht vor. Eine Beschwerdevorentscheidung habe gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO zu unterbleiben.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

9        In der Begründung führte das BFG - nach Feststellung des nicht strittigen Sachverhaltes - aus, fraglich sei, ob die durch den Einbringungsvertrag vom 23. Oktober 2020 erfolgte Anteilsvereinigung an der F KG eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 auslöse. Vor dem Steuerreformgesetz 2015/2016 habe eine Anteilsvereinigung vorausgesetzt, dass tatsächlich sämtliche Anteile an einer Gesellschaft in einer Hand vereinigt worden seien. Solange sich mindestens ein weiterer Anteil an einer Personengesellschaft in der Hand eines anderen Gesellschafters befunden habe, auch wenn dieser weitere Anteil nicht mit einer wertmäßigen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen verbunden gewesen sei, habe keine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 vorgelegen. Diese strenge Voraussetzung sei mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 gefallen. Nunmehr genüge eine Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft in einer Hand für die Verwirklichung einer der Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987. Nichts Anderes könne gelten, wenn durch ein Rechtsgeschäft 100 % der Anteile (am Gesellschaftsvermögen) in der Hand eines der Gesellschafter vereinigt würden, und der zweite Gesellschafter ein reiner Arbeitsgesellschafter ohne wertmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sei. Durch die Einbringung des Gesellschaftsanteiles an der F KG von C F in die Revisionswerberin habe somit eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 GrEStG 1987 stattgefunden.

10       In der Beschwerde komme die Rechtsansicht zum Ausdruck, dass § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ausschließlich für Personengesellschaften und Abs. 3 leg.cit. ausschließlich für Kapitalgesellschaften zur Anwendung gelangen könne. Richtig sei, dass Abs. 2a leg. cit. schon seinem Wortlaut nach ausschließlich auf Personengesellschaften abstelle. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 2015/2016 ergebe sich, dass § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 sowohl für Personen-, als auch für Kapitalgesellschaften anwendbar sei, und im Falle einer Konkurrenz der Vorrang des Abs. 2a leg. cit. normiert worden sei. Gemäß § 9 Z 3 lit. b GrEStG 1987 sei bei der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen oder einer Gesellschaft in der Hand des Erwerbers derjenige Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer, in dessen Hand die Anteile vereinigt würden. Die Revisionswerberin sei daher im Beschwerdefall die Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die das BFG dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten vorlegte. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

12       Die Revisionswerberin bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, die Anteilsvereinigung an der F KG sei nach § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 steuerfrei, weil die Anteile über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre erworben worden seien (2009: 80 % und 2020: 20 %). Das BFG verkenne den Gesetzeswortlaut und das systematische Zusammenspiel der unterschiedlichen Tatbestände für Personen- und Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG 1987. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 schließe eine Erfassung von Personengesellschaften aus, soweit § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe bewusst unterschiedliche Regelungen für Anteilsvereinigungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften geschaffen. § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 erfasse ausschließlich Personengesellschaften, § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 erfasse ausschließlich Kapitalgesellschaften. Zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

13       Die Revision ist zulässig. Die Revisionswerberin ist in ihrem Vorbringen jedoch nicht im Recht.

14       § 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG 1987), BGBl. Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 62/2018, lautet:

„Erwerbsvorgänge

§ 1. (1) Der Grunderwerbsteuer unterliegen die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

1.   ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet,

2.   der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist,

3.   ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruches begründet,

4.   ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufanbot begründet. Dem Kaufanbot steht ein Anbot zum Abschluß eines anderen Vertrages gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann,

5.   der Erwerb eines der in den Z 3 und 4 bezeichneten Rechte, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Erwerb der Rechte begründet.

(2) Der Grunderwerbsteuer unterliegen auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

(2a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt der Steuer eine Änderung des Gesellschafterbestandes dergestalt, dass innerhalb von fünf Jahren mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile sind dem Treugeber zuzurechnen. Ein inländisches Grundstück gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft, wenn sie das Grundstück durch einen Rechtsvorgang gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 erworben hat.

