TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/23 95/05/0181

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Veröffentlicht am 23.01.1996
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1992/034;
BauO Wr §5 Abs6 lita idF 1976/018;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Dkfm. I in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995, Zl. MD-VfR - B XIV - 6/95, betreffend Parteistellung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei:

K & M Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist zu 546/622 Anteilen Miteigentümerin des Grundstückes Nr. n/2, Garten, mit 1051 m2, in Wien XIV., C-Straße 3, inneliegend der Liegenschaft EZ 380, Katastralgemeinde H. Dieses Grundstück wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei vom 15. Juli 1993 infolge der Grundabteilung zur Bauplatzbeschaffung, welche mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 2. Dezember 1993 bewilligt worden ist, entsprechend dem Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.-Ing. W vom 18. Juni 1993, GZ. 12.541/A/93, als Bauplatz B geschaffen. Die grundbücherliche Durchführung dieses Teilungsplanes wurde vom Bezirksgericht Hietzing mit Beschluß vom 4. Februar 1994, GZ. 523/94, bewilligt. An der Ostseite grenzt dieses Grundstück über eine Länge von rund 28 m an das Grundstück Nr. 181 bzw. das Grundstück Nr. 27/3, je KG H. Die Südseite dieses Grundstückes ist rund 34 m lang und liegt an der C-Straße. Die Westseite dieses Grundstückes ist rund 29 m lang. Die Grundstücksgrenze bildet die Baulinie zur westlich angrenzenden S-Straße, welche ihrerseits im Süden in die C-Straße mündet. An die rund 42 m lange Nordseite dieses Grundstückes schließt das Grundstück Nr. n/1, welches auf Grund des erwähnten Teilungsplanes des Dipl.-Ing. W vom 18. Juni 1993 ebenso wie das Grundstück Nr. n/2 neu geschaffen wurde. Die Nordwestecke des Grundstückes Nr. n/2 bildet einen Winkel von rund 73 Grad.

An der Westseite der 12 m breiten S-Straße liegt an der Kreuzung zur B-Gasse (Verlängerung der C-Straße) das Grundstück Nr. 25/9 über eine Länge von ca. 26 m, an welches nördlich das Grundstück Nr. 25/8 der Beschwerdeführerin grenzt, welches ebenfalls an der S-Straße liegt. Eine von der Westgrenze des Grundstückes Nr. n/2 (Baulinie) über die Schubertstraße gelegte Senkrechte berührt von den gegenüberliegenden Grundstücken nur das Grundstück Nr. 25/9, nicht jedoch das Grundstück Nr. 25/8 der Beschwerdeführerin.

Auf dem Grundstück Nr. n/2 ist an dessen Ost- und Südseite ein Gebäude in der Größe von 18,85 m x 18,33 m mit einem 2,50 m x 6,59 m großen Vorbau an der Westseite errichtet. Schon mit Antrag vom 8. Juni 1993 ersuchte die mitbeteiligte Partei laut vorgelegten Plänen um die Bewilligung zur baulichen Abänderung dieses Gebäudes, derzufolge die Räume der Gaststätte im Keller- und Erdgeschoß aufgelassen und das Erdgeschoß zu Wohnungen umgebaut werden soll. Im Kellergeschoß werden Nebenräume angeordnet, in allen Geschoßen wird die Raumeinteilung abgeändert. Im Dachgeschoß werden teilweise vorhandene Einzelzimmer aufgelassen und zwei Wohnungen eingebaut. Im gesamten Gebäude, das nunmehr ein reines Wohnhaus werden soll, sind im Erdgeschoß, 1. Stock und Dachgeschoß insgesamt sechs Wohnungen vorgesehen. Die Beheizung wird mittels Etagenheizungen erfolgen. Die Hauskanalanlage wird erweitert. Im 1. Stock wird straßenseitig ein 13 m langer Balkon hergestellt, an der Westseite wird das Dach des vorspringenden Erdgeschoßteiles als Terrasse ausgebildet. Im Kellergeschoß werden in der Feuermauer an der östlichen Grundgrenze drei Fensteröffnungen hergestellt. An der Baulinie in der F-S-Straße wird eine Einfahrtsöffnung hergestellt und dahinter ein offener Einstellplatz mit drei Stellplätzen errichtet.

In der am 18. Mai 1994 durchgeführten mündlichen Bauverhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der Parteistellung, "da mein Grundstück dem Bauvorhaben im Sinne des § 134 Abs. 3 BO gegenüberliegt. Das Bauvorhaben wurde ohne Bewilligung bereits errichtet. Durch eine Grundteilung während des Verfahrens und nach Durchführung des Baues kann in Nachbarrechte nicht eingegriffen werden". In der Folge erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen gemäß § 134a Bauordnung für Wien.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 16. Jänner 1995 wurde der mitbeteiligten Partei antragsgemäß die Baubewilligung unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 11. Jänner 1995, womit die Abweichung von Bebauungsvorschriften bewilligt worden ist, erteilt. Die von der Beschwerdeführerin bei der Bauverhandlung vorgebrachten Einwendungen wurden ebenso als unzulässig zurückgewiesen wie der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im gegenständlichen Bewilligungsverfahren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995 wurde infolge Berufung der Beschwerdeführerin der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG "mit der Abänderung bestätigt, daß der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im gegenständlichen Bewilligungsverfahren abgewiesen wird". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem Sinn des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien seien mit einer "gegenüberliegenden Liegenschaft" nur solche anzusehen, die von einer vom Bauplatz B zu denkenden Normalen auf die Baulinie an der F-S-Straße getroffen werden. Bauplatz B liege an der gesamten Front der F-S-Straße ausschließlich dem Grundstück Nr. 25/9, nicht jedoch dem Grundstück der Beschwerdeführerin gegenüber. Nicht einmal die gedachte Verlängerung der nördlichen Grundgrenze des Bauplatzes B, die mit der Baulinie an der F-S-Straße keinen rechten Winkel einhalte, würde die Liegenschaft der Beschwerdeführerin an der Baulinie treffen. Da die Liegenschaft der Beschwerdeführerin somit keine benachbarte Liegenschaft im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien sei, habe die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung erwerben können.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Zuerkennung der Parteistellung als Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der Fassung der am 1. Oktober 1992 in Kraft getretenen Bauordnungsnovelle LGBl. 34/1992 (BO)sind im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder nur durch Fahnen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Gebäude oder der geplanten baulichen Anlage liegen.

Das Grundstück Nr. n/2, KG H, der mitbeteiligten Partei, auf welches sich das hier zu beurteilende Bauansuchen bezieht, liegt im Wohngebiet, Bauklasse I. Die S-Straße ist 12 m breit.

Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerde aus, ihr komme deshalb als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 25/8, KG H, im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu, weil der geplante Bau durchaus in der Lage sei, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte zu berühren. § 134 Abs. 3 BO enthalte keine ausdrückliche Bestimmung, daß im Fall einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche die benachbarte Liegenschaft der zu bebauenden Liegenschaft "direkt" gegenüberliegen müsse. Daraus ergebe sich die Absicht des Gesetzgebers, grundsätzlich auch schräg gegenüberliegende Liegenschaften unter den Begriff der benachbarten Liegenschaften zu subsumieren. Eine "rechtwinkelige Betrachtungsweise", wie sie von der belangten Behörde vorgenommen worden sei, könne dieser Bestimmung nicht entnommen werden. Nicht nur aus dem Sprachgebrauch, sondern auch auf Grund teleologischer Interpretation ergebe sich die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung. Der Gesetzgeber habe eine Einschränkung der Parteistellung der Nachbarn erreichen wollen. Eine weitere Einschränkung, wie sie von der Behörde vorgenommen worden sei, daß nur dann Parteistellung vorliege, wenn die gegenüberliegende Liegenschaft bei gedachter Verlängerung der Grundgrenzen des zu bebauenden Grundstückes mit dieser eine gemeinsame Grenze aufweisen würde, enthalte das Gesetz nicht. Der Gesetzeszweck stelle eindeutig die Beeinträchtigung von Rechten durch die Bauführung in den Vordergrund, nicht dagegen die bloße Grundgrenzziehung.

