TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/12 VGW-101/007/12389/2022

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Veröffentlicht am 12.12.2022
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Entscheidungsdatum

12.12.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §45 Abs2
StVO 1960 §94d Z6
  1. StVO 1960 § 45 heute
  2. StVO 1960 § 45 gültig ab 01.10.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2022
  3. StVO 1960 § 45 gültig von 14.01.2017 bis 30.09.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 6/2017
  4. StVO 1960 § 45 gültig von 06.10.2015 bis 13.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2015
  5. StVO 1960 § 45 gültig von 01.01.2015 bis 05.10.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/2014
  6. StVO 1960 § 45 gültig von 31.05.2011 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  7. StVO 1960 § 45 gültig von 31.12.2010 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 116/2010
  8. StVO 1960 § 45 gültig von 01.10.1994 bis 30.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  9. StVO 1960 § 45 gültig von 01.12.1989 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 562/1989
  10. StVO 1960 § 45 gültig von 01.05.1986 bis 30.11.1989 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986
  1. StVO 1960 § 94d heute
  2. StVO 1960 § 94d gültig ab 01.06.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2019
  3. StVO 1960 § 94d gültig von 31.03.2013 bis 31.05.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  4. StVO 1960 § 94d gültig von 01.09.2012 bis 30.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  5. StVO 1960 § 94d gültig von 22.07.1998 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  6. StVO 1960 § 94d gültig von 01.10.1994 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  7. StVO 1960 § 94d gültig von 29.11.1991 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 615/1991
  8. StVO 1960 § 94d gültig von 01.05.1986 bis 28.11.1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde des A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 65) vom 25.04.2022, Zl. ..., betreffend eine Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 23.11.2022 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Beschwerdegegenstand

Mit Schreiben vom 22.02.2022 (Onlineformular) beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-... eine Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO für zwei Jahre von der im 1. bis 23. Wiener Gemeindebezirk geltenden, d.h. flächendeckenden Kurzparkzone. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.04.2022 wurde der Antrag abgewiesen.

Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist selbständiger Unternehmer in X. Wien, C.-weg (Standort der Gewerbeberechtigung); der Hauptwohnsitz ist in Y. Wien. Zur Zahl ... ist im GISA eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation“ eingetragen. Als Unternehmensberater hat der Beschwerdeführer Termine (insbesondere Mandanten- und Behördentermine) außerhalb seiner Büroräumlichkeiten in X. Wien.

Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Behördenakt sowie mittels Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig, es stellten sich überwiegend Rechtsfragen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zuständigkeit ist – aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung – zunächst Folgendes festzuhalten:

Der verfahrenseinleitende Antrag bezieht sich auf den „1.-23. Wiener Gemeindebezirk“. Nach der Verordnung des Gemeinderates betreffend Feststellung der Hauptstraßen und Nebenstraßen (V001/115/2021) gibt es (u.a.) Hauptstraßen B, das sind Straßen übergeordneter Bedeutung, die iSd § 94d Z 6 StVO Landesstraßen „gleichzuhalten sind“. Nachdem sich die gegenständliche Beschwerdesache auf das gesamte Wiener Gemeindegebiet bezieht und dort etwa die B 224 (Schönbrunner Brücke und Grünbergstraße) sowie die B 1 (Nikolaibrücke, Hadikgasse, Schönbrunner, Schloßstraße in Verlängerung der Unterführung Kennedybrücke, Unterführung Kennedybrücke, Hietzinger Kai, Wientalstraße) sowie diverse andere Hauptstraßen B verlaufen, ist insgesamt eine Sache, die sich nicht „nur“ (vgl. den Einleitungssatz in § 94d StVO; gegenständlich bezogen auf § 94d Z 6 StVO) auf den eigenen Wirkungsbereich beziehen würde, gegeben. Der „Akt der Vollziehung“ müsste sich aus Sicht des § 94d (hier Z 6) StVO insgesamt „nur“ auf den eigenen Wirkungsbereich beziehen; der gegenständliche Spruch ist allerdings untrennbar und bezieht sich auch auf Straßen, die Landesstraßen gleichzuhalten sind. Das Verwaltungsgericht ist somit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren und zur Überprüfung des angefochtenen Bescheides insgesamt zuständig. Eine Trennung des Verfahrens bezogen auf bestimmte Straßen kommt nicht in Betracht.

