TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 95/20/0154

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.1995
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 1994, Zl. 4.333599/8-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, ist am 18. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Asylantrag gestellt.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1993 war dieser Antrag abgewiesen worden, weil dem Beschwerdeführer nicht die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid (unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435: Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92/93/94) aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom 19. Dezember 1994 wurde neuerlich die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. Mai 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und damit die Gewährung von Asyl versagt.

In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde auf die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vom 24. Jänner 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, wonach der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Kashmiri angehöre und im Grenzgebiet zu Indien gelebt habe. Aufgrund der zwischen Indien und Pakistan ständig stattgefundenen Kampfhandlungen, wodurch auch seine Familie ständig in Mitleidenschaft gezogen worden sei, habe er sein Heimatland verlassen. Er sei in Pakistan nie Verfolgungen ausgesetzt und auch nie in Haft gewesen. Er habe sich politisch nie betätigt. Er habe auch legal ausreisen können.

In der am 2. Juni 1992 erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß er Mitglied "einer Oppositionspartei" gewesen sei. Er sei vor seiner Flucht von der Polizei gesucht worden und hätte im Falle seiner Festnahme eine 20-jährige Haftstrafe zu gewärtigen gehabt. Im Falle seiner Rückkehr müßte er mit seiner Inhaftierung rechnen.

Im Nachhang zu seiner Berufung legte der Beschwerdeführer Ablichtungen von Zeitungsberichten über die angespannte politische Lage zwischen Indien und Pakistan wegen der jeweiligen Besitzansprüche dieser Staaten auf Kashmir sowie Bestätigungen der "Jammu Kashmir Liberation Front", unterzeichnet von einem Präsidenten namens Pervez Raja, über die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei dieser Organisation und eines in Kashmir ansässigen Rechtsanwaltes vor, wonach der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit der Verhaftung zu rechnen habe.

Nähere Ausführungen zu diesen Urkunden mit Ausstellungsdatum 24. bzw. 27. Juni 1992 erfolgten selbst auf die ausdrückliche schriftliche Aufforderung der belangten Behörde vom 2. Dezember 1994 (nach Aufhebung des Bescheides vom 29. September 1993 mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994), sich zu den Ergebnissen des Asylverfahrens zu äußern und allfällige Berufungsergänzungen einzubringen, nicht.

Die belangte Behörde führte aus, daß sich bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführer in erster Instanz - diese seien gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 maßgeblich - keine Anhaltspunkte dafür ergäben, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Aber selbst wenn man davon ausginge, § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 käme aufgrund der vorgelegten Urkunden nicht zur Anwendung, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Berufungsausführungen, wonach der Beschwerdeführer Mitglied einer Oppositionspartei in Pakistan sei, stünden in krassem Widerspruch zu seinen Angaben anläßlich der Niederschrift vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark. Auch die vorgelegten Urkunden stünden in keinem inhaltlichen Zusammenhang zum Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz, wo er ausgesagt habe, sich nie politisch betätigt zu haben. Es bestehe der Verdacht, daß es sich bei den vorgelegten Urkunden, die lediglich von Privatpersonen ausgestellt worden seien, um Gefälligkeitsdokumente handle, die aufgrund von Botschaftsberichten ebenso leicht zu erlangen seien wie verfälschte Originaldokumente. Die mangelnde Beweiskraft der vorgelegten Urkunden ergebe sich allerdings aus den schon angeführten inhaltlichen Widersprüchen mit den Aussagen des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung. Den ursprünglich gemachten Angaben des Beschwerdeführers sei höhere Glaubwürdigkeit zuzumessen. Das spätere Vorbringen diene nur mehr der Erlangung der gewünschten Rechtsposition.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens erwogen:

Die Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführer habe bereits "von Anfang an klargestellt, daß ich in meinem Heimatland Mitglied einer Oppositionspartei, und zwar der Jammu Kashmir Liberation Front gewesen bin und daß ich aufgrund dieses Engagements beständig von den Regierungsbehörden verfolgt wurde", ist aktenwidrig. Der Beschwerdeführer hat vielmehr bei seiner Einvernahme durch die Behörde erster Instanz ausdrücklich angegeben, er sei in Pakistan nie politisch tätig, verfolgt oder gar in Haft gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die belangte Behörde auf die Anwendung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hätte beschränken dürfen, nach welcher Bestimmung der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen habe, oder ob angesichts der im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden - wie in der Beschwerde behauptet - § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zum Tragen kommt, nach dessen bereinigter Fassung die belangte Behörde u.a. eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen hat, wenn es mangelhaft war oder der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nicht zugänglich waren. Die belangte Behörde begnügte sich nämlich ohnehin nicht damit, das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers als unzulässige Neuerung abzutun, sondern führte unter Bezugnahme auf die vorgelegten Urkunden aus, daß es sich hiebei lediglich um ein sich steigerndes Vorbringen des Beschwerdeführers handle, dem keine Glaubwürdigkeit zuzumessen sei. Es seien vielmehr die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner erstmaligen niederschriftlichen Vernehmung als der Wirklichkeit entsprechend anzusehen, weshalb auch den nachträglich vorgelegten Urkunden keine überzeugende Beweiskraft zukomme. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht näher bewiesene Informationen der österreichischen Botschaft verwertet, wonach derartige Urkunden als Gefälligkeitsbestätigungen bzw. in Form von verfälschten Originalurkunden problemlos erhältlich wären, geht am Bescheidinhalt vorbei, weil darin ausdrücklich festgehalten wurde, daß sich die belangte Behörde nicht auf diese ihr zugekommenen Informationen stützen wolle.

Von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden allgemeinen Schlüssigkeitsprüfung aus kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die die Unvereinbarkeit des Berufungsvorbringens mit den Aussagen in erster Instanz hervorgehoben hat, nicht beanstandet werden, zumal weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde selbst die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit (der Übersetzung) dieser niederschriftlichen Angaben behauptet worden ist. Anzumerken ist weiters, daß auch den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen ist, welche politischen Ziele die Oppositionspartei, deren Mitglied er zu sein behauptete, verfolgt hat, sowie ob und aufgrund welcher Umstände er den pakistanischen Behörden wegen politischer Aktivitäten auffällig geworden sein soll. Es fehlt auch eine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb er mit einer 20-jährigen Haftstrafe zu rechnen gehabt habe. Aus der vorgelegten Bestätigung des Präsidenten der "Jammu Kashmir Liberation Front" vom 24. Juni 1992 ergibt sich diesbezüglich nur, daß der Beschwerdeführer Mitglied dieser nach Zielsetzung und Organisationsstruktur nicht näher beschriebenen Bewegung sei. Der Bestätigung des Rechtsanwaltes S vom 27. Juni 1992 läßt sich wiederum nur entnehmen, daß der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit einer Verhaftung zu rechnen hätte, nicht jedoch, daß der Beschwerdeführer wegen seiner POLITISCHEN GESINNUNG der Gefahr der Inhaftierung ausgesetzt wäre. Von der ihm nach Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. September 1993 eingeräumten Gelegenheit, zu den Ergebnissen des Asylverfahrens Stellung nehmen zu können sowie eine auf die vorgelegten Urkunden Bezug nehmende Berufungsergänzung einzubringen, hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Damit kann aber eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht erblickt werden, wenn die belangte Behörde aufgrund der von ihr angestellten, nicht als unschlüssig zu erkennenden Erwägungen zum Ergebnis gelangte, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200154.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten