Gbk 2022/11/15 B-GBK I/292/22

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Veröffentlicht am 15.11.2022
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Begründung eines Ausbildungsverhältnisses

Text

Die Gleichbehandlungskommission des Bundes

Senat I

hat in der Sitzung am ... über den Antrag von A (= Antragsteller), in einem Gutachten nach § 23a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), BGBl. I Nr. 65/2004 i.d.g.F., festzustellen, dass er durch die Nichtberücksichtigung der weiteren Teilnahme am Aufnahmeverfahren für den richterlichen Vorbereitungsdienst auf Grund des Geschlechts gemäß § 4 B-GlBG und auf Grund des Alters gemäß § 13 Abs. 1 B-GlBG diskriminiert worden sei, folgendes

Gutachten

Beschlossen:

Durch die Nichtberücksichtigung der weiteren Teilnahme am Aufnahmeverfahren für den richterlichen Vorbereitungsdienst ist A weder auf Grund des Geschlechts gemäß § 4 B-GlBG noch auf Grund des Alters gemäß § 13 Abs. 1 B-GlBG diskriminiert worden.

Begründung

Der Antrag von A langte am ... bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) ein, in dem im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wurde:

A sei ...beamter beim Bezirksgericht X/Oberlandesgericht (OLG) X und habe während seines Karenzurlaubs die Gerichtspraxis absolviert sowie sich um die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst beworben. Die Diskriminierung sei durch die damalige Vizepräsidentin (jetzige Präsidentin) des Landesgerichtes (LG) X, ..., am ... erfolgt, denn an diesem Tag habe am LG X das Prüfungsgespräch für Übernahmswerber/innen stattgefunden, bei diesem es zur Ablehnung und sofortigen Beendigung des Übernahmeverfahrens gekommen sei. A sei vorgehalten worden, sich erst nachträglich für die Übernahme gemeldet zu haben, obwohl das während der ersten Zuteilung der Gerichtspraxis zulässig sei. Ferner sei er deswegen abgelehnt worden, weil es derzeit sehr viele Übernahmswerber/innen gebe, die jedoch über keine karenzierte Stelle verfügen, in die sie wieder zurückkehren können, und weil sein Arbeitsstil aufgrund der langjährigen Berufserfahrung in der Justiz unveränderlich sei. Seiner eigenen Wahrnehmung zufolge seien im Übernahmeprozess deutlich mehr Frauen als Männer und alle wesentlich jünger als A gewesen.

Ab diesem Zeitpunkt habe A nicht mehr an Ausbildungskursen oder an der schriftlichen Übernahmsprüfung Anfang ... teilnehmen können, sprich Maßnahmen der ressortinternen Aus- und Weiterbildung seien nicht mehr nutzbar gewesen. Der berufliche Aufstieg sei behindert worden, genauso wie die Weiterführung des Ausbildungsverhältnisses, weil dieses dann bis zu zwölf anstatt sieben Monate gedauert hätte, und die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst. Wäre diese erfolgreich gewesen, wäre damit die Beendigung des karenzierten Dienstverhältnisses und die Begründung eines neues Dienst- bzw. Ausbildungsverhältnisses verbunden gewesen. A habe keine Möglichkeit gehabt, sich umfangreich einzuarbeiten und seine Eignung nachzuweisen, weil er vorzeitig aus dem Übernahmeprozess ausgeschieden sei.

A fühle sich aufgrund des Alters und des Geschlechts diskriminiert, weil andere Übernahmswerber/innen die Gerichtspraxis meist direkt nach Studienabschluss absolvieren, nicht über eine fixe Stelle verfügen, durchschnittlich ... Jahre jünger seien und aufgrund der wenigen bzw. keiner Berufserfahrung noch keinen eigenen Arbeitsstil haben. Es „schwinge mit“, dass er nicht mehr „formbar“ sei und sich aufgrund des Alters nicht mehr ändern könne. Nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch die Anrechnung der Vordienstzeiten eine Rolle spiele, denn bei bestandener Prüfung würde er teurer kommen als jüngere Kolleg/innen. Zudem sei A kein/e einzige/r Richter/in bzw. Staatsanwalt/anwältin bekannt, der/die zuvor in der Justizverwaltung tätig gewesen sei, und wann dann höchstens als Rechtspfleger/in. Ferner seien deutlich mehr (jüngere) Frauen als (jüngere) Männer zum weiteren Übernahmeverfahren zugelassen worden.

Auf Ersuchen der B-GBK übermittelte das OLG X am ... eine Stellungnahme, in der zum gegenständlichen Antrag Folgendes ausgeführt wurde:

„A ist Vertragsbediensteter (v3/...) und war zuletzt am Bezirksgericht X im Bereich ... eingesetzt. Seit ... befindet er sich in Karenzurlaub für Bildungszwecke gemäß § 29b Abs. 1 VBG. Von ... bis ... absolvierte er die Gerichtspraxis im Sprengel des Oberlandesgerichtes X. Am ... erklärte er, die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst anzustreben und wurde daraufhin in das Vorauswahlverfahren des Landesgerichtes, bei dem er zur Ausbildung zugeteilt war, einbezogen.

Wie erwähnt, liegt die Ausgestaltung des Vorauswahlverfahrens in den Händen der Präsident:innen der Gerichtshöfe 1. Instanz. Im konkreten Fall war die damalige Vizepräsidentin und nunmehrige Präsidentin des Landesgerichts X damit befasst. Dabei fanden drei Ausbildungskurse für die Aufnahmewerber:innen statt (am ... zum Thema Scheidung und Unterhalt, am ... zum materiellen Zivilrecht und am ... zum Thema ausgewählte Fallbeispiele zum materiellen Zivilrecht). Am ... führte die Vizepräsidentin des Landesgerichts X mit allen Aufnahmewerber:innen persönliche Aufnahmegespräche. Von ... Aufnahmewerber:innen wurde bei ... Personen die weitere Teilnahme am Übernahmeverfahren nicht empfohlen, darunter auch bei A.

Als Begründung verwies die Vizepräsidentin des Landesgerichts X zunächst auf die Dienstbeurteilungen der beiden Ausbildungsrichterinnen As. Darin wird zusammengefasst A einerseits „keine Eignung zum Richterberuf“ attestiert und andererseits festgehalten, dass es ein höheres Ausmaß an Genauigkeit und Eigenständigkeit sowie besserer Einschätzung der „zwischenmenschlichen Chemie“ im Sinne eines professionelleren Verhältnisses zwischen „Nähe und Distanz“ bedürfe, um als Richter oder Staatsanwalt tätig zu sein. Die Dienstbeurteilungen lauteten in persönlicher Hinsicht jeweils auf „gut“ und in fachlicher Hinsicht auf einmal „sehr gut“ und einmal „gut“ (Leistungskalkül jeweils im Sinne des § 54 Abs. 3 RStDG). Hier ist darauf zu verweisen, dass der allergrößte Teil der Aufnahmewerber:innen von ihren Ausbildungsrichter:innen als „ausgezeichnet“ oder zumindest „sehr gut“ im Sinne der in § 54 Abs. 3 RStDG normierten Kalküle beschrieben werden. Die Dienstbeurteilungen von A lagen somit deutlich unter dem Durchschnitt. Kein:e Bewerber:in mit derartigen Bewertungen ist in diesem Aufnahmeverfahren weiter vorangekommen.

Darüber hinaus verortete auch die Vizepräsidentin des Landesgerichts X nach ihrem persönlichen Gespräch mit A ein mitunter distanzloses Auftreten. Sie konnte somit die dies problematisierende Beurteilung der Ausbildungsrichterinnen im sozialen Bereich sehr gut nachvollziehen und gelangte insgesamt zur Einschätzung, die weitere Teilnahme am Übernahmeverfahren nicht zu empfehlen.

Nur ergänzend wird noch angeführt, dass auch die Ausbildungsrichterin der nächsten Zuteilung (in Strafsachen), also bereits nach Ausscheiden aus dem Aufnahmeverfahren, konstatierte, dass A „aufgrund seines Redeflusses den Arbeitsanfall in einer Gerichtsabteilung sicher nicht in angemessener Zeit bewältigen würde, sodass er für den Richterberuf nicht geeignet ist.“

Schließlich fiel As Auftreten auch bereits bei der Anmeldung zur Gerichtspraxis auf. Die zuständige Sachbearbeiterin verfasste darüber einen Aktenvermerk, in dem sie u.a. festhielt, dass A die Schwangerschaft einer Kollegin abwertend kommentiert und immer wieder betont habe, dass es mit ihm Schwierigkeiten geben werde.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass einzig und allein die beim Antragsteller A in (deutlich) geringerem Maße vorliegende Eignung für den Richterberuf (insbesondere im persönlichen Bereich – vgl. § 54 Abs. 1 Z 4 und Z 6 RStDG) zum Ausscheiden aus dem Aufnahmeverfahren bereits nach dem Vorauswahlverfahren führten. Weder das Alter noch das Geschlecht spielten bei dieser Entscheidung eine Rolle.

Zur behaupteten Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes:

Im Sprengel des Oberlandesgerichts X streben derzeit deutlich mehr Frauen als Männer die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst an (Verhältnis zum Stichtag ...: ... weibliche, ... männliche Aufnahmewerber:innen; Frauenanteil daher 66%). Dieses Verhältnis spiegelt sich in der Geschlechterverteilung im Stand der Richteramtsanwärter:innen wider (Verhältnis zum Stichtag ...: ... weibliche, ... männliche Richteramtsanwärter:innen; Frauenanteil daher 67%). Dass mehr Frauen im Aufnahmeverfahren reüssieren, entspricht daher der mathematischen Wahrscheinlichkeit und ist kein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Auch im konkreten Fall beruhte die Entscheidung, den Antragsteller nicht in den richterlichen Vorbereitungsdienst zu übernehmen, ausschließlich auf der Einschätzung seiner fehlenden Eignung für diesen Beruf; das Geschlecht des Antragstellers hatte darauf keinen Einfluss.

Zur behaupteten Diskriminierung aufgrund des Alters:

Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der derzeit die Gerichtspraxis absolvierenden Aufnahmewerber:innen deutlich unter jenem des Antragstellers. Das liegt an dem abweichenden Lebens- und Ausbildungsverlauf eines Großteils der Jurist:innen. Die meisten Student:innen absolvieren das Jusstudium bald nach der Reifeprüfung und streben danach zeitnah einen entsprechenden juristischen Beruf an. Dafür ist die absolvierte Gerichtspraxis entweder Voraussetzung oder Zusatzqualifikation, sodass die meisten Studienabsolvent:innen die Gerichtspraxis sehr bald nach Abschluss des Studiums beginnen. Aus diesen Umständen ist jedoch keine Altersdiskriminierung ableitbar. Dass das Alter kein Entscheidungskriterium ist, zeigt etwa die Tatsache, dass erst kürzlich zwei Bewerber:innen im Alter des Beschwerdeführers zu einem Hearing eingeladen wurden.

Die Überlegungen des Antragstellers, dass sein – bedingt durch längere Berufserfahrung – entstandener „Arbeitsstil“ oder das Vorliegen einer vorhandenen Stelle zur ablehnenden Entscheidung geführt haben könnten, sind spekulativ und entsprechen nicht der Realität. In den Dienstbeschreibungen der Ausbildungsrichter:innen wird der Arbeitsstil nicht besonders thematisiert; es werden vielmehr fachliche Schwächen im Vergleich zu anderen Aufnahmewerber:innen festgehalten. Anzumerken ist aber, dass der Arbeitsstil der Aufnahmewerber:innen durchaus in die Beurteilung ihrer fachlichen Eignung für den Beruf der Richter:innen und Staatsanwält:innen einfließen könnte, ohne dass daraus eine Diskriminierung aufgrund des Alters abzuleiten wäre.

Das Vorhandensein einer Dienststelle ist für die Entscheidungen im Aufnahmeverfahren ebenso nicht relevant. Es liegt im Interesse der Präsidentin des Oberlandesgerichts X, stets die besten Aufnahmewerber:innen für eine rechtsprechende Tätigkeit in der Justiz zu gewinnen, und zwar unabhängig vom zuvor ausgeübten Beruf. Es ist vielmehr umgekehrt so, dass sich auch die Justiz im Wettstreit um die besten Köpfe befindet, der eine stete Werbung für den Beruf des/der Richterin und der/des Staatsanwalts/Staatsanwältin erfordert.

Hinsichtlich der Überlegungen, dass der Antragsteller aufgrund eines höheren Bundesdienstalters „teurer“ gewesen wäre und deshalb nicht übernommen wurde, ist darauf zu verweisen, dass der Antragsteller selbst deutlich macht, dass er hier nur spekuliert („nicht ausgeschlossen werden kann“). Selbstverständlich hat auch dieser Aspekt keine Rolle bei der Entscheidung gespielt

Zur behaupteten Diskriminierung bei der Aus- und Weiterbildung:

Neben den oben erwähnten Ausbildungskursen speziell für Aufnahmewerber:innen, in denen diese auf ihre mögliche künftige Tätigkeit als Richter:innen oder Staatsanwält:innen vorbereitet und gleichzeitig auf ihre Eignung für diese Berufe überprüft werden, bieten die Gerichtshöfe 1. Instanz weitere Kurse an, die allen Rechtspraktikant:innen offenstehen. Dadurch ist eine entsprechende Ausbildung durch Übungskurse im Sinne des § 7 RPG auch für Rechtspraktikant:innen sichergestellt, die die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst nicht (mehr) anstreben.

Die Entscheidung, A im Aufnahmeverfahren für den richterlichen Vorbereitungsdienst nicht weiter zu berücksichtigen, beruhte somit ausschließlich auf sachlichen Kriterien ohne jedwede Diskriminierung im Sinne des B-GIBG.“

Die B-GBK hat erwogen:

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach § 4 iVm § 13 Abs. 1 B-GlBG liegt vor, wenn jemand im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis auf Grund des Geschlechtes und/oder – unter anderem – auf Grund des Alters unmittelbar oder mittelbar diskriminiert wird.

Gemäß § 25 Abs. 2 B-GlBG hat die Vertreterin oder der Vertreter des Dienstgebers darzulegen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass ein anderes von ihr oder ihm glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Von der B-GBK war also die Begründung des OLG X für die gegenständliche Personalentscheidung im Hinblick auf die Sachlichkeit zu prüfen.

A erachtet sich aufgrund seines Alters und seines Geschlechts diskriminiert, weil er nach dem Prüfungsgespräch mit der damaligen Vizepräsidentin des LG X aus dem Übernahmeverfahren in den richterlichen Vorbereitungsdienst ausgeschieden sei und ihm so Weiterbildungs- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt worden seien, während seine Übernahmskolleg/innen weitaus jünger und großteils weiblich gewesen seien.

Das OLG X argumentierte damit, dass aufgrund der Beurteilungen der beiden Ausbildungsrichterinnen von A sowie dem persönlichen Gespräch zwischen der Vizepräsidentin des LG X und A, nicht jedoch aufgrund seines Alters oder Geschlechts, das Übernahmeverfahren von A beendet worden sei.

Ausbildungsrichter/innen sind speziell ausgebildet, um Rechtspraktikant/innen zu beurteilen, ob diese als Richter/innen oder Staatsanwält/innen geeignet sind. Die beiden Ausbildungsrichterinnen von A beurteilten ihn lediglich für mäßig bis gar nicht für den Richterberuf geeignet, denn ihm fehlen insbesondere persönliche Fähigkeiten. In persönlicher Hinsicht wurde er in den Dienstbeurteilungen mit „gut“ bewertet, wobei Übernahmswerber/innen größtenteils mit „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“ beurteilt werden. Seine Dienstbeurteilung war somit unterdurchschnittlich. Seine fehlenden persönlichen Fähigkeiten spiegelten sich auch im Gespräch mit der damaligen Vizepräsidentin des LG X wider, weil er dort kaum Distanz wahrte. Ferner gab es bereits beim Ansuchen zur Zulassung zur Gerichtspraxis mit A Probleme, denn er äußerte sich abfällig über eine schwangere Kollegin, worüber sogar ein Aktenvermerk erstellt wurde.

Aus den Beurteilungen der Ausbildungsrichterinnen sowie aus der Stellungnahme des OLG X ist nicht ersichtlich, dass das Geschlecht und/oder das Alter bei der Beendigung des Übernahmeverfahrens von A eine Rolle gespielt haben, sondern die in der Person von A liegende geringe Eignung zum Richterberuf. Die Stellungnahme zeigt zwar, dass vor allem Frauen den richterlichen Vorbereitungsdienst anstreben, aber auch Personen im Alter von A im Aufnahmeverfahren weiter kommen können – ganz ohne Diskriminierung.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des OLG X an, denn die Stellungnahme ist sehr umsichtig, transparent und nachvollziehbar formuliert und der Senat erkennt keinen geschlechts- und/ oder altersspezifischen Hinweis im gesamten zu überprüfenden Verfahrensablauf.

Es liegt daher keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und/oder des Alters im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung der weiteren Teilnahme am Aufnahmeverfahren für den richterlichen Vorbereitungsdienst vor.

Wien, November 2022

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2022
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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