TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/6 VGW-101/042/5733/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2022
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Entscheidungsdatum

06.10.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §13 Abs3
TNRSG 1995 §1 Z1e
TNRSG 1995 §8 Abs1
TNRSG 1995 §10a
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar über die Säumnisbeschwerde der A. GmbH, vertreten durch X. Rechtsanwälte GmbH, betreffend Anträge der A. Ges.m.b.H. vom 15.9.2021 auf Zulassung von neuartigen Tabakerzeugnissen (EHTP/B.-Tabaksticks in 6 Produktvarianten) beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Zl. ..., zu Recht:

I. Gemäß § 28 i.V.m. § 8 VwGVG i.V.m. § 10a TNRSG werden die Anträge abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte nachfolgende Säumnisbeschwerde ein:

„Das Verfahren betrifft die Zulassung eines rauchlosen neuartigen Tabakerzeugnisses in Österreich iSd § 10a TNRSG in Verbindung mit § 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hinsichtlich der Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse (der „NTZulV“).

Die belangte Behörde hat, obwohl alle Entscheidungsgrundlagen Vorlagen, den gegenständlichen Antrag bis dato nicht erledigt und sich stattdessen darauf beschränkt, wenige Tage vor Ablauf ihrer Entscheidungsfrist einen vom Gesetz nicht gedeckten Verbesserungsauftrag zu erteilen. Sie hat dadurch schuldhaft ihre Entscheidungspflicht verletzt.

Dazu nachstehend im Einzelnen.

1. SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG

a. Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 16.09.2021 begehrte die Beschwerdeführerin die Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses gemäß § 10a TNRSG iVm § 5 NTZulV mit der Bezeichnung Elektrisch Erhitztes Tabakerzeugnis (Electrically Heated Tobacco Product, „EHTP"), kommerzialisiert unter dem Markennamen „B.“. Das neuartige Tabakerzeugnis wird mittels eines Heizgerätes, dem sogenannten Tobacco Heating Device („THD“) mit Markennamen „C.“ erhitzt. Gemeinsam werden diese im Folgenden als D. 3.0 („D. 3.0“) bezeichnet.

b. Antragsgegenstand sind lediglich technische Weiterentwicklungen der bereits rechtskräftig zugelassenen und im Markt befindlichen rauchlosen neuartigen Tabakerzeugnisse E.. Der Hauptunterschied zwischen dem EHTP „B.“ und dem EHTP „E.“ ist die Heiztechnologie (Induktion in D. 3.0 anstelle des „Heizschwerts“ in D. 2.2). siehe Abbildung 2 des Antrags). Der Technologiewechsel zielt darauf ab, das Verbrauchererlebnis zu verbessern, indem die Nutzung und Wartung des Produkts erleichtert wird. Der Wechsel der Heiztechnologie hat jedoch keine Auswirkungen auf das EHTP-Aerosol und die deutliche Reduzierung der Schadstoffgehalte (auch als schädliche und potenziell schädliche Bestandteile - HPHCs bezeichnet) in den Emissionen (> 90 %) bleibt in der neuen Version des D. erhalten.

c. Gemäß § 10a TNRSG und § 5 NTZulV sowie aufbauend auf den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Zulassungsverfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag vom 16.09.2021 mit den folgenden Unterlagen:

• Anschreiben an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES),

• Anlage 1: Nachweis der Gewerbeberechtigung

• Anlage 2: Großhandelslizenz Zigarette (2)

a.   Bewilligung Tabakwarenlager

b.   OTP

c.   Erhitzte Tabakerzeugnisse

• Anlage 3: Technisches und Wissenschaftliches Dossier nebst all seinen Anlagen und Anhängen

• Anlage 4: USB Stick samt wissenschaftlichen Daten & Inhaltsstoffen aller B. Varianten (physisch)

• Anlage 5: Übersicht der Emissionsdaten für alle Varianten von B.

• Anlage 6: Vergleich Inhaltsstoffe B.-Tabaksticks vs. E.-Tabaksticks

• Anlage 7: Übersicht über Zulassungen in anderen Staaten

• Anlage 8: Verpackungsbeispiele (wie für den österreichischen Markt vorgesehen) für jede B.-Variante (8a-8n) (digital & physisch)

• Anlage 9: Produktmuster aller beantragten B. Varianten (7 Varianten ä 10 Packungen) (physisch)

• Anlage 10: C. Tobacco Heating Device (2 Stück) (physisch)

d. Die belangte Behörde nahm im hier gegenständlichen Verfahren bis wenige Tage vor Ende ihrer Entscheidungsfrist keine einzige Verfahrenshandlung vor, geschweige denn erließ sie binnen gesetzlicher Entscheidungsfrist einen Bescheid. Dieser steht - ein halbes Jahr nach Verfahrenseinleitung - aus und ist auch weiterhin nicht absehbar. Ein Verbesserungsauftrag erfolgte erst fünfeinhalb Monate (!) nach Antragstellung und wurde der Antragstellerin überhaupt erst neun Tage vor Ende der Entscheidungsfrist zugestellt. Offenbar ist die die belangte Behörde der mit dem AVG nicht in Einklang stehenden Auffassung, dass ein (nunmehr bereits beim VwG Wien anhängiges) anhängiges Verfahren in einem „Parallelfall“ (welcher die Zulassung anderer Varianten von EHTP betrifft) ihre Entscheidungsfrist im gegenständlichen Verfahren hemmt. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Beschwerdeführerin zur Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde gezwungen.

2. BESCHWERDELEGITIMATION

a. Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet (Art 132 Abs 3 B-VG).

b. Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde legitimiert. Sie hat im anhängigen Verfahren auf Zulassung neuartiger Tabakprodukte den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 10a TNRSG gestellt. Die zuständige Behörde hat bislang noch keinen Bescheid über den Antrag erlassen.

3. ZUSTÄNDIGKEIT DES LANDESVERWALTUNGSGERICHTS WIEN

a. Für Zulassungsentscheidungen gemäß § 10a TNRSG sind gemäß Art 131 Abs 1 B-VG sachlich die Landesverwaltungsgerichte zuständig, da die Vollziehung der Bestimmung - durch den ausnahmsweise erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesminister - in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt (vgl BVwG 28.11.2019, GZ W270 2221892-1 /12E; s auch VwGH 20.03.2018, Ko 2018/03/0001, Rz 54 mwN).

b. Die örtliche Zuständigkeit liegt nach § 3 Abs 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 2 bzw allenfalls Z 3 AVG beim Verwaltungsgericht Wien.

4. BEGRÜNDETHEIT DER BESCHWERDE

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG iVm §§ 8 und 9 Abs 5 VwGVG ist eine Säumnisbeschwerde berechtigt, wenn die Entscheidungsfrist abgelaufen und die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Beide Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt:

4.1. Ablauf der Entscheidungsfrist

a. Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die belangte Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Für das gegenständliche Zulassungsverfahren ist gesetzlich keine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen. Daher ist für die Frage der Zulässigkeit der Einbringung einer Säumnisbeschwerde die allgemeine Sechsmonatsfrist heranzuziehen.

b. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war (§ 8 Abs 1 Satz 1 und 2 VwGVG). Die Beschwerdeführerin hat den verfahrenseinleitenden Antrag auf Zulassung am 16.09.2021 gestellt und dieser Antrag ist an diesem Tag auch bei der zuständigen Einbringungsstelle, der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), eingelangt (siehe hierzu: Beilage /.1). Die sechsmonatige Frist ist daher am 17.03.2022 abgelaufen.

c. Da der Antrag weiterhin unerledigt ist, ist die belangte Behörde säumig.

4.2. Vorwerfbarkeit der Säumnis

a. Damit eine Säumnisbeschwerde berechtigt ist, muss die Verzögerung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 VwGVG auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen sein. Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist dabei nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern, sondern objektiv zu verstehen. Verschulden ist demnach dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde

• weder durch schuldhaftes Verhalten der Partei

• noch durch unüberwindliche Hindernisse (die eine Entscheidung vor Ablauf der Entscheidungsfrist - trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensführung - unmöglich gemacht haben)

an der Entscheidung gehindert war (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 37 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

b. Entscheidend für das überwiegende Verschulden der Behörde ist nicht, ob sich mit Sicherheit absehen lässt, dass das Verfahren bei regulärem Fortgang innerhalb der Entscheidungsfrist tatsächlich hätte beendet werden können, sondern ob die tatsächlich eingetretene Verzögerung überwiegend auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (Fischer/Steiner, Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, in Bergthaler/Grabenwarter [Hrsg], Musterhandbuch Öffentliches Recht Rz 124 [Stand 1.7.2019, rdb.at]).

c. Gegenständlich hat die belangte Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlassen und dadurch die Verfahrensverzögerung verschuldet: Der von ihr erteilte Verbesserungsauftrag wurde nicht unverzüglich, sondern erst nach mehr als fünf Monaten erteilt (Punkt i) und steht zudem nicht in Einklang mit den für das Zulassungsverfahren maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen (siehe Punkt ii). Dazu im Einzelnen:

(i) Die Behörde handelte nicht unverzüglich und wartete mit dem Verbesserungsauftrag grundlos zu

a. Nach stRsp des VwGH liegt ein überwiegendes Verschulden der Behörde dann vor, wenn diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (s zuletzt etwa VwGH, 19.06.2018, Ra 2018/03/0021). Dies war gegenständlich der Fall: Die Beschwerdeführerin stellte den verfahrenseinleitenden Antrag am 16.09.2021. Die Behörde wartete sodann grundlos bis ganz kurz vor Ende der Entscheidungsfrist, also fünfeinhalb Monate damit zu, der Beschwerdeführerin einen Verbesserungsauftrag zu erteilen. Verbesserungsaufträge sind in der Regel innerhalb von vier Wochen zu erteilen. Darüber hinausgehende Verzögerungen begründen ein überwiegendes Verschulden der Behörde (siehe Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz21, 22 [Stand 15.02.2017, rdb.at] mit Verweis auf AB zur AVG-Nov BGBl 1998/158). Dass dieser Zeitraum auch im konkreten Fall realistisch gewesen wäre, ergibt sich bereits daraus, dass die Behörde das Vorgängerprodukt EHTP ja bereits geprüft und (rechtskräftig) zugelassen hat und zudem seit mittlerweile fast zwei Jahren (und nunmehr ebenfalls beim Verwaltungsgericht Wien zu GZ VWG- 1101/042/12268/2021-29) ein weiteres Zulassungsverfahren anhängig ist. Für die Behörde ist das Produkt sowie ein großer Teil der Antragsunterlagen somit nicht neu. Für ein monatelanges Zuwarten mit dem Verbesserungsauftrag gab es somit keine sachlichen Gründe.

b. Im Übrigen vertritt der VwGH, dass auch der Umstand, dass es sich um eine komplexe Materie handelt (dies ist in der konkreten Situation jedenfalls aufgrund der Vorerfahrung nicht der Fall), nicht ausreicht, um das Verschulden der Behörde zu entkräften bzw zu begründen, dass einer zügigeren Verfahrensführung ein "Hindernis" entgegengestanden sei (VwGH 25.11.2015 Ra 2015/08/0102; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 38 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

c. Somit beruht gegenständlich die erhebliche Verfahrensverzögerung auf einem überwiegenden Verschulden der belangten Behörde. Statt innerhalb des Richtwerts von zwei bis vier Wochen einen etwaigen Verbesserungsauftrag zu erteilen, benötigte die Behörde fast die volle Zeit ihrer gesetzlichen Entscheidungsfrist nur um einen (überdies rechtswidrigen, dazu sogleich) Verbesserungsauftrag zu erteilen.

d. Die belangte Behörde war auch nicht durch ein allfälliges schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin oder durch sonstige unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert. Es lagen ihr sämtliche relevante Verfahrensunterlagen vor, die für die Fällung einer Sachentscheidung erforderlich sind. Es liegt daher eindeutig ein (sogar) alleiniges Verschulden der belangten Behörde an der Säumnis vor.

(ii) Der Verbesserungsauftrag ist überschießend

a. Ein Verschulden der Behörde liegt nicht nur vor, weil der Verbesserungsauftrag nicht unverzüglich erteilt wurde, sondern insbesondere auch, weil er gesetzlich nicht gedeckt war.

b. § 10a TRNSG und § 5 NTZulV legen fest, welche Unterlagen der Antragsteller in einem Zulassungsverfahren vorzulegen hat. Darunter gibt es Unterlagen, welche die Behörde für die Prüfung der Zulassungsfähigkeit und damit die Sachentscheidung benötigt (zB Beschreibung des Tabakerzeugnisses und Informationen über die Inhaltsstoffe). Außerdem nennt § 10a TNRSG Unterlagen, die für die materiell-rechtliche Prüfung der Zulassungsfähigkeit irrelevant sind und die daher der Information der Aufsichtsbehörde dienen. Dies betrifft etwa Informationen über Emissionen und verfügbare wissenschaftliche Studien zu Toxizität, Suchtpotential und Attraktivität des Tabakerzeugnisses; derartige Informationen sind für die Aufsichtsbehörden für Zwecke der Marktaufsicht zweifellos von Interesse, sie sind aber für die Zulassungsprüfung selbst nicht relevant, weil das TNRSG keine diesbezüglichen Zulassungskriterien normiert.

c. Wie Prof. F. in einem im Rahmen eines früheren Zulassungsverfahrens eingeholten und vorgelegten Rechtsgutachten (Beilage 72) dargelegt hat, darf § 10a TNRSG nicht so extensiv ausgelegt werden, dass die Zulassungsbehörde in einem auf Antrag eingeleiteten Zulassungsverfahren Informationen einholen kann, die für die Marktbeobachtung von Interesse sein mögen, aber für die Prüfung des Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen ohne Relevanz sind. Fehlen Unterlagen, die für die Prüfung materiell-rechtlich notwendig sind, kann die Behörde die Übereinstimmung mit gesetzlichen Anforderungen nicht prüfen. Fehlen hingegen bloß - von Prof. F. treffend als "informativ" bezeichnete - Unterlagen, die für die Zulassungsprüfung keine Relevanz haben, dann beeinträchtigt dies nicht die Prüfung der Behörde. In diesem Sinne handelt es sich insbesondere bei den emissionsbezogenen Informationen nicht um notwendige Unterlagen bzw Aufzeichnungen oder erforderliche Auskünfte, da für EHTP keine gesetzlich definierten Emissionswerte existieren und diese daher auch kein Zulassungskriterium darstellen. Sie sind den informativen Antragsunterlagen zuzuordnen. Folglich dürfte selbst ein Fehlen solcher Unterlagen nicht dazu führen, dass die Behörde eine inhaltliche Behandlung der Sache unterlässt (s Rechtsgutachten Prof. F., S 9 ff).

d. Im Sinne der Ausführungen von Prof. F. ist der Verbesserungsauftrag überschießend und findet in § 10a TNRSG keine Deckung. Insbesondere gehen die von der Behörde gestellten Anforderungen hinsichtlich der Emissionen zu weit. Ebenso ungesetzlich ist die Aufforderung, "neue toxikologische Studien zu den einzelnen Produkten" vorzulegen (zumal schon in § 10a TNRSG explizit nur von „verfügbaren“ Studien die Rede ist; Rechtsgutachten Prof. F., S 14 ff).

