TE Vfgh Beschluss 2022/12/2 UA94/2022

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Veröffentlicht am 02.12.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art138b Abs1 Z6
VO-UA §29, §58
VfGG §7 Abs1, §56h
  1. B-VG Art. 138b heute
  2. B-VG Art. 138b gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags der Bundesministerin für Justiz (BMJ) betreffend eine Meinungsverschiedenheit mit dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss über das Erfordernis und die Auslegung einer Vereinbarung hinsichtlich der Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden auf Grund der Ladung einer Auskunftsperson; kein Vorliegen einer Meinungsverschiedenheit mangels Bestehens eines Beschlusses des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses über das Erfordernis des Abschlusses der von der BMJ verlangten Konsultationsvereinbarung bzw über die Auslegung der (vorangegangenen) Konsultationsvereinbarung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z6 B-VG gestützten Antrag begehrt die Bundesministerin für Justiz,

"der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass

1. die Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA vom 3. März 2022 so auszulegen ist, dass sie auch das Verbot umfasst, die darin getroffenen Vereinbarungen durch andere Arten der Beweisaufnahme zu umgehen;

2. a) vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens der WKStA zu AZ 17 St 5/19d das Erfordernis des Abschlusses einer Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA im Zusammenhang mit der Befragung von MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson vor dem 'ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss' besteht und

b) der Untersuchungsausschuss daher verpflichtet ist, dem Abschluss einer solchen Vereinbarung in Hinblick auf die Befragung von MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss zu Sachverhalten, deren vorzeitige Offenlegung den Zweck der Ermittlungen im Verfahren zu AZ 17 St 5/19d der WKStA gefährden würde, zuzustimmen."

II. Rechtslage

1. §29 und §58 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975, idF BGBl I 63/2021 lauten:

"Ladung von Auskunftspersonen auf Verlangen

§29. (1) Ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses kann in einer Sitzung die Ladung von Auskunftspersonen schriftlich verlangen. Im Verlangen sind die Auskunftspersonen und die Themen der Befragung zu benennen. Es kann einen Vorschlag für den Zeitpunkt der Befragung enthalten und ist unter Bezugnahme auf den Untersuchungsgegenstand zu begründen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(2) Eine Auskunftsperson kann aufgrund eines Verlangens gemäß Abs1 höchstens zweimal geladen und gemäß §§37 ff befragt werden.

(3) Der Vorsitzende hat das Einlangen eines Verlangens gemäß Abs1 unverzüglich bekanntzugeben und dieses an die anwesenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses zu verteilen. Bis zum Ende der Sitzung können weitere Mitglieder des Ausschusses das Verlangen beim Vorsitzenden schriftlich unterstützen. Sofern ein Verlangen von mehr als der Hälfte der Mitglieder unterstützt ist, wird es in die Beschränkung gemäß Abs2 nicht eingerechnet.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs1 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z5 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs1 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs1 wirksam.

[…]

Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden

§58. (1) Der Vorsitzende übermittelt dem Bundesminister für Justiz den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24, ergänzende Beweisanforderungen gemäß §25 sowie Ladungen von Auskunftspersonen.

(2) Ist der Bundesminister für Justiz der Auffassung, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren, kann er beim Vorsitzenden die Aufnahme des Konsultationsverfahrens verlangen. Der Vorsitzende hat das Konsultationsverfahren unverzüglich einzuleiten.

(3) Das Konsultationsverfahren wird vom Vorsitzenden mit Unterstützung des Verfahrensrichters geführt. Die Fraktionen sind am Konsultationsverfahren zu beteiligen. Sie können dafür jeweils ein Mitglied namhaft machen.

(4) Der Vorsitzende und der Bundesminister für Justiz können im Rahmen des Konsultationsverfahrens schriftlich vereinbaren, dass bei der Festlegung des Arbeitsplans, der Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Ergebnissen von Erhebungen, der Befragung von Auskunftspersonen und bei Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren durch geeignete Maßnahmen Rücksicht genommen wird. Dabei sind die Interessen der Strafverfolgung gegenüber den Interessen der parlamentarischen Kontrolle abzuwägen.

(5) Entstehen zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Justiz Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, kann der Ausschuss den Bundesminister für Justiz auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, wenn ihn der Untersuchungsausschuss oder der Bundesminister für Justiz nach Ablauf der Frist gemäß Abs5 anruft."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses und den grundsätzlichen Beweisbeschluss kann auf die Darstellung in den dazu zuvor ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden (vgl jüngst VfGH 23.9.2022, UA75/2022 ua; UA77/2022 ua).

1.2. Am 3. März 2022 schlossen der Vorsitzende des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses (unter Beiziehung des Verfahrensrichters sowie unter Beteiligung der Fraktionen) und die Bundesministerin für Justiz folgende Konsultationsvereinbarung gemäß §58 Abs2 VO-UA ab (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Nach Durchführung dieses Konsultationsverfahrens wird untenstehende Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA zwischen dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses (unter Beiziehung des Verfahrensrichters sowie unter Beteiligung der Fraktionen) und der Bundesministerin für Justiz geschlossen:

Es wird einvernehmlich festgehalten, dass

1. zum Akt AZ 17 St 5/19d ('CASAG') der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption

a) die notwendige Detailprüfung des Akteninhalts auf Relevanz für den Untersuchungsgegenstand nicht in chronologischer Reihenfolge der einzelnen Aktenstücke, sondern umgekehrt beginnend mit den neuesten Ordnungsnummern bis hin zur ältesten erfolgen wird;

b) die Lieferung der vorzulegenden Aktenbestandteile sukzessive nach Auswertungsstand jeweils zum Monatsletzten vorgenommen werden wird;

c) mit der jeweiligen Lieferung eine numerische Übersicht über die geprüften und die noch zu prüfenden Aktenbestandteile übermittelt werden wird;

d) jene Ermittlungsergebnisse, bei denen kriminaltaktische und ermittlungstechnische Bedenken (Punkt 3.) oder internationale Vorbehalte (Punkt 4.) gegen eine sofortige Aktenvorlage sprechen, entsprechend dem jeweiligen Fortschritt der Prüfung dieses Aktes auf Relevanz für den Untersuchungsgegenstand jeweils mit dem monatlichen Akten-Update bekanntgegeben werden.

