TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/21 96/21/0010

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Veröffentlicht am 21.02.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §39a Abs1;
AVG §39a;
AVG §61 Abs1;
AVG §61 Abs5 idF 1982/199;
AVG §63 Abs3;
B-VG Art8;
MRK Art6 Abs3 lite;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 10. November 1995, Zl. III 296-3/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. November 1995 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 4. November 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und führte begründend aus, diese habe trotz eines im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Hinweises auf das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages einen solchen nicht enthalten. Das Fehlen eines solchen Antrages stelle kein verbesserungsfähiges Formgebrechen, sondern einen inhaltlichen Mangel dar, der zur Zurückweisung des Rechtsmittels habe führen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen "Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" erhobene Beschwerde. Der erstinstanzliche Bescheid habe zwar eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, in der auf das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages hingewiesen werde, jedoch sei der Beschwerdeführer der deutschen Sprache "nur unzureichend mächtig". Demgemäß hätte unter Heranziehung der Bestimmung des § 39a AVG der erstinstanzliche Bescheid in Gegenwart eines Dolmetschers ausgefolgt werden müssen. Da ihm die Rechtsmittelbelehrung weder schriftlich noch mündlich übersetzt worden sei, habe er deren Sinn nicht verstanden und sei ihm somit das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages nicht zur Kenntnis gelangt. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, dahingehende Ermittlungen anzustellen und dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, den lediglich ein Formgebrechen darstellenden Mangel seines Rechtsmittels zu beheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 63 Abs. 3 AVG verlangt eine Darstellung der Partei, ob und aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes oder hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage bekämpft. Zwar ist bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen keine streng formalistische Auslegung vorzunehmen, gleichwohl muß aber aus der Berufung zumindest erkennbar sein, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361). Die Beschwerde gesteht selbst zu, daß in der Berufung keine Begründung angegeben worden sei. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages trotz der unbestrittenermaßen erteilten Belehrung über das Erfordernis eines solchen als verbesserungsfähiges Formgebrechen zu behandeln, ist ihm entgegenzuhalten, daß nach hg. Judikatur ein begründeter Berufungsantrag einen wesentlichen sachlichen Bestandteil einer Berufung darstellt; nur für den Fall des Fehlens eines Hinweises auf das Erfordernis eines derartigen Antrages oder eines unrichtigen Hinweises im Bescheid gilt das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages zufolge § 61 Abs. 5 leg. cit. als verbesserungsfähiges Formgebrechen. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.

Aus der vorangeführten Bestimmung ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung über das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages gleichzusetzen wäre und dementsprechend die Unterlassung der Erhebung eines begründeten Berufungsantrages durch einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Berufungswerber als bloßes Formgebrechen zu gelten hätte (vgl. dazu hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0292). Aus § 39a AVG läßt sich keine Verpflichtung der Verwaltungsbehörden ableiten, Zustellungen an der deutschen Sprache nicht mächtige Personen nur in Gegenwart eines Dolmetschers vorzunehmen. Diese Gesetzesstelle regelt vielmehr lediglich den mündlichen Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1989, Zl. 88/01/0187 u.a.).

Demzufolge erweist sich die Berufung des Beschwerdeführers als mit dem Fehlen eines wesentlichen Bestandteiles behaftet, sodaß die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung der Berufung in Übereinstimmung mit der Rechtslage steht.

Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210010.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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