Im Einzelnen ist der Verbesserungsauftrag aus folgenden Gründen unberechtigt:

• Nach Ansicht der Behörde sind für jede Produktvariante die beim Gebrauch entstehenden Emissionen toxikologische Tests zu unterziehen. Nach ihrer Ansicht fehlen Studien in folgendem Mindestumfang:

2.1 Zytotoxitätstests (entsprechend der Health Canada Richtlinie T-502 oder einer äquivalenten Richtlinie)

2.2 Bakterieller Rückmutationstest (entsprechend der OECD Richtlinie 471, der Health Canada Richtlinie T-501 oder einer äquivalenten Richtlinie)

2.3 In vitro Genmutationstest oder Chromosomenaberrationstest an Säugerzellen (entsprechend der Richtlinien OECD 476, OECD 490, OECD 487, Health Canada T-503 oder einer äquivalenten Richtlinie)

Dabei verlangte das BMSGPK spezifische Anforderungen an die Tests (zB Durchführung entsprechend anerkannten Richtlinien wie VO (EG) Nr. 440/2008, Durchführung in mehreren technischen und biologischen Replikaten) und die Übermittlung bestimmter Ergebnisse (zB statistische Vergleiche zur Referenzzigarette, vollständiger Studien-Report)"

Keine Pflicht zur Vorlage oder Beauftragung neuer Studien generell und insbesondere nicht für jede Produktvariante

§ 10a Abs 4 TNRSG regelt nicht, dass der Antragsteller neue Studien beauftragen und vorlegen muss. Aus der Norm ergibt sich auch nicht, dass für jede einzelne Produktvariante eines neuartigen Tabakerzeugnisses Studien vorgelegt werden müssten. Nach § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG sind lediglich „verfügbare wissenschaftliche Studien zu Toxizität, Suchtpotential und Attraktivität des neuartigen Tabakerzeugnisses, insbesondere was seine Inhaltsstoffe und Emissionen anbelangt vorzulegen. Wenn die Behörde also die Vorlage neuer Studien verlangt, ist diese Vorgehensweise ungesetzlich. Ebenso darf von der Beschwerdeführerin auf Grundlage von § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG nicht verlangt werden, dass diese verfügbaren Studien spezifische Standards aufweisen. Mit der Forderung, neue Studien in bestimmter Art und Weise vorzulegen bzw diese überhaupt erst erstellen zu lassen (die Verfassung derartiger wissenschaftlicher Studien ist äußerst aufwendig und langwierig) unterstellt die belangte Behörde § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG nicht nur einen daraus selbst bei Ausreizung aller Auslegungsmethoden nicht ableitbaren Inhalt, sondern verzögert das Verfahren schuldhaft.

• Die Behörde verlangt zudem für jede einzelne Produktvariante Emissionsmessungen mit einem in Tabelle 1 (S.5 f des Verbesserungsauftrages) enthaltenen Mindestumfang an aufgelisteten Parametern. Der Umfang entspreche dem Stand der Technik und orientiere sich an der Prioritätenliste der WHO (WHO 2018) Seite 170, Tabelle 8.2). Emissionsmesswerte zu den verschiedenen Tabakmischungen können nicht für die Beurteilung der Produkte herangezogen werden. Die übermittelten Emissionsmesswerte R.-12 zu den Produktvarianten seien nicht ausreichend. Verlangt wird eine Darstellung der Daten unter Angabe der verwendeten Methode in Excel-Format sowie vergleichend zu den Emissionsmesswerten einer Referenzzigarette (beispielsweise 3R... oder 1R...)

?    als tatsächliche Werte der Emissionen pro Produkteinheit (z.B Stick)

?    bezogen auf den Nikotingehalt in den Emissionen

unter Angabe mindestens folgender Informationen

?    Mittelwert

?    Standardabweichung

?    Stichprobenumfang (n) (die Datensätze zu jeder einzelnen Produkte sowie der Referenzzigarette 3R... oder 1R... haben aus mehreren vollkommen unabhängig durchgeführten Messungen/Stichproben zu bestehen)

?    Vergleich der Werte der Produkte zu jenen der Standardzigarette 3R... oder 1R...

?    hinsichtlich der REDUKTION bzw. ERHÖHUNG von Emissionen in %.

Keine Emissionshöchstwerte oder anderweitig emissionsbezogene Zulassungskriterien für HTP

Das Verlangen der belangten Behörde, Emissionsmessungen im Zulassungsverfahren vorzulegen, ist wie bereits dargelegt ungesetzlich, da das TNRSG und die NTZulV für neuartige Tabakerzeugnisse keine Emissionshöchstwerte oder anderweitig emissionsbezogene Zulassungskriterien enthalten. Emissionsmessungen sind daher Zulassungsverfahren nicht verpflichtend vorzulegen. Die Unterlagen zu Emissionen (konkret: Informationen über Emissionen, verfügbare wissenschaftliche Studien zu Emissionen und Auflistung der allfälligen Emissionen) dienen lediglich der Information der Behörde zur Erfüllung ihrer Tätigkeit der Marktaufsicht. Sie sind im Zulassungsverfahren nicht entscheidungsrelevant. Auch aus diesem Grund ist der Verbesserungsauftrag ungesetzlich und verzögert die belangte Behörde das Verfahren durch ihr Verlangen nach Emissionsmessungen schuldhaft.