2. hinsichtlich der vorzulegenden (allenfalls teilweise zu schwärzenden) Unterlagen ein OCR-Prozess von der Parlamentsdirektion durchgeführt werden wird;

3. jene Akten bzw Aktenteile, bei denen besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, und die daher der beschränkten Akteneinsicht unterliegen, sowie die diesbezüglichen Verfügungen und Eintragungen im Tagebuch und die korrespondierenden Aktenteile der Oberstaatsanwaltschaften und des Bundesministeriums für Justiz erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden.

Derzeit sind davon die Strafsachen AZ 17 St 19/20i und AZ 21 St 2/21w ('Oberalp') sowie die mit gesonderter Mitteilung bekanntzugebenden (Punkt 1. d) Aktenstücke aus dem Verfahren 17 St 5/19d der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption betroffen.

4. die Ergebnisse von Rechtshilfehandlungen durch Justizbehörden anderer Staaten, die der Österreichischen Seite unter Spezialitätsvorbehalt übermittelt worden sind bzw bei denen deren Zustimmung zur Weitergabe an den Untersuchungsausschuss erforderlich ist und eine solche noch nicht erteilt wurde, dem Untersuchungsausschuss derzeit nicht vorgelegt werden.

Zudem wird vom Untersuchungsausschuss zur Kenntnis genommen, dass auch Aktenstücke, in welchen Ergebnisse von Rechtshilfehandlungen durch Justizbehörden anderer Staaten, die den Österreichischen Behörden unter Spezialitätsvorbehalt übermittelt worden sind, zitiert werden, ohne vorherigen Verzicht auf den Spezialitätsvorbehalt durch die Rechtshilfe leistenden Staaten dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt werden.

Die Staatsanwaltschaften bzw das Bundesministerium für Justiz sind um eine (möglichst rasche) Erwirkung einer Zustimmung zur Weitergabe der betroffenen Aktenstücke an den Untersuchungsausschuss bzw eines Verzichts auf den Spezialitätsvorbehalt bemüht.

5. die Staatsanwaltschaften regelmäßig überprüfen, ob die zu den Punkten 3. und 4. dargestellte Notwendigkeit, bestimmte Akten(teile) nicht vorzulegen, weiterhin besteht. Bei Wegfall der Voraussetzungen für die Nichtvorlage werden die betroffenen Akten(teile) jeweils im Zuge des auf den Wegfall des Nichtvorlagegrundes folgenden regulären Akten-Updates vorgelegt werden.

In diesem Fall verzichtet der Untersuchungsausschuss auf Aufforderungen im Sinne des §27 Abs4 VO-UA."

1.3. In der 37. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 20. Oktober 2022 wurde folgendes Verlangen von fünf Mitgliedern des Untersuchungsausschusses gemäß §29 VO-UA wirksam (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"MMag T[.] S[.] [ist] als Auskunftsperson zum Beweisthema: 1. Beeinflussung von Vergabe und Förderverfahren, 2. Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes, 3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit und 4. Begünstigung bei der Personalauswahl zu befragen und [ist] diese Befragung zeitnah zum Termin am 03.11.2022, 9 Uhr durchzuführen.

Die Auskunftsperson war im Untersuchungszeitraum Generalsekretär und Kabinettchef im Bundesministerium für Finanzen und hat aufgrund dieser Funktionen Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand. Die Auskunftsperson ist bisher vor dem Untersuchungsausschuss nicht erschienen, hielt sich jedoch Medienberichten zufolge in den letzten Monaten an mindestens 15 Tagen in Österreich auf."

1.4. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 regte die Bundesministerin für Justiz beim Vorsitzenden des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gemäß §58 Abs2 VO-UA die Einleitung eines Konsultationsverfahrens an und begründete dies wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Unter Bezugnahme auf Punkt 3. iVm 1. d) der Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 wird mitgeteilt, dass die Protokolle über die im Verfahren zu AZ 17 St 5/19d der WKStA erfolgte Vernehmung des MMag. T[.] S[.] derzeit nur insoweit übermittelt werden können, als sie der Akteneinsicht unterliegen und überdies ein Bezug zum Untersuchungsgegenstand besteht. Jene Passagen in den Protokollen, hinsichtlich welcher eine Ermittlungsgefährdung derzeit noch nicht ausgeschlossen werden kann und die folglich auch noch nicht der Akteneinsicht unterliegen, wurden geschwärzt und können erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden.

Informativ wird im Übrigen mitgeteilt, dass die Vernehmung des MMag. S[.] durch die WKStA noch nicht abgeschlossen ist, sondern dass der Genannte im Rahmen einer fortgesetzten Vernehmung zu weiteren Fakten, zu denen er noch nicht (bzw noch nicht vollständig) ausgesagt hat, befragt werden wird. Obige Ausführungen gelten gleichermaßen auch für die über die fortgesetzte Vernehmung in Zukunft noch zu erstellenden Protokolle.

Darüber hinaus könnte auch eine Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss eine Gefährdung der laufenden Ermittlungen bedeuten, soweit er nämlich zu Sachverhalten befragt werden würde, die noch nicht Gegenstand seiner der Akteneinsicht unterliegenden Aussage waren. Laut Mitteilung der WKStA stehen einer Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss betreffend die Fakten Inserate in 'Ö[.]'/B[.]-Tool, W[.], §288 StGB betreffend K[.], B[.], B[.]/Italien und S[.]/G[.] keine Bedenken wegen Ermittlungsgefährdung entgegen, zumal zu diesen Fakten bereits eine der Akteneinsicht unterliegende Aussage des MMag. T[.] S[.] erfolgt ist.