(3) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt, außerdem:

1.   ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 vereinigt werden würden;

2.   die Vereinigung von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z 1 vorausgegangen ist;

3.   ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft begründet;

4.   der Erwerb von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z 3 vorausgegangen ist.

Treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile sind dem Treugeber zuzurechnen. Ein inländisches Grundstück gehört zum Vermögen einer Gesellschaft, wenn sie das Grundstück durch einen Rechtsvorgang gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 erworben hat.

(4) Ein im Abs. 1 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm einer der in den Abs. 2 und 3 bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist. Ein im Abs. 2 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm einer der im Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist. Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.

(5) Ein im Abs. 2a bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ein in Abs. 2a oder Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Ein im Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ein in Abs. 2a oder Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Sofern die Rechtsvorgänge nach Abs. 2a oder Abs. 3 in der gleichen Unternehmensgruppe verwirklicht werden, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.“

15       Im vorliegenden Fall ist strittig, ob § 1 Abs. 3 GrEStG 1987, wie die Revisionswerberin vorbringt, ausschließlich auf Kapitalgesellschaften anwendbar ist und die Vereinigung aller Anteile am Gesellschaftsvermögen der F KG, einer Personengesellschaft, in der Hand der Revisionswerberin daher nicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Es ist unstrittig, dass die Revisionswerberin keine „neue“ Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ist und die Änderung des Gesellschafterbestandes daher nicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 der Grunderwerbsteuer unterliegt.

16       Die Revisionswerberin bringt zur Begründung ihrer Rechtsansicht im Wesentlichen vor, dass § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ausschließlich Personengesellschaften erfasse und § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ausschließlich Kapitalgesellschaften, weil § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 eine Erfassung von Personengesellschaften ausschließe, soweit § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 „anwendbar“ sei. § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG 1987 würden bewusst unterschiedliche „Umgehungssperren“ für Personen- und Kapitalgesellschaften verankern. Dies ergebe sich schon aus dem Gesetzeswortlaut und aus einer systematisch konsistenten Auslegung.

17       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309 (in der Stammfassung), kann dieser als Sondertatbestand der Verschaffung der wirtschaftlichen oder rechtlichen Verfügungsmacht über ein Grundstück verstanden werden. Durch die Vereinigung aller Anteile einer Gesellschaft in der Hand des Erwerbers erlangt dieser nämlich auch die Verfügungsmacht über die zum Vermögen der Gesellschaft gehörigen Grundstücke. Der Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Z 2 GrEStG 1987 wird also nicht durch einen Grundstückserwerb verwirklicht, sondern durch eine Vereinigung von Gesellschaftsanteilen in einer Hand. Dadurch soll verhindert werden, dass bei einem völligen Wechsel aller Mitglieder einer Gesellschaft die Erhebung der Grunderwerbsteuer vom Grundbesitz unterbliebe (vgl. VwGH 18.4.2012, 2009/16/0247, mwN).

18       § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 (StRefG 2015/2016), BGBl. I Nr. 118/2015, dahingehend wesentlich geändert, dass die Tatbestandswirkung nunmehr nicht die Vereinigung oder Übertragung von 100 % der Anteile in bzw. an eine Hand erfordert. Mit Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 wurde die Schwelle für die Verwirklichung der Tatbestände der Vereinigung oder Übertragung von Anteilen auf 95 % herabgesetzt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum StRefG 2015/2016 lauten auszugsweise (ErlRV 684 BlgNr 25. GP 34):

„Derzeit werden Personengesellschaften - ebenso wie Treuhänderkonstruktionen bei Kapitalgesellschaften - eingesetzt, um die Grunderwerbsteuerpflicht zu vermeiden, indem anstelle von Grundstücken (Substanz-)Anteile an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft steuerfrei übertragen werden.

