TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/28 LVwG-2022/38/0595-29

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.10.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L67007 Ausländergrunderwerb Grundverkehr Tirol

Norm

AVG §13 Abs7
GVG Tir 1996 §23
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Lechner über die Beschwerde des Herrn AA, Adresse 1, ***** Z, Deutschland, vertreten durch die BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 01.02.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, nach Durchführung drei öffentlichen mündlichen Verhandlungen,

zu Recht:

1.       Der angefochtene Bescheid wird als ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Grundverkehrsgesuch vom 20.05.2021, beantragte Herr AA (infolge Beschwerdeführer) die Erteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung zum Kaufvertrag vom 08.04. bzw 26.04.2021, abgeschlossen zwischen Herrn CC, als Verkäufer einerseits und dem Beschwerdeführer als Käufer andererseits über den Erwerb der Liegenschaften in EZ ***1, GB *** W, mit einem Gesamtflächenausmaß von 10,85 ha. Als Kaufpreis wurde ein Gesamtbetrag von 1 Million Euro vereinbart.

Dem Gesuch war ein Betriebskonzept angeschlossen. Im Rahmen des Verfahrens wurde von der belangten Behörde ein Gutachten zur Schlüssigkeit des Betriebskonzeptes eingeholt, woraufhin eine Verbesserung des Betriebskonzeptes erfolgte. Letztendlich erging am 01.02.2022 zu Zl *** der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X, mit dem die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers, in der dieser zusammengefasst vorbringt, dass zunächst Verfahrensmängel vorliegen würden. Die belangte Behörde habe im Ermittlungsverfahren eine Stellungnahme der agrarfachlichen Amtssachverständigen eingeholt, die nach Ansicht des Beschwerdeführers weder schlüssig noch nachvollziehbar sei. Auf dieser Basis habe die belangte Behörde dann ihre Entscheidung getroffen, ohne dem Rechtserwerber die Möglichkeit einzuräumen, sich entsprechend zu äußern und den Sachverhalt zu erörtern. Zudem sei auch der Auftrag zur Verbesserung des Betriebskonzeptes direkt an den Beschwerdeführer und nicht an die ausgewiesene Vertreterin zugestellt worden. Somit wäre eine eventuell erfolgte Fristsetzung unwirksam gewesen. Zudem wäre die Behörde verpflichtet gewesen, bei weiteren Unklarheiten dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, das Betriebskonzept noch einmal zu überarbeiten bzw konkret die unschlüssigen Momente zu benennen. Auch die von der belangten Behörde eingeholte forstfachliche Stellungnahme sei dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden, wodurch wiederum das Parteiengehör verletzt worden sei.

Darüber hinaus seien auch Begründungsmängel gegeben. Der Beschwerdeführer habe seine fachliche Eignung bereits mit Vorlage des ungarischen Zeugnisses über die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter vom 19.01.2021 samt Übersetzung vom 20.01.2021 vorgelegt. Diesbezüglich sei auch die Nostrifizierung beantragt worden. Im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde habe noch keine Entscheidung über die Anerkennung der Ausbildung der zuständigen Behörde vorgelegen. Die belangte Behörde hätte aber über die fachliche Eignung des Beschwerdeführers bereits auf der Basis der vorgelegten Unterlagen positive Feststellungen treffen müssen. Mittlerweile sei die Nostrifizierung auch erteilt worden.