Eine Befragung zu über den Inhalt der ungeschwärzten Protokollteile hinausgehenden Sachverhalten ließe hingegen eine Gefährdung der von der WKStA geführten Ermittlungen befürchten.

Gemäß §58 Abs2 VO-UA wird daher die Einleitung des Konsultationsmechanismus betreffend die (zuletzt mit in der 37. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses wirksam gewordenem Verlangen gemäß §29 VO-UA, Blg I, verlangte) Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson angeregt. Eine Konsultationsbesprechung noch vor der Vernehmung des MMag. T[.] S[.] am 3.11.2022 ist dringend geboten und steht das Bundesministerium für Justiz kurzfristig dafür zur Verfügung. Um einen Terminvorschlag wird höflich gebeten."

1.5. Am 27. Oktober 2022 fand eine Besprechung zwischen Vertretern des Bundesministeriums für Justiz sowie dem Verfahrensrichter, Vertretern des Vorsitzenden und der Fraktionen des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses und Bediensteten der Parlamentsdirektion statt. In dem Ergebnisprotokoll dieser Besprechung hielt der Vorsitzende der Besprechung abschließend fest, das Bundesministerium für Justiz werde ein Schreiben übermitteln, in dem Fakten angeführt seien, hinsichtlich derer durch eine Befragung von MMag. T. S. vor dem Untersuchungsausschuss keine Ermittlungsgefährdung drohe. Für den 31. Oktober 2022 wurde eine weitere Konsultationsbesprechung in Aussicht genommen.

1.6. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2022 übermittelte die Bundesministerin für Justiz dem Vorsitzenden des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses einen Entwurf einer Konsultationsvereinbarung und teilte mit, dass es zur Vermeidung einer Gefährdung der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen unbedingt erforderlich erscheine, einen Konsens über die Befragung der Auskunftsperson MMag. T. S. zu erzielen. Sofern ein entsprechender Konsens nicht erzielt werde, könne die Bundesministerin für Justiz vor Abschluss der Vernehmungen durch die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (in weiterer Folge: WKStA) keine Zustimmung zur Befragung des MMag. T. S. erteilen.

1.7. Am 31. Oktober 2022 fand eine weitere Besprechung zwischen Vertretern der Bundesministerin für Justiz, der Leiterin der WKStA, Vertretern des Vorsitzenden, des Verfahrensrichters, des Verfahrensanwaltes sowie Vertretern der Fraktionen des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses statt. Laut dem Ergebnisprotokoll dieser Besprechung hielt der Vorsitzende der Besprechung abschließend fest, dass die Sitzung ohne Ergebnis geschlossen werde. Auf Referentenebene sei eine weitere Besprechung jederzeit möglich.

2. Am 2. November 2022 stellte die Bundesministerin für Justiz den vorliegenden, auf Art138b Abs1 Z6 B-VG gestützten Antrag an den Verfassungsgerichtshof. Der Antrag wird wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"I. SACHVERHALT

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss hat zuletzt mit in der 37. Sitzung des genannten Ausschusses am 20. Oktober 2022 wirksam gewordenem Verlangen gemäß §29 VO-UA die Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson verlangt.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 hat die Bundesministerin für Justiz beim Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses die Einleitung eines Konsultationsverfahrens gemäß §58 VO-UA verlangt. Nach Auffassung der Bundesministerin für Justiz könne nämlich eine Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss insofern zu einer Gefährdung des Zwecks der laufenden Ermittlungen führen, als seine Vernehmung im Verfahren zu AZ 17 St 5/19d der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) noch nicht abgeschlossen sei. Dem Untersuchungsausschuss wurde mitgeteilt, dass MMag. S[.] im Rahmen einer fortgesetzten Vernehmung zu weiteren Fakten, zu denen er noch nicht (bzw noch nicht vollständig) ausgesagt habe, zu befragen sein werde.

Jene Themenkomplexe, bei denen die Staatsanwaltschaft eine Ermittlungsgefährdung bereits ausschließen konnte, wurden dem Untersuchungsausschuss mitgeteilt. Es handelt sich dabei um folgende Fakten:

?   Inserate in 'Österreich'/B[.]-Tool

?   W[.]

?   §288 StGB betreffend K[.]

?   B[.]

?   B[.]/Italien

?   S[.]/G[.]

Es lägen diesbezüglich keine Bedenken wegen Ermittlungsgefährdung vor, zumal zu diesen Fakten bereits eine vollständige der Akteneinsicht unterliegende Einvernahme des MMag. T[.] S[.] erfolgt sei. Eine Befragung zu über den Inhalt der ungeschwärzten Protokollteile hinausgehenden Sachverhalten ließe hingegen eine Gefährdung der von der WKStA geführten Ermittlungen befürchten.

Darüber hinaus wies das Bundesministerium für Justiz darauf hin, dass entsprechend Punkt 3. iVm 1. d) der bereits bestehenden Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 jene Passagen in den Protokollen der Beschuldigteneinvernahme des MMag. S[.], hinsichtlich welcher eine Ermittlungsgefährdung derzeit noch nicht ausgeschlossen werden könne und die folglich auch noch nicht der Akteneinsicht unterliegen, geschwärzt worden seien, sodass diesbezügliche Akten bzw Aktenteile erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden könnten.

In Punkt 3. der Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 wurde einvernehmlich festgehalten, dass 'jene Akten bzw Aktenteile, bei denen besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, und die daher der beschränkten Akteneinsicht unterliegen, […] erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden.' Laut Vereinbarung sind davon unter anderem (soweit hier relevant) die gemäß Punkt 1. d) der Vereinbarung mit gesonderter Mitteilung bekanntzugebenden Aktenstücke aus dem Verfahren 17 St 5/19d der WKStA betroffen.

Das Bundesministerium für Justiz hat im Schreiben vom 25. Oktober 2022 um einen dringenden Besprechungstermin mit dem Untersuchungsausschuss ersucht.

Beweis: […]

Bereits am 27. Oktober 2022 fand eine Besprechung zwischen Vertreter:innen des Bundesministeriums für Justiz, der WKStA und dem Untersuchungsausschuss statt. Bei diesem Termin legten die Leiterin der WKStA sowie der Teamleiter im gegenständlichen Verfahrenskomplex den Konsultationsbedarf und die Ermittlungsgefährdung dar. Die Leiterin der WKStA wies darauf hin, dass bereits das Namhaftmachen der Fakten, bei denen eine Ermittlungsgefährdung im Falle einer Befragung des MMag. S[.] befürchtet werde, eine solche Ermittlungsgefährdung darstelle.

Als Ergebnis der Besprechung wurde festgehalten, dass das Bundesministerium für Justiz ein Schreiben übermitteln werde, in welchem Fakten angeführt sein würden, 'betreffend derer einer Befragung von MMag. S[.] vor dem Untersuchungsausschuss keine Ermittlungsgefährdungen entgegenstehen'. Zur weiteren Erörterung der im Rahmen der Sitzung aufgeworfenen Problemstellungen wurde für den 31. Oktober 2022 ein weiteres Treffen avisiert. Außerdem wurde festgehalten, dass die Fraktionen gleich nach Vorliegen des Vernehmungsprotokolls von MMag. S[.] und des vom Bundesministerium für Justiz zu übermittelnden Schreibens beurteilen würden, ob eine erneute Besprechung notwendig sein werde, oder ob allein auf Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums für Justiz eine Einigung erzielt werden könne.

Beweis: […]

Noch am selben Tag wurde dem Untersuchungsausschuss sowohl das Vernehmungsprotokoll als auch ein Schreiben samt dem Entwurf einer Konsultationsvereinbarung übermittelt. Darin wurde vorgeschlagen, 'dass MMag. T[.] S[.], der im noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren AZ 17 St 5/19d der WKStA als Beschuldigter geführt wird, dessen Vernehmung als Beschuldigter in diesem Verfahren jedoch noch nicht abgeschlossen ist, im Rahmen seiner Befragung als Auskunftsperson im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten vom Untersuchungsausschuss nur zu jenen Fakten befragt werden wird, zu denen er zum Zeitpunkt dieser Befragung bereits vollständig von der WKStA einvernommen worden ist und zu denen daher eine Gefährdung des Zwecks der Ermittlungen nicht mehr zu befürchten steht.' Gleichzeitig wurde der den Zweck der Ermittlungen nicht gefährdende Umfang der Befragung des MMag. T[.] S[.] durch die dem Untersuchungsausschuss übermittelten Vernehmungsprotokolle definiert, soweit diese nicht der beschränkten Akteneinsicht unterliegen und nicht das Faktum 'CASAG' betreffen, zumal die Vernehmung zu diesem Faktum noch nicht abgeschlossen ist. Die strafrechtlich relevanten Sachverhalte, zu denen eine Befragung ohne Gefährdung der laufenden Ermittlungen derzeit grundsätzlich möglich ist, wurden im Vorschlag gegenüber dem Schreiben vom 25. Oktober 2022, mit dem die Einleitung eines Konsultationsverfahrens begehrt worden war, erweitert und wie folgt abschließend festgelegt:

?   Inserate in der Tageszeitung 'Ö[.]'/'B[.]-Tool'

?   Faktum 'S[.] W[.]'

?   Ermittlungen wegen §288 betreffend S[.] K[.] und Mag. B[.] B[.] und die den inkriminierten Aussagen zugrundeliegenden Sachverhalte

?   Ermittlungen gegen R[.] B[.]

?   Faktum 'Mag. G[.] B[.]/Italien'

?   Faktum 'S[.]/G[.]'

Festgehalten wurde im Entwurf einer Konsultationsvereinbarung weiters, dass eine Befragung des MMag. T[.] S[.] zu darüberhinausgehenden strafrechtlich relevanten Sachverhalten eine Gefährdung des Zwecks der von der WKStA geführten Ermittlungen befürchten ließe, weshalb diesbezügliche Fragen an die Auskunftsperson zu unterbleiben hätten. Letztlich wurde dem Untersuchungsausschuss angeboten, ihm umgehend bekannt zu machen, sollte – nach Fortsetzung der Vernehmung des MMag. T[.] S[.] als Beschuldigter durch die WKStA – eine Befragung durch den Untersuchungsausschuss zu weiteren Sachverhalten ohne Ermittlungsgefährdung möglich sein. Wie dem Untersuchungsausschuss schon in der Besprechung am 27. Oktober 2022 mitgeteilt worden war, sind bereits für den 7. bis 9. November 2022 weitere Termine für die Vernehmung von MMag. T[.] S[.] vor der WKStA geplant […].

 

Beweis: […]

Am 28. Oktober 2022 machte der Fraktionsführer der ÖVP im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss per Presseaussendung bekannt, dass seine Fraktion eine einschränkende Themenliste nicht akzeptieren werde. Das Bundesministerium für Justiz fragte daraufhin fernmündlich bei der Parlamentsdirektion an, ob bereits eine abschließende Meinungsbildung durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zum vorgeschlagenen Entwurf vorliegen würde, was verneint wurde.

Beweis: […]

Auch bei der Konsultationssitzung am 31. Oktober 2022 konnte zwischen den Fraktionen keine Einigung erzielt werden, weil sich die ÖVP weiterhin gegen die vorgeschlagene Vorgehensweise und somit die Konsultationsvereinbarung aussprach.

Beweis: […]

Bis zum heutigen Tag langte bei der Bundesministerin für Justiz keine weitere Erklärung des Untersuchungsausschusses ein. Mangels Willensbildung im Untersuchungsausschuss und entsprechender Information darüber an das Bundesministerium für Justiz muss die Bundesministerin für Justiz davon ausgehen, dass der Untersuchungsausschuss seine Befragung nicht auf die oben genannten Bereiche, bei denen eine Ermittlungsgefährdung auszuschließen ist, beschränken wird, weshalb eine Meinungsverschiedenheit über die Notwendigkeit des Abschlusses einer neuen Konsultationsvereinbarung sowie die Auslegung der Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 vorliegt.

Die Befragung von MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss ist für 3. November 2022 vorgesehen.

Beweis: […]

II. RECHTLICHE AUSFÜHRUNGEN

1. Zur Zulässigkeit

Gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und der Bundesministerin für Justiz über das Erfordernis und die Auslegung einer Vereinbarung über die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder der Bundesministerin für Justiz.

Gemäß §58 Abs2 VO-UA kann die Bundesministerin für Justiz beim Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses die Aufnahme des (vom Vorsitzenden unverzüglich einzuleitenden) Konsultationsverfahrens verlangen, wenn sie der Auffassung ist, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren. In einer Konsultationsvereinbarung kann nach §58 Abs4 leg cit schriftlich vereinbart werden, dass bei der Festlegung des Arbeitsplanes, der Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Ergebnissen von Erhebungen, der Befragung von Auskunftspersonen und bei Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren durch geeignete Maßnahmen Rücksicht genommen wird; dabei sind die Interessen der Strafverfolgung gegenüber den Interessen der parlamentarischen Kontrolle abzuwägen.

Entstehen zwischen dem Untersuchungsausschuss und der Bundesministerin für Justiz Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, ist die Bundesministerin für Justiz unmittelbar auf Grund von Art138b Abs1 Z6 B-VG – der mit der darin eröffneten Möglichkeit, eine Meinungsverschiedenheit über das Erfordernis einer Konsultationsvereinbarung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, das Gewicht der Interessen der Strafverfolgung zum Ausdruck bringt – berechtigt, einen Antrag auf Entscheidung über das Erfordernis einer Vereinbarung über die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. §58 Abs5 und 6 VO-UA sowie §56h Abs1 VfGG stehen dem – bei verfassungskonformer Interpretation – nicht entgegen (vgl VfGH 21. Juni 2022, UA1-2/2022, Rz 164).

Der Begriff der Meinungsverschiedenheit wird für Verfahren nach Art138b Abs1 Z6 B-VG – anders als für jene nach Art126a B-VG (vgl §36a Abs1 VfGG) – nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers, das Art138b Abs1 Z6 B-VG zugrunde liegt und das in §58 VO-UA sowie in §56h VfGG näher ausgestaltet wird, lässt jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof auf Antrag über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und der Bundesministerin für Justiz über das Erfordernis und die Auslegung einer Vereinbarung über die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden erkennt. Mit der Einbringung des Antrags entsteht die Meinungsverschiedenheit (vgl VfSlg 19.973/2015, Rz 42).

Ein Antrag des Untersuchungsausschusses oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Gegenstand seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl zuletzt VfGH 23. September 2022, UA77/2022, UA85/2022 mwN).

Das Erfordernis der Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden ergibt sich aus der geplanten, unmittelbar bevorstehenden Befragung von MMag. T[.] S[.] im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 3. November 2022. Im Rahmen des in Hinblick auf diese Befragung am 25. Oktober 2022 eingeleiteten Konsultationsverfahrens wurde (bislang) keine Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA getroffen. Der gegenständliche Antrag wird am 2. November 2022 beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.

Die konkrete Meinungsverschiedenheit in Hinblick auf die Auslegung der Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA vom 3. März 2022 entstand aus Anlass der geplanten, unmittelbar bevorstehenden Befragung von MMag. T[.] S[.] im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Erst durch diese geplante Befragung wurde releviert, inwiefern die Vereinbarung vom 3. März 2022, deren Punkt 3. zufolge 'Akten bzw Aktenteile, bei denen besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, und die daher der beschränkten Akteneinsicht unterliegen […], erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden', es auch verbietet, diese Vereinbarung durch Befragung von Auskunftspersonen zu Umständen, die der beschränkten Akteneinsicht unterliegen, zu umgehen.

Gemäß §56h VfGG dürfen bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können.

2. Zur Sache

Wenngleich den Interessen der Strafverfolgung keine Vorrangstellung gegenüber den Aufgaben der wirksamen politischen Kontrolle durch einen Untersuchungsausschuss (vgl VfSlg 20.370/2020, 183) eingeräumt wird, hat der (Verfassungs-)Gesetzgeber (unter einem) ein System geschaffen, in dem ua den Akten und Unterlagen sowie den Ergebnissen von Beweiserhebungen der Strafverfolgungsbehörden eine Sonderstellung zukommt (vgl VfGH 21. Juni 2022, UA1-2/2022). Die Bundesministerin für Justiz kann – als einziges vorlagepflichtiges Organ – beim Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses die Aufnahme eines Konsultationsverfahrens verlangen, wenn sie der Auffassung ist, dass ua Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung (und folglich die Befragung) von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren. Deutlich wird das Gewicht der Interessen der Strafverfolgung insbesondere dadurch, dass die Bundesministerin für Justiz und der Untersuchungsausschuss gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG auch die Frage des Erfordernisses einer Vereinbarung an den Verfassungsgerichtshof herantragen können.

Mit der für den 3. November 2022 festgesetzten Befragung von MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss wird die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren zu AZ 17 St 5/19d der WKStA weitreichend berührt:

Die Vernehmung von MMag. T[.] S[.] im Verfahren zu AZ 17 St 5/19d der WKStA ist noch nicht abgeschlossen. MMag. S[.] hat angekündigt, dass er im gegenständlichen Verfahren ein Vorgehen gemäß §209a StPO (Anwendung der 'Kronzeugenregelung') beantragen wolle. Er hat im Zuge seiner bisherigen Einvernahmen bereits umfangreiche Aussagen getätigt, die auch neue Ermittlungsstränge entstehen ließen sowie Zwangsmaßnahmen erforderlich gemacht haben. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass er im Zuge der fortzusetzenden Vernehmung durch die WKStA weitere Angaben zu strafrechtlich relevanten Sachverhalten machen wird, die weitere Ermittlungsmaßnahmen erforderlich machen werden. Durch eine uneingeschränkte Befragung des MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss könnten auch Umstände öffentlich bekannt werden, deren Bekanntwerden zum jetzigen Zeitpunkt eine Gefährdung des Zwecks der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen befürchten ließe und solcherart die Interessen der Strafverfolgungsbehörden in einem unvertretbaren Ausmaß beeinträchtigen würde.

Aus den genannten Gründen und im Hinblick darauf, dass dieser Antrag auch dem Antragsgegner zuzustellen ist, muss eine nähere Darstellung der Ermittlungsgefährdung unterbleiben. Dem Verfassungsgericht[s]hof wird jedoch selbstverständlich angeboten, im Verlaufe des weiteren Verfahrens die Leiterin der WKStA, LStA HR Mag. I[.]-M[.] V[.]-S[.], und/oder die fallführenden Oberstaatsanwält:innen der WKStA zur Frage der konkreten Ermittlungsgefährdung gemäß §20 Abs3 VfGG unter Wahrung der gebotenen Vertraulichkeit als Zeugen zu vernehmen. Teile des über die bislang durchgeführte Vernehmung des MMag. S[.] erstellten Protokolls sind weiterhin von der Akteneinsicht ausgenommen, weil deren Bekanntwerden Ermittlungsmaßnahmen vereiteln könnte. Diese Teile wurden auf Grundlage von Punkt 3. iVm 1. d) der Konsultationsvereinbarung vom 3. März 2022 dem Untersuchungsausschuss auch nicht übermittelt. Wäre es nun möglich, diese Vereinbarung durch Befragung gerade jener Person, deren Vernehmungsprotokoll auf Grund der Vereinbarung nicht zu übermitteln ist, als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss zu umgehen, wäre die Vereinbarung wirkungslos.

Denn für den Fall, dass die Befragung des MMag. T[.] S[.] nicht auf die oben genannten Bereiche, in denen eine Ermittlungsgefährdung seitens der Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich ausgeschlossen werden kann, beschränkt werden sollte, müsste MMag. S[.] sämtliche Fragen, zu denen ihm kein Entschlagungsrecht gem. §43 VO-UA zukommt, wahrheitsgemäß beantworten. Allein eine Frage nach ihm bekannten bzw von ihm vermuteten Straftaten würde somit sämtliche Teile der protokollierten Aussage, die aus ermittlungstaktischen Gründen von der Akteneinsicht ausgenommen sind, potentiell offenlegen. Bereits das Bekanntwerden dieser Themenkomplexe könnte jedoch den Zweck der Ermittlungen vereiteln.

Darüber hinaus kann es nicht Aufgabe einer Auskunftsperson im Rahmen einer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss sein, abzuwägen, ob ihre Aussage die Ermittlungen einer Strafverfolgungsbehörde gefährden könnte. Einerseits steht einer Auskunftsperson gemäß §43 VO-UA kein Recht auf Aussageverweigerung aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu. Andererseits sieht die VO-UA genau für diesen Fall den Mechanismus gemäß §58 VO-UA vor, demzufolge die Interessen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Untersuchungsausschuss von der Bundesministerin für Justiz wahrzunehmen sind. So führen auch die Materialien (vgl AB 440 BlgNR XXV.GP, 18) aus, dass eine Vereinbarung gemäß §58 VO-UA etwa vorsehen kann, dass bestimmte Auskunftspersonen erst zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden sollen.

Das Bundesministerium für Justiz verkennt nicht, dass die Interessen der Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens gegen jene der parlamentarischen Kontrolle abzuwägen sind. Aus diesem Grund wurde auch nicht darum ersucht, die Befragung des MMag. S[.] auf unbestimmte Zeit zu verschieben, um eine Berührung der Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden vollständig auszuschließen. Um dem Interesse des Untersuchungsausschusses an einer politischen Aufklärung gleichermaßen zu entsprechen wie der Pflicht der Strafverfolgungsbehörden zur strafrechtlichen Aufarbeitung, wurde deshalb darum ersucht, diese Befragung, die am 3. November 2022 stattfinden soll, auf Themenkomplexe zu beschränken, zu denen eine Ermittlungsgefährdung bereits ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Justiz zugesagt, nach Fortsetzung der Beschuldigtenvernehmung durch die WKStA dem Untersuchungsausschuss unverzüglich bekannt zu geben, ob eine Befragung zu weiteren Sachverhalten durch den Untersuchungsausschuss möglich ist."

3. Mit Verfügung vom 3. November 2022 forderte der Verfassungsgerichtshof die Bundesministerin für Justiz gemäß §20 Abs3 VfGG auf, bis zum 11. November 2022 (einlangend) schriftlich darzulegen, zu welchen Themenkomplexen die Ermittlungen im Verfahren zu AZ 17 St 5/19d noch nicht abgeschlossen sind und daher die Befragung des MMag. T. S. als Auskunftsperson im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss nach Auffassung der Bundesministerin für Justiz den Zweck des Verfahrens gefährden könnte. Der Verfassungsgerichtshof hielt in dieser Verfügung zudem (unter sinngemäßem Verweis auf VfGH 5.5.2021, UA1/2021-40) fest, dass dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss in dieser Sache keine Einsicht in die von der Bundesministerin für Justiz zu übermittelnden Eingaben gewährt werden wird, wenn und soweit dies bereits streitentscheidend wäre.

4. Mit Verfügung vom 7. November 2022 verlängerte der Verfassungsgerichtshof die gesetzte Frist auf Ersuchen der Bundesministerin für Justiz bis zum 16. November 2022.

5. Dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss wurde die Möglichkeit eingeräumt, bis 16. November 2022 zu dem Antrag der Bundesministerin für Justiz gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG Stellung zu nehmen.

6. Am 8. November 2022 wurde um eine Verlängerung der Frist für die Stellungnahme des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses bis zum 25. November 2022 ersucht. Mit Verfügung vom selben Tag nahm der Verfassungsgerichtshof dieses Ersuchen um Fristverlängerung zur Kenntnis und stellte es dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss frei, bis zu dem genannten Datum eine Stellungnahme abzugeben. Gleichzeitig wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass Beratungen des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Verfahren bereits vor diesem Datum stattfinden könnten.

7. Am 9. November 2022 beschloss der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss in der 39. Sitzung des Untersuchungsausschusses eine Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof, die bei diesem am 11. November 2022 einlangte. Darin wird Folgendes ausgeführt:

"I. Zum Sachverhalt

Die Ausführungen der Bundesministerin für Justiz entsprechen den Tatsachen. Es wird lediglich ergänzt, dass im Gefolge der Konsultationsbesprechung am 27.10.2022 und nach Übermittlung des Entwurfs der Konsultationsvereinbarung durch das Bundesministerium für Justiz an den Untersuchungsausschuss zwischen vier von fünf im Untersuchungsausschuss vertretenen Fraktionen bereits Einvernehmen über die Zustimmung zum Entwurf hergestellt wurde. Der Entwurf sollte lediglich um den Satz 'Diese Vereinbarung ist vorläufig mit 30.11.2022 befristet' ergänzt werden.

Auf Grund der Weigerung einer Fraktion, diese Einigung zu unterstützen, und der darauffolgenden Weigerung des Präsidenten, ohne Einvernehmen der Fraktionen fortzufahren, wurde dieser Einigungsvorschlag jedoch nie an die Bundesministerin für Justiz übermittelt. Zudem fand zwischen der Einleitung des Konsultationsverfahrens am 25.10.2022 und der Einbringung des gegenständlichen Antrags am 2.11.2022 keine Sitzung des Ausschusses statt, in der allenfalls Beschlüsse in dieser Sache hätten gefasst werden können.

Am 3.11.2022 wurde MMag. T[.] S[.] im Untersuchungsausschuss unter Einhaltung des §56h Abs2 VfGG als Auskunftsperson befragt. Am selben Tag wurde er gemäß §28 VO-UA erneut als Auskunftsperson geladen. Ein neuerlicher Befragungstermin wurde bislang nicht festgesetzt.

II. Zur Zulässigkeit

Ein Antrag gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG betreffend eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss und der Bundesministerin für Justiz über das Erfordernis und die Auslegung einer Vereinbarung über die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden kann von der Bundesministerin für Justiz unmittelbar auf Grund des Art138b Abs1 Z6 B-VG ohne die Einhaltung der weiteren Voraussetzungen des §58 Abs5 und 6 VO-UA sowie §56h Abs1 VfGG gestellt werden (vgl VfGH 21.6.2022, UA1-2/2022).

Mit der Einbringung des Antrags entsteht die Meinungsverschiedenheit (VfSlg 19.973/2015).

Die Anträge der Bundesministerin für Justiz sind insofern zulässig.

III. Zur Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl zuletzt VfGH 23.9.2022, UA77/2022, UA85/2022).

Mit dem ersten Hauptantrag begehrt die Bundesministerin für Justiz, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA vom 3.3.2022 so auszulegen sei, dass sie auch das Verbot umfasse, die darin getroffenen Vereinbarungen durch andere Arten der Beweisaufnahme zu umgehen.

Damit ist die Bundesministerin für Justiz im Recht:

Das Geschäftsordnungsgesetz 1975 und die VO-UA enthalten keine Bestimmungen über die Auslegung von Vereinbarungen gemäß §58 VO-UA. Zur Lösung der vorliegenden Rechtsfrage muss daher auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden.

Vereinbarungen gemäß §58 VO-UA entsprechen ihrem Wesen nach einer vertraglichen Regelung. Im Gegensatz zu hoheitlichen Vorgängen, die durch eine Über- und Unterordnung der Beteiligten gekennzeichnet sind, stehen sich in einem Konsultationsverfahren der Untersuchungsausschuss (vertreten durch seinen Vorsitzenden) und die Bundesministerin für Justiz gleichberechtigt gegenüber. Dieser Umstand wird allein schon durch den vom Gesetzgeber gewählten Terminus der Vereinbarung verdeutlicht. Eine Vereinbarung erfordert schon nach allgemeinem Sprachgebrauch eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien. Zur Auslegung einer Vereinbarung gemäß §58 VO-UA sind daher die Grundsätze der §§914f ABGB und nicht jene über die Auslegung von Gesetzen heranzuziehen.

Die Vereinbarung vom 3.3.2022 enthält keine ausdrückliche Regelung in Hinblick auf die mögliche Umgehung ihres Inhalts. Es besteht auch im B-VG, dem Geschäftsordnungsgesetz bzw der VO-UA keine Norm, die diese Frage regeln würde. Die vorliegende Rechtsfrage kann daher nur durch ergänzende Auslegung geklärt werden.

Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht, wobei unter diesen Aspekten keine feste Rangfolge besteht, sondern unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten die Lücke so zu schließen ist, wie es der Gesamtregelung des Vertrages gemessen an der Parteienabsicht am besten entspricht.

Bei genauer Betrachtung der Vereinbarung vom 3.3.2022 lässt sich feststellen, dass die Parteien bemüht waren, sowohl eine Gefährdung von Ermittlungen als auch den Bruch völkerrechtlicher Verpflichtungen tunlichst zu vermeiden. Die Pflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Untersuchungsausschuss beschränken sich im Falle einer Ermittlungsgefährdung auf solche zur regelmäßigen Überprüfung und Information sowie zu entsprechendem Bemühen. Die Vereinbarung vom 3.3.2022 hat daher geradezu den Zweck, eine Ermittlungsgefährdung von vornherein auszuschließen.

Zur wirksamen Erfüllung des Zwecks der Vereinbarung ist es gleichzeitig erforderlich, davon auszugehen, dass die Parteien übereinstimmend der Ansicht waren, dass der Zweck der Vereinbarung nicht durch andere Handlungen der Parteien vereitelt werden darf. Dies umso mehr, als dass im umgekehrten Fall eine Regelung, wonach eine Umgehung der Vereinbarung durch andere Arten der Beweisaufnahme zulässig sein solle – niemals die Zustimmung beider Parteien gefunden hätte. Es besteht insofern kein Zweifel daran, dass die Parteien – wären sie sich der nunmehr eingetretenen Konstellation im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bewusst gewesen – ein entsprechendes Umgehungsverbot in die Vereinbarung aufgenommen hätten.

Mit dem ersten Teil des zweiten Hauptantrags begehrt die Bundesministerin für Justiz zunächst, dass der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens der WKStA zu AZ 17 St 5/19d aussprechen möge, dass das Erfordernis des Abschlusses einer Vereinbarung gemäß §58 Abs4 VO-UA im Zusammenhang mit der Befragung von MMag. T[.] S[.] als Auskunftsperson vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss besteht. Im zweiten Teil des Antrags wird begehrt, dass der Verfassungsgerichtshof aussprechen möge, dass der Untersuchungsausschuss verpflichtet ist, einer solchen Vereinbarung zu Sachverhalten, deren vorzeitige Offenlegung den Zweck der Ermittlungen im genannten Verfahren gefährden würde, zuzustimmen.

Angesichts der dynamischen Entwicklung des Sachverhalts in Bezug auf MMag. T[.] S[.] vertritt der Untersuchungsausschuss die Ansicht, dass selbst im Fall, dass die Bundesministerin für Justiz mit ihrem zweiten Hauptantrag vollständig durchdringen würde, es in dieser Sache zu keinem Rechtsfrieden kommen würde. Insbesondere kann derzeit weder beurteilt werden, ob bis 7.12.2022 (dem derzeit noch in Aussicht genommenen Ende der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses) die Ermittlungsgefährdung gleichermaßen fortbesteht. Genausowenig kann derzeit beurteilt werden, ob sich die im Entwurf der Konsultationsvereinbarung angeführten Themen nicht bereits mit den kommenden weiteren Vernehmungen von MMag. T[.] S[.] durch die WKStA wesentlich verändern.

Um diesen Unwägbarkeiten Rechnung zu tragen, stellt der Untersuchungsausschuss den Antrag, dass der Verfassungsgerichtshof gemäß §35 VfGG iVm §204 Abs1 ZPO die Herbeiführung eines Vergleichs versuchen möge. Der Inhalt des Vergleichs sollte sich am Entwurf der Konsultationsvereinbarung der Bundesministerin für Justiz, ergänzt um eine zeitliche Komponente, orientieren, wobei der Untersuchungsausschuss bereits jetzt seine Zustimmung zum Abschluss eines Vergleichs durch seine bevollmächtigten Vertreter gemäß §24 Abs4 VfGG erteilt.

Bereits in VfSlg 16.064/2000 hat der Verfassungsgerichtshof die sinngemäße Anwendbarkeit des §204 Abs1 ZPO auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bejaht.

Zwar sieht §58 Abs4 VO-UA vor, dass eine Konsultationsvereinbarung zwischen dem Vorsitzenden und der Bundesministerin für Justiz zu schließen ist. Aus §58 Abs5 und 6 VO-UA sowie Art138b Abs1 Z6 B-VG geht jedoch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Vorsitzende diese Vereinbarung funktionell für den Untersuchungsausschuss abschließt. Denn Träger des Untersuchungsrechts ist der Nationalrat, der seine Befugnisse durch Einsetzung des Untersuchungsausschusses in den Grenzen des Art53 Abs2 B-VG an diesen – und nicht dessen Vorsitzenden – überträgt. Nachdem über diese Befugnisse im Wege einer Konsultationsvereinbarung disponiert werden soll, kann dies nur durch den Untersuchungsausschuss selbst (bzw in seinem Auftrag) erfolgen.

IV. Begehren

Der Untersuchungsausschuss stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge

1) dem ersten Hauptantrag der Bundesministerin für Justiz stattgeben;

2) über beide Teile des zweiten Hauptantrags der Bundesministerin für Justiz die Herbeiführung eines Vergleichs gemäß §35 VfGG iVm §204 Abs1 ZPO versuchen."

8. Am 16. November 2022 langte beim Verfassungsgerichtshof eine Stellungnahme jener Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses ein, die dem Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei angehören. Darin bestätigen diese Mitglieder des Untersuchungsausschusses zunächst hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhaltes die diesbezüglichen Ausführungen der Bundesministerin für Justiz sowie des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses. Darüber hinaus legen sie mit näherer Begründung dar, dass der Antrag der Bundesministerin für Justiz ihrer Auffassung zufolge abzuweisen sei.

9. Am 16. November 2022 langte beim Verfassungsgerichtshof ebenfalls der von der Bundesministerin für Justiz gemäß §20 Abs3 VfGG abverlangte Schriftsatz (vgl Punkt 3) ein. Am selben Tag langte beim Verfassungsgerichtshof ein weiterer Schriftsatz der B

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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