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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der W in S, mit dem mj. Kind D, ebendort, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. November 1995, Zl. 4.316.972/15-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführerin sei vietnamesische Staatsangehörige und am 2. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Am 4. Juni 1991 habe sie beantragt, ihr Asyl zu gewähren. Sie sei noch am selben Tag von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich niederschriftlich befragt worden. Dabei habe sie angegeben, 1986 auf Grund eines Regierungsübereinkommens zwischen Vietnam und Bulgarien nach Bulgarien als Gastarbeiterin gegangen zu sein, wo sie als Spinnereiarbeiterin tätig gewesen sei. 1986 habe sie in Bulgarien auch ihren Mann kennengelernt und diesen am 29. April 1988 geheiratet. Am 28. Mai 1990 sei ihr Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, geboren worden. Nach Ablauf ihrer Karenzzeit ab Dezember 1990 habe sie keine Arbeit mehr bekommen. Da die Unruhen zwischen Vietnamesen und Bulgaren immer unerträglicher und gefährlicher geworden seien, hätten sie und ihr Gatte sich zur Flucht nach Österreich entschieden. Auch hätten sie einen Rückflug nach Vietnam nicht finanzieren können. Sie sei also am 29. Mai 1991 mit Mann und Kind in einen Zug gestiegen und von Sofia über Rumänien und Ungarn in die CSFR bis Prag gefahren. Am 2. Juni 1991 habe sie bei Kittsee illegal die grüne Grenze zu Fuß nach Österreich überschritten.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Oktober 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die fristgerecht dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin habe keine Umstände glaubhaft machen können, die objektiv die Annahme hätten rechtfertigen können, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befände oder nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Sie sei in der Zeit von 1986 bis 1990 als Gastarbeiterin in Bulgarien beschäftigt gewesen und hätte dieses Land verlassen, weil die Unruhen zwischen Vietnamesen und Bulgaren immer gefährlicher geworden seien. Verfolgung im technischen Sinne müsse jedoch den Behörden des Heimatstaates des Asylwerbers zurechenbar sein, um als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 qualifiziert werden zu können. Des weiteren erachtete die belangte Behörde den Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 als gegeben, weil sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich (u.a.) in Ungarn aufgehalten und dort bereits Verfolgungssicherheit erlangt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der von der belangten Behörde der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht sie jedoch geltend, die ihr in Bulgarien widerfahrenen Verfolgungshandlungen seien dennoch asylrelevant, weil sie in ihrem Aufenthaltsland Bulgarien aus den dargelegten Gründen nicht habe bleiben können. Andererseits sei sie auch mit ihrer Familie in ihrem Heimatland Vietnam "nicht willkommen" und hätte dort "mit ernsthaften Problemen zu rechnen", weil sie nach Beendigung ihres Aufenthaltes in Bulgarien in ihr Heimatland nicht zurückgekehrt sei, sondern in ein westliches Land geflüchtet sei, was Vaterlandsverrat darstelle, der mit strenger Strafe bedroht sei. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte ihr Vorbringen (in der Berufung), anläßlich der erstinstanzlichen Einvernahme seien ihre Angaben ungenau bzw. unvollständig protokolliert worden und das Protokoll sei vor Unterzeichnung nicht rückübersetzt worden, nicht beachtet. Die belangte Behörde hätte darüber hinaus erheben müssen, welche Nachteile ihr und ihrer Familie für den Fall einer Rückkehr in das Heimatland Vietnam gedroht hätte. Hätte sie Erhebungen gepflogen, hätte sich auch ergeben, daß glaubhafte Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorlägen. Auch habe die belangte Behörde es unterlassen, ihrem Vorbringen im Berufungsschriftsatz vom 31. Oktober 1991 Beachtung zu schenken, wo vorgebracht worden sei, daß ihr durch Radikalgruppen bzw. durch die Polizei Bedrohung erwachsen sei.
Die Beschwerdeführerin geht in der Beschwerde mit keinem Wort auf die den Bescheid tragende Begründung der belangten Behörde ein, die - von dieser ohnedies zur Grundlage ihrer Entscheidung gemachte - Bedrohung durch rechtsradikale Gruppen, ja sogar Polizeieinheiten, seien nicht ihrem Heimatstaat, sondern eben dem Gastland Bulgarien zurechenbar. Der diesbezüglichen rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde haftet keinerlei Rechtsirrtum an, weil es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, daß Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr grundsätzlich der Heimatstaat ist. Eine Verfolgungsgefahr wäre in diesem Sinne dem Heimatstaat nur zurechenbar, wenn eine Verfolgung in einem Drittstaat droht und der Heimatstaat seine Schutzpflichten nicht wahrnimmt. Daß dies im vorliegenden Fall zuträfe, geht aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht hervor. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, die Vietnamesische Regierung habe kein Interesse daran gehabt, sie zu schützen, geschweige denn sie in ihr Heimatland zurückzuholen, sie sei in ihrem Heimatland Vietnam "nicht willkommen", stellt sich daher als Neuerung im Sinne des § 41 VwGG dar, weshalb darauf nicht einzugehen war. Die von ihr erwarteten "ernsthaften Probleme" in ihrem Heimatstaat wurden in keiner Weise näher konkretisiert und auch allenfalls erst durch den Umstand der illegalen Weiterreise nach Österreich verursacht. Sie stellen aber keine ausreichende Begründung dafür dar, weshalb - mit Ausnahme der lediglich finanziellen Erwägungen - eine Rückkehr in das Heimatland der Beschwerdeführerin nicht in Erwägung gezogen wurde. Insoweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften meint, die belangte Behörde hätte erheben müssen, welche Nachteile ihr für den Fall ihrer Rückkehr in ihr Heimatland gedroht hätten, unterläßt sie es, die Entscheidungswesentlichkeit dieser von ihr gerügten Verfahrensverletzung geltend zu machen. Dafür wäre erforderlich gewesen, daß sie jene von ihr erwarteten Nachteile dezidiert und konkret auf ihre Person bezogen deutlich bezeichnet. Die Ermittlungspflicht der Behörde im Sinn des § 16 AsylG 1991 geht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat - nicht so weit, Erhebungen über Asylgründe anzustellen, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat. Auch geht die Beschwerde mit keinem Wort darauf ein, daß die nunmehr quasi als "Nachfluchtgrund" befürchtete Verfolgung der Beschwerdeführerin als "Vaterlandsverräterin" auf eine der im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Umstände zurückzuführen wäre.
Ist aber die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 zu verneinen, kommt es auf die Frage der Verfolgungssicherheit im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht mehr an, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht näher eingegangen werden muß.
Aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt sich, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, daher war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200784.X00Im RIS seit
20.11.2000