TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/6 LVwG-S-1640/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2022
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Entscheidungsdatum

06.10.2022

Norm

EpidemieG 1950 §5
EpidemieG 1950 §40
VStG 1991 §5 Abs1
ZustG §37 Abs1
  1. ZustG § 37 heute
  2. ZustG § 37 gültig ab 01.12.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2018
  3. ZustG § 37 gültig von 01.12.2018 bis 30.11.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2017
  4. ZustG § 37 gültig von 13.04.2017 bis 30.11.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2017
  5. ZustG § 37 gültig von 01.01.2009 bis 12.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. ZustG § 37 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  7. ZustG § 37 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 02.05.2022, Zl. ***, betreffend der Bestrafung nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG),nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

2.   Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 eine ordentliche Revision (VwGG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 02.05.2022, ZI. ***, wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 5 Abs. 1 iVm § 40 Abs. 1 lit a Epidemiegesetz (EpiG) iVm dem Bescheid der belangten Behörde vom 05.01.2022, mit einer Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 232 Stunden) bestraft und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenersatzes zum behördlichen Verfahren in Höhe von EUR 50,-- auferlegt.

In diesem Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zusammengefasst folgendes angelastet:

Er habe es unterlassen sich in der Zeit von 05.01.2022 bis 06.01.2022 einer behördlich auferlegten PCR-Testung zu unterziehen. Der Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 05.01.2022 zu einer PCR-Testung verpflichtet worden, habe eine solche aber nie durchgeführt. Eine Testung durch ein mobiles Testteam sei am 06.01.2022 verweigert worden.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Der Beschwerdeführer beantragt die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Milderung der Strafe und führt dazu sinngemäß aus, er habe am 04.01.2022 einen PCR-Test, welcher positiv auf Covid-19 ausfiel, im Rahmen von „Alles gurgelt“ gemacht und sei seiner Auskunftspflicht an die zuständigen Behörden nachgekommen. Eine weitere PCR-Testung sei daher nicht notwendig oder gesetzlich vorgesehen gewesen, da bereits feststand, dass er positiv getestet wurde.

Weiters könne er sich nicht erinnern einen Bescheid am 05.01.2022 bekommen zu haben und weise ein ihm allfällig zugestelltes E-Mail keinen Bescheidcharakter auf.

Am 05.01.2022 und 06.01.2022 sei er außerdem so krank gewesen, dass ein Besuch einer Teststation oder eine mobile PCR-Testung, nicht möglich gewesen sei.

Ergänzend führt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus, dass der von der Behörde angeordnete Test lediglich die Virusart klären hätte sollen und das gelindeste Mittel zu wählen gewesen wäre.

Am 04.01.2022 habe er einen PCR-Gurgeltest zuhause gemacht und in *** eingeworfen. An diesem Tag habe er über ein Portal das Testergebnis bekommen und am selben Tag auch das E-Mail mit der Absonderung von der Behörde. In der Folge habe er sowohl am 04.01.2022 als auch am 05.01.2022 mit einem Mitarbeiter der BH telefoniert. Mit einem Amtsarzt habe er nicht telefoniert. An den Inhalt der Gespräche könne er sich nicht mehr erinnern. Ob er einen Anordnungsbescheid betreffend eine Durchführung einer weiteren PCR-Testung bekomme habe wisse er nicht mehr, aber er habe telefonisch mitgeteilt bekommen, dass er nochmal testen müsse. Dies habe er aber als Empfehlung wahrgenommen. Er sei daher nicht testen gegangen. Am 06.01.2022 sei sein gesundheitlicher Zustand schlecht gewesen und habe er 39+ Fieber gehabt, Kopfweh, Husten und stark geschwitzt.

Seine Lebensgefährtin habe am 06.01.2022, als das mobile Test-Team da war, die Tür aufgemacht. An diesem Tag habe es öfters geklingelt an der Tür. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer im Schlafzimmer im 1. Stock befunden.

Zu den persönlichen Angaben führt der Beschwerdeführer aus, er sei Verwaltungsangestellter, Angaben zu seinem Einkommen mache er nicht. Er habe ein Haus, Schulden in Höhe von zirka EUR 180.000,-- und keine Sorgepflichten. Sein Einkommen wird von der Richterin auf EUR 2.800,-- geschätzt und hat der Beschwerdeführer dagegen keine Einwände erhoben.

Die Zeugin bringt in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor, ihr Lebensgefährte sei schwer krank gewesen, sei mit hohem Fieber und Schüttelfrost im Bett gelegen. Sie selbst sei ebenfalls positiv getestet worden. Am 06.01.2022 sei ein mobiler Tester gekommen und habe den Beschwerdeführer testen wollen. Sie habe den Tester aber nicht durchgelassen zum Beschwerdeführer, weil dieser im Schlafzimmer endlich geschlafen habe. Sie selbst sei ins Schlafzimmer gegangen und habe den Beschwerdeführer angegriffen, dabei habe sie festgestellt, dass dieser schlief sowie stark geschwitzt und hohes Fieber gehabt habe. Sie selbst habe sich vom Tester testen lassen, da es ihr gut gegangen sei. Der Tester habe ihr dann noch mitgeteilt, dass eine Anzeige erfolgen werde und sei gegangen.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer erhob rechtzeitig Beschwerde gegen das Straferkenntnis.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt ZI. ***, den ho. Gerichtsakt ZI. LVwG-S-1640-2022, den Gesundheitsakt *** und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, in welcher der Beschwerdeführer und die Zeugin einvernommen wurden.

4.   Feststellungen:

Aufgrund eines positiven Covid-19 PCR-Tests vom 04.01.2022 wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 04.01.2022 für den Zeitraum von 04.01.2022 bis 17.01.2022 abgesondert.

Am 05.01.2022 telefonierte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers mit dem Amtsarzt. In diesem Gespräch wurde eine Nachtestung für den Beschwerdeführer und die Lebensgefährtin als medizinisch sinnvoll erachtet und eine behördliche Testung durch ein mobiles Testteam eingeleitet.

Der Beschwerdeführer telefonierte sowohl am 04.01.2022 als auch am 05.01.2022 mit einem Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass er nochmals testen gehen muss.

Der Beschwerdeführer war schwer krank, hatte hohes Fieber und Schüttelfrost und konnte am 05.01.2022 krankheitsbedingt nicht zu einer behördlichen Teststation fahren.

Der Bescheid vom 05.01.2022, in dem die behördliche Anordnung zur PCR-Testung vorgeschrieben wurde, wurde dem Beschwerdeführer per E-Mail am selben Tag zugestellt.

Am 06.01.2022 wurde ein mobiles Test-Team zur Absonderungsadresse des Beschwerdeführers geschickt, um dort eine PCR-Testung des Beschwerdeführers vorzunehmen. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers öffnete dem Test-Team die Tür und gab ihnen die Information, dass der Beschwerdeführer, da er in der Nacht wenig geschlafen hat, schläft. In weiterer Folge wurde dem Test-Team der Zutritt in das Schlafzimmer des Beschwerdeführers von dessen Lebensgefährtin verweigert. Die Lebensgefährtin machte sich, noch während der Anwesenheit des Test-Teams, selbst ein Bild vom Zustand des Beschwerdeführers und stellte fest, dass dieser mit hohem Fieber und schwitzend im Bett liegt und schläft. Das mobile Test-Team machte die Lebensgefährtin darauf aufmerksam, dass eine Anzeige erfolgt.

5.   Beweiswürdigung:

Der Absonderungsbescheid vom 04.01.2022 wurde nachweislich am selben Tag per E-Mail zugestellt. Dies ergibt sich aufgrund der Aktenlage sowie der Aussagen des Beschwerdeführers.

Aufgrund des Aktenvermerks des Amtsarztes vom 05.01.2022 ist das Telefonat mit der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, als auch der Inhalt nachweisbar.

