TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 94/20/0850

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1994, Zl. 4.337.838/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Iraks, der am 11. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. Mai 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Juli 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte bei seiner niederschriftlichen Befragung vom 10. Juli 1992 unter anderem angegeben, daß er nach einem Aufenthalt in Jugoslawien von 1982 bis 1992, währenddessen er am 1. Februar 1992 auch geheiratet habe, am 28. März 1992 in den Irak zurückgekehrt sei. Er sei am 7. April 1992 in Kirkuk aufgrund einer Nachfrage nach den Eigentumsverhältnissen des enteigneten ehemals im Eigentum seines Vaters gestandenen Hauses festgenommen worden. Während dreitägiger Haft sei er geschlagen, mißhandelt und eingeschüchtert worden. Durch Hilfe eines Bekannten habe er flüchten können und sei aus Kirkuk über Sulaimania in den Nordirak (Zacho) und von dort weiter in die Türkei geflohen. In der Folge sei er nach Jugoslawien gefahren, habe dort wieder in der Heimatstadt seiner Ehegattin in Leskovac und auch in der Stadt Nis gelebt, letztendlich sei er am 11. Mai 1992 Richtung Österreich geflohen.

Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung unter anderem auch damit, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Nordirak aufgehalten habe. Dort sei von den Alliierten des Golfkrieges im März 1991 nördlich des 36. Breitengrades eine Sicherheitszone eingerichtet worden. Das dortige Kurdengebiet (der Beschwerdeführer ist Kurde) sei autonom und die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen. Es sei bis dato lediglich zu einigen wenigen Verletzungen der Sicherheitszone im Grenzbereich des 36. Breitengrades gekommen. Der Beschwerdeführer hätte daher während seines Aufenthaltes im Nordirak keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten gehabt. Die Verfolgung (bzw. Furcht davor) müsse jedoch im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen ist. Die Unrichtigkeit dieser Ansicht ergibt sich aus dem Umstand, daß das Verfahren infolge der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 10. September 1992 (Zustelldatum laut dem im Akt erliegenden Rückschein) am 1. Juni 1992 noch nicht bei der belangten Behörde anhängig war. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, das Asylgesetz (1968) anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Dies bedeutet aber nicht in jedem Falle die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen der Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers, sondern nur in dem Fall, in welchem sich aus der Anwendung des Asylgesetzes 1991 für den Beschwerdeführer ein Nachteil ergeben hätte. Die belangte Behörde ist zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint hat. Diese Bestimmung hat keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 Asylgesetz (1968) iVm. Art. I Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff gebracht. Der vorliegende Fall ist aber auch kein Anwendungsfall der durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94-10, verfügten Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, denn der angefochtene Bescheid vom 28. August 1994 (erlassen durch Zustellung am 12. September 1994) wurde von der belangten Behörde zu einem Zeitpunkt (sowohl ausgefertigt als auch) erlassen, als sie - auch in unrichtiger Anwendung des Asylgesetzes 1991 - bereits die bereinigte Fassung anzuwenden gehabt hätte, somit auf jeden (nicht nur offenkundigen) Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens einzugehen gehabt hätte. Auch dem Beschwerdeführer stand die Möglichkeit einer Berufungsergänzung (nach dem richtigerweise anzuwendenden Asylgesetz (1968) jederzeit, nach dem unrichtig angewendeten Asylgesetz 1991 nach Kundmachung des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) offen, auf welche die belangte Behörde einzugehen gehabt hätte. Der Beschwerdeführer wurde somit durch die Anwendung des unrichtigen Gesetzes nicht in seinen Rechten verkürzt.

Die belangte Behörde ist erstmals im angefochtenen Bescheid vom Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative in der Sicherheitszone nördlich des 36. Breitengrades ausgegangen, wobei sie sich im wesentlichen auf die vom Beschwerdeführer angegebene Reiseroute stützte und auf die Tatsache, daß der Beschwerdeführer im Nordirak keine Verfolgung behauptet hat. In rechtlicher Sicht ging die belangte Behörde richtigerweise davon aus, daß eine asylrelevante Verfolgung (bzw. die Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates bestanden haben muß.

Der Beschwerdeführer bringt hiegegen lediglich vor:

"Auch die Ausführungen der belangten Behörde über eine Sicherheitszone der Alliierten des Golfkrieges nördlich des 36. Breitengrades geht ins Leere, da es sich dabei lediglich um eine Darlegung der angeblich allgemeinen Verhältnisse in meinem Heimatland handelt. Die Frage der Glaubwürdigkeit meiner Angaben ist jedoch, jeweils auf den Einzelfall bezogen, zu prüfen und schlüssig zu begründen. Eine Generalisierung der Beweiswürdigung durch den Verweis auf allgemeine Verhältnisse in meinem Heimatland geht am konkreten Fall vorbei, sodaß ersichtlich wird, daß sich die belangte Behörde mit meinem für die Begründung der Flüchtlingseigenschaft geeigneten Vorbringen keineswegs ausreichend auseinandergesetzt hat."

Damit läßt der Beschwerdeführer aber die Annahme der belangten Behörde, für den Beschwerdeführer habe im Nordirak nördlich des 36. Breitengrades eine inländische Fluchtalternative bestanden, unbekämpft, weshalb er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in diesem Zusammenhang nicht dartun kann. Eine solche läge allenfalls dann vor, wenn der belangten Behörde diesbezüglich relevante Verfahrensmängel unterlaufen wären, weshalb in der Beschwerde Angaben darüber erforderlich gewesen wären, inwiefern der belangten Behörde bei ihren Feststellungen hinsichtlich der inländischen Fluchtalternative Verfahrensmängel unterlaufen seien. Da derartige Angaben in der Beschwerde fehlen, ist nicht ersichtlich, welche Ermittlungen die belangte Behörde durchzuführen gehabt hätte bzw. zu welchem anderen Ergebnis sie bei allfälligen weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Frage des Vorliegens der inländischen Fluchtalternative hätte kommen können.

Auch der Verwaltungsgerichtshof kann aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren in der Annahme, daß dem Beschwerdeführer im Nordirak aus objektiver Sicht keine asylrelevante Verfolgung drohte, somit die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung auf dieses Gebiet bezogen nicht wohlbegründet ist, nicht als rechtswidrig erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200850.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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