TE Vfgh Beschluss 1993/11/30 WI-15/93

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Veröffentlicht am 30.11.1993
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 litb
B-VG Art144 Abs3
Innsbrucker WahlO 1975 §63 Abs2
VfGG §67 Abs2
VfGG §68 Abs1
VfGG §82 Abs1
VfGG §87 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung der Anfechtung der Wahl eines Bürgermeister-Stellvertreters als verspätet; vierwöchige Frist zur Einbringung einer Wahlanfechtung im Gegensatz zur sechswöchigen Beschwerdefrist; Einbringung der Anfechtung nur von einem Mitglied des Gemeinderates; Anfechtungsgegenstand kein Bescheid iSd Art144 B-VG; Zurückweisung des Abtretungsantrags

Spruch

Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Am 22. Feber 1993 verzichtete der erste Bürgermeister-Stellvertreter der Landeshauptstadt Innsbruck, Dipl.-Vw. Michael Passer, auf sein Amt. Am 25. März 1993 wählte der Innsbrucker Gemeinderat Dr. Bruno Wallnöfer gemäß §62 Abs2 der Innsbrucker Wahlordnung 1975 (IWO) zum ersten Bürgermeister-Stellvertreter.

1.2. Diese Wahl focht Dr. G G, ein Mitglied des Gemeinderates, nach §63 Abs2 IWO bei der Landesregierung an.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1993, der "für die Landesregierung" gezeichnet ist, wird ausgesprochen, daß die Landesregierung als überörtliche Wahlbehörde diese Wahlanfechtung abweist.

1.3. Dagegen wendet sich Dr. G G (nur) mit einer auf Art144 B-VG gestützten und als Beschwerde bezeichneten Eingabe, die sich - da der Bescheid vom 5. Juli 1993 lediglich ein Teilakt des Wahlverfahrens selbst ist - der Sache nach als Wahlanfechtung nach Art141 B-VG darstellt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß Art141 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde (Gemeindevorstand, §67 Abs1 VerfGG 1953), so auch in den Stadtsenat (Art117 Abs1 litb B-VG) und somit auch über die Anfechtung der Wahl einzelner Mitglieder des Stadtsenates (VfSlg. 12946/1991), wie hier eines Bürgermeister-Stellvertreters (vgl. VfSlg. 8447/1978). Eine solche Anfechtung bedarf gemäß §67 Abs2 Satz 1 VerfGG 1953 eines Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung (das sind hier, da der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck 40 Mitglieder hat (§1 Abs2 Satz 1 IWO), vier Mitglieder), mindestens aber zweier Mitglieder.

Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.

Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck beim Verfassungsgerichtshof ausschließenden Instanzenzug richtet §63 Abs2 IWO ein. Danach kann jedes Mitglied des Gemeinderates die Wahl binnen zwei Wochen schriftlich bei der Landesregierung anfechten.

2.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Frist zur Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof ist somit die Zustellung des Bescheides der Landesregierung gemäß §63 Abs2 IWO.

Nach den Ausführungen in der Anfechtungsschrift ("Beschwerde") wurde dieser Bescheid am 14. Juli 1993 zugestellt. Die vierwöchige Frist des §68 Abs1 VerfGG 1953 endete somit am 11. August 1993.

2.3. Die vorliegende, am 25. August 1993 zur Post gegebene Wahlanfechtung erweist sich damit als verspätet (vgl. VfSlg. 12537/1990). Dazu kommt, daß sie nicht, wie §67 Abs2 Satz 1 VerfGG 1953 fordert, von vier Mitgliedern, sondern nur von einem Mitglied des Gemeinderates eingebracht wurde (vgl. VfGH 15.6.1992 WI-17/91).

2.4. Nun behauptet der Anfechtungswerber, der Bescheid sei nicht von der Tiroler Landesregierung als Kollegialorgan gefaßt worden. Daraus kann jedoch nicht, wie dies der Anfechtungswerber ohne weitere Begründung tut, abgeleitet werden, daß die Wahl auch durch nur ein Mitglied der Gemeindevertretung beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden kann, ebensowenig, daß es sich etwa um einen Bescheid iSd Art144 Abs1 B-VG handeln würde, für dessen Anfechtung eine sechswöchige Beschwerdefrist zur Verfügung steht (§82 Abs1 VerfGG 1953). Selbst wenn die behauptete Rechtswidrigkeit vorläge, könnte dies der angefochtenen Erledigung nicht den Charakter eines Bescheides iSd §68 Abs1 VerfGG 1953 nehmen, der nur im Rahmen einer Wahlanfechtung gemäß Art141 B-VG bekämpft werden kann.

2.5. Der Antrag auf Abtretung der "Beschwerde" an den Verwaltungsgerichtshof mußte zurückgewiesen werden, weil Art144 Abs3 B-VG (vgl. §87 Abs3 VerfGG 1953) nur die Abtretung einer Beschwerde, nicht aber einer Wahlanfechtung vorsieht.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Fristen, VfGH / Bescheid, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Bürgermeister, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:WI15.1993

Dokumentnummer

JFT_10068870_93W0I015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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