TE Vwgh Beschluss 2022/12/20 Ra 2021/21/0136

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Veröffentlicht am 20.12.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 28 heute
  2. VwGG § 28 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. VwGG § 28 gültig von 01.01.2017 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  4. VwGG § 28 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 28 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 28 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  8. VwGG § 28 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des T O G, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 6/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. März 2021, W129 2236003-3/3E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1988 geborene Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste im März 2010 in das Bundesgebiet ein und erhielt wegen seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die er im September 2009 im Iran geschlossen hatte, mehrmals Aufenthaltstitel als Familienangehöriger, zuletzt eine von Juli 2019 bis Juli 2022 gültige Niederlassungsbewilligung. Der Ehe entstammen im November 2012 und August 2015 in Österreich geborene Töchter, die ebenfalls über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen.

2        Mit rechtskräftigem Urteil vom 6. Mai 2020 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Revisionswerber wegen des als Bestimmungstäter begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, wegen des als unmittelbarer Täter begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG, wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Dem Schuldspruch lag im Wesentlichen zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von Jänner 2018 bis Jänner 2020 in drei Angriffen Opium in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge durch eine von ihm kontaktierte Person, die den Transport organisiert habe, aus dem Iran nach Österreich eingeführt. Weiters habe der Revisionswerber im Zeitraum von 2015 bis Jänner 2020 Opium in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (überwiegend gegen Entgelt) anderen überlassen. Außerdem wurde ihm zur Last gelegt, am 28. Jänner 2020 Opium in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, besessen zu haben. Schließlich habe er im Zeitraum von 2010 bis Jänner 2020 Kokain und Opium ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Die Freiheitsstrafe wurde zuletzt in Form des elektronisch überwachten Hausarrests vollzogen.

3        Wegen dieser Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 20. Jänner 2021 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Unter einem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung (gemeint: in den Iran) zulässig sei. Ferner sprach es aus, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt und (daher) gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.

4        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. März 2021 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung „mit der Maßgabe“ als unbegründet ab, dass es die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabsetzte. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8        Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision geltend, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, um die Ehefrau des Revisionswerbers über ihre Rückkehrbefürchtungen zu befragen. Dies sei nämlich in ihrer Einvernahme durch das BFA, die auch nicht dem Parteiengehör unterzogen worden sei, unterblieben. Eine Übersiedlung in den Iran sei der „westlich orientierten“ Ehefrau und den Kindern des Revisionswerbers nicht zumutbar.

9        Damit wendet sich die Revision jedoch nur gegen die Eventualbegründung des BVwG, das „lediglich ergänzend“ auch eine Fortsetzung des Familienlebens im Iran für möglich und zumutbar erachtete, wobei es diese Annahme auf die dezidierte Aussage der Ehefrau des Revisionswerbers in der Vernehmung vor dem BFA am 13. Jänner 2021, die ausdrücklich angab, ihren Ehemann in den Iran begleiten zu wollen, stützte und dabei überdies von einem anpassungsfähigen Alter der Kinder und vom Bestehen eines familiären Netzwerks im Iran ausging. Primär vertrat das BVwG jedoch zusammengefasst die Auffassung, dass der Revisionswerber und seine Familienangehörigen für die Dauer des Einreiseverbotes eine Trennung im öffentlichen Interesse wegen der schwerwiegenden Straffälligkeit des Revisionswerbers im Bereich der „Suchtkriminalität“ hinzunehmen hätten.

10       Erweist sich diese primäre Begründung der angefochtenen Entscheidung als tragfähig, können Verfahrensmängel, die im Hinblick auf die Alternativbegründung geltend gemacht werden, der Revision von Vornherein nicht zum Erfolg verhelfen.

11       Dies ist hier der Fall. Das BVwG verwies nämlich zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Suchtgiftdelinquenz der vorliegenden Art generell ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstelle, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe (vgl. dazu etwa VwGH 19.5.2022, Ra 2019/21/0396, Rn. 21, mwN). Es hob außerdem fallbezogen zu Recht das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit einem Vergehen, auf die (trotz bisheriger Unbescholtenheit) mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren reagiert worden sei, die (teilweise besonders) langen Tatzeiträume und den Umstand hervor, dass nach der strafgerichtlichen Urteilsbegründung der (damals) an Suchtmittel gewöhnte Revisionswerber die Taten nicht vorwiegend zur Finanzierung des persönlichen Bedarfs begangen habe, sondern der Erlös zumindest im gleichen Ausmaß der Finanzierung des sonstigen Lebensunterhaltes gedient habe.

12       In diesem Zusammenhang führt die Revision zwar die (während der Haft erlangte) nunmehrige Drogenfreiheit des Revisionswerbers, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und darüber hinaus ins Treffen, dass der Revisionswerber, der wegen seiner Drogensucht schon vor der Inhaftierung nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern gelebt hatte, nach seiner Enthaftung wieder zusammen mit seiner Familie wohne. Dabei lässt die Revision jedoch außer Acht, dass das BVwG diese in der Beschwerde vorgebrachten Umstände ohnedies berücksichtigte. Es verwies in diesem Zusammenhang aber auch zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, wobei dies selbst für den Fall einer bereits erfolgreich absolvierten Therapie gilt (vgl. etwa VwGH 8.11.2022, Ra 2022/21/0105, Rn. 19, mwN). Der Annahme des BVwG, dass sich der Revisionswerber im Entscheidungszeitpunkt noch im elektronisch überwachten Hausarrest befunden habe und daher kein maßgebliches Wohlverhalten vorliege, hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.

13       In Anbetracht der vom BVwG wegen der Begehung insbesondere von Suchtgifteinfuhr und Suchtgifthandel in qualifizierter Form zutreffend als gravierend angesehenen Delinquenz des Revisionswerbers und der daraus ableitbaren besonderen Gefährdung öffentlicher Interessen durfte das BVwG - entgegen der Meinung in der Revision - aber nicht nur bei der Gefährdungsprognose sondern auch bei der Interessenabwägung von einem eindeutigen Fall ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen (vgl. dazu allgemein etwa VwGH 8.9.2022, Ra 2022/21/0051, Rn. 14, mwN). Den privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers und der gebotenen Berücksichtigung des Kindeswohls wurde nämlich vom BVwG ohnehin durch eine angemessene Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes Rechnung getragen.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210136.L00

Im RIS seit

30.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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