Des Weiteren habe die belangte Behörde die grundverkehrsrechtliche Genehmigung wegen des ihrer Ansicht nach nicht schlüssigen Betriebskonzeptes versagt. Entgegen der Behauptungen der Amtssachverständigen und den daraus gründenden Feststellungen der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer ein schlüssiges und nachhaltiges Betriebskonzept des fachkundigen Sachverständigen DD vom 08.03.2021 samt Anhang vorgelegt, in dem die geplante nachhaltige und ordnungsgemäße Bewirtschaftung des gegenständlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes umfassend dargestellt worden sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer noch eine Ergänzung und Überarbeitung des Betriebskonzeptes vorgelegt. Die belangte Behörde habe diese Ergänzung lediglich in dem Ausmaß berücksichtigt, dass sie die aufgezeigten Bedenken hinsichtlich des Betriebskonzeptes nur als teilweise entkräftet gesehen habe. Zu den Ausführungen der Amtssachverständigen sei aber festzuhalten, dass die Interpretation der Amtssachverständigen, dass die geplante gemeinsame Bewirtschaftung des gegenständlichen Hofes mit der Familie EE nicht schlüssig sei, nicht begründet werde. Der Beschwerdeführer habe diese Bewirtschaftungsform im vorgelegten Betriebskonzept umfassend geschildert. Zur Ausräumung einzelner Unklarheiten sei in der Ergänzung zum Betriebskonzept hier noch eine Konkretisierung erfolgt. Die belangte Behörde habe ihre Feststelllungen lediglich aus der Stellungnahme der Amtssachverständigen getroffen und habe das Betriebskonzept und die Ergänzung des Beschwerdeführers nicht näher gewürdigt.

Die 2,8 ha landwirtschaftliche Nutzfläche werde unter Anweisung des Beschwerdeführers von der Familie EE zur Heugewinnung bewirtschaftet. Diese Flächenbewirtschaftung beruhe auf einer Vereinbarung mit der Familie EE, wobei eine Bewirtschaftungsprämie von Euro 1.800,00 pro Hektar vereinbart worden sei. Da die Familie EE über die notwendigen landwirtschaftlichen Maschinen verfüge und der Beschwerdeführer solche erst anschaffen müsste, sei diese Vorgangsweise gewählt worden. Die Anschaffung der landwirtschaftlichen Maschinen stehe in keinem Verhältnis zur Größe der zu bewirtschafteten Fläche. Das Bewirtschaftungskonzept stärke aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht nur den gegenständlichen Betrieb, sondern auch die aktiv betriebene Landwirtschaft der Familie EE, die vor allem durch die Mehrauslastung der landwirtschaftlichen Maschinen profitiere. Die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch Mithilfe betriebsfremder Personen oder durch Fremdvergabe an agrarische Dienstleister sei jedenfalls nicht unüblich.

Hinsichtlich der geäußerten Bedenken des geplanten Wirtschaftsgebäudes in Bezug auf die planliche Darstellung sei auszuführen, dass im Rahmen der Betriebskonzepte zwei Planskizzen vorgelegt worden seien. In der Ergänzung des Betriebskonzeptes sei auch eine Bemaßung durchgeführt worden. Die belangte Behörde verkenne dabei, dass eine detaillierte Planung eines Wirtschaftsgebäudes mit wesentlichen Kosten verbunden sei. Wenn die belangte Behörde einen Zu- bzw Neubau des Wirtschaftsgebäudes bezweifle, hätte sie dem Beschwerdeführer die Bebauung mit einem Wirtschaftsgebäude bzw den Zubau zum bestehenden Gebäude mit Bestimmung einer Frist als Auflage definieren müssen. Bei der vorgelegten Planung des Wirtschaftsgebäudes handle es sich um einen Rohentwurf. Dies sei auch der Amtssachverständigen so mitgeteilt worden. Einen fertigten Einreichplan könne rechtlich nur der grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft zur Bewilligung bei der Baubehörde einreichen. Der Veräußerer der Liegenschaft habe bereits Gespräche mit dem Bürgermeister bezüglich des Neubaus des Wirtschaftsgebäudes geführt. Dabei sei vereinbart worden, dass die Einreichplanung kurzfristig nach grundbücherlicher Eintragung des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers beauftragt werde und bei der Baubehörde eingereicht werde.

Die ursprünglich fehlende Deckungsbeitragsberechnung sei der belangten Behörde bei der Konkretisierung des Betriebskonzeptes übermittelt worden, wobei diese Unterlagen von der belangten Behörde offensichtlich nicht gewürdigt worden seien.

