TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/16 VGW-141/002/12056/2022

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Veröffentlicht am 16.11.2022
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Entscheidungsdatum

16.11.2022

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §21 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Fegerl über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 05.09.2022, Zl. MA 40 - …, betreffend Rückforderung gemäß § 21 WMG, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.09.2022 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: BF) gemäß § 21 WMG verpflichtet, die für den Zeitraum von 01.09.2022 bis 30.09.2022 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 106,84 in Teilbeträgen zurückzuzahlen. Die Ratenzahlung habe ab Oktober 2022 in einer Rate in der Höhe von EUR 106,84 monatlich zu erfolgen. Begründend wurde ausgeführt, der BF habe im September 2022 den Teuerungsausgleich von EUR 300 als Bezieher der Mindestsicherung von der MA 40 erhalten. Zusätzlich sei der Teuerungsausgleich in dieser Höhe vom AMS an ihn ausbezahlt worden. Diese zusätzliche Einmalzahlung, die ebenso im Rahmen des Teuerungs-Entlastungspakets ausbezahlt wurde, sei im September 2022 als Einkommen auf den Mindestsicherungsanspruch anzurechnen, um sicherzustellen, dass der Teuerungsausgleich nur einmalig an alle anspruchsberechtigten Personen zu Auszahlung gelange. Es ergebe sich daher für September 2022 eine Rückforderung von EUR 106,84 (das ist der Betrag der für September 2022 zuerkannten und ausbezahlten Mindestsicherungsleistung).

Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher der BF die Aufhebung der Rückforderung beantragt. Der Beschwerde beigelegt sind das Verständigungsschreiben des AMS vom 02.09.2022 zur Einmalzahlung (als Teuerungsausgleich) in Höhe von € 300,00, die Auszahlungsbestätigung des AMS vom 02.09.2022 (welche auch die Einmalzahlung beinhaltet) sowie die Gutschrift der Mindestsicherungsleistung für September 2022 in Höhe von € 106,83 vom 30.08.2022 (Buchungs- und Valutadatum).

Über Nachfrage des Verwaltungsgerichts wurde seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 20.10.2022 bescheinigt, dass die Auszahlung des Teuerungsausgleichs von € 300,00 durch die MA 40 mit Anweisungsdatum 15.09.2022 erfolgt ist.

2.0. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. § 1 Abs. 1 sowie die §§ 3 und 4 Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs- Gesetz – LWA-G, BGBl. I Nr. 93/2022, lauten wie folgt:

„Zweck

§ 1. (1) Mit diesem Bundesgesetz soll ein finanzieller Beitrag des Bundes zur leichteren Bewältigung von teuerungsbedingten Mehraufwendungen des täglichen Lebens von akut unterstützungsbedürftigen Personen und Haushalten geleistet werden. Zu den Maßnahmen des Bundes zählen:

              1.            Unterstützungsleistungen im Bereich Wohnen (§ 2)

              2.            Einmalzahlungen an Haushalte mit Bezug einer Sozialhilfe oder einer Mindestsicherung (§ 3).

Einmalzahlung an Sozialhilfe- und Mindestsicherungshaushalte

§ 3. Der Bund leistet für jede volljährige Person, die im Monat Juni 2022 im Bezug einer Sozialhilfe oder Mindestsicherung steht, eine Zuwendung in Höhe von 300 Euro. Mündige Minderjährige, die in einem eigenen Haushalt leben, sind erwachsenen Personen gleichzustellen. Die Unterstützung wird einmalig ausbezahlt und ist nicht rückzahlbar.

Berücksichtigung als Einkommen und Pfändungsverbot

§ 4. (1) Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz gelten als Leistung im Sinne des § 7 Abs. 5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, BGBl. I Nr. 41/2019, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 78/2022, und sind bei der Prüfung von Ansprüchen und sonstigen Befreiungen aufgrund anderer Regelungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(2) Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz dürfen weder gepfändet noch verpfändet werden.“

Das zitierte LWA-G regelt also die Zahlung des Teuerungsausgleichs des Bundes (von 300 Euro) für Mindestsicherungsbezieher, wobei mit der Auszahlung der Zuwendung die Länder betraut wurden. Diese (hier von der belangten Behörde ausbezahlte) Zuwendung des Bundes an Mindestsicherungsbezieher ist gemäß § 4 Abs. 1 LWA-G (iVm § 7 Abs. 5a Sozialhilfe-Grundsatzgesetz idF BFBl I Nr. 78/2022) kein anrechenbares Einkommen.

