TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/30 95/11/0145

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.1996
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZDG 1986 §2 Abs1 idF 1994/187;
ZDG 1986 §5a Abs3 Z2 idF 1994/187;
ZDG 1986 §5a Abs4 idF 1994/187;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1995, Zl. 200.121/1-IV/10/95, betreffend Feststellung der Unwirksamkeit einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 5a Abs. 4 iVm § 5a Abs. 3 Z. 2 des Zivildienstgesetzes 1986 idF BGBl. Nr. 187/1994 (ZDG) festgestellt, daß die Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers vom 14. Februar 1995 wegen Fristversäumnis Zivildienstpflicht nicht habe eintreten lassen können; laut Mitteilung des zuständigen Militärkommandos sei der Beschwerdeführer bereits am 19. Dezember 1994 erstmals tauglich zum Wehrdienst befunden worden.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, ihm vor Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Parteiengehör gewährt zu haben. Andernfalls hätte er vorgebracht, daß die Abgabe der Zivildiensterklärung am 14. Februar 1995 fristgerecht erfolgt sei. Der Beschluß der Stellungskommission vom 19. Dezember 1994 sei ihm an diesem Tag weder verkündet noch zugestellt worden. Die rechtswirksame Zustellung sei erst am 19. Jänner 1995 erfolgt, nachdem ein im Dezember 1994 unternommener Zustellversuch wegen seiner Ortsabwesenheit in der Zeit vom 21. Dezember 1994 bis 15. Jänner 1995 erfolglos geblieben sei. Er habe sich in dieser Zeit bei seinem Bruder in Mailand aufgehalten. Auch das Militärkommando Wien sei offensichtlich von der Unwirksamkeit des Zustellvorganges im Dezember 1994 ausgegangen, da es ihm den Bescheid vom 19. Dezember 1994 in der Folge neuerlich zugestellt habe (am 19. Jänner 1995).

Nach § 2 Abs. 1 ZDG kann der Wehrpflichtige, der erstmals tauglich zum Wehrdienst befunden wurde, innerhalb eines Monates nach Abschluß des Stellungsverfahrens eine Zivildiensterklärung abgeben.

Abgeschlossen wird das Stellungsverfahren durch die rechtswirksame Erlassung des Bescheides über die Eignung des Betreffenden zum Wehrdienst. Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob bereits der Zustellvorgang im Dezember 1994 (erster Zustellversuch: 22. Dezember; Hinterlegung der Sendung und Beginn der Abholfrist: 27. Dezember) die rechtswirksame Zustellung dieses Bescheides bewirkt hat. Davon ist die belangte Behörde bei ihrer Annahme der verspäteten Abgabe der Zivildiensterklärung ausgegangen.

Diese Annahme vermag sich allerdings nicht auf ein mängelfreies Verfahren zu stützen, da dem Bfr dazu kein Parteiengehör gewährt wurde. Träfe das geschilderte Beschwerdevorbringen, dem wegen des Unterbleibens von Parteiengehör das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegensteht, zu, so läge ein Fall des § 17 Abs. 3 letzter Satz Zustellgesetz vor, da der Beschwerdeführer diesfalls wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Infolge Rückkehr an die Abgabestelle erst nach Ablauf der gesetzlichen Abholfrist von zwei Wochen wäre der Zustellvorgang auch nicht nachträglich wirksam geworden. Am Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels vermag der Umstand nichts zu ändern, daß "kein Hinweis auf eine auffällige Ortsabwesenheit vorlag" (im Schreiben des Militärkommandos Wien an die belangte Behörde vom 20. Februar 1995 wurde lediglich mitgeteilt, der Stellungsbeschluß vom 19. Dezember 1994 sei am 27. Dezember 1994 hinterlegt worden; von einem neuerlichen Zustellvorgang ist keine Rede). Die unvollständige Information der belangten Behörde durch das Militärkommando kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Der Beschwerdefall ist vielmehr jenen Fällen gleichzuhalten, in denen die Rechtsmittelbehörde ein Rechtsmittel ohne Parteiengehör als verspätet zurückweist. In diesen Fällen erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Mai 1985, Zlen. 85/12/0011, 0045, und vom 19. April 1988, Zl. 88/11/0003), daß die Rechtsmittelbehörde das Risiko der Bescheidaufhebung zu tragen hat, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber aber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat.

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110145.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten