TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/19 Ra 2022/12/0083

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Veröffentlicht am 19.12.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision der N M, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. Mai 2022, LVwG-414048/9/BZ/Hue, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 28. Oktober 2020 wurden der Revisionswerberin Übertretungen des Glücksspielgesetzes (GSpG) zur Last gelegt, über sie gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG dreizehn Geldstrafen in Höhe von jeweils € 3.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 2 Tage) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt.

2        Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Dieses beraumte mit Ladung vom 6. April 2022 eine mündliche Verhandlung für den 25. April 2022 an. Diese Ladung wurde vom Landesverwaltungsgericht am 8. April 2022 abgefertigt und der Revisionswerberin zu Handen ihrer Rechtsvertreter im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt, wobei im Zustellnachweis (einem mit Signatur vom 8. April 2022 datierten Dokument) der Vermerk versehen ist: „Zugestellt - Im Verfügungsbereich des ERV-Teilnehmers seit 11.04.2022“.

3        Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 25. April 2022 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde in einzelnen Spruchpunkten unter Aufhebung der betreffenden Strafaussprüche und diesbezüglichen Einstellung des Strafverfahrens teilweise Folge, wies die Beschwerde im Übrigen mit - für den Revisionsfall nicht weiter maßgeblichen - Modifikationen des Spruchs als unbegründet ab und setzte den von der Revisionswerberin zu leistenden Beitrag zu den Verfahrenskosten herab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung der Revision.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        § 44 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

„Verhandlung

§ 44

...

(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.“

8        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision führt die Revisionswerberin ein Abweichen von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen, wonach gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG eine zweiwöchige Zeit zur Vorbereitung auf eine mündliche Verhandlung zu gewähren sei.

9        Bereits damit erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner insofern auf die geltende Rechtslage übertragbaren Judikatur zu § 51e Abs. 6 VStG, der „Vorgängerbestimmung“ des § 44 Abs. 6 VwGVG, bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Zustellung der Ladung und der Verhandlung nicht gewahrt wurde, die Behörde den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil nicht gesagt werden kann, dass die Behörde bei Wahrung dieser Mindestfrist nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, weshalb sich dieser Verfahrensmangel als wesentlich erweist. Die zweiwöchige Vorbereitungszeit gilt jedenfalls für die erste Verhandlung (vgl. VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0147, mwN).

11       Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

12       Da im vorliegenden Fall die Ladung zur mündlichen Verhandlung den Vertretern der Revisionswerberin im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am (Montag, den) 11. April 2022 als zugestellt anzusehen war (zur Zustellung über den elektronischen Rechtsverkehr im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 3 ZustG vgl. neuerlich das Erkenntnis VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0147), endete die nach § 44 Abs. 6 VwGVG vorgeschriebene zweiwöchige Vorbereitungsfrist erst mit Ablauf des Montags, 25. April 2022, und hätte die Verhandlung bis dahin nicht durchgeführt werden dürfen. Die schon am 25. April 2022 abgehaltene Verhandlung erweist sich somit als rechtswidrig. Dies ist dem Unterbleiben einer Verhandlung gleichzuhalten. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. erneut VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0147, mwN).

13       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

14       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022120083.L00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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