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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Februar 1995, Zl. 4.340.046/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, ist am 17. Dezember 1991 in das Bundesgebiet illegal eingereist und hat noch am selben Tag vor der Bezirkshauptmannschaft in Mattersburg um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Gewährung des Asylrechtes in Österreich ersucht. Er begründete diesen Antrag damit, er habe in seinem Heimatland politische Schwierigkeiten gehabt. Seit Oktober 1989 sei er im Irak Soldat. Noch vor Ausbruch des Krieges sei er beschuldigt worden, Gold in Kuwait gestohlen zu haben. Dies sei jedoch nicht richtig, sondern dürfte vielmehr ein Vorwand gewesen sein, um ihn zu verhaften und in weiterer Folge hinzurichten. Beim Transport ins Gefängnis habe er jedoch flüchten können und sei über den Norden Iraks in die Türkei geflüchtet. In der Türkei habe er sich in einem Flüchtlingslager aufgehalten, wo sein Leben jedoch nicht sicher gewesen sei. Er sei daher über Bulgarien, Rumänien und Ungarn illegal nach Österreich eingereist. Sein Heimatland habe er ohne Reisedokument verlassen, weil ein Soldat nicht die Möglichkeit habe, eines zu erhalten.
Anläßlich seiner am 8. April 1992 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten Befragung gab der Beschwerdeführer, zu seinen Fluchtgründen befragt, an, er gehöre als assyrischer Christ einer im Irak unerwünschten Minderheit an. 1989 sei er zur Armee eingerückt, im August 1990 sei er nach Kuwait versetzt worden und habe dort im Golfkrieg gegen die alliierten Nationen kämpfen müssen, obwohl er dies nicht gewollt habe, weil diese ihm "nichts getan" hätten. Das Dorf, in dem er gelebt habe, sei im Auftrag der irakischen Behörden niedergewalzt und die dort lebende assyrische Minderheit nach Mossul (im Nordirak) zwangsumgesiedelt worden. Nach der Niederlage der irakischen Armee und deren Rückzug aus Kuwait im Februar 1991 habe er das allgemeine Chaos ausgenützt, um von der Armee zu flüchten, weil er endlich habe in Frieden leben wollen. Er sei in den Norden des Irak geflüchtet, in das von den Kurden kontrollierte Gebiet, weil er sich dort am sichersten gefühlt habe. Er sei als Angehöriger der assyrischen Minderheit im Irak dauernd Repressionen der fundamentalistischen Mehrheit ausgesetzt gewesen und habe keinen Schutz von den öffentlichen irakischen Behörden genossen, weil diese von Moslems kontrolliert worden seien. Er habe ständig zu Haus um sein Leben fürchten müssen. Er kehre unter keinen Umständen in seine Heimat zurück, weil ihn wegen seiner Flucht von der Armee mit Sicherheit die Todesstrafe erwarten würde. Zu seinem Fluchtweg befragt, gab der Beschwerdeführer anläßlich dieser Vernehmung an, er habe im Norden des Irak einen Schlepper gefunden, der ihn für 700 irakische Dinar illegal über die Grenze in die Türkei gebracht habe, von wo er selbständig nach Istanbul weitergereist sei. In Istanbul sei er bis Mitte August 1991 aufhältig gewesen. Einem türkischen Schlepper habe er dann 1.000 US-Dollar bezahlt, wofür dieser ihn teils mit seinem PKW, teils zu Fuß illegal über die Grenze nach Bulgarien geschafft habe. In Sofia sei er etwa eine Woche aufhältig gewesen und sei sodann wiederum illegal nach Rumänien gereist. In Bukarest sei er bis Ende November 1991 geblieben, wo er einen weiteren Schlepper kennengelernt habe, der ihn für 700 US-Dollar im Anhänger seines LKWs versteckt illegal nach Budapest gebracht habe. In Budapest sei er dann bis zum 17. Dezember 1991 aufhältig gewesen. Einem weiteren Schlepper namens J habe er weitere 1.000 US-Dollar bezahlt, um von diesem wiederum illegal über die Grenze von Ungarn nach Österreich geschafft zu werden. Er habe die österreichische Grenze im Gemeindegebiet von L überschritten, wo er von der Bundesgendarmerie aufgegriffen worden sei.
