TE Vfgh Beschluss 2022/6/13 V100/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2022
beobachten
merken

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
1. Novelle zur 3. COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 456/2021
VfGG §7 Abs2
  1. B-VG Art. 139 heute
  2. B-VG Art. 139 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 139 gültig von 30.11.1996 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 659/1996
  6. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.1991 bis 29.11.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  7. B-VG Art. 139 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 139 gültig von 21.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  9. B-VG Art. 139 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  10. B-VG Art. 139 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Novellierung mangels Anfechtung der Stammfassung der 3. COVID-19-SchutzmaßnahmenV

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller mit seinem am 9. Februar 2022 eingebrachten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die "Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 02.11.2021, BGBl II. Nr 456/2021, mit der die 3. COVID-19-Maßnahmeverordnung (3. COVID-19-MV) geändert wird (1. Novelle zur 3. COVID-19- Maßnahmenverordnung) zur Gänze, in eventu die Wortfolge 'und litc entfallen' in Punkt 1. der genannten Verordnung" als "verfassungswidrig (und gesetzwidrig)" aufheben.

II. Rechtslage

Die bekämpfte Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung (3. COVID-19-MV) geändert wird (1. Novelle zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung), BGBl II 456/2021, lautet:

"Auf Grund der §§3 Abs1, 4 Abs1, 4a Abs1 und 5 Abs1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 183/2021, wird verordnet:

Die Verordnung betreffend Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen werden (3. COVID-19-Maßnahmenverordnung – 3. COVID-19-MV), BGBl II Nr 441/2021, wird wie folgt geändert:

1.  In §1 Abs2 Z4 wird der lita das Wort 'oder' angefügt; die litb und c entfallen und litd erhält die Literabezeichnung 'b)'.

2.  §1 Abs2 Schlussteil entfällt.

3.  In §5 Abs2 wird die Wort- und Zeichenfolge '2,5G-Nachweis' durch die Wort- und Zeichenfolge '2G-Nachweis' ersetzt.

4.  Nach §9 Abs1 werden folgende Abs1a und 1b eingefügt:

'(1a) Arbeitnehmer, Inhaber und Betreiber von Betriebsstätten gemäß §5 Abs2 dürfen diese nur betreten, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen. Kann ein solcher nicht vorgewiesen werden, ist ein Nachweis einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf, vorzuweisen und bei unmittelbarem Kundenkontakt eine Maske zu tragen.

(1b) Abs1a gilt sinngemäß auch für Zusammenkünfte gemäß §12 Abs3 Z2 litb.'

5. §12 Abs3 Z2 lautet:

'2. Der für eine Zusammenkunft Verantwortliche darf die Teilnehmer nur einlassen, wenn sie

a)  bei Zusammenkünften mit ausschließlich zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen einen 3G-Nachweis und

b)  bei Zusammenkünften mit nicht ausschließlich zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen, wie beispielsweise Hochzeits-, Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern, einen 2G-Nachweis

vorweisen.'

6. §12 Abs8 zweiter Satz lautet:

'Sofern auch die Voraussetzungen der §§4 bis 8 erfüllt sind, gilt hinsichtlich des Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr die jeweils strengere Regel.'

7. In §13 wird nach dem Wort 'sinngemäß' die Wort- und Zeichenfolge 'mit der Maßgabe, dass der für die Zusammenkunft Verantwortliche die Teilnehmer auch einlassen darf, wenn sie einen 3G-Nachweis vorweisen' angefügt.

8. Dem §19 wird folgender Abs11 angefügt:

'(11) Die Verpflichtung zur Vorlage eines 2G-Nachweises gilt nicht für Personen, die über keinen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z2 lita oder b verfügen und nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können. In solchen Fällen ist ein Nachweis einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf, vorzuweisen.'

9. In §20 Abs2 wird nach dem Wort 'Ausnahmegrund' die Wort- und Zeichenfolge 'gemäß §19 Abs11 und die Ausnahmegründe' eingefügt.

10. Dem §23 werden folgende Abs6 und 7 angefügt:

'(6) Zusammenkünfte gemäß §12 Abs3 gelten als bewilligt, wenn bereits vor Inkrafttreten der Verordnung BGBl II Nr 456/2021 eine Bewilligung vorlag und die Voraussetzungen des §12 Abs3 Z2 eingehalten werden.

(7) §1 Abs2, §5 Abs2, §9 Abs1a und 1b, §12 Abs3 Z2 und Abs8, §13, §19 Abs11, §20 Abs2 und §23 Abs6 in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 456/2021 treten am 8. November 2021 in Kraft."

III. Antragsvorbringen

Der Antragsteller bringt zur Zulässigkeit seines Antrages zusammengefasst vor, dass am 15. September 2021 bei ihm ein Anti-SARS-COV-2-IgG-Test durchgeführt worden sei, mit dem Antikörper festgestellt worden seien. Auch bei einer Wiederholung des Tests am 31. Jänner 2022 seien wiederum Antikörper festgestellt worden. Es sei daher weiterhin von einer Immunität gegenüber SARS-COV-2 auszugehen. Durch den Entfall der litc in §1 Abs2 Z4 der 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung würde ein "Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage ist“ nicht mehr als "3G-Nachweis“ gelten.

Durch diese Einschränkung sei es dem Antragsteller seither nicht mehr möglich, Seil- und Zahnradbahnen im Sinne des §3 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetzes, Reisebusse und Ausflugsschiffe im Gelegenheitsverkehr im Sinne des §3 Abs3 leg cit, körpernahe Dienstleistungen im Sinne des §4 Abs3 leg cit, Betriebsstätten im Sinne des §5 Abs1 leg cit, Beherbergungsbetriebe im Sinne des §6 Abs2 leg cit, Sportstätten im Sinne des §7 Abs2 leg cit sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen im Sinne des §8 Abs2 leg cit zu betreten. Durch die bekämpfte Verordnung werde dem Antragsteller das Betreten öffentlicher Orte sohin grundsätzlich untersagt und insoferne in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen, als das Verbot des Betretens öffentlicher Orte zur Folge habe, dass der Antragsteller seinen Aufenthaltsort nicht mehr nach eigenem Gutdünken ändern könne. Für den Fall des Zuwiderhandelns seien Verwaltungsstrafen bis zu € 1.450,- vorgesehen.

Durch die Verordnung werde sohin massiv in die verfassungsrechtlich gewährleisten subjektiven Rechte des Antragstellers auf persönliche Freiheit (Art1 Abs1 PersFrBVG), Freizügigkeit (Art4, 6 StGG; Art2 Abs1 4. ZPEMRK) sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) eingegriffen.

Die dargelegten Eingriffe in die Rechtssphäre des Antragstellers würden aktuell, nicht bloß potentiell, vorliegen, weil das Betretungsverbot zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft sei, der Antragsteller zu dessen Adressaten zähle und Verstöße sanktioniert würden. Ein „Umweg“ sei dem Antragsteller unzumutbar.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist nicht zulässig.

2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Anfechtung einer Novellierungsanordnung nur dann zulässig, wenn eine Bestimmung durch die betreffende Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet und die Gesetzes- oder Verfassungswidrigkeit auf keinem anderen Wege beseitigt werden kann (vgl zB VfSlg 19.658/2012 und 20.213/2017 sowie zuletzt VfGH 12.6.2019, G34/2019 ua; 13.12.2019, G67/2019 ua; 21.9.2020, V507/2020; 14.6.2021, V537/2020).

3. Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge eine Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die 3. COVID-19-Maßnahmeverordnung geändert wird, zur Gänze, in eventu eine näher bezeichnete Wortfolge der bekämpften Verordnung aufheben. Bei den angefochtenen Bestimmungen handelt es sich ausschließlich um Novellierungsanordnungen. Daher könnte der Antragsteller nur durch die Verordnung BGBl II 441/2021 idF der 1. Novelle aktuell betroffen sein, nicht aber durch die Novellierungsanordnungen. Folglich wäre nur die 3. COVID-19-Maßnahmeverordnung in der Fassung der angefochtenen Novelle mittels Individualantrag, nicht aber die Novellierungsanordnung bekämpfbar (vgl zB VfGH 6.10.2021, V40/2021 ua).

4. Der Haupt- und auch der Eventualantrag sind daher unzulässig, ohne dass darauf einzugehen ist, ob eine Anfechtung der 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung, BGBl II 441/2021, idF BGBl II 456/2021 im Hinblick auf die Einbringung des Individualantrages nach Außerkrafttreten dieser Verordnung mit Ablauf des 14. November 2021 zulässig gewesen wäre.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

COVID (Corona), VfGH / Individualantrag, Novellierung, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V100.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten