TE Vwgh Beschluss 2022/11/9 Ra 2022/04/0132

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Veröffentlicht am 09.11.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

UVPG 2000 §17
VwGG §30 Abs2
  1. VwGG § 30 heute
  2. VwGG § 30 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 30 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2013
  4. VwGG § 30 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 30 gültig von 01.08.2004 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  6. VwGG § 30 gültig von 05.01.1985 bis 31.07.2004

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/04/0133 B 09.11.2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge 1. des Kärntner Naturschutzbeirates, Geschäftsstelle Naturschutzbeirat/Umweltanwalt, in 9021 Klagenfurt am Wörthersee und 2. der Bürgerinitiative W, beide vertreten durch die Ulm Neger Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1, den gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. August 2022, Zl. W102 2245911-1/35E, betreffend Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Windpark B GmbH, vertreten durch die E+H Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Frauengasse 5), erhobenen Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgennicht stattgegeben.

Begründung

1        Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung (belangte Behörde) wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines näher umschriebenen Vorhabens (Windpark B) gemäß § 17 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen erteilt.

Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien (wie auch weitere Parteien) Beschwerde.

2        Mit Erkenntnis vom 31. August 2022 wurden die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien mit einigen Maßgaben abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

3        Gegen dieses Erkenntnis richten sich die zu den oz. Zahlen protokollierten Revisionen, die mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurden.

Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden, mit der Umsetzung des Vorhabens jedoch ein nicht wiedergutzumachender Nachteil für Naturhaushalt und Umwelt und somit ein unverhältnismäßiger Nachteil für die revisionswerbenden Parteien verbunden wäre. Das Interesse an der Artenvielfalt und am Erhalt eines ungestörten Naturhaushaltes überwiege das Interesse an der Energiegewinnung. Durch den Betrieb der Windkraftanlage könnten geschützte Vertreter näher aufgezählter Vogelarten beeinträchtigt und getötet werden. Des Weiteren komme es durch das Vorhaben zu einer massiven technischen Überformung des Landschaftscharakters und zu untragbaren Folgen für den Erholungswert der Landschaft. Die potentiell nachteiligen Auswirkungen der massiven Reduktion der Erholungswirkung auf den menschlichen Körper und die Gesundheit seien nicht erhoben worden; das Interesse an der öffentlichen Gesundheit werde durch die Realisierung des Vorhabens nachhaltig beeinträchtigt.

4        Die Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme, in der sie beantragt, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge zu geben. Die revisionswerbenden Parteien hätten nicht hinreichend konkret dargelegt, dass den von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen ein unverhältnismäßiger Nachteil drohe bzw. dass allfällige Auswirkungen nicht wieder beseitigt werden könnten. Die konkreten Folgen einer Projektumsetzung während des anhängigen Revisionsverfahrens seien ebenso wenig dargelegt worden wie eine unmögliche Rückgängigmachung bereits gesetzter Maßnahmen bzw. eine nicht gegebene Wiederherstellbarkeit eines gleichartigen Zustandes. Zudem sei bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag von den nicht als unschlüssig zu erkennenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtes auszugehen. Die Auswirkungen des Windparks sowohl auf die Avifauna als auch auf das Schutzgut Mensch seien auf fachlicher Ebene ausführlich geprüft worden. Schließlich sei das öffentliche Interesse an der Gewinnung erneuerbarer Energie und damit an der Realisierung des gegenständlichen Windparks in Anbetracht der aktuellen Energiekrise als zwingend anzusehen.

5        Die belangte Behörde erstattete ebenfalls eine Stellungnahme, in der sie beantragt, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge zu geben. Die belangte Behörde verweist auf das umfangreiche durchgeführte Ermittlungsverfahren, das ergeben habe, dass keine erheblichen, schädlichen oder belastenden Auswirkungen auf die in Rede stehenden Schutzgüter zu erwarten seien. Zudem sei im Fall der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Wiederherstellung des Ausgangszustandes geboten und unumkehrbare Schäden seien von den revisionswerbenden Parteien nicht konkretisiert worden. Darüber hinaus bestünde (aus näher dargelegten Gründen) ein zwingendes öffentliches Interesse, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünde.

6        Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

7        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter den „Annahmen des Verwaltungsgerichts“ sind die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. zu allem etwa VwGH 10.8.2018, Ra 2018/03/0066, Rn. 12, mwN).

8        Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, dass die revisionswerbende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. etwa VwGH 8.10.2019, Ro 2019/04/0021-0024, Rn. 12, mwN).

9        Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des anhängigen Revisionsverfahrens kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden. Im Fall des Obsiegens der revisionswerbenden Partei hat allein der Projektwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Vorhabens und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen (vgl. VwGH 22.10.2019, Ra 2019/06/0148-0150, Rn. 13, mwN).

10       Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung auf Grund von nicht von vornherein als unschlüssig anzusehenden Feststellungen keine Verletzung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände durch das gegenständliche Vorhaben zugrunde gelegt. Ausgehend davon haben die revisionswerbenden Parteien nicht konkret aufgezeigt, dass - bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung - den geschützten Gütern für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aus der Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses konkrete Nachteile in qualitativer wie quantitativer Hinsicht in einem solchen Ausmaß drohten, dass sie die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG überstiegen. Dass die seitens der revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführten Annahmen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes von vornherein als zutreffend anzusehen wären, wird in den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht aufgezeigt.

11       Mit der pauschalen Behauptung, durch die Umsetzung des gegenständlichen Vorhabens würde ein nicht wiedergutzumachender Nachteil bzw. ein unwiederbringlicher Schaden für Naturhaushalt und Umwelt entstehen, wurde nicht konkretisiert, dass und gegebenenfalls welche unverhältnismäßigen Nachteile das geplante Vorhaben mit sich bringen würde. Insbesondere hinsichtlich der ins Treffen geführten Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, der behaupteten Reduktion des Erholungswertes und damit einhergehender Gesundheitsgefährdungen haben die revisionswerbenden Parteien nicht näher ausgeführt, inwiefern eine wesentliche Beeinträchtigung der von ihnen wahrzunehmenden Interessen infolge Realisierung des bewilligten Projektes - bereits während der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof - konkret zu befürchten wäre und die Folgen eines solchen Eingriffes im Fall der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nicht wieder beseitigt werden könnten.

12       Die revisionswerbenden Parteien haben mit ihrem Vorbringen daher nicht konkret aufgezeigt, dass ihren Interessen bei (sofortiger) Ausübung der mit dem angefochtenen Erkenntnis eingeräumten Berechtigung durch die Projektwerber Nachteile in einem die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG übersteigenden Ausmaß drohten.

13       Den Anträgen war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 9. November 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040132.L00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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