Mindestkatalog gesetzlich nicht vorgesehen / Prioritätenliste nicht verbindlich

Darüber hinaus ergibt sich aus § 10a TNRSG und § 5 NTZulV erst Recht nicht, dass die Informationen über Emissionen in einer speziellen Weise vorzulegen wären. Schon gar nicht ist vorgesehen, dass ein Vergleich mit anderen Produkten anzustellen wäre. Auch diese Forderung ist überschießend und ungesetzlich. Weiters ist weder im TNRSG noch in der NTZulV ein "Mindestkatalog" an Emissionswerten über 42 Substanzen / Parameter normiert. Auch wird die belangte Behörde nicht gesetzlich ermächtigt, einen solchen Katalog verbindlich anzuordnen. Die belangte Behörde kann den von ihr erstellten Mindestkatalog auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass diese Liste dem Stand der Technik / Wissenschaft entspräche (wobei das TNRSG ohnedies nicht auf derartige Kriterien abstellt) oder sich anderweitig chemisch-technisch von selbst ergibt / erklärt: Der von der belangten Behörde erstellte Mindestkatalog basiert auf 39 Substanzen der WHO-Prioritätenliste. Die WHO-Prioritätenliste ist weder rechtlich verbindlich, noch kann sie aus wissenschaftlicher Sicht als "state of the art" bezeichnet werden, was sich darin zeigt, dass sie international von anderen Zulassungsbehörden in Zulassungsverfahren nicht herangezogen wird. Von den Zulassungsbehörden wurden in der Vergangenheit demgegenüber andere Listen erstellt bzw berücksichtigt. Von der US-amerikanischen FDA wird beispielsweise die Datenvorlage zu 18 Aerosol- und 6 Tabakbestandteilen empfohlen. Umgekehrt enthalten andere Listen eine höhere Zahl an Emissionsstoffen als die WHO-Liste, wie etwa die vollständige "priority list" der FDA mit 93 HPHCs. Keine dieser Listen wird international als verbindlich angesehen. Es kann in diesem Zusammenhang bereits von daher nicht von einer Liste, die als "Stand der Technik/Wissenschaft" gilt, gesprochen werden.

Vorgelegte Unterlagen völlig ausreichend

Es ist schließlich für die Beschwerdeführerin überhaupt nicht ersichtlich, warum die mit dem Antrag vorgelegten Daten, zur deren Vorlage die Beschwerdeführerin gesetzlich gar nicht verpflichtet ist, nicht ausreichend seien sollen. Anlage 4 enthält ein detailliertes Verzeichnis der Inhaltsstoffe des „B.“-Tabaksticks. Zudem wurden für die einzelnen Varianten Gegenüberstellungen der Zusammensetzung im Vergleich mit den Referenzprodukten EHTP P. bzw. EHTP Q. vorgelegt. Anlage 5 enthält eine Liste der Emissionsmesswerte für die einzelnen antragsgegenständlichen Produkte. Zum Nachweis der Ähnlichkeit zwischen den antragsgegenständlichen Produkten und den Referenzprodukten wurde weiters die Zusammensetzung jeder einzelnen Variante mit den Referenzprodukten EHTP P. und EHTP Q. verglichen und der Vergleich in Anlage 6 vorgelegt. Vorgelegt wurden weiters Daten über zwölf Aerosol-Bestandteile (auch als „R.-12“ bezeichnet) für die einzelnen antragsgegenständlichen „B.“-Produktvarianten in Excel-Format. Diese Daten werden ergänzt um Daten über die R.-58 für die einzelnen Tabakmischungen, welche in den Produkten verwendet werden, sowie um Daten von EHTP P., EHTP Q. und das D. 3.0-Referenzprodukt (wie im Dossiers Anlage 3 beschrieben). Die Reduktionen der einzelnen Aerosol-Bestandteile gegenüber der 3R... Referenzzigarette sowie die Durchschnitts-Reduktionen in den R.-58, R.-12 und den WHO-39 priority constituents sind berechnet.

Die belangte Behörde hat auf Basis ganz ähnlicher Antragsunterlagen EHTP in Österreich bereits zugelassen; warum nunmehr eine Vielzahl weiterer Unterlagen und wissenschaftlicher Studien erforderlich sein sollen, die im Hinblick auf deren Umfang und Detaillierungsgrad weit darüber hinausgehen, was in anderen europäischen und außereuropäischen Staaten (zB von der US FDA) verlangt wurde, bleibt für die Beschwerdeführerin unerfindlich.

Keine Relevanz von Teer:

Für die Beschwerdeführerin ist auch nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde der von ihr als Mindestkatalog herangezogenen Liste der WHO als weitere Substanz Teer (nicotine-free dry particulate matter, NFDPM) hinzugefügt hat. Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang ohne nähere Ausführungen auf § 10a Abs 2 Z 2 TNRSG iVm § 8 TNRSG und meint, eine Pflicht zur Vorlage von Emissionsmessungen zu Teer ergebe sich aus diesen Regelungen.

