TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/20 Ra 2021/12/0023

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Veröffentlicht am 20.12.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede, als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des Personalamts Salzburg der Österreichischen Post AG, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2021, W257 2228819-1/5E, betreffend Antrag auf Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 3 GehG (mitbeteiligte Partei: G G in G, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Davisstraße 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte stellte unvertreten einen mit 26. März 2018 datierten Antrag auf Geldaushilfe an das Personalamt Salzburg der Österreichischen Post AG. Er brachte vor, auf Grund seiner schwierigen gesundheitlichen Situation werde er mit Ablauf des 31. März 2018 gemäß den Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dadurch ergäben sich für ihn schwerwiegende finanzielle Einbußen und wesentliche finanzielle Einschränkungen in seiner weiteren Lebensgestaltung bzw. wäre es schwierig, die finanziellen Lasten in seiner gesundheitlichen Situation bewältigen zu können. Nach Darstellung seiner finanziellen Lage ersuchte der Mitbeteiligte um Zuerkennung einer freiwilligen Einmalzahlung - im Sinne einer einmaligen Geldaushilfe von maximal vier Monatsgehältern „gemäß § 23 GehG für Mitarbeiterinnen, nach Pkt. XII abs. 2 der Vereinbarungen-Sozialplan-BV 2011/2012“.

2        Mit Eingabe vom 21. November 2018 stellte der Mitbeteiligte - nunmehr durch seinen anwaltlichen Vertreter - einen Antrag, dass festgestellt werden möge, dass ihm gemäß § 23 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) eine Geldaushilfe von maximal vier Monatsgehältern zu gewähren sei. Für den Fall, dass sein Ansuchen vom 26. März 2018 als Antrag auf bescheidmäßige Feststellung zu werten sei, stelle der gegenständliche Antrag eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG und den § 7 ff VwGVG dar. Es wurde vorgebracht, das zuständige Personalamt Salzburg habe sich bislang zu seinem Antrag vom 26. März 2018 nicht geäußert. Lediglich die Österreichische Post AG habe mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 reagiert und ausgeführt, dass sie derzeit keine Möglichkeit sehe, den gegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Geldaushilfe zu behandeln, zumal der Einschreiter gegen das Unternehmen der Österreichischen Post AG ein Amtshaftungsverfahren führe.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis trug das Bundesverwaltungsgericht der revisionswerbenden Partei auf, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen. Es deutete den verfahrenseinleitenden Antrag als Feststellungsantrag, wogegen sich die Revision nicht wendet. Weiters wurde Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Gebührlichkeit einer Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 3 GehG wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine mündliche Verhandlung durchführen und gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache entscheiden, das angefochtene Erkenntnis ersatzlos beheben und dem Verwaltungsgericht den Auftrag erteilen, das bei ihm eingelangte Anbringen der mitbeteiligten Partei unter Anschluss des Verwaltungsaktes an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter weiter zu leiten; in eventu wurde beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

6        In der Zulässigkeitsbegründung der Revision vertritt die revisionswerbende Partei unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst den Standpunkt, das Bundesverwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit von bedingten Prozesshandlungen abgewichen. Weiters liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wie zu entscheiden sei, wenn der Antrag auf Geldaushilfe im Aktivdienstverhältnis gestellt worden sei, im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Bundesverwaltungsgericht aber gemäß § 2 Abs. 6 DVG nicht zuständig gewesen sei, weil der Antrag auf Tatsachen gestützt worden sei, die nicht vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eingetreten seien.

7        Mit der zweiten Argumentation wird die Zulässigkeit der Revision hinreichend aufgezeigt (s. im Folgenden). Die Revision ist auch berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8        § 2 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:

„...

§ 2. ...

(6) Bei Personen, die aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand ausgeschieden sind, und bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und Angehörigen ist zur Entscheidung in Dienstrechtsangelegenheiten, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand eingetreten sind, die Dienstbehörde berufen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand zuständig gewesen ist. In allen übrigen pensionsrechtlichen Angelegenheiten ist die Dienststelle Dienstbehörde, die über den Pensionsaufwand verfügt.

...“

9        § 23 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 lautet auszugsweise:

Vorschuß und Geldaushilfe

§ 23. ...

(3) Ist der Beamte unverschuldet in Notlage geraten oder liegen sonst berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann ihm auch eine Geldaushilfe gewährt werden.

...“

10       § 29 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340/1965, in der Fassung BGBl. I Nr. 119/2002 lautet auszugsweise:

§ 29. ...

...

(3) Einer Person, die Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuss hat, kann auch eine Geldaushilfe gewährt werden, wenn sie

1.   unverschuldet in Notlage geraten ist oder

2.   sonst berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.“

11       § 17 Poststrukturgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:

§ 17. ...

(8) Die Bemessung, Berechnung und die Zahlbarstellung der

1.   ...

2.   im Pensionsrecht vorgesehenen Geldleistungen für die in Abs. 7 genannten Ruhegenussempfänger und -empfängerinnen und deren Angehörige und Hinterbliebene obliegt der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) im übertragenen Wirkungsbereich. ...“

12       § 2 Abs. 6 erster Satz DVG bringt zum Ausdruck, dass für Dienstrechtsverfahren, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand herrühren, die Aktivdienstbehörde (und nicht die Pensionsbehörde) zuständig ist (vgl. VwGH 13.11.2013, 2012/12/0130, mwN). Im vorliegenden Revisionsfall beantragte der Mitbeteiligte eine Geldaushilfe im Hinblick darauf, dass er auf Grund seines niedrigen Ruhegenusses in eine finanzielle Notlage geraten werde. Ein Ruhegenuss gebührt jedoch erst nach Ruhestandsversetzung, sodass fallbezogen die beantragte Geldaushilfe aus einer nach dem Ausscheiden aus dem Dienststand entstandenen Tatsache herrührt.

13       Der Mitbeteiligte hat seinen Antrag auf Geldaushilfe allerdings (zunächst unvertreten und dann anwaltlich vertreten) ausdrücklich auf § 23 Abs. 3 GehG gestützt, worüber die revisionswerbende Partei zu entscheiden gehabt hätte.

14       Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht. Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben (vgl. etwa VwGH 1.10.2021, Ra 2018/06/0053). Eine Manuduktionspflicht der Behörde dahin, Antragsteller auf eine zweckmäßige Antragstellung hinzuweisen, besteht nicht (vgl. etwa VwGH 31.3.2021, Ra 2020/10/0162). Auch die Offizialmaxime verlangt nicht, Anbringen, die nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutig sind, einen anderen - wenngleich zweckmäßigen - Inhalt zu geben. Dies liefe auf eine Umdeutung eines Anbringens hinaus und widerspräche der hg. Judikatur zur Auslegung von Anbringen, wonach es auf den Inhalt der Eingabe ankommt und Parteienerklärungen ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind (vgl. VwGH 14.6.2022, Ra 2020/10/0123, mwN).

15       Der auf § 23 Abs. 3 GehG gestützte Antrag wäre daher vom Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der vom Mitbeteiligten erhobenen Säumnisbeschwerde schon deshalb abzuweisen gewesen, weil ein Anspruch des Mitbeteiligten gegenüber der revisionswerbenden Partei (Dienstbehörde) auf Geldaushilfe wegen eines behauptetermaßen zu niedrigen Ruhegenusses, der ihn in eine finanzielle Notlage bringt, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestand.

16       Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Säumnisbeschwerde gemäß § 17 Abs. 8 Z 2 Poststrukturgesetz (PTSG) wäre die BVAEB zur Entscheidung über einen Antrag auf Geldaushilfe gemäß § 29 Abs. 3 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965) zuständig gewesen, worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wurde. Einen derartigen Antrag hat der Mitbeteiligte aber im vorliegenden Verfahren niemals gestellt. Eine Weiterleitung des Antrags auf Geldaushilfe durch das Bundesverwaltungsgericht an die BVAEB wäre nicht in Betracht gekommen, weil der - vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertretene - Mitbeteiligte seinen Antrag ausdrücklich auf § 23 GehG und niemals auf § 29 Abs. 3 PG 1965 gestützt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dementsprechend ausschließlich dieser auf § 23 GehG gestützte Antrag.

17       Es ist dem Mitbeteiligten freilich unbenommen, einen Antrag gemäß § 29 Abs. 3 PG 1965 zu stellen.

18       Da das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage den auf § 23 Abs. 3 GehG gestützten Antrag auf Geldaushilfe nicht abgewiesen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und nach § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuheben.

Wien, am 20. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021120023.L00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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