Der Beschwerdeführer gab in seiner Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubhaft an, mit einem Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft am 04.01.2022 und 05.01.2022 telefoniert zu haben, auch wenn er sich an den Gesprächsinhalt nicht mehr erinnern kann. Weiters führte er glaubhaft aus, dass er ab 05.01.2022 sehr krank war.

Die Feststellung der Zustellung des Bescheides vom 05.01.2022 am selben Tag ergibt sich aus der Zusammenschau der einzelnen Anhaltspunkte. Aus dem Stammblatt als auch dem Erhebungsblatt vom 04.01.2022 ist ersichtlich, dass bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme durch die belangte Behörde, die E-Mail-Adresse erhoben wurde. Ebenso wurde die E-Mail-Adresse der Behörde durch die vom Beschwerdeführer durchgeführte Krankmeldung mit der Eingangsnummer *** vom 04.01.2022 bekannt gegeben. Weiters ist dem Beschwerdeführer bereits am 04.01.2022 der Absonderungsbescheid per E-Mail erfolgreich zugestellt worden, was sich aus dem Akteninhalt – der Beschwerdeführer hat beim Telefonat am 04.01.2022 mit der belangten Behörde bereits von der Absonderung gewusst, was darauf schließen lässt, dass er den Bescheid vor dem telefonischen Kontakt erhalten hat – und der Aussage des Beschwerdeführers entnehmen lässt. Auch ist sich der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben nicht mehr sicher, ob er einen Anordnungsbescheid zu einer weiteren PCR-Testung bekommen hat.

Am 05.01.2022 fand ein nochmaliger telefonischer Kontakt statt. Dabei wurde dem Beschwerdeführer auch mitgeteilt, dass er nochmals testen gehen muss, was sich ebenfalls aus den Aussagen des Beschwerdeführers ergibt. Dass er das Testen gehen als Empfehlung ansah, ist vom Beschwerdeführer nicht glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt worden und ist lediglich als Schutzbehauptung zu werten. Glaubhaft konnte er darlegen, dass er krankheitsbedingt nicht mobil war.

In einer Gesamtbetrachtung und Wertung der einzelnen Anhaltspunkte ergibt sich für das erkennende Gericht die Feststellung, der Beschwerdeführer hat den Bescheid vom 05.01.2022 per E-Mail erhalten.

Aufgrund der Aktenlage und der bestätigenden Parteienaussagen ist es unstrittig, dass am 06.01.2022 ein mobiles Test-Team, zur behördlichen Abnahme eines PCR-Tests, zur Absonderungsadresse des Beschwerdeführers geschickt wurde. Ebenso unstrittig ist die fehlende Durchführung des angeordneten PCR-Tests, wie sich dem Akteninhalt entnehmen lässt.

Hinsichtlich des Ablaufes während der Anwesenheit des mobilen Test-Teams sind die Aussagen der Zeugin als auch des Beschwerdeführers glaubhaft und nachvollziehbar. Es wurde glaubhaft vermittelt, dass der Beschwerdeführer sich im Zeitraum der Anwesenheit des mobilen Test-Teams im Schlafzimmer im ersten Stock befunden hat und aufgrund seiner Corona-Erkrankung und der damit einhergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, geschlafen sowie, dass die Lebensgefährtin den Zutritt des Test-Teams ins Schlafzimmer verweigert hat. Aus diesem Grund hat der Beschwerdeführer nichts von der Anwesenheit des Test-Teams mitbekommen. Des Weiteren sind hohes Fieber, Schüttelfrost und Schwitzen allgemein bekannte und typische Krankheitssymptome einer Covid-19-Erkrankung und war daher an dieser Schilderung nicht zu zweifeln.

6.   Rechtslage:

Die folgenden rechtlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) und Zustellgesetzes (ZustG) sind entscheidungsrelevant:

§ 50 VwGVG:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 5 EpiG:

(1) Über jede Anzeige sowie über jeden Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit haben die zuständigen Behörden durch die ihnen zur Verfügung stehenden Ärzte unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige sind verpflichtet, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Zum Zwecke der Feststellung von Krankheitskeimen sind hiebei nach Möglichkeit fachliche Untersuchungsanstalten in Anspruch zu nehmen.

§ 40 EpiG:

(1) Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

a) den in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Geboten und Verboten oder

b) den auf Grund der in den §§ 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder

c) den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder

d) in Verletzung seiner Fürsorgepflichten nicht dafür Sorge trägt, daß die seiner Fürsorge und Obhut unterstellte Person sich einer auf Grund des § 5 Abs. 1 angeordneten ärztlichen Untersuchung sowie Entnahme von Untersuchungsmaterial unterzieht, macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe von 145 Euro bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.

§ 1 VStG:

(1) Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

(2) Die Strafe richtet sich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

§ 45 VStG:

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

§ 2 ZustG:

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

(…)

5. „elektronische Zustelladresse“: eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse.

§37 ZustG:

(1) Zustellungen ohne Zustellnachweis können auch an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erfolgen. Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens bzw. nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokuments beim bzw. für den Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist bzw. für ihn bereitgehalten wird, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens bzw. der Bereithaltung von Amts wegen festzustellen.

7.   Erwägungen:

Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides setzt dessen Zustellung (oder Ausfolgung gemäß § 24 ZustG) voraus. Erst wenn eine rechtswirksame Zustellung erfolgt, ist der Bescheid erlassen (siehe dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 (1999) Rz 427 und die dort zitierte Rechtsprechung) (vgl. VwGH 20.03.2001, 2000/11/0336). Ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang steht einer rechtswirksamen Zustellung entgegen (vgl. VwGH 07.03.2016, Ra 2015/02/0233).

Die rechtswirksame Zustellung des Anordnungsbescheides vom 05.01.2022 ist Voraussetzung für dessen Wirksamwerden. Wurde der Anordnungsbescheid nicht wirksam zugestellt, hätte er keine Rechtswirkungen entfaltet und der Beschwerdeführer hätte sich durch die Nichtabgabe eines PCR-Tests nicht rechtswidrig verhalten. Vorab zu prüfen ist deshalb die von der belangten Behörde durchgeführte Zustellung des Bescheides vom 05.01.2022 zur ZI. ***.

Gemäß § 37 Abs. 1 ZustG kann eine Zustellung ohne Zustellnachweis auch an einer elektronischen Zustelladresse erfolgen. Eine elektronische Zustelladresse ist gemäß § 2 Z 5 ZustG eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse. Somit gelten auch Zustellungen per Telefax oder E-Mail als elektronische Zustellung ohne Zustellnachweis, wenn der Empfänger diese der Behörde in einem laufenden Verfahren angegeben hat. Die Zustellung wird nach § 37 Abs. 1 zweiter Satz ZustG mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger wirksam.

Die Bekanntgabe kann durch die Nennung einer E-Mail-Adresse oder einer Faxnummer im Briefkopf eines Anbringens geschehen. Die elektronische Adresse kann der Behörde aber auch mündlich (persönlich oder per Telefon) bekanntgegeben werden. Eine elektronische Adresse gilt auch dann als bekanntgegeben, wenn der Einschreiter diese Adresse im Rahmen des anhängigen Verfahrens zur Kommunikation mit der Behörde benutzt hat. Es ist aber nicht zulässig, dass die Behörde an eine elektronische Adresse des Empfängers zustellt, die ihr ausschließlich aus einem anderen Verfahren oder aus anderen Gründen bekannt ist. Ebenso wenig ist eine bei einem Zustelldienst hinterlegte elektronische Adresse zur Verständigung durch den elektronischen Zustelldienst der Behörde iSd § 2 Z 5 ZustG bekanntgegeben (vgl. Kronschläger/Mauernböck, Elektronsicher Rechtsverkehr mit Behörden und Gerichten des öffentlichen Rechts (Teil I), ZTR 2015, 230).

Im konkreten Fall erhielt die belangte Behörde die E-Mail-Adresse des Beschwerdeführers vom Meldungsleger, welcher die Weigerung der PCR-Testung an die Behörde meldete als auch vom Beschwerdeführer selbst. Dieser hat in der Covid-19 Krank- bzw. Gesundmeldung vom 04.01.2022 mit der Eingangsnummer *** seine E-Mail-Adresse der belangten Behörde übermittelt. Die E-Mail-Adresse war der Behörde daher nicht ausschließlich aus anderen Gründen oder anderen Verfahren bekannt, sondern auch aufgrund der Krank bzw. Gesundmeldung durch den Beschwerdeführer und konnte daher für die Zustellung des Bescheides in diesem Verfahren herangezogen werden.

Es fand somit eine rechtswirksame Zustellung gemäß § 37 Abs. 1 ZustG statt.

Zur objektiven Tatseite:

§ 40 Abs. 1 lit a EpiG enthält eine Mitwirkungspflicht bei der Erhebung über das Auftreten einer Krankheit. Wer die in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Gebote oder Verbote durch Handlungen oder Unterlassungen zuwiderhandelt, macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer es unterlassen, in der durch die Behörde festgelegten Frist, bei der Erhebung gemäß § 40 Abs. 1 lit a iVm § 5 EpiG mitzuwirken.

Der Beschwerdeführer hat daher die Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt.

Zur subjektiven Tatseite:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Ein Ungehorsamsdelikt liegt bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes vor, wenn erstens zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört und zweitens für die Tatbegehung kein besonderes Verschulden gefordert ist.

Die angelastete Verwaltungsübertretung ist als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Bei solchen Delikten obliegt es sohin gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. VwGH vom 30.06.1998, Zl 96/11/0175).

Der Beschwerdeführer hatte, wie in den Feststellungen angeführt, starke Krankheitssymptome und geschlafen, als das mobile Test-Team vor Ort war. Es kann dem Beschwerdeführer, der starke Krankheitssymptome aufwies und endlich schlafen konnte, nicht zum Nachteil gereicht werden, dass er im Zeitraum der Testung geschlafen hat. Allgemein bekannt ist, dass an Covid-19 Erkrankte an Schlafstörungen, Fieber, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Schüttelfrost leiden können. Aus diesem Grund kann vom erkrankten Beschwerdeführer auch nicht verlangt werden, zu jeder Tageszeit wach zu bleiben, nur um auf das mobile Test-Team zu warten, denn ein konkreter Zeitraum, wann die mobile Testung stattfindet, wurde von der belangten Behörde nicht genannt. Weiters zu berücksichtigen war auch die Tatsache, dass das mobile Test-Team nicht bis in das Schlafzimmer des Beschwerdeführers vorgedrungen ist, für den Beschwerdeführer daher auch nicht die Möglichkeit gegeben war, sich testen zu lassen bzw. auf die Anwesenheit zu reagieren. Ein späteres Einschreiten des Beschwerdeführers, in der Form, dass er sich telefonisch bei der Behörde meldet und bekannt gibt, wieder wach zu sein und sich testen lassen zu wollen, war ihm nicht zuzumuten, da bereits vom mobilen Test-Team mitgeteilt wurde, dass eine Anzeige erfolgen wird und der Beschwerdeführer davon ausgehen durfte, dass daran auch nichts mehr geändert werden kann. Ebenso konnte dem Beschwerdeführer aber auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes auch nicht angelastet werden, dass er zu einer behördlichen Teststation fährt, da es ihm nicht zuzumuten war.

Aus diesen Erwägungen heraus kann dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden, eine Handlung gesetzt oder unterlassen zu haben - konkret die Testung verweigert zu haben. Der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last gelegten Tat in objektiver Hinsicht zwar begangen, in subjektiver Hinsicht allerdings nicht verwirklicht, weshalb das Strafverfahren spruchgemäß einzustellen war.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gesundheitsrecht; COVID-19; Verwaltungsstrafe; PCR-Testung; Mitwirkung; Verschulden; Verfahrensrecht; Zustellung; e-mail Übermittlung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1640.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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