TE Vwgh Beschluss 2022/10/24 Ra 2022/02/0194

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Veröffentlicht am 24.10.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des L in A, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 9. August 2022, 405-4/4712/1/5-2022, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. März 2022 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe am Tatort zur Tatzeit mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die in diesem Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 58 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch § 52 lit. a Z 10a StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 24/2020, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2e StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 24/2020 eine Geldstrafe in der Höhe von € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 198 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 60,-- festgesetzt wurden.

2        2.1. Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern Folge, als es die verhängte Geldstrafe auf € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 148 Stunden) herabsetzte, keine Kosten für das Beschwerdeverfahren festsetzte sowie aussprach, dass der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens nunmehr € 50,-- betrage sowie, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        2.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe ein näher bestimmtes Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt. Dabei habe er die in diesem Bereich außerhalb des Ortsgebietes durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h nach Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz um 58 km/h überschritten. Die Geschwindigkeit sei mit einer näher bezeichneten geeichten mobilen Radarmessgerät von einem Polizeibeamten festgestellt worden. Die Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h sei von der belangten Behörde mit Verordnung zwischen Strkm. 6,3 und Strkm. 12,0 in beiden Fahrtrichtungen verordnet und durch Aufstellung von der Verordnung entsprechenden Straßenverkehrszeichen am Beginn und Ende dieses Bereiches gesetzeskonform kundgemacht worden. Die auf die Länge der Geschwindigkeitsbeschränkung hinweisende Zusatztafel sei am Verkehrszeichen, das den Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung kundmache, unbestritten angebracht. Auch die Aufstellung von Wiederholungstafeln mit den entsprechenden Zusatztafeln sei unbestritten erfolgt.

4        2.3. Das Verwaltungsgericht erläuterte seine Beweiswürdigung, wobei es u.a. ausführte, die Aufstellung der die Geschwindigkeitsbeschränkung kundmachenden Verkehrszeichen sei durch Beamte der Polizeiinspektion Hallein vor Ort überprüft worden und auch im Straßeninformationssystem nachvollziehbar dokumentiert. Im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen begründete das Verwaltungsgericht u.a., dass es von einem Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof absehe, weil die Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer kurvenreichen und unübersichtlichen Straße verordnet sei, auf welcher zahlreiche schwere Verkehrsunfälle durch überhöhte Geschwindigkeit dokumentiert und amtsbekannt seien; Kundmachungsmängel lägen nicht vor, weil die Verordnung durch Aufstellung der Verkehrszeichen bei Strkm. 6,3 und Strkm. 12,0 entsprechend kundgemacht sei. Auch die Zusatztafeln und Wiederholungszeichen seien gesetzeskonform angebracht. Der Revisionswerber habe daher den objektiven Tatbestand der angelasteten Übertretung verwirklicht. Es sei ihm grobe Fahrlässigkeit anzulasten, weil ihm das Verkehrszeichen und auch die Wiederholungszeichen hätten auffallen müssen. Weiters führte das Verwaltungsgericht zur Strafbemessung aus, der Unrechtsgehalt der Geschwindigkeitsüberschreitung sei beträchtlich, zumal Geschwindigkeitsüberschreitungen immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen führten. In Ansehung des § 32 Abs. 3 StGB, wonach die Strafe umso strenger zu bemessen sei, je größer die Gefährdung sei, die der Täter verschuldet habe, sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber die Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer kurvenreichen und unübersichtlichen Strecke begangen habe, auf welcher zahlreiche schwere Verkehrsunfälle dokumentiert seien. Es seien durchschnittliche Einkommensverhältnisse heranzuziehen. Strafmildernd sei die Unbescholtenheit, erschwerend sei nichts. Aufgrund der von der Behörde nicht berücksichtigten Unbescholtenheit sei die Strafe zu reduzieren gewesen. Aufgrund des beträchtlichen Unrechtsgehaltes aufgrund der massiven Beeinträchtigung des Schutzinteresses der Verkehrssicherheit komme die Verhängung der Mindeststrafe nicht in Betracht, wobei das Verwaltungsgericht nicht übersehe, dass die Überschreitung von mehr als 40 km/h bereits vom Gesetzgeber bei der Festlegung des Strafsatzes berücksichtigt worden sei. Eine weitere Strafreduktion komme aus spezial- und generalpräventiven Überlegungen nicht in Betracht; die Strafe sei ohnehin im unteren Bereich bemessen.

5        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Die Revision erweist sich als unzulässig:

7        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       4.2.1. Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe eine unvertretbare Strafbemessung durchgeführt; dies deshalb, weil es gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen habe, indem es im Rahmen seiner Strafbemessung ausgeführt habe, dass die Übertretung auf einer kurvenreichen und unübersichtlichen Straße begangen worden sei; dies sei aber bereits der Grund für die Beschränkung der Geschwindigkeit von 100 km/h auf 60 km/h mittels Verordnung gewesen, weshalb diese Begründung nicht nochmals zur Begründung der Angemessenheit der Strafhöhe herangezogen werden könne.

11       Gemäß der Judikatur zum Doppelverwertungsverbot dürfen Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat die mit einer erhöhten Geschwindigkeitsüberschreitung einhergehenden Umstände bereits durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet (vgl. VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0011, mwN).

12       Es trifft zwar zu, dass das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung bereits für den anzuwendenden Strafsatz relevant war, jedoch stellte das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Strafbemessung nicht auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung ab. Das konkrete Ausmaß der Überschreitung wurde vom Verwaltungsgericht weder als erschwerend herangezogen noch setzte es sich mit diesem wertend auseinander. Vielmehr berücksichtigte es die Tatsache, dass die Übertretung auf einer kurvenreichen und unfallgeneigten Strecke gesetzt wurde. Dieser Umstand ist jedoch nicht Tatbestandselement des § 99 Abs. 2e StVO, sodass das Abstellen auf diesen Umstand im Rahmen der Strafbemessung keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot zu begründen vermag.

13       4.2.2. Darüber hinaus macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision im Umfang der Strafbemessung geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Unbescholtenheit im Rahmen der Spezialprävention nicht berücksichtigt; ein Unbescholtener habe seine positive Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten unter Beweis gestellt, sodass die Spezialprävention als Strafzumessungsgrund nur dann in Betracht komme, wenn sich dies mit dem Hinweis auf gleichartige Vorstrafen hinreichend begründen lasse, was etwa bei zwei einschlägigen Vorstrafen der Fall sei. Auch generalpräventive Erwägungen sprächen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine weitere Strafreduktion, jedoch habe auch dieses Element bereits der Gesetzgeber bei der Schaffung des qualifizierten Straftatbestandes berücksichtigt. Spezial- und Generalprävention fänden sich im Übrigen nicht im Text des § 19 VStG. Überdies komme das Übersehen von Verkehrszeichen täglich vor und begründe für sich noch keine grobe Fahrlässigkeit; § 5 Abs. 1 VStG definiere die Grade der Fahrlässigkeit nicht, weshalb auf § 6 Abs. 3 StGB zurückgegriffen werden müsse. Die Annahme grober Fahrlässigkeit sei verfehlt, zu § 6 Abs. 3 StGB gebe es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

14       Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (VwGH 30.7.2018, Ra 2017/02/0140, mwN). Dies vorzubringen ist Aufgabe des jeweiligen Revisionswerbers.

15       Im Allgemeinen stellen einzelfallbezogene Abwägungen bei der Strafbemessung keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. beispielsweise VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0018, mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine falsche oder fehlende Feststellung über die Unbescholtenheit nicht mit Erfolg ins Treffen geführt werden, wenn die Strafe im Hinblick auf die Schwere der Übertretung angemessen ist und Gründe der Spezialprävention gegen eine Herabsetzung sprechen (vgl. VwGH 13.2.1991, 91/03/0014, mwN). Inwiefern die über den Revisionswerber verhängte Strafe, die sich ohnehin im unteren Bereich des bis € 2.180,-- reichenden Strafrahmens bewegt, weiter zu reduzieren wäre, stellt die Revision nicht dar, sodass die Revision nicht von der aufgezeigten Rechtsfrage abhängt (vgl. VwGH 30.9.2021, Ra 2021/02/0195; zur Berücksichtigung der Spezialprävention bei Geschwindigkeitsübertretungen, die einer Herabsetzung der Geldstrafe entgegensteht vgl. z.B. VwGH 18.9.1991, 91/03/0043).

16       Soweit der Revisionswerber rügt, dass § 19 VStG weder die General- noch die Spezialprävention als Strafbemessungskriterien enthalte und diese daher vom Verwaltungsgericht bei der Strafbemessung nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht nach der hg. Rechtsprechung in die Strafbemessung Überlegungen der Spezial- und Generalprävention einbeziehen darf (vgl. bereits u.a. VwGH 7.3.2016, Ra 2015/02/0225, mwN).

17       4.2.3. Soweit der Revisionswerber bestreitet, dass er die Übertretung grob fahrlässig begangen habe und fehlende Judikatur zu § 6 Abs. 3 StGB moniert, ist er darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Lösung von Rechtsfragen berufen ist und nicht dazu, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern (vgl. z.B. VwGH 19.5.2015, Ra 2015/16/0031, mwN). Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit bejaht hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 5.3.2015, Ra 2015/02/0027, mwN; zu § 6 Abs. 3 StGB vgl. im Übrigen VwGH 5.1.2021, Ra 2020/10/0028, mwN).

18       4.2.4. Sofern in der Revision weiters ein Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG geltend gemacht wird, weil das Verwaltungsgericht den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses übernommen habe, ohne die verletzte Verwaltungsvorschrift des § 52 lit. a Z 10a StVO um die der Geschwindigkeitsbeschränkung zugrundeliegenden Verordnung zu ergänzen, genügt es, darauf hinzuweisen, dass bei der Verletzung einer durch Verordnung festgesetzten Geschwindigkeitsbeschränkung verletzte Verwaltungsvorschrift allein § 52 lit. a Z 10a StVO ist; der Nennung jener Verordnung, auf Grund deren das Verkehrszeichen angebracht worden ist, bedarf es im Spruch eines Straferkenntnisses nicht (vgl. jüngst VwGH 8.9.2022, Ra 2022/02/0132, mwN).

19       4.2.5. Zur Zulässigkeit der Revision wird auch vorgebracht, die Fassung der verletzten Norm sowie der Strafsanktionsnorm sei entgegen näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtswidrigerweise von der belangten Behörde falsch angegeben, und vom Verwaltungsgericht nicht korrigiert worden. Bestimmte, vom Revisionswerber näher bezeichnete Fassungen der StVO seien im vorliegenden Fall anzuwenden gewesen. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes habe die Strafbestimmung des § 99 Abs. 2e StVO bereits in der Fassung BGBl. I Nr. 154/2021 mit einem wesentlich geänderten Strafrahmen gegolten, weshalb die Fassung zu korrigieren gewesen wäre.

20       Der Spruch des behördlichen Straferkenntnisses enthält jeweils Fundstellen sowohl der verletzten Verwaltungsvorschrift als auch der Strafsanktionsnorm, wobei der Revisionswerber moniert, dass die angeführten Bestimmungen jeweils nicht durch die zitierten Novellen geändert worden seien.

21       Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch von der Rechtsansicht, wonach im Spruch des Straferkenntnisses jedenfalls die Fundstelle jener Novelle anzugeben ist, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat, in einem verstärkten Senat gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG abgegangen (VwGH 27.6.2022, Ra 2021/03/0328).

22       Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nunmehr, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG).

23       Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters Folgendes erkannt:

„Sofern nicht aus besonderen Gründen - etwa aufgrund gestaffeltem, verzögertem oder später geändertem Inkrafttreten - für den Rechtsanwender Unsicherheit über die angewendete Fassung bestehen kann, liegt eine Verletzung der Anforderungen des § 44a Z 2 und 3 VStG daher jedenfalls nicht vor, wenn die angewendete Rechtsvorschrift in ihrer Gesamtheit mit der zuletzt (vor dem Tatzeitpunkt) erfolgten Novellierung zitiert wird, oder wenn die zuletzt vor dem Tatzeitpunkt erfolgte Novellierung bezogen auf einzelne Paragraphen oder Artikel der Rechtsvorschrift zitiert wird, ohne dass mit den zitierten Änderungen zwingend auch die jeweils konkret anzuwendende Untergliederung der Rechtsvorschrift geändert wurde. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber dann keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte.“

24       Letzteres liegt im vorliegenden Fall jedenfalls vor: Da § 52 Z 10a StVO zuletzt mit BGBl. Nr. 518/1994 novelliert wurde, ist nicht ersichtlich, dass die herangezogene Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise für den Revisionswerber zweifelhaft gewesen sein könnte. Solches hat er - anwaltlich vertreten - auch nie vorgebracht. Es ist aus dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht ersichtlich, dass es zu einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten gekommen ist und die Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt worden wäre.