Als "Teer" wird das Gesamtgewicht der Rückstände von durch Verbrennung erzeugten Zigarettenrauch ohne Nikotin und Wasser bezeichnet. „Teer“ wird daher wissenschaftlich als "nicotine-free total dry particulate matter" (NFDPM) bezeichnet. Dieser Begriff passt allerdings nicht auf EHTP-Aerosole, weil sich diese von Zigarettenrauch fundamental unterscheiden und insbesondere keine festen Stoffe enthalten und eine weitaus weniger komplexe chemische Zusammensetzung als Zigarettenrauch haben. Das beim Konsum von EHTP entstehende Aerosol besteht hauptsächlich aus flüssigen und gasförmigen Bestandteilen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zusammensetzung kann Teer nicht als aussagekräftige Messgröße für die Aerosolbewertung herangezogen werden und wird von der Beschwerdeführerin daher für das antragsgegenständliche Produkt nicht erhoben. Warum die belangte Behörde nach Werten für Teer fragt, ist also bereits auf einer sachlichen Ebene nicht nachvollziehbar.

Aber auch die von der belangten Behörde für die Relevanz von Teer im Rahmen des Zulassungsverfahrens genannte rechtliche Begründung ist für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde bezieht sich auf § 8 TNRSG, der Meldepflichten regelt und in Abs 1 auf die §§ 4b Abs 1 und 4c TNRSG verweist. Letztgenannte Regelungen enthalten bloß Bestimmungen für Messverfahren und betreffen keine Emissionswerte. Abgesehen davon kann die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen über Emissionen nur für jene Emissionen gelten, für welche gesetzliche Höchstwerte festgelegt sind, wie dies nach § 4 Abs 1 TNRSG bei Zigaretten, nicht aber bei neuartigen Tabakerzeugnissen wie EHTP der Fall ist (dazu sogleich).

Es bleibt somit sowohl der Sache nach als auch rechtlich unerfindlich, warum die belangte Behörde den WHO-Katalog um Teer erweitert hat.

Zusammenfassend liegt eine Säumnis der belangten Behörde nicht nur bereits deshalb vor, weil sie den Verbesserungsauftrag zu spät erteilt hat, sondern auch, weil dieser inhaltlich unzulässig ist: Die Forderungen der belangten Behörde sind gesetzlich nicht gedeckt, weshalb sie auch mit dem Verbesserungsauftrag - selbst wenn dieser rechtzeitig erfolgt wäre - das Verfahren schuldhaft verzögert hat. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren alle Unterlagen (wie sie von der belangten Behörde in den bisherigen positiv entschiedenen Zulassungsverfahren bereits als ausreichend bewertet wurden) vorgelegt. Ihr ist daher kein Verschulden an der Verzögerung anzulasten.

4.3. Diese Verzögerung hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin

a. Die schuldhafte Säumnis der belangten Behörde hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin bringt in regelmäßigen Abständen neue Produkte bzw Produktvarianten auf den Markt. Das hier gegenständliche Produkt ist bereits in Spanien am Markt, der Markteintritt in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten steht unmittelbar bevor. Die überlange Verfahrensdauer führt zu beträchtlichen Verzögerungen beim Markteintritt in Österreich. Infolge des jahrelangen Zulassungsverfahrens kommt es zu einem „Hinterherhinken“ der in Österreich und in den übrigen EU-Mitgliedstaaten vertriebenen Produkte und müssen eigens für Österreich noch eine ältere Generation des Produkts hergestellt werden. Dies ist für die Beschwerdeführerin, welche für den Markteintritt von B. bereits jetzt erhebliche Investitionen getätigt hat, mit erhöhten Produktions- und Logistik-Aufwendungen verbunden und daher wirtschaftlich äußerst nachteilig. All dies wäre vermeidbar gewesen, hätte die belangte Behörde binnen der gesetzlichen Entscheidungsfrist über den Zulassungsantrag stattgebend entschieden.

5. BESCHWERDEANTRÄGE

Aus allen genannten Gründen stellt die Beschwerdeführerin den Antrag,

das Landesverwaltungsgericht Wien möge der Beschwerde Folge geben und über den verfahrenseinleitenden Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses gemäß § 10a TNRSG und der NTZulV, nämlich des Tabakerzeugnisses Elektrisch Erhitztes Tabakerzeugnis (EHTP), kommerzialisiert unter dem Markennamen „B.“, in der Sache selbst entscheiden und in Stattgebung dieses Antrags das Tabakerzeugnisses Elektrisch Erhitztes Tabakerzeugnis (EHTP) kommerzialisiert unter dem Markennamen „B.“ in den Varianten 1. B. G., 2. B. H., 3. B. I., 4. B. J., 5. B. K., 6. B. L., und 7. B. M. zulassen.“

Im Zuge der Vorlage der Säumnisbeschwerde gab die belangte Partei nachfolgende Stellungnahme ab:

„Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz legt die Säumnisbeschwerde der A. GmbH vom 5. April 2022 (ho. eingelangt am 6.April 2022), vertreten durch die X. Rechtsanwälte GmbH (in der Folge X.), betreffend den Antrag vom 15. September 2021 auf Zulassung von 6 Varianten eines neuartigen Tabakerzeugnisses (EHTP/B.-Tabaksticks) gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG zur weiteren do. Entscheidung vor.