Es soll ein neuer Erwerbstatbestand aufgenommen werden, der dann zum Tragen kommt, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft dahingehend ändert, dass mindestens 95% der unmittelbar gehaltenen Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen oder dem Treugeber treuhändig gehaltene Anteile zuzurechnen sind. Die Einführung der 95%-Grenze soll weiters bewirken, dass künftig Anteilsvereinigungen gemäß § 1 Abs. 3 auch bei Personengesellschaften denkbar sein sollen. Damit soll ein Gleichklang mit den Tatbeständen bei Kapitalgesellschaften geschaffen werden. Wird durch einen Rechtsvorgang sowohl der Tatbestand des § 1 Abs. 2a als auch jener des § 1 Abs. 3 erfüllt, dann soll klargestellt werden, dass vorrangig der Tatbestand des § 1 Abs. 2a zum Tragen kommt. Die 95%-Grenze wird in Anlehnung an die deutsche Rechtslage eingezogen und betrifft nur Anteile am Vermögen (Substanzbeteiligungen), nicht jedoch Anteile von so genannten reinen Arbeitsgesellschaftern.“

19       § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 erfasst seinem Wortlaut nach den Gesellschafterwechsel ausschließlich bei Personengesellschaften, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 stellt darauf ab, dass zum „Vermögen einer Gesellschaft“ ein inländisches Grundstück gehört und erfasst die Tatbestände der Anteilsvereinigung und der Übertragung von Anteilen. Der Begriff der „Gesellschaft“ in § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist im weitesten Sinne zu verstehen. Jede Personenmehrheit, die sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließt und fähig ist, Eigentum an Grundstücken zu erwerben (Rechtsfähigkeit) ist als Gesellschaft iSd § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 zu qualifizieren (vgl. Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 868; N. Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG17 § 1 Rz 351). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1955, BGBl. Nr. 140, fielen unter den Begriff der „Gesellschaft“ im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG 1955 nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Personenhandelsgesellschaften (vgl. VwGH 29.11.1978, 2149/75, mwN). Angesichts der Weiterverwendung des Begriffes der „Gesellschaft“ in § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist dies auf Personengesellschaften im Sinne des Unternehmensgesetzbuches unverändert zu übertragen. Es ergibt sich somit schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 und entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Bestimmung auf Personengesellschaften und somit - wie hier gegeben - auf die Übertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen einer Kommanditgesellschaft anwendbar ist.

20       Aus den zitierten Materialien zum StRefG 2015/2016 ist zudem abzuleiten, dass es auch die Intention des Gesetzgebers war, dass die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften sowohl den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987, als auch jenen des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 erfüllen kann. § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist dabei subsidiär zu § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 und kommt nur zur Anwendung, soweit nicht die speziell auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Personengesellschaften zugeschnittene Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 anzuwenden ist (vgl. Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 866; N. Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG17 § 1 Rz 349b).

21       Das BFG ging somit zu Recht davon aus, dass die Einbringung des Anteiles am Gesellschaftsvermögen an der F KG von C F in die Revisionswerberin und die damit erfolgte Vereinigung aller Anteile am Gesellschaftsvermögen der F KG in der Hand der Revisionswerberin den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z 1 GrStG 1987 erfüllte. Da gleichzeitig die J GmbH als Komplementärgesellschafterin und Arbeitsgesellschafterin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in die F KG eintrat, kam es nicht zu einem Übergang des Gesellschaftsvermögens gemäß § 142 UGB (Anwachsung), was die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Z 1 GrStG 1987 ausgeschlossen hätte (vgl. dazu VwGH 29.11.1978, 473/75; 29.11.1978, 2149/75; 21.3.1979, 1033/75; 27.6.1985, 84/16/0194).

22       Steuerschuldnerin ist gemäß § 9 Abs. 3 lit. b GrEStG 1987 die Revisionswerberin, zumal § 9 Abs. 3 lit a GrEStG 1987 - wie sich schon aus der Anlehnung der Formulierung an § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ergibt - nur Fälle erfasst, in denen Grunderwerbsteuer aufgrund der Änderung des Gesellschafterbestandes gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ausgelöst wird (vgl. Massoner/Stefaner in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 9 Rz 11).

23       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

24       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021160082.L00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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