Zudem gehe die belangte Behörde offenbar davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht die Zeit für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Liegenschaft aufbringe, da dieser in Deutschland als Arzt tätig sei. Mit dieser Ansicht liege die belangte Behörde falsch. Der Beschwerdeführer beabsichtige die gemeinsame Bewirtschaftung mit seiner Lebensgefährtin, was auch im Betriebskonzept dargelegt worden sei. Es sei zwar richtig, dass der Beschwerdeführer derzeit in Deutschland arbeite und dieser Arbeit auch nach Erwerb der Liegenschaft weiter nachgehen werde. Allerdings werde er die Intensität seiner Beschäftigung einschränken, um die geplante Bewirtschaftung durchführen zu können. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers werde ihren Lebensmittelpunkt gänzlich auf den landwirtschaftlichen Betrieb verlegen. Sie sei Expertin in der Pferdezucht und arbeite teils selbstständig im Bereich An- und Verkauf von Dressurpferden, Zucht, Ausbildung, Boxenvermietung. Ihre Anstellung im Dressurstall habe die Lebensgefährtin bereits im April 2021 gekündigt. Dieser Umstand sei der Amtssachverständigen mitgeteilt, aber von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden.

Bezüglich der forstfachlichen Stellungnahme sei auszuführen, dass der Sachverständige die ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung durch den Beschwerdeführer nicht in Abrede stelle. Der Beschwerdeführer sei jedenfalls in der Lage, neben seiner beruflichen Tätigkeit auch die ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung durchzuführen. Auch eine Zuhilfenahme betriebsfremder Personen sei nicht unüblich und durchaus gängige Praxis in der Waldbewirtschaftung. Die Landwirtschaft sei bis zum Erwerb durch den Beschwerdeführer fremdbewirtschaftet gewesen und werde nun infolge durch den Beschwerdeführer und dessen Lebensgefährtin eigenbewirtschaftet. Diese Form entspreche einer nachhaltigen ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und diene jedenfalls der Erhaltung und Stärkung eines lebensfähigen Bauernstandes.

Auch die Vermietung der Ferienwohnung im Bauernhaus sei kein Widerspruch zum Betriebskonzept und zu einer bäuerlichen Bewirtschaftung. Bei der Überarbeitung des Betriebskonzeptes sei lediglich in Aussicht gestellt worden, dass, wenn für die Lebensgefährtin ein Lohnansatz festzusetzen sei, die Einnahmen einer möglichen Vermietung als Teil der Entlohnung für die Lebensgefährtin herangezogen werden könnten. Zum Verweis der belangten Behörde auf eine allfällige Schafszucht sei auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer auch vorstellen könne, Walliser Schwarznasenschafe zu züchten. Dies sei nur deshalb erwähnt worden, um ein vollständiges Bild seiner Bewirtschaftungsvisionen abzugeben. Zum Kaufpreis, zu dem von Seiten der Behörden nichts ausgeführt worden sei, sei festzustellen, dass dieser jedenfalls angemessen sei, was auch dem Verkehrswertgutachten des Sachverständigen DD entspreche. So sei auch der spezielle Versagungsgrund im Sinne des § 7 Abs 1 lit c TGVG nicht gegeben.

