TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 95/04/0199

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §38;
GewO 1994 §13 Abs3;
GewO 1994 §26 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid

des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Juli 1995, Zl. MA 63 - D 310/93, betreffend Entziehung einer Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthauses mit den Berechtigungen nach § 189 Abs. 1 GewO 1973 für die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen, den Ausschank von alkoholischen Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen sowie den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen an einem näher bezeichneten Standort in Wien entzogen. Nach der Begründung dieses Bescheides wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 3. Dezember 1993 der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage führte der Landeshauptmann hiezu aus, es sei offenkundig, daß damit ein Entziehungsgrund gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 vorliege. Welche Gründe zur Verschlechterung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin führten, sei von der Behörde nicht zu prüfen. Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Fortsetzung der Gewerbeausübung durch die Beschwerdeführerin im Interesse der Gläubiger gelegen sei, seien von den aktenkundigen Gläubigern der Beschwerdeführerin Informationen eingeholt worden, wonach die X-Bank gegen die Beschwerdeführerin eine Forderung in der Höhe von S 530.728,68 habe. Auch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und die Wiener Gebieteskrankenkasse hätten mitgeteilt, daß keinerlei Zahlungen geleistet bzw. Zahlungsvereinbarungen getroffen worden seien, weshalb kein Interesse an einer weiteren Ausübung der Gewerbeberechtigung bestehe. Der Schuldenstand der Beschwerdeführerin gegenüber der H-GmbH habe am 15. Mai 1995 S 678.018,15 betragen. Es gebe keinerlei Ratenvereinbarungen und es würden keine Zahlungen geleistet. Die Fortführung des Gewerbebetriebes durch die Beschwerdeführerin liege daher nicht im Interesse der Gläubiger.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Rechtsanspruch verletzt, daß ihr nicht rechtswidrig und ohne die gesetzlichen Voraussetzungen ihre Gastgewerbeberechtigung entzogen werde, insbesondere nicht ohne gänzliche Erledigung ihrer in erster und zweiter Instanz erstatteten Beweisanträge. Sie erachtet sich weiters in ihrem Rechtsanspruch verletzt, daß über ihr Ansuchen auf Erteilung der Nachsicht nicht entschieden worden sei und daß ein Konzessionsentzug dann ausgeschlossen sei, wenn Nachsichtsgründe vorlägen. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe lediglich vier Geschäftspartner befragt, um darüber absprechen zu können, ob die Beibehaltung des Gewerbes im Interesse der Gläubigerschaft gelegen sei. Im Rahmen eines Gastgewerbes bestünde aber eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen und somit eine Vielzahl von möglichen Gläubigern. Die belangte Behörde hätte sich jedenfalls durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und der von ihr angebotenen Zeugen einen entsprechenden Überblick verschaffen müssen. Der belangte Behörde sei auch nicht darin beizupflichten, daß die Gründe, die zur Verschlechterung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin geführt hätten, sowie ihr sonstiges Vorbringen über konjunkturelle Einbrüche und die Belebung der wirtschaftlichen Situation nicht zu prüfen gewesen seien. Denn für die Beurteilung des Tatbestandes, was vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei, sei entscheidend, ob die Insolvenz bösgläubig herbeigeführt worden sei oder ob es sich um unverschuldetes Schlittern in finanzielle Engpässe gehandelt habe. Aus diesen Umständen könne auf die Möglichkeit der Schadensgutmachtung geschlossen werden. Auch aus diesem Grund habe die belangte Behörde zu Unrecht die Einvernahme der von der Beschwerdeführerin angebotenen Zeugen unterlassen. Die Äußerung der Wiener Gebietskrankenkasse, es bestehe kein Interesse an der Fortführung des Gewerbes, sei im gegebenen Zusammenhang nicht tauglich, weil sie ohne Begründung erfolgt sei. Schließlich habe die belangte Behörde über das gleichzeitig von der Beschwerdeführerin gestellte Nachsichtsansuchen nicht entschieden und darüber begründungslos ein Verfahren nicht durchgeführt. Wenn aber Nachsichtsgründe vorlägen, so seien diese bereits im Entzugsverfahren zu berücksichtigen, weil es unökonomisch wäre, zunächst zu entziehen und in einem etwaigen nachfolgenden Nachsichtsverfahren Nachsicht zu erteilen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehe, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

Gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) Rechtsträger ausgeschlossen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

Zufolge § 87 Abs. 2 GewO 1994 kann die Behörde von der in Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu der inhaltlich gleichgebliebenen Bestimmung des § 87 Abs. 2 GewO 1973 ausgeführt hat, ist die Gewerbeausübung einer natürlichen Person jedenfalls nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger" gelegen und daher gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. von der nunmehr in § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird, wie dies im übrigen in den Nachsichtsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 leg. cit. zum Ausdruck kommt. Insoweit es darauf ankommt, ob zu erwarten ist, daß die natürliche Person den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen können wird, setzt dies jedenfalls die Verfügung über die erforderlichen liquiden Mittel voraus, um die diesbezüglichen Verbindlichkeiten abzudecken. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden können. Es ist auch zu berücksichtigen, daß im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartende Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 94/04/0029, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, weshalb auch allfällige Erklärungen von Gläubigern, wegen ihrer offenen Forderungen ein Interesse an der Weiterführung des betroffenen Gewerbes zu haben, allein für eine derartige Annahme noch nicht als ausreichend anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/04/0172).

Es bildet daher auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die belangte Behörde nicht mit allen Gläubigern der Beschwerdeführerin zwecks Ermittlung ihrer Einstellung zu einer allfälligen Fortsetzung der Gewerbeausübung durch die Beschwerdeführerin Kontakt aufgenommen hat.

Mit Rücksicht auf die dargestellte Rechtslage ist es auch - wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat - bedeutungslos, welche Umstände zur derzeitigen schlechten Vermögenssituation der Beschwerdeführerin geführt haben. Auch die Unterlassung der Ermittlung dieser Umstände ist der belangten Behörde daher nicht als Verfahrensverstoß anzulasten.

Schließlich bildet es auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung nicht bis zum Abschluß des Verfahrens über das von der Beschwerdeführerin gestellte Nachsichtsansuchen zugewartet hat. § 87 Abs. 2 GewO 1994 enthält nämlich hinsichtlich des Absehens von der Entziehung der Gewerbeberechtigung eine abschließende Regelung. Selbst eine allenfalls von der Nachsichtsbehörde im Zuge der Anhängigkeit des Entziehungsverfahrens gemäß § 26 leg. cit. erteilte Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung stellt keine bindende Entscheidung für die Entziehungsbehörde bei der Beurteilung der Frage dar, ob die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 gegeben sind. Die Entscheidung über das Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführerin ist daher für das Gewerbeentziehungsverfahren keine relevante Vorfrage im Sinne des § 38 AVG, weshalb auch eine Aussetzung dieses Verfahrens nicht in Betracht kommt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 94/04/0029).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040199.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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