TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/27 94/08/0244

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Veröffentlicht am 27.02.1996
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §144;
AlVG 1977 §53 Abs1;
SHG NÖ 1974;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. September 1994, Zl. IVb/7022/7100B 920/1679 270836, betreffend Familienzuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 27. Februar 1994 teilte der Beschwerdeführer dem Arbeitsamt Versicherungsdienste mit, daß aus dem Auszahlungsbeleg hervorgehe, daß ohne Antragstellung ihm für Jänner 1994 S 710,-- an Familienzuschlag für irgendjemand abgezweigt worden sei. Gleichzeitig stellte er den Antrag, einen zusätzlichen Bescheid über diesen Sachverhalt auszustellen.

Das Arbeitsamt Versicherungsdienste sprach daraufhin mit Bescheid vom 24. Mai 1994 aus, daß gemäß § 20 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 AlVG der Familienzuschlag für S an die Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung auszuzahlen sei. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber S bestehe. Dieser sei trotz Erreichens der Volljährigkeit aufgrund seiner Behinderung nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer komme seiner Unterhaltspflicht nicht nach und S lebe nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer. Der Familienzuschlag für S sei daher an die Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung, in deren Obhut sich S befinde, zu überweisen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er führte aus, daß nach "Großjährigkeit" ein Sachwalter S zu vertreten habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. Sie führte nach Zitierung der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, daß der Sohn des Beschwerdeführers S trotz Erreichens der Volljährigkeit aufgrund seiner schweren Behinderung weiterhin im Kinderheim der Schulschwestern in Loosdorf bleibe. Es sei für ihn ein Sachwalter bestellt worden. Der Beschwerdeführer als Kindesvater sei weiterhin unterhaltspflichtig. Da er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme, habe die Bezirkshauptmannschaft Baden die Abzweigung des Familienzuschlages beantragt. Gemäß § 53 Abs. 2 AlVG erfolge die Abzweigung an die Bezirkshauptmannschaft Baden zu Recht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, daß dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden könne, aufgrund welcher Beweismittel die belangte Behörde zur Feststellung gelangt sei, daß er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkäme und daß überhaupt eine Unterhaltspflicht aufgrund seiner Lebensumstände bestehe.

Diese Rüge kann die Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg führen, weil der Beschwerdeführer die wesentliche Sachverhaltsfeststellung, daß er seiner Unterhaltpflicht nicht nachkomme, im Verwaltungsverfahren nicht bestritten hat. Unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG fallen nämlich auch Rechtsausführungen, wenn deren Richtigkeit nur aufgrund von Feststellungen überprüft werden kann, die im Verwaltungsverfahren deswegen unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer in diesem Verfahren untätig geblieben ist (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S 553).

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, daß der Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung die Obsorge hinsichtlich S nicht zukomme. Diese Behörde sei auch nicht Sachwalter seines Sohnes. Die Bezirkshauptmannschaft Baden sei nach ihrem eigenen Schreiben im Hinblick auf die Großjährigkeit des S nicht mehr zuständig. Die Befugnisse und Verpflichtungen hinsichtlich S stünden ausschließlich dem Kinderheim der Schulschwestern bzw. deren Schwester H als Sachwalterin zu.

Nach dem Ausweis des zum hg. Verfahren Zl. 94/08/0053 vorgelegten Verwaltungsaktes ergibt sich, daß sich S aufgrund seiner schweren Behinderung seit 6. Dezember 1974 auf Kosten der öffentlichen Sozialhilfe in Anstaltspflege befindet. Auch nach Erreichung der Volljährigkeit verblieb er weiterhin im Kinderheim der Schulschwestern in L. Mit dem (offenbar vom Beschwerdeführer angesprochenen) Schreiben vom 16. September 1993 ersuchte daher die Bezirkshauptmannschaft Baden das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien, ab sofort alle Abzüge von den Bezügen des Beschwerdeführers an die "Bezirkshauptmannschaft Baden, Sozialabteilung" zu überweisen.

Daraus ergibt sich, daß S vom Land Niederöstereich Sozialhilfe durch Gewährung des Lebensunterhaltes in einem geeigneten Heim erhält. Die Bezirkshauptmannschaft Baden ist die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde für die Regulierung der Ansprüche des S nach dem Nö Sozialhilfegesetz. Gemäß § 53 Abs. 1 AlVG kann unter bestimmten Voraussetzungen das Arbeitsamt anordnen, daß ein angemessener Teil des Arbeitslosengeldes dem zuschlagsberechtigten Angehörigen oder der Person, Anstalt oder Behörde ausgezahlt wird, in deren Obhut sich die zuschlagsberechtige Person befindet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es hiebei nicht darauf an, ob der genannten Person, Anstalt oder Behörde auch die Obsorge im Sinne des § 144 ABGB zukommt. Der in der genannten Gesetzesstelle verwendete Begriff der Obhut hat nicht den Inhalt der in § 144 ABGB umschriebenen Obsorge. Ob die Auszahlung des Familienzuschlages gemäß § 53 Abs. 1 AlVG an das Land Niederösterreich als Träger der Sozialhilfe oder an die Sozialhilfebehörde (hier Bezirkshauptmannschaft Baden) erfolgt, führt zu keiner Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers.

Soweit die Beschwerde rügt, daß dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, für welchen Zeitraum die "Abzweigung des Familienzuschusses" zugunsten der Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung überhaupt vorgenommen werden solle, ist sie im Recht:

Der Beschwerdeführer begehrte zwar den bescheidmäßigen Abspruch dahingehend, an wen für Jänner 1994 der Familienzuschlag ausbezahlt worden sei. Der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe sprach aber lediglich aus, daß der Familienzuschlag an die Bezirkshauptmannschaft Baden auszuzahlen sei. Ein Zeitraum, auf den sich dieser (seiner Natur nach zeitraumbezogene) Spruch tatsächlich bezieht, kann weder dem Spruch noch der Begründung des Bescheides (sowohl erster Rechtsstufe als auch der Berufungsbehörde) entnommen werden. Gemäß § 53 Abs. 1 AlVG kann das Arbeitsamt anordnen, daß ein angemessener Teil des Arbeitslosengeldes einem anderen als dem Arbeitslosen ausgezahlt werden, SOLANGE die übrigen in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen vorliegen. Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weder auf den zugrundeliegenden Antrag des Beschwerdeführers Bezug nahm, noch sonst in irgendeiner Weise den Zeitraum nannte, in dem die Auszahlung eines Teiles des Arbeitslosengeldes - hier des Familienzuschlages - an einen anderen als den Arbeitslosen zu erfolgen habe, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994080244.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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