Von Seiten des Beschwerdeführers werde der Beweisantrag gestellt, den Zeugen DD zur Erörterung des vorliegenden Betriebskonzeptes einzuvernehmen. Des Weiteren die Lebensgefährtin, den Veräußerer und den Beschwerdeführer zur Erörterung des vorliegenden Betriebskonzeptes samt Konkretisierung einzuvernehmen, sowie eine mündliche Erörterung des Gutachtens der Frau FF zur agrarfachlichen Stellungnahme vom 17.11.2021 hinsichtlich des Betriebskonzeptes durchzuführen. Darüber hinaus werde der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol möge in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Rechtserwerb an der Liegenschaft in EZ ***1, GB *** W, durch den Beschwerdeführer gemäß Kaufvertrag vom 08.04. und 26.04.2021 gemäß § 6 iVm § 25 Abs 1 TGVG die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt wird, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen. Darüber hinaus werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Im Rahmen des landesverwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde eine agrarfachliche Stellungnahme von Frau FF vom Amt der Tiroler Landesregierung zur Höhe des angemessenen Kaufpreises betreffend die landwirtschaftlichen Flächen, sowie zum ergänzten Betriebskonzept eingeholt. Betreffend das Wohngebäude wurde ein Gutachten von Herrn GG von der Abteilung JJ beim Amt der Tiroler Landesregierung eingeholt. Diese Gutachten wurden im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung 31.08.2022 mündlich erörtert.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2021 wurden noch ergänzende Unterlagen zum Betriebskonzept vorgelegt. Der verfahrenseinleitende Antrag wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 21.10.2022 schließlich zurückgezogen.

II.      Rechtslage:

Die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, welche gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I 133/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, auch auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG sinngemäß anzuwenden sind, lauten auszugsweise:

„3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten

Anbringen

§ 13

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

…“

III.     Rechtliche Beurteilung:

Die Verfahrenshandlungen eines Beteiligten, mit denen er an die Behörde herantritt, fasst § 13 AVG unter dem Begriff „Anbringen“ zusammen; darunter sind Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen zu verstehen. Anbringen können auf die Erlassung eines Bescheides abzielen und begründen diesfalls eine Entscheidungspflicht der Behörde; vielfach ist in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen, dass ein Verwaltungsverfahren nur aufgrund einer Initiative eines Beteiligten einzuleiten ist. In diesen Fällen darf ein Bescheid – bei sonstiger Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) – nur aufgrund eines Anbringens erlassen werden (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 150).

Entsprechend der Bestimmung des § 13 Abs 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine rechtzeitige Zurückziehung eines Anbringens – also vor Erlassung des Bescheides – bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über das Anbringen – bei sonstiger Rechtswidrigkeit des Bescheides – nicht mehr abgesprochen werden darf. Im Falle der Erhebung einer rechtzeitigen und zulässigen Berufung ist eine solche Zurückziehung auch noch im Berufungsverfahren möglich. Auch die Berufungsbehörde ist nicht mehr berechtigt, über den (zurückgezogenen) verfahrenseinleitenden Antrag oder über die gegen die bescheidmäßige Abweisung des Antrages eingebrachte Berufung in der Sache abzusprechen. Im Fall der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags hat die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Diese Auslegung lässt sich – was im Hinblick auf das durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 geschaffene Rechtsschutzsystem zweckmäßig erscheint – dahingehend abstrahieren, dass die Zurückziehung gemäß § 13 Abs 7 AVG nur bzw noch so lange möglich ist, als noch einmal anhand der Sachlage im Zeitpunkt der (ausstehenden) Entscheidung über den betreffenden Antrag selbst abzusprechen ist. Das bedeutet im Hinblick auf die Funktion der Verwaltungsgerichte bzw der Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, dass die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend einen Bescheid nach dem AVG (vgl §§ 11 und 17 VwGVG) zulässig sein und wie im Fall der Berufung zur ersatzlosen Behebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides führen muss (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 40 ff und die dort zitierte Judikatur [Stand 1.1.2014, rdb.at]).

Grundverkehrsverfahren werden – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – aufgrund einer Anzeige nach § 23 TGVG eingeleitet; eine amtswegige Verfahrenseinleitung ist ausgeschlossen. Die Erlassung eines „antragsbedürftigen“ Verwaltungsaktes ohne entsprechendes Anbringen belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Dies gilt – wie bereits dargelegt – auch dann, wenn ein dem Verfahren zugrundeliegendes Anbringen während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zurückgezogen wird. Ein Abspruch in der Sache ist daher dem Landesverwaltungsgericht vorliegend verwehrt; vielmehr ist der Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Lechner

(Richterin)

Schlagworte

Zurückziehung verfahrensleitender Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.38.0595.29

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten