TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/19 VGW-001/016/9046/2022

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Entscheidungsdatum

19.10.2022

Index

82/04 Apotheken, Arzneimittel
40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über das als Beschwerde zu wertende E-Mail des A. B., C.-gasse, Wien, vom 7.7.2022 gegen die Erledigung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 29.6.2022, Zl. MBA/…/2022, mit welcher 1.) ein Straferkenntnis betreffend eine Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 – AWEG 2010, BGBl. I Nr. 79, erlassen sowie 2.) der Verfall von „4 Stück Sildenafil 50mg, insgesamt 2g, KN-Code …“ gemäß § 21 Abs. 3 leg. cit. iVm § 17 Abs. 1 VStG ausgesprochen wurde, (mitbeteiligte Partei: Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Traisengasse 5, 1200 Wien)

zu Recht:

                  

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 210,-- auf EUR 140,-- herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in dessen Spruch als Tatort „Wien, C.-gasse“ anzuführen ist.

Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit EUR 14.-- festgesetzt, das sind 10% der verhängten Geldstrafe.

II. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als sie sich gegen den oben unter 2.) genannten Ausspruch des Verfalls richtet, und wird jener ersatzlos behoben.

III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit o.a. behördlicher Erledigung wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des AWEG 2010 zur Last gelegt, da er eine Arzneiware ohne Vorliegen der erforderlichen Einfuhrbescheinigung aus dem Vereinigten Königreich in das österreichische Bundesgebiet eingeführt habe, und wurde hiefür über ihn eine Geldstrafe iHv EUR 210,-- bzw. im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von acht Stunden verhängt (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde der Verfall der vom Beschwerdeführer bestellten Arzneiware ausgesprochen (Spruchpunkt II.).

Am 7.7.2022 brachte der Beschwerdeführer ein E-Mail bei der belangten Behörde ein, welches da. als Beschwerde gegen o.a. Erledigung gewertet wurde.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.

Mit hg. Schreiben vom 22.8.2022 wurde dem Beschwerdeführer eine Mängelbehebung gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, da seiner Beschwerde kein Begehren zu entnehmen war.

Diesem Verbesserungsauftrag ist der Beschwerdeführer form- und fristgerecht mit E-Mail vom 30.8.2022 nachgekommen.

Mit hg. Schreiben vom 29.9.2022 wurde die Beschwerde samt Mängelbehebung gemäß § 10 VwGVG an die mitbeteiligte Partei übermittelt. Der zugleich eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme wurde bis zuletzt nicht nachgekommen.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt des folgenden Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer, wohnhaft in Wien, C.-gasse, bestellte von einem britischen Unternehmen an seine Wohnadresse „4 Stück Sildenafil 50mg, insgesamt 2g, KN-Code …“. Diese Ware wurde am 19.5.2022 aus dem Vereinigten Königreich im Luftwege in das Österreichische Bundesgebiet eingeführt und nach Ankunft am Flughafen Wien-Schwechat vom Zollamt Österreich, Zollstelle Wien, beschlagnahmt. Der Beschwerdeführer verfügte über keine Einfuhrgenehmigung.

Der Beschwerdeführer weist zahlreiche verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf, die im Tatzeitpunkt rechtskräftig und nicht getilgt waren. Darunter befinden sich keine einschlägigen Vormerkungen.

Der Beschwerdeführer bezieht ein monatliches Einkommen iHv EUR 1.500,-- netto, hat kein Vermögen und Sorgepflichten für vier Kinder.

Diese Feststellungen gründen sich auf nachfolgender Beweiswürdigung:

Die Bestellung der o.a. Ware durch den Beschwerdeführer, die Einfuhr aus dem Vereinigten Königreich und das Fehlen einer Einfuhrgenehmigung blieben unstrittig.

Die Vormerkungen des Beschwerdeführers waren hg. Anfragen beim Magistrat der Stadt Wien zu entnehmen (ON 7 f. des Gerichtsaktes).

Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat der Beschwerdeführer hg. glaubhaft dargelegt (ON 10 des Gerichtsaktes).

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.

Das Verwaltungsgericht Wien hat in rechtlicher Hinsicht hiezu erwogen:

Zum Straferkenntnis:

Gemäß § 3 Abs. 1 AWEG 2010 ist die Einfuhr von Arzneiwaren – d.h. die Beförderung von Arzneiwaren, Blutprodukten oder Produkten natürlicher Heilvorkommen aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind, in das Bundesgebiet (vgl. § 2 Z 4 leg. cit.) – dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, soweit das AWEG 2010 nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde.

Im konkreten Fall wurde eine Arzneiware aus dem Vereinigten Königreich – und somit von außerhalb des EWR – in das österreichische Bundesgebiet eingeführt und lag unstrittig keine Einfuhrbescheinigung vor, weshalb gegen § 3 Abs. 1 AWEG 2010 verstoßen wurde. Diese Bestimmung differenziert nicht dahingehend, ob die Arzneiware für den persönlichen Bedarf bestimmt ist oder nicht.

Wer Arzneiwaren entgegen § 3 AWEG 2010 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,--, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.260,-- zu bestrafen.

Ausgehend von den hg. Feststellungen, hat der Beschwerdeführer das Tatbild der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht.

Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten.

Bei gegenständlicher Verwaltungsübertretung handelt es sich zudem um ein sog. „Ungehorsamsdelikt“ im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, zumal sich die tatbildmäßige Handlung in einem bestimmten Verhalten erschöpft, ohne Rücksicht auf einen eventuellen Erfolg (vgl. hiezu etwa Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, 2014, Rz 684).

Bei Ungehorsamsdelikten gilt die gesetzliche Vermutung des Vorliegens der fahrlässigen Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung, wenn das Vorliegen eines tatbildmäßigen Verhaltens festgestellt worden ist und das mangelnde Verschulden durch den Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht worden ist. Es ist sohin Sache des Beschuldigten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, etwa durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. hiezu etwa VwGH 30.6.1998, 96/11/0175).

Der Beschwerdeführer hat kein substantiiertes Vorbringen erstattet und konnte somit nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft machen, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.

Insoweit der Beschwerdeführer seine mangelnde Kenntnis des AWEG 2010 releviert (vgl. dessen Einspruch im behördlichen Verfahren), entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG die Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift den Täter nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltes ohne Kenntnis jener Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Eine irrige Gesetzesauslegung – mag sie auch plausibel sein – muss ebenso wie die Unkenntnis des Gesetzes unverschuldet sein. Es bedarf dazu einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bei der zuständigen Stelle, die bloße Argumentation mit einer gewissen Rechtsauffassung genügt hingegen nicht (vgl. VwGH 18.3.2015, 2013/10/0141).

Der Beschwerdeführer hat kein Vorbringen erstattet, welches in diesem Sinne mangelndes Verschulden an der Unkenntnis der hier einschlägigen Verwaltungsvorschriften erkennen ließe.

Dem Beschwerdeführer ist somit fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen und hat er die gegenständliche Verwaltungsübertretung demnach auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß Abs. 2 par. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Im gegenständlichen Fall sind die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Absehen von der Fortführung des Strafverfahrens und eine Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG sowie eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 zweiter Satz VStG nicht gegeben, da einerseits die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und andererseits das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als gering angesehen werden können (vgl. etwa VwGH 20.6.2016, Ra 2016/02/0065).

Es sind keine Milderungs- oder Erschwerungsgründe ersichtlich.

Auf Grund seiner glaubhaften Darlegungen sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers – entgegen der Annahme der belangten Behörde – als ungünstig zu werten.

Eingedenk dessen ist die behördenseits verhängte Strafe spruchgemäß zu reduzieren und erscheint ihr nunmehriges Ausmaß tat- und schuldangemessen und in spezialpräventiver Hinsicht jedenfalls ausreichend. Eine weitere Strafreduktion kommt mit Blick auf den bis EUR 3.600,-- reichenden Strafrahmen (siehe oben) und die zahlreichen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers nicht in Betracht.

Gemäß § 16 Abs. 1 VStG ist bei Verhängung einer Geldstrafe zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen. Gemäß Abs. 2 letzter Satz par. cit. ist diese Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 leg. cit. nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

Da die Herabsetzung der Geldstrafe nur aufgrund der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers erfolgte, konnte eine Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 19 Abs. 2 VStG unterbleiben (vgl. hiezu VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0034).

Die Modifikation des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgt vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach es sich beim Tatort einer Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 AWEG 2010 um den Ort der Bestellung der Arzneiware – und nicht den Kontrollort – handelt (vgl. etwa VwGH 27.10.2019, Ra 2018/10/0175).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.

Zum Ausspruch des Verfalls:

Nach § 21 Abs. 3 AWEG 2010 ist für den Ausspruch des Verfalls Voraussetzung, dass die Tat vorsätzlich begangen worden ist.

Selbst eventualvorsätzliches Verhalten kann dem Beschwerdeführer nicht – mit der für eine solche Feststellung in einem Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit – nachgewiesen werden.

Es war somit – schon alleine deshalb – spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, da die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe die Höhe von EUR 500,-- nicht übersteigt und die Durchführung einer Verhandlung von keiner Verfahrenspartei beantragt wurde (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0032). Zudem war bei unstrittigem Sachverhalt und vor dem Hintergrund einer einschlägigen ständigen Judikatur bloß eine Rechtsfrage ohne besondere Komplexität zu beantworten, sodass hier dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen (vgl. etwa EGMR 5.9.2002, Appl. Nr. 42.057/98, Speil [ÖJZ 2003, 117]; 7.3.2017, Appl. Nr. 24.719/12, Tusnovics).

Schlagworte

Einfuhr von Arzneiwaren; Einfuhrbescheinigung; Tatort; mangelnde Kenntnis; Strafbemessung; Herabsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.001.016.9046.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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