TE Vwgh Beschluss 1996/2/23 94/17/0170

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Veröffentlicht am 23.02.1996
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Index

L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §295;
LAO NÖ 1977 §218;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Februar 1994, Zl. R/1-V-94010/00, betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Traiskirchen), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandlos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. Jänner 1993 wurde das im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück Baufläche 316, EZ 571, KG M, rückwirkend per 27. Juli 1990 zum Bauplatz erklärt, ohne daß ein hiefür nach § 12 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 8200-0 (im folgenden NÖ BauO 1976), in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6, erforderlicher Antrag des Eigentümers vorlag. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 7. Mai 1993 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976, in der Fassung LGBl. 8200-6, aufgrund der erwähnten Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von S 90.134,-- vorgeschrieben. Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 23. November 1993 keine Folge gegeben.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte aus, der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. Jänner 1993 sei - mangels Antragstellung durch den Grundeigentümer - mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde belastet. Nichtsdestotrotz sei er in Rechtskraft erwachsen und gehöre bis zu seiner allfälligen Beseitigung dem Rechtsbestand an. Da - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde - eine Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz gemäß § 12 NÖ BauO 1976 vorgelegen sei, sei die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe aus dem Grunde des § 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 - formell betrachtet - zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 28. März 1994 (Datum des Einlangens) Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde.

Mit Bescheid vom 6. Juni 1994 hob die Bezirkshauptmannschaft Baden den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. Jänner 1993 gemäß § 93 Abs. 1 lit. a der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 1000-0, in der Fassung LGBl. 1000-7, auf.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1994 hob der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde in Anwendung des § 218 NÖ AO 1977 den von ihm am 7. Mai 1993 in erster Instanz erlassenen Abgabenbescheid, mit welchem dem Beschwerdeführer aus Anlaß der Erklärung des in Rede stehenden Grundstückes zum Bauplatz eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von S 90.134,-- vorgeschrieben worden war, auf. Gemäß § 218 Abs. 3 NÖ AO 1977 seien Abgabenbescheide ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen oder diese Bescheide nicht hätten ergehen dürfen, wäre bei Erlassung eines der vorgenannten Bescheide ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Im Hinblick auf die Aufhebung des Bescheides vom 27. Jänner 1993 durch die Bezirkshauptmannschaft Baden sei aufgrund der oben zitierten Gesetzesstelle auch der von diesem Bescheid abgeleitete Abgabenbescheid aufzuheben gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verwaltungsgerichtshof eingetreten ist (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10.092/A). Eine derartige formelle Aufhebung ist in Ansehung des hier angefochtenen Vorstellungsbescheides nicht erfolgt.

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080 = ZfVB 1986/2/749, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189 = ZfVB 1990/3/1282, und vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006 = ZfVB 1992/6/2166).

Ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung über seine Beschwerde gegen den angefochtenen Vorstellungsbescheid hätte der Beschwerdeführer dann nicht mehr, wenn der mit Vorstellung angefochtene Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wäre. Die belangte Behörde vertritt in ihrer am 10. Jänner 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Stellungnahme unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1992, Zl. 90/17/0188, die Auffassung, daß dieser Berufungsbescheid deshalb nach wie vor dem Rechtsbestand angehöre, weil der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit dem Bescheid vom 28. Juni 1994 lediglich den erstinstanzlichen Abgabenbescheid vom 7. Mai 1993, nicht aber den Berufungsbescheid aufgehoben habe.

Damit verkennt die belangte Behörde aber die aus § 218 NÖ AO 1977 abgeleiteten spezifischen Rechtswirkungen eines auf diese Bestimmung gegründeten Bescheides. Ein gemäß dieser Bestimmung geänderter oder sonst später erlassener Bescheid tritt insgesamt und zur Gänze an die Stelle des früheren Bescheides. War - wie hier - die Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz bereits ergangen, als es zur Aufhebung des Bescheides nach § 218 NÖ AO 1977 durch die

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hiefür zuständige - Abgabenbehörde erster Instanz gekommen ist, wurde also in Wahrheit der von der Abgabenbehörde zweiter Instanz erlassene Sachbescheid im Verfahren nach § 218 NÖ AO 1977 nachträglich von der Behörde erster Stufe aufgehoben, so verliert auch die Berufungsentscheidung ihre Wirkung (vgl. zur gleichlautenden Bestimmung des § 295 BAO Stoll BAO III 2860, 2863, dessen Ausführungen über die Änderung einer Abgabenvorschreibung gemäß § 295 BAO auch auf Fälle deren gänzlicher Beseitigung durch Aufhebung des Abgabenbescheides gemäß § 218 NÖ AO 1977 anwendbar sind, zumal - anders als im Wiederaufnahmeverfahren - die Aufhebung des Bescheides gemäß § 218 NÖ AO 1977 eine neuerliche Sachentscheidung ausschließt).

Aus diesem Grund steht der hg. Beschluß vom heutigen Tage, Zl. 95/17/0026, dieser Entscheidung ebensowenig entgegen, wie das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Erkenntnis vom 16. Oktober 1992, Zl. 90/17/0188, das eine rechtsgrundlose

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und nicht auf § 218 NÖ AO 1977 - gestützte Aufhebung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides zum Gegenstand hatte.

Im Hinblick auf die Gegenstandslosigkeit auch des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgrund des Bescheides ihres Bürgermeisters vom 28. Juni 1994 besteht für den Beschwerdeführer an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorstellungsentscheidung lediglich akademisches Interesse, weshalb die Beschwerde als gegenstandlos zu erklären und das Verfahren einzustellen war.

Da eine formelle Klaglosstellung im Sinne des § 56, erster Satz VwGG nicht erfolgte, war kein Kostenersatz zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994170170.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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