In einer (weiteren) Vernehmung am 23. Juli 1992 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gab der Beschwerdeführer an, am 21. März 1989 zum Wehrdienst in Bagdad eingerückt und im September 1990 nach Kuwait entsandt worden zu sein, wo er sich jedoch nur 2 Tage aufgehalten habe, bevor er desertiert sei. Er sei der Ansicht, daß "Saddam Hussein das Volk kaputtgemacht" habe. Man hätte vorher Jahre gegen den Iran sinnlos gekämpft, jetzt gegen Kuwait und die Amerikaner. Er habe für dieses Regime nicht in den Krieg ziehen wollen. Er sei also in das Kurdengebiet des Irak geflüchtet und habe sich dort bis zum 17. April 1991 aufgehalten. Da er im Nordirak aufgewachsen sei, habe er dort viele kurdische Freunde gehabt und dort leben können. Weitere Fluchtgründe habe er nicht anzugeben. Zu seinem Fluchtweg befragt, gab der Beschwerdeführer anläßlich dieser Vernehmung an, er habe am 17. April 1991 illegal die irakisch-türkische Grenze überquert und sich dort bei den Behörden gemeldet, die ihn für 2 1/2 Monate in ein Lager geschickt hätten. Seine Cousine habe ihm aus Japan Geld geschickt, sodaß er mit einem Schlepper vereinbaren hätte können, daß er für 3.000 US-Dollar nach Österreich gebracht werde. Am 17. September 1991 sei er von diesem Schlepper abgeholt worden und zu einem türkischen Reisebus gebracht worden, von welchem er der Beifahrer gewesen sei. In der Mitte des Busses habe sich eine Öffnung befunden, in diese sei er hineingekrochen und mit einer Decke zugedeckt worden. So sei er nach Rumänien gelangt. Bei Grenzübergängen habe er immer wieder in die Öffnung schlüpfen müssen. Durch Bulgarien seien sie zwei Tage lang gefahren und auch mehrfach angehalten, um zu essen. Am 19. September 1991 seien sie in Rumänien angekommen. Die Busfahrt sei nur bis Bukarest gegangen. Dort habe sich der Schlepper gemeinsam mit ihm im Hotel A einquartiert und auf einen weiteren Schleppertransport gewartet. Am 20. November 1991 sei ein Transport von 60 Flüchtlingen zusammengestellt worden, die mit PKWs nach Arad an die ungarische Grenze gebracht worden seien. Er habe in Arad aussteigen müssen und die Flüchtlinge seien unter Führung ca. 9 Stunden zu Fuß über die ungarische Grenze gegangen. Mit Autos sei es dann weiter nach Budapest gegangen. Am 16. Dezember 1991 sei er mit weiteren 13 Landsleuten per PKW zur österreichischen Grenze gebracht worden, wo sie wiederum hätten aussteigen müssen. Ein Schlepper habe ihnen dann die Richtung angegeben, in die sie gehen müßten, um nach Österreich zu gelangen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. September 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung und begründete diese damit, der bekämpfte Bescheid gehe in keiner Weise auf seine persönliche Situation und sein Vorbringen im Überprüfungsverfahren ein, sondern stelle lediglich ein Formular dar, in welches zwar seine persönlichen Daten eingesetzt worden seien, jedoch ansonsten der Begründungspflicht des § 60 AVG nicht entspräche. Sein Asylantrag sei inhaltlich begründet gewesen, er habe sich darauf berufen, daß er als Angehöriger der assyrischen Minderheit im Irak schweren Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei. Nicht nur sei sein Heimatdorf dem Erdboden gleichgemacht und seine Familie sowie andere assyrische Bewohner zwangsumgesiedelt worden, er habe auch ständig um sein Leben fürchten müssen und sei durch die fundamentalistische moslemische Mehrheit bedroht gewesen. Die staatlichen Behörden des Irak seien nicht willens, für seine Sicherheit zu garantieren, es habe vielmehr den Anschein, daß die erwähnten Verfolgungen mit ihrer Billigung geschähen. Darüber hinaus beantragte der Beschwerdeführer die Beischaffung entsprechender objektiver Informationen über die Situation der assyrischen Minderheit im Irak zur Untermauerung der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit seiner Angaben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und versagte damit die Gewährung von Asyl. Sie begründete ihren Bescheid im wesentlichen nach Wiedergabe der Darstellung des Beschwerdeführers zu Fluchtgründen und Fluchtweg sowie Darstellung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Asylverfahrens nicht glaubhaft machen können, einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Die Zugehörigkeit zur assyrischen Minderheit allein, die Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen diese Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert würden, reichten für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention abzuleiten. Auch einer dem Beschwerdeführer allenfalls drohenden Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion fehle eine asylrelevante Motivation, zumal aus seinem Vorbringen nicht ableitbar gewesen sei, der Beschwerdeführer wäre auf Grund eines in der Genfer Konvention genannten Grundes im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung einer differenzierteren Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen unterzogen worden. Sein Vorbringen sowohl zu den Fluchtgründen als auch zum Fluchtweg seien vielmehr im Laufe des Verfahrens unterschiedlich und sogar widersprüchlich dargestellt worden, weshalb diesen Darstellungen Glaubwürdigkeit nicht zukommen könne. Auch eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines allgemeinen Gutachtens über die politische Situation der assyrischen Minderheit im Irak könne am Ergebnis nichts ändern, weil sich daraus noch nicht eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung ableiten ließe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen ist, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - auf Grund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu. Die belangte Behörde hätte vielmehr das Asylgesetz (1968) anzuwenden gehabt, da der erstinstanzliche Bescheid vom 9. September 1992 am 14. September 1992, sohin nach dem Stichtag 1. Juni 1992, erlassen wurde. Dadurch wurde jedoch der Beschwerdeführer noch nicht in einem subjektiven Recht verletzt, weil die belangte Behörde sich ohnedies mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinandergesetzt hat, wobei die von § 1 AsylG (1968) zitierte Bestimmung des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention durch § 1 Z. 1 AsylG 1991 inhaltlich keine Änderung erfahren hat (vgl. das bereits zititerte Erkenntnis, Zl. 92/01/0831).
Der belangten Behörde kann aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren insgesamt als nicht geeignet angesehen hat, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer verweist zwar in seiner Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf die ohne Beiziehung eines Amtsdolmetschers oder gerichtlich beeideten Dolmetschers vor der BH Mattersburg am 17. Dezember 1991 aufgenommene Niederschrift und die sich daraus ergebenden Widersprüche zu seinen späteren Aussagen, er geht jedoch nicht ausreichend darauf ein, daß auch seine (weiteren) Angaben anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 8. April bzw. 23. Juli 1992 sowie die Ausführungen in der Berufung erhebliche Divergenzen aufweisen. Wohl trifft zu, daß sein - begründeter - Asylantrag vor der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg durch einen Mitflüchtling in die englische Sprache übersetzt bzw. rückübersetzt wurde, daß jedoch auch die beiden vor den jeweilig zuständigen Sicherheitsdirektionen erfolgten Befragungen in arabischer Sprache für ihn nicht verständlich gewesen seien, behauptet er nicht. Die belangte Behörde weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, daß sich bereits aus diesen beiden Vernehmungen unlösbare Widersprüche (betreffend Antritt seines Militärdienstes, Zeitpunkt seiner Flucht, Motivation hiezu und Fluchtweg) ergeben, die er auch in seiner Beschwerde nicht aufklärt. Verwunderlich erscheint auch, daß er in seiner Berufung auf eine auf seine Desertion zurückzuführende Verfolgung selbst nicht mehr eingeht.
Der Verwaltungsgerichtshof ist an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt nur dann nicht gebunden, wenn dieser in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, einer Ergänzung bedarf oder Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher wohl die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung der belangten Behörde in seine Prüfung einbeziehen, nicht aber deren konkrete Richtigkeit nachprüfen. Geht die belangte Behörde abschließend davon aus, auf Grund der in den Angaben des Beschwerdeführers aufscheinenden Divergenzen könne diesem insgesamt die Glaubwürdigkeit nicht zugebilligt werden, so erweist sich dies im Hinblick auf die oben aufgezeigte eingeschränkte Kognition des Verwaltungsgerichtshofes als nicht unschlüssig. Insoweit die belangte Behörde den in der Berufung enthaltenen Hinweis auf allgemeine Repressionen, die die assyrische Minderheit im Irak zu erdulden hat, damit beantwortet, aus den allgemeinen Nachteilen und Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert würden und die alle Angehörige dieser Minderheit in gleichem Maße träfen, reiche für sich allein nicht aus, um begründete Furcht vor Verfolgung daraus abzuleiten, steht dies im Einklang mit der hiezu in ständiger Rechtsprechung ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/20/0758, und die dort angeführte Judikatur). Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200148.X00Im RIS seit
20.11.2000