TE Vfgh Erkenntnis 1993/11/30 B801/93

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Veröffentlicht am 30.11.1993
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ArbeitskräfteüberlassungsG §13 Abs4

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Bestrafung wegen nicht zeitgerechter Vorlage der Meldung der Überlassung von Arbeitskräften an das Landesarbeitsamt; verfassungswidrige Gleichsetzung des im Gesetz genannten Stichtags für die mitzuteilenden Verhältnisse mit dem Ende der Meldefrist

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Schreiben vom 3. Juli 1991 wurde die

S Personalbereitstellungsgesellschaft m.b.H. vom Landesarbeitsamt Wien aufgefordert, unter Verwendung des beigelegten Vordrucks (AÜG1/91) die Meldung der Überlassung von Arbeitskräften gemäß §13 Abs4 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) zum Stichtag 31. Juli 1991 bis 30. August 1991 zu erstatten.

Die abverlangten Daten wurden Anfang Oktober 1991 vorgelegt.

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 18. März 1992 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des §13 Abs4 AÜG gemäß §22 Abs1 Z2 litd leg.cit. eine Verwaltungsstrafe verhängt, weil er es als zur Vertretung der S Personalbereitstellungsgesellschaft m.b.H. zu verantworten habe, daß diese Gesellschaft die gemäß §13 Abs4 AÜG einmal jährlich mit Stichtag Ende Juli 1991 zu ermittelnden Daten nicht bis zum 30. August 1991 dem Landesarbeitsamt Wien vorgelegt habe.

Aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde dieses Straferkenntnis mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Jänner 1993, Z UVS - 06/22/209/92, hinsichtlich der Tatanlastung und des Verschuldens mit der Maßgabe bestätigt, daß es der Beschwerdeführer zu verantworten habe, daß die Übermittlung der Daten nicht am 31. Juli 1991 erfolgt ist, und die verhängte Strafe herabgesetzt.

Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher eine Verletzung des gemäß Art7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, nicht wegen einer zur Zeit der Regelung nicht strafbaren Unterlassung verurteilt zu werden, und eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen, weil gegen Art18 B-VG verstoßenden Gesetzes, nämlich des §13 Abs4 AÜG, behauptet werden und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen und die vom Verfassungsgerichtshof an sie gerichtete Frage, ob sie davon ausgehe, daß der im §13 Abs4 AÜG genannte Stichtag für die mitzuteilenden Verhältnisse zugleich das Ende der Frist für die Meldung darstelle, bejaht.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Die belangte Behörde hat in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Verwirklichung des Straftatbestandes des §22 Abs1 Z2 litd AÜG mit 31. Juli 1991 angenommen und dies wie folgt begründet:

"§22 Abs1 Z2 AÜG sanktioniert die Übertretung solcher Vorschriften dieses Gesetzes die unmittelbar der Erfüllung des Gesetzeszweckes dienen (siehe Erl. Bem. zur Reg.Vorl. des AÜG). Der Zweck des §13 Abs4 AÜG liegt darin, daß aufgrund der nach dieser Bestimmung vom Überlasser zu übermittelnden Daten, ein Überblick über die Entwicklungstendenzen der gewerbsmäßigen Arbeitskräfteüberlassung gewonnen werden soll. In Ansehung der ratio legis des §22 Abs1 Z2 litd AÜG kann es daher nicht zweifelhaft sein, daß die darin genannten Sanktionen bereits dann ausgelöst werden, wenn der Überlasser seiner Verpflichtung gemäß §13 Abs4 AÜG nicht bis zu dem in dieser Bestimmung genannten Stichtag ordnungsgemäß nachkommt. Der Gesetzgeber hat in §13 Abs4 AÜG den Stichtag für die Übermittlung der in dieser Bestimmung genannten Daten mit 'Ende Juli', d.h. mit 31.7. eines jeden Kalenderjahres festgelegt. Da es sich hiebei offensichtlich um eine gesetzliche Frist handelt, ist davon auszugehen, daß diese Frist nicht erstreckt werden kann, sodaß sich die Verpflichtung des Überlassers zur Übermittlung der in Rede stehenden Daten bis zum 31.7. eines Kalenderjahres an das zuständige LAA unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und nicht - wie vom Beschuldigten vermutet - erst durch die vom LAA jeweils Ende Juli eines Jahres durchgeführte Stichtagserhebung begründet wird."

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung demnach davon aus, daß der im Gesetz genannte Stichtag (für die Erfassung der statistischen Daten) zugleich das Ende der Frist für die Meldung darstellt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hält es jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen für denkunmöglich anzunehmen, daß der im Gesetz genannte Stichtag mit dem Ende der Frist für die Übermittlung der Unterlagen gleichzusetzen ist.

§13 Abs4 AÜG lautet:

"(4) Der Überlasser hat dem zuständigen Landesarbeitsamt (§19 Abs1) einmal jährlich zum Stichtag Ende Juli folgende Daten, geordnet nach den gesetzlichen Interessenvertretungen und Fachgruppen der Beschäftigter, zu übermitteln:

1. Anzahl der überlassenen Arbeitskräfte, gegliedert nach Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Arbeitern und Angestellten,

2. Anzahl der Beschäftiger,

3. Anzahl der laufenden Überlassungen, gegliedert nach ihrer bisherigen Dauer in solche bis einen Monat, bis drei Monate, bis sechs Monate, bis ein Jahr und über ein Jahr."

Ein Verständnis dieser Vorschrift, wie es die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat, würde nämlich bedeuten, daß der Überlasser zum einen sämtliche geforderte Daten bis zum Ablauf des 31. Juli zu erfassen hat (andernfalls droht ihm eine Bestrafung gemäß §22 Abs1 Z2 litd AÜG wegen Mangelhaftigkeit der vorgelegten Unterlagen), zum anderen aber verpflichtet wird, dafür Sorge zu tragen, daß die von ihm ermittelten Daten am 31. Juli dem Landesarbeitsamt vorgelegt werden. Da die zum Stichtag zu erfassenden Daten nicht schon am Stichtag der Behörde vorgelegt werden können, würde solcherart ein gesetzeskonformes Verhalten der Rechtsunterworfenen unmöglich.

Es ist aber gar nicht nötig, dem Gesetz diesen Inhalt zu unterstellen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Gesetz keine Angabe über den Zeitpunkt enthält, bis zu dem die statistisch erfaßten Daten der Behörde vorzulegen sind. Daraus folgt, daß - sofern die Behörde nicht eine Frist gewährt hat - die Daten unverzüglich zu übermitteln sind.

Die belangte Behörde hat somit durch den von ihr erlassenen Spruch dem Gesetz fälschlich einen unsachlichen und daher gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

Der Bescheid ist daher schon wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz aufzuheben, ohne daß auf das in andere Richtung gehende Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden braucht.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Arbeitskräfteüberlassung, Fristen Melde-, Stichtag (Arbeitskräfteüberlassung), Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B801.1993

Dokumentnummer

JFT_10068870_93B00801_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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