Die Bestimmungen des § 66 Abs. 1 und 5 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 idF BGBl. I Nr. 93/2022 lauten wie folgt:

„Einmalzahlung

§ 66. (1) Personen, die in den Monaten Mai bis August 2020 mindestens 60 Tage Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben, erhalten zur Abdeckung des Sonderbedarfs aufgrund der COVID-19- Krise eine Einmalzahlung in Höhe von 450 Euro. Die Einmalzahlung führt nicht zu einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 lit. b ASVG. Ebenso gilt die Einmalzahlung nicht als steuerbares Einkommen und ist bei der Prüfung von Ansprüchen, Beiträgen oder Befreiungen auf Grund anderer Regelungen nicht zu berücksichtigen. Sie gilt als nicht anrechenbare Leistung gemäß § 7 Abs. 5 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes.

(5) Personen, die in den Monaten Mai und Juni 2022 mindestens 31 Tage eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 6 Abs. 1 Z 1 bis 3 oder Z 9 bezogen haben, erhalten zur Abdeckung des Sonderbedarfs aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten eine Einmalzahlung (Teuerungsausgleich) in Höhe von 300 Euro. Abs. 1 zweiter und dritter Satz gelten auch für diese Einmalzahlung. § 67 ist auf diese Einmalzahlung nicht anzuwenden. Diese Einmalzahlung ist unpfändbar.“

§ 66 Abs. 5 regelt die Einmalzahlung (Teuerungsausgleich) von 300 Euro für die Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandhilfe. Durch den Verweis auf Abs. 1 zweiter und dritter Satz wird zwar klargestellt, dass diese Einmalzahlung nicht bei der Pensionsversicherung, nicht als steuerbares Einkoommen und nicht bei der Prüfung von Ansprüchen, Beiträgen oder Befreiungen zu berücksichtigen ist. Allerdings wurde der letzte (vierte) Satz des Abs. 1 (dass die Einmalzahlung als nicht anrechenbare Leistung gem. § 7 Abs. 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gelte) nicht für die Einmalzahlung nach Abs. 5 übernommen und auch nicht (wie in § 4 Abs. 1 LWA-G) festgelegt, dass sie als nicht anrechenbare Leistung iSd § 7 Abs. 5a Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gelte.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Einmalzahlung (Teuerungsausgleich) aufgrund des § 66 Abs. 5 AlVG auf die Mindestsicherung anzurechnen ist, zumal Leistungen aufgrund des AlVG gemäß § 7 Abs. 3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen sind und § 66 Abs. 5 AlVG keinen Verweis auf § 7 Abs. 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (Unterbleiben der Anrechnung von bestimmten öffentlichen Mitteln bzw. Leistungen, die die Landesgesetzgebung im Einzelnen zu bezeichnen hat) sowie vor allem keinen Verweis auf § 7 Abs. 5a leg.cit. (nicht anzurechnende Leistungen des Bundes zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe, wenn diese bundesgesetzlich ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnet werden) enthält.

Dem Gesetzgeber des Teuerungs-Entlastungspakets, BGBl. I Nr. 93/2022, mit dem u.a. die zitierte Bestimmung des § 66 Abs. 5 AlVG eingefügt und das LWA-G erlassen wurde, kann jedenfalls im Hinblick auf die Doppelauszahlung des Teuerungsausgleiches – einerseits nach § 66 Abs. 5 AlVG durch das AMS und andererseits nach §§ 3 f. LWA-G durch die Sozialhilfebehörde – nicht unterstellt werden, dass er eine derartige Mehrfachförderung gewollt oder in Kauf genommen hätte. Es ist vielmehr erkennbar, dass der Teuerungsausgleich nur einmal gebühren soll (vgl. etwa § 771 Abs. 7 ASVG idF BGBl. I Nr. 93/2022).

Ob die in Rede stehende Einmalzahlung (Teuerungsausgleich), die nach § 66 Abs. 5 AlVG idF BGBl. I Nr. 93/2022 an Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe (oder auch im Rahmen des § 771 ASVG idF BGBl. I Nr. 93/2022 etwa an Pensionsbezieher mit Ausgleichszulagenanspruch) in jeder Konstellation als Einkommen auf die Mindestsicherung anzurechnen ist, kann im konkreten Zusammenhang des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben, weil die Rückforderung – wegen der vom AMS an den BF geleisteten Einmalzahlung, auch wenn man von deren Anrechenbarkeit ausgeht – hier schon aus näher darzustellenden Gründen des § 21 WMG ausscheidet.

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 21 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) lauten wie folgt:

Anzeigepflicht und Rückforderungsanspruch

§ 21. (1) Hilfe empfangende Personen haben jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen. Anzuzeigen sind insbesondere folgende Ereignisse oder Änderungen:

      1. Familienverhältnisse;

      2. Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Lohn- und Einkommensteuerrückzahlungen;

      3. Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltstitel, unionsrechtliches Aufenthaltsrecht), Asylstatus, subsidiärer Schutz;

      4. Schul- und Erwerbsausbildung, Beschäftigungsverhältnis, Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS, Integrationsmaßnahmen im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds;

      5. Wohnverhältnisse;

      6. Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten, länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohn- oder Aufenthaltsort sowie die Aufgabe des Wohnortes in Wien oder die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts in Wien.

(2) Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, sind mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu verfügen.

(3) Die Rückforderung kann in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.

Voraussetzung für die Rückforderung von Leistungen gemäß § 21 Abs. 2 WMG ist erstens, dass eine Verletzung der Anzeigepflicht vorliegt, weil eine Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände gemäß § 21 Abs. 1 WMG nicht gemeldet wurde, und zweitens, dass dadurch Leistungen zu Unrecht empfangen wurden. Die Anzeigepflichtverletzung muss also für den Überbezug ursächlich gewesen sein.

Im vorliegenden Fall hat der BF durch das Verständigungsschreiben des AMS vom 02.09.2022 von seinem Anspruch auf die Einmalzahlung (als Teuerungsausgleich) in Höhe von € 300,00 erfahren, die vom AMS am selben Tag (mit der Auszahlung vom 02.09.2022) dem BF angewiesen wurde. Die zuerkannte Mindestsicherungsleistung für September 2022 (in Höhe von € 106,83) war dem Konto des BF bereits am 30.08.2022 (Buchungs- und Valutadatum) gutgeschrieben worden.

Die belangte Behörde war durch eine Abfrage der AMS-Daten des BF vom 05.09.2022 (Montag) von der Auszahlung durch das AMS in Kenntnis und erließ sofort den gegenständlich angefochtenen Rückforderungsbescheid.

Jedoch hätte auch die frühestmögliche Anzeige des Anspruchs bzw. Erhalts der Einmalzahlung des AMS seitens des BF nach dem 02.09.2022 (Freitag) an der noch im August 2022 erfolgten Auszahlung der Mindestsicherung für September 2022 nichts mehr geändert bzw. diese nicht mehr verhindern können. Da somit keine für den Empfang des Überbezuges für September 2022 kausale Anzeigepflichtverletzung vorliegt, war der angefochtene Rückforderungsbescheid spruchgemäß aufzuheben.

3. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal lediglich einzelfallbezogene Fragen der Anzeigepflicht und Rückforderung zu beurteilen waren, die aus dem Gesetz klar lösbar sind und denen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Frage der Anrechenbarkeit der Einmalzahlung bzw. des Teuerungsausgleichs war im konkreten Fall nicht entscheidungswesentlich.

Schlagworte

Mindestsicherung; Rückforderung; Verletzung der Anzeigepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.141.002.12056.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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