Nach der vor der Novelle LGBl. 34/1992 geltenden Rechtslage war die Parteistellung für Eigentümer benachbarter Liegenschaften schon dann gegeben, wenn eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte durch ein Bauvorhaben bloß denkbar war. Mit der durch die BO-Novelle LGBl. 34/1992 im § 134 Abs. 3 gewählten Umschreibung der benachbarten Liegenschaften wurde somit im Ergebnis gegenüber der bisherigen Rechtslage in Verbindung mit der hiezu ergangenen

hg. Rechtsprechung ein wesentlich eingeschränkter Nachbarbegriff normiert (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 26 f).

Im vorliegenden Fall ist in diesem Zusammenhang nur strittig, ob das Grundstück Nr. 25/8, KG H, der Beschwerdeführerin dem zu bebauenden Grundstück der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 134 Abs. 3 BO "gegenüberliegt". Dem Gesetzestext selbst ist unmittelbar nicht zu entnehmen, welche Bedeutung dem Tatbestandsmerkmal "gegenüberliegen" zukommt; die Erläuternden Bemerkungen führen hiezu aus, daß hier "nur die senkrecht auf die Baulinie gegenüberliegenden Liegenschaften als berührt" gelten (siehe die bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 2. Auflage, Seite 587 f, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 34/1992 in bezug auf § 134 Abs. 3 BO). Der Zweck der Neuregelung des § 134 Abs. 3 BO wird in den Erläuternden Bemerkungen wie folgt umschrieben:

"Diese Lösung wurde gewählt, da im Baubewilligungsverfahren die Parteistellung auf jene Nachbarn beschränkt sein sollte, deren Interessen bei einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst und seiner bestimmungsgemäßen Verwendung ausgehenden Gefahren und Belästigungen betroffen werden. Es muß in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, daß es im Bauverfahren bloß auf die Wahrung baurechtlicher, nicht aber sonstiger, insbesondere im gewerberechtlichen Verfahren zu berücksichtigender Interessen ankommt. Es ist Aufgabe anderer Rechtsvorschriften, Immissionen aus dem Gebäude für einen weiteren Nachbarkreis zu regeln. In diesen gesetzlichen Regelungen (vgl. z.B. Gewerbeordnung, Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen) ist der Nachbarbegriff weiter gefaßt. Die vorliegende Lösung soll damit auch der Beschleunigung der Bauverfahren dienen.

Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber den zunächst betroffenen Nachbarn eine stärkere Rechtsposition einräumt, als den Eigentümern weiter weg gelegener Liegenschaften. Vom Verfassungsgerichtshof wurde eine derartige Regelung in der Salzburger Bauordnung für verfassungskonform erklärt (VfGH vom 21.3.1986, B 179/84)."

Vor dem Hintergrund der somit aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 134 Abs. 3 BO hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers, die Parteistellung auf jene Nachbarn zu beschränken, deren Interessen bei der Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst und seiner bestimmungsgemäßen Verwendung ausgehenden Gefahren und Belästigungen betroffen werden, um damit auch eine Beschleunigung der Bauverfahren zu bewirken, können unter gegenüberliegenden Liegenschaften im Sinne des § 134 Abs. 3 BO nur solche verstanden werden, die durch eine von der Baulinie des zu bebauenden Grundstückes gedachte senkrechte Linie berührt werden. Jede andere Auslegung des Tatbestandsmerkmales "gegenüberliegend", insbesonders auch die Einbeziehung von schräg gegenüberliegenden Liegeschaften - wie dies die Beschwerdeführerin fordert - würde dem gesetzgeberischen Willen widersprechen und zu nicht vertretbaren Ergebnissen führen. Aus der im § 134 Abs. 3 BO gewählten Formulierung "benachbarte Liegenschaften sind ... jene, die ... der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen" folgt, daß Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine Liegenschaft gegenüberliegt, das zu bebauende Grundstück und damit dessen Baulinie ist. Aus diesen Gründen erweist sich somit die Rechtsansicht der belangten Behörde im Ergebnis als richtig.

Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050181.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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