Gemäß § 45 Abs. 2 StVO können Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligt werden, wenn ein erhebliches persönliches (wie zB auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind.

Bei Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs 2 StVO ist ein strenger Maßstab anzulegen, sodass eine solche nur bei Vorliegen von gravierenden, den Antragsteller außergewöhnlich hart treffenden Gründen zu erteilen.

Ein dem bloß allgemeinen Vorbringen, das Aufsuchen von Parkgaragen in der Umgebung sei auf Grund der Entfernung, der hohen Kosten und des Umstandes, dass in den Parkgaragen häufig keine Plätze frei sind, nicht zumutbar, vermag das Vorliegen eines erheblichen wirtschaftlichen Interesses im Sinne der dargestellten Rechtslage nicht aufgezeigt zu werden (VwGH 07.09.2015, 2013/02/0022; 12.10.2018, Ra 2017/02/0147).

Für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs 2 StVO ist es erforderlich, dass zwei Voraussetzungen gegeben sind, nämlich ein qualifiziertes Interesse des Antragstellers an der Erteilung und kein spezifisches öffentliches Interesse, das gegen die Erteilung spricht. Schon das Fehlen einer der Erteilungsvoraussetzungen hat zur Versagung der Ausnahmebewilligung zu führen (VwGH 27.06.2014, 2013/02/0084).

Als wirtschaftliche Interessen kommen nur jene in Betracht, die den Antragsteller in besonderer Weise betreffen. Dasselbe gilt für das persönliche Interesse sowie die Erschwernis bei der Erfüllung von Aufgaben. Bei der Frage, ob sich diese Aufgaben nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen lassen, handelt es sich um in der Person der antragstellenden Partei gelegene Voraussetzungen (VwGH 19.07.2011, 2010/02/0299; 27.06.2014, 2013/02/0084).

Es besteht eine Mitwirkungspflicht der Partei bezüglich des Tatbestandselementes „erhebliches wirtschaftliches Interesse“ iSd § 45 Abs. 2 StVO (VwGH 19.07.2011, 2010/02/0299).

Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag auf seine unternehmerische Tätigkeit. Zusammengefasst habe er eine Vielzahl auch länger dauernder Termine über verschiedenste Dienststellen und Klienten an Standorten in allen Bezirken verteilt, zu denen er Laptop, Ordner, Planunterlagen und Gesetzestexte mitnehmen müsse. Die maximale Parkdauer von zwei Stunden wäre regelmäßig überschritten. Die Verwendung von Taxis oder öffentlichen Verkehrsmitteln wäre nicht zumutbar.

Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführer besonders gravierende Nachteile treffen.

Rechtsanwälte und eine Vielzahl andere Selbständige (wie auch unselbständig Erwerbstätige), die eine gewisse berufliche Mobilität benötigen, gibt es in Wien zahlreiche. Das Mitführen von Akten und Unterlagen oder auch eines Laptops ist keinesfalls branchenspezifisch oder eine sonstige Besonderheit des Einzelfalles. Im Übrigen sind etwa auch bei Rechtsanwälten in Projektgenehmigungsverfahren Behörden-, Gerichts- und Mandantentermine selbst bei Großprojekten nicht zwingend mit einem übermäßigen Transportbedarf verbunden.

Ein erhebliches persönliches Interesse iSd § 45 Abs. 2 StVO kann sich in der Praxis insbesondere aus einem Transportbedarf, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder einem Taxi nicht in zumutbarer Weise verwirklicht werden kann, ergeben. Insofern ist bei bestimmten Branchen oder beruflichen Tätigkeiten eine Bewilligungserteilung naheliegender.

Im Beschwerdefall ist nicht ersichtlich bzw. nicht nachvollziehbar, dass eine Beratung/Unterstützung in Projektgenehmigungsverfahren eine Abstimmung und jeweilige direkte persönliche Kontakte mit sämtlichen denkmöglichen Beteiligten (Projektwerber, Herstellungs-/Vertriebs-/Bauunternehmen, das bei Projektumsetzung beigezogen wird, Behörde, Sachverständige) an deren jeweiligen Standort und damit eine wienweite Mobilität erforderlich wären. Ebenso müssen von einem Berater auch nicht Projektunterlagen höchstpersönlich an die unterschiedlichen Stellen gebracht werden.

Alternativ zum erheblichen persönlichen Interesse knüpft § 45 Abs. 2 StVO an einem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an.

Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit von alternativen Fortbewegungsmitteln oder Fahrzeugabstellmöglichkeiten kann im Beschwerdefall ebenfalls nicht erkannt werden. Zweifellos ist eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 StVO (auch bzw. jedenfalls) wirtschaftlich vorteilhaft. Welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen gegeben sind, ist gegenständlich nicht ersichtlich. Weder der aktuelle Bedarf (aus Kurzparkzonenentgelten und anderen aktuellen tatsächlichen Aufwendungen) wurde beziffert/konkretisiert, noch Alternativrechnungen zur Darstellung der konkreten (Un-)Zumutbarkeit sind vorhanden. Zur kostenmäßige Zumutbarkeit wurde lediglich ein abstraktes Vorbringen erstattet (vgl. etwa VwGH 12.10.2018, Ra 2017/02/0147). Nur durch entsprechende Unterlagen und Berechnungen könnte in überprüfbarer Weise erkannt werden, dass der Antragsteller in besonderer Weise belastet ist. Eine besondere Betroffenheit bzw. ein erhebliches wirtschaftliches Interesse (vgl. VwGH 19.07.2011, 2010/02/0299) ist nicht ersichtlich.

Es liegen damit weder erhebliche persönliche noch erhebliche wirtschaftliche Interessen vor.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken: Um den verkehrspolitischen Zielen der Parkraumbewirtschaftung (Klimaschutz etc.) gerecht zu werden, kann (zudem) nach einem strengen Beurteilungsmaßstab eine Ausnahme nach § 45 Abs. 2 StVO nur in besonders gelagerten Fällen erteilt werden. Ein besonders gelagerter Fall aus Sicht des Antragstellers liegt im Beschwerdefall nicht vor. Gegenständlich besteht zudem ein öffentliches Interesse an einer Verkehrsreduktion in der Stadt. Im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung werden offenkundig auch Lenkungseffekte genutzt (weniger Fahrzeuge, effizientere/geringere Fahrzeugnutzung, weniger Bedarf an Abstellflächen (= Bodenversiegelung).

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Bewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO liegen im Beschwerdefall nicht vor. Der angefochtene Bescheid (Antragsabweisung) erging zu Recht. Eine Rechtswidrigkeit oder sonstige Mangelhaftigkeit kann nicht erkannt werden. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

H i n w e i s

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG von mindestens einem der hierzu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Das Verwaltungsgericht hat am 23.11.2022 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und sogleich das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet. Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde dem Beschwerdeführer unmittelbar ausgefolgt und der belangten Behörde sowie der Bundesministerin am 25.11.2022 zugestellt. Somit wurde die Niederschrift sämtlichen zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen ausgefolgt oder zugestellt.

Keine zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof beziehungsweise Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt. Deshalb konnte das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG gekürzt ausgefertigt werden. Gegen diese gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Zuständigkeit; eigener Wirkungsbereich; Untrennbarkeit des Spruches; Erteilung einer Ausnahmebewilligung; Voraussetzungen; persönliches Interesse; wirtschaftliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.101.007.12389.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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