Die Verfahrensakten samt Beilagen liegen nebst einem Aktenverzeichnis dieser Erledigung bei. Unter einem ergeht mit gegenständlichem ho. Schreiben eine bezugnehmende Stellungnahme/BMSGPK mit entsprechender Hintergrundinformation und einer ho. Bewertung zum Verfahren. Angesichts des Umfanges der dem Antrag vom 15. September 2021 zuliegenden fachlichen Unterlagen, Produktbeschreibungen, Studien u.dgl. (über tausend Seiten) wird davon abgesehen diese in Papierform dem Gericht vorzulegen. Diese Unterlagen sind unter dem Cloud-Zugang https://... (Passwort ...) jederzeit abrufbar.

(…)

III. Hintergrund und Verfahren

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

III.1.  Mit verfahrenseinleitenden Antrag vom 15. September 2021 begehrte die (nunmehrige) Beschwerdeführerin die Zulassung folgender neuartiger Tabakerzeugnisse gem. § 10a TNRSG:

        B. G.

        B. M.

        B. K.

        B. L.

        B. H.

        B. I.

III.2.  In dem über diesen Antrag eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurde die Zulassungswerberin - nach fachlicher Beurteilung der Antragsunterlagen durch das Tabak- Büro der AGES gem. § 5 Abs. 7 der Verordnung hinsichtlich der Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse - NTZulV, BGBl. II Nr. 42/2017, mit ho. Schreiben vom 3. März 2022, GZ 2021-...4, auf ihre Mitwirkungspflicht hingewiesen und der Auftrag erteilt nachstehend genannte Unterlagen, die zur Beurteilung des Antrages erforderlich sind, unter Fristsetzung (14.3.2022) nachzureichen, zugleich wurde angesichts des unter der GZ VGW-101/042/12268/2021 anhängigen und zur Entscheidung anstehenden Verfahrens, die Beantragung einer Fristerstreckung für zulässig erklärt:

Ausführungen im Schreiben vom 3. März 2022

„II.1. Grundsätzliche Feststellungen:

        Werden mit einem Antrag auf Zulassung mehrere Varianten eines Produktes zur Zulassung beantragt, gilt jede Variante als gesondert zuzulassendes Produkt und sind folglich alle Unterlagen für jede Produktvariante gesondert beizubringen (Arg. in § 10a Abs. 4 TNRSG, „Die Zulassung ist zu erteilen, wenn den jeweils geltenden Vorschriften für das betroffene neuartige Tabakerzeugnis entsprochen wird."

        Die zur Zulassung beantragten B.-Tabakstick Produkte*) unterscheiden sich hinsichtlich ihres Aufbaus (siehe Schreiben der Antragstellerin zum Antrag vom 15.9.21, Seite 3, Abb. 2) der Zusammensetzung (siehe Anlage 6 des Antrags) sowie der Funktionsweise (ein anderes THD-Erhitzungsgerät) wird benötigt) maßgeblich von bereits zugelassenen E.-Tabakstick Produkten. Folglich können jegliche Daten, die zu E. Produkten oder zum E. Referenzprodukt EHTP P./Q. (D. 2.2) mit gegenständlichem Antrag übermittelt wurden, für eine Bewertung der (nunmehr verfahrensgegenständlichen) B. Produkte*) nicht herangezogen werden.

Anders als bei E. Produkten enthalten B. Produkte*) einen Suszeptor, der laut übermittelten Unterlagen (Anlage: „susceptor_D.") zur Hitzeübermittlung und zur Bildung des Aerosols dient. Laut den Unterlagen besteht der Suszeptor aus mit rostfreiem Stahl überzogenen Metallschichten. Die genaue Zusammensetzung des Suszeptors wurde nicht angegeben. Für eine Beurteilung der Produkte*) fehlen daher diese Informationen sowie etwaige Emissionsmesswerte zu den im Suszeptor enthaltenen Materialien.

Es wurden einige Daten (beispielsweise Emissionsmesswerte und toxikologische Tests) zu einem B. Referenzprodukt „D. 3.0" übermittelt. Die genaue Zusammensetzung der bei diesen Untersuchungen getesteten B.-Tabaksticks wurde jedoch nicht bekannt gegeben. „D. 3.0" wurde nicht zur Zulassung beantragt, daher sind Daten zu „D. 3.0"für den gegenständlichen Zulassungsantrag nicht relevant.

Das für eine Beurteilung benötigte Mindestmaß an Emissionsmesswerten und toxikologischen Tests zu jedem Produkt*) liegt nicht vor.

II.2.   Folgende Unterlagen sind daher zur Beurteilung des Antrages erforderlich:

1.       Suszeptor - Bestandteile und Emissionsmessungen

Die genaue Zusammensetzung des Suszeptors ist nicht bekannt. Folgende Informationen sind daher zu übermitteln:

1.1.    Angaben zur genauen Zusammensetzung des Suszeptors (Listung aller enthaltenen Metalle und anderer Inhaltsstoffe inklusive deren im Suszeptor enthaltenen Mengen)

1.2.    Emissionsmesswerte zu allen im Suszeptor enthaltenen Materialien (Metalle und andere Inhaltsstoffe), entsprechend Punkt 3.

Anmerkungen zu 1:

Gemäß § 10a Abs. 2 Z2 TNRSG iVm § 8 Abs. 1Z1 TNRSG ist eine Liste aller bei der Herstellung der Produkte*) verwendeten Inhaltsstoffe und ihrer Mengen, in absteigender Reihenfolge in Bezug auf das Gewicht jedes Inhaltsstoffs der Produkte*) vorzulegen.

Gemäß § 10a Abs. 2Z2 TNRSG iHa. § 10a Abs. 3, 2. Satz TNRSG iVm § 5 Abs. 7 NTZulV sind dem Stand der Technik entsprechende Daten zu Emissionen zu jedem Produkt*) bereitzustellen.

2.       Toxikologische Tests

Für jedes Produkt, welches über Inhalation konsumiert wird, und daher für jedes einzelne Produkt*) sind die beim Gebrauch entstehenden Emissionen toxikologischen Tests zu unterziehen.

Mindestumfang der zu übermittelnden Studien:

2.1.    Zytotoxizitätstest (entsprechend der Health Canada Richtlinie T-502 oder einer äquivalenten Richtlinie)

2.2.    Bakterieller Rückmutationstest (entsprechend der OECD Richtlinie 471, der Health Canada Richtlinie T-501 oder einer äquivalenten Richtlinie)

2.3. in vitro Genmutationstest oder Chromosomenaberrationstest an Säugerzellen (entsprechend der Richtlinien OECD 476; OECD 490; OECD 487; Health Canada T-503 odereiner äquivalenten Richtlinie)

Folgende Kriterien müssen für die oben genannten toxikologischen Studien erfüllt sein, damit sie für eine gesundheitliche Bewertung herangezogen werden können:

   Die Tests wurden entsprechend international anerkannten Richtlinien durchgeführt (beispielsweise entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 440/2008, OECD Richtlinien etc.).

   Die Tests wurden für jedes einzelne Produkt*) sowie für die Referenzzigarette 3R... (oder 1R...) durchgeführt.

   Die Tests wurden jeweils in mehreren technischen und biologischen Replikaten durchgeführt um valide statistische Auswertungen zu ermöglichen.

   Vollständige Studienberichte stehen zur Verfügung.

   Die Studienberichte enthalten die Resultate sowie dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechende statistische Analysen dieser.

   Die Studienberichte enthalten statistische Vergleiche der relevanten Werte jedes einzelnen Produktes*) mit jenen der Referenzzigarette.

Anmerkungen zu 2:

Gemäß § 10a Abs. 2Z3 TNRSG iHa. § 10a Abs. 3, 2. Satz TNRSG iVm § 5 Abs. 7 NTZulV sind dem Stand der Technik entsprechende wissenschaftliche Studien zu jedem Produkt*) bereitzustellen.

3.       Emissionsmesswerte zu jedem Produkt*)

Für jedes Produkt, welches über Inhalation konsumiert wird, und daher für jedes einzelne Produkt*) sind Emissionsmessungen mit dem Mindestumfang der in Tabelle 1 aufgelisteten Parameter durchzuführen. Für die einzelnen Produkte*) sind zusätzlich Emissionsmesswerte zu den im Suszeptor enthaltenen Materialien (Metalle und andere Inhaltsstoffe) zu übermitteln (siehe Punkt 1).

Folgende Daten sind unter Angabe der verwendeten Methode in Excel-Format vorzulegen:

3.1.    Emissionsmesswerte jedes einzelnen Produkts*), mit dem Mindestumfang der in Tabelle 1 aufgelisteten Parameter.

3.2.    Emissionsmesswerte jedes einzelnen Produkts*), zu den im Suszeptor enthaltenen Materialien (Metalle und andere Inhaltsstoffe) (siehe Punkt 1).

3.3.    Darstellung aller Emissionsmesswerte der einzelnen Produkte*) vergleichend zu den Emissionsmesswerten einer Referenzzigarette (beispielsweise 3R... oder 1R...)

o als tatsächliche Werte der Emissionen pro Produkteinheit (z.B. Stick) o bezogen auf den Nikotingehalt in den Emissionen unter Angabe mindestens folgender Informationen

   Mittelwert

   Standardabweichung

   Stichprobenumfang (n) (die Datensätze zu jeder einzelnen Produkte*) sowie der Referenzzigarette 3R... oder 1R... haben aus mehreren vollkommen unabhängig durchgeführten Messungen/Stichproben zu bestehen)

   Vergleich der Werte der Produkte*) zu jenen der Standardzigarette 3R... oder 1R... hinsichtlich der REDUKTION bzw. ERHÖHUNG von Emissionen in %.

Tabelle 1: Mindestumfang der benötigten Parameter der Emissionsmessungen für die gesundheitliche Bewertung eines Tabakerhitzungsproduktes.

Alkaloide

Nicotin2)

 

Aldehyde

Acetaldehyd

 

• Acrolein

 

 

Butyraldehyd

Crotonaldehyd

• Formaldehyd

• Propionaldehyd

Aromatische Amine

1-Aminonaphthalen

2-Aminonaphthalen

• 3-Aminobiphenyl

4-Aminobiphenyl

Kohlenwasserstoffe

1,3-Butadien

• Benzen

• Isopren

Toluen

PAK

• Benzo[a]pyren

TSNA

N'-Nitrosonornicotin (NNN)

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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