25       Auch das Vorbringen, die Strafsanktionsnorm sei zweifelhaft und mit BGBl. I Nr. 154/2021 geändert worden vermag solches nicht aufzuzeigen: Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Tat geltenden Recht (7. August 2020), es sei denn das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung wäre für den Täter günstiger. Da mit BGBl. I Nr. 154/2021 der Strafrahmen für die vom Revisionswerber gesetzte Übertretung beträchtlich erhöht wurde, ist nicht ersichtlich, inwieweit der Revisionswerber durch die Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift in einer früheren Fassung in Rechten verletzt sein könnte.

26       Mit dem Vorbringen des Revisionswerbers wird daher nach der neuen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

27       4.2.6. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es läge ein Verstoß gegen die Begründungspflicht bzw. sekundäre Feststellungsmängel vor, weil er bereits im Verwaltungsstrafverfahren unter Bezugnahme auf den aktenkundigen Verkehrszeichenkataster vorgebracht habe, dass die Aufstellung des Beginnes der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h nicht im Sinne der Verordnung bei Strkm. 6,3 sondern vielmehr schon bei Strkm. 6,274 erfolgt sei, was eine „Differenz von 24 Metern“ und somit einen Kundmachungsmangel bewirke. Darauf gehe das Verwaltungsgericht nicht ein und stelle dazu nichts fest. Es könne nicht festgestellt werden, ob im Übertretungszeitpunkt eine ordnungsgemäß kundgemachte Verordnung vorgelegen sei, falls das Verkehrszeichen nach 1994 versetzt worden sei. Dies stelle einen Begründungsmangel dar, der wesentlich sei, weil das Verwaltungsgericht bei entsprechenden Feststellungen einen Verordnungsprüfungsantrag hätte stellen müssen.

28       Dazu ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht aufgrund eines durchgeführten Beweisverfahrens festgestellt hat, dass sich die Verkehrszeichen bei Strkm. 6,3 und Strkm. 12,0 befinden. Mit seinem Vorbringen entfernt sich der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt. Das Verwaltungsgericht begründet auch näher, warum es von einem Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof abgesehen hat. Ein Begründungsmangel ist daher nicht ersichtlich, sodass sich in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt.

29       4.2.7. Zuletzt bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht begründe weder in der mündlichen Verhandlung noch im schriftlichen Erkenntnis, warum die mündliche Verkündung nach Schluss der Verhandlung unterblieben sei; dies sei von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.

30       Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG nach Möglichkeit sofort (nach Schluss der Verhandlung) zu beschließen und zu verkünden.

31       Kann das Erkenntnis nicht sogleich im Anschluss an die Verhandlung verkündet werden, insbesondere wenn komplexe Rechtsfragen zu klären sind oder erst in der Verhandlung neue Beweismittel vorgelegt wurden, die das Verwaltungsgericht noch prüfen/werten muss, entfällt die Verkündung (arg. „nach Möglichkeit“). In diesem Fall ergeht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur schriftlich (vgl. VwGH 12.11.2020, Ra 2020/15/0068; 17.4.2020, Ra 2020/04/0029). Es kommt nach hg. Rechtsprechung somit stets darauf an, ob im Einzelfall - etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage - eine sofortige Verkündung möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 29.10.2020, Ra 2020/11/0039, mwN).

32       Das Verwaltungsgericht hat ein Absehen von der mündlichen Verkündung zu begründen. Eine solche Begründung im Einzelfall ist, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt, nicht revisibel (vgl. VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0182, mwN).

33       Entgegen den Ausführungen in der Revision ist im Verhandlungsprotokoll der explizite Hinweis enthalten, dass der Verhandlungsleiter erkläre, dass die Verkündung der Entscheidung im Anschluss an die mündliche Verhandlung nicht möglich sei, weil die Entscheidung nicht sofort gefasst werden könne.

34       In Hinblick auf den Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes im Einzelfall stellt sich somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

35       4.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020194.L00

